Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.07.2018, Az. I R 75/16

1. Senat | REWIS RS 2018, 5553

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit bei gesetzlicher Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H.


Leitsatz

1. Das pauschale Betriebsausgaben-Abzugsverbot des § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verstößt gegen die unionsrechtliche Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) und bleibt deswegen auch bei Drittstaatenbeteiligungen unanwendbar .

2. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verlangt --i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 3 DBA-Indien 1995 als maßgebende Bezugsnorm-- eine unmittelbare Beteiligung an einer in Indien ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile und damit eine Mindestbeteiligung, welche bei typisierender Betrachtung nicht geeignet ist, nach der Spruchpraxis des EuGH "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft zu ermöglichen" (entgegen Senatsurteile vom 6. März 2013 I R 10/11, BFHE 241, 157, BStBl II 2013, 707, und vom 29. August 2012 I R 7/12, BFHE 239, 45, BStBl II 2013, 89) .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. September 2016  7 K 1118/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über den Ansatz von nicht abziehbaren Betriebsausgaben gemäß § 8b Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 i.d.[X.] von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999 --StBereinG 1999--) vom 22. Dezember 1999 ([X.], 2601, [X.], 13) --[X.] 1999 n.F.--.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober 2000 bis 30. September 2001, war im Jahr 2001 (Streitjahr) zu 25,17 v.H. an der [X.][X.], einer [X.] Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der Republik [X.] ([X.]), beteiligt. Im Streitjahr erzielte sie aus dieser Beteiligung eine [X.] in Höhe von ... DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) nahm die Dividende nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 10 des Abkommens zwischen der [X.] und der Republik [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 19. Juni 1995 ([X.] 1996, 707, [X.], 600) --DBA-[X.] 1995-- von der Bemessungsgrundlage der [X.] Steuer aus, berücksichtigte jedoch nach § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.F. 5 v.H. der [X.] --und somit ... [X.] als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Die Körperschaftsteuer für 2001 wurde mit im [X.] an eine Außenprüfung nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geändertem Körperschaftsteuerbescheid vom 29. Mai 2006 auf 0 € festgesetzt. Weitere Änderungen des Bescheids --zuletzt mit Änderungsbescheid vom 10. Juli 2014-- sind für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung. Ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2001 wurde mit Bescheid vom 10. Juli 2014 in Höhe von ... DM gesondert festgestellt.

3

Den Einspruch gegen den Bescheid vom 29. Mai 2006 wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2016 zurück. Die Klage hatte Erfolg (Finanzgericht --[X.]-- München, Urteil vom 19. September 2016  7 K 1118/16, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2016, 1991). Das [X.] änderte den Körperschaftsteuerbescheid 2001 dahingehend ab, dass das zu versteuernde Einkommen, der steuerliche Verlust und das Einkommen i.S. des § 47 Abs. 2 Nr. 3 [X.] jeweils auf ... DM festgestellt werden.

4

Gegen das Urteil richtet sich die Revision des [X.]. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
1. die Revision des [X.] zurückzuweisen,
2. hilfsweise das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) auszusetzen, bis der [X.] --früher: [X.] ([X.]) über die Vorlage des [X.] Münster vom 20. September 2016 (9 K 3911/13 F) entschieden hat.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

7

1. Das [X.] ist zutreffend von der Steuerfreistellung gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 [X.] 1999 n.[X.] der an die Klägerin ausgeschütteten Dividenden ausgegangen.

8

a) Zu Recht hat das [X.] angenommen, dass § 8b [X.] 1999 n.[X.] im Streitjahr anzuwenden ist. Nach § 34 Abs. 1a [X.] i.d.[X.] und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz --StSenkG--) vom 23. Okto[X.] 2000 ([X.], 1433, [X.], 1428) ist das Körperschaftsteuergesetz i.d.[X.] des [X.] bei vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren erstmals für den Veranlagungszeitraum 2002 anzuwenden, wenn das erste im Veranlagungszeitraum 2001 endende Wirtschaftsjahr vor dem 1. Januar 2001 beginnt. Das erste im Veranlagungszeitraum 2001 endende Wirtschaftsjahr der Klägerin begann [X.]eits am 1. Okto[X.] 2000, so dass für die Klägerin im Streitjahr (2001) weiterhin das Körperschaftsteuergesetz i.d.[X.] des Steuer[X.]einigungsgesetzes 1999 anzuwenden ist.

9

b) Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 [X.] 1999 n.[X.] bleiben Dividenden i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997), die eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] 1999 n.[X.] von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft erhält, bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz, soweit dafür der Teilbetrag i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] 1999 a.[X.] als verwendet gilt. Die Verwendung des Teilbetrages muss durch eine Steuerbescheinigung nach § 44 oder § 45 [X.] 1999 n.[X.] nachgewiesen werden (§ 8b Abs. 1 Satz 2 [X.] 1999 n.[X.]). Teilbeträge i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] 1999 a.[X.] --das sog. EK 01-- sind [X.], die der Körperschaftsteuer nicht unterliegen und hierbei Eigenkapitalteile, die in nach dem 31. Dezem[X.] 1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren aus ausländischen Einkünften entstanden sind, sowie die nach § 8b Abs. 1 [X.] 1999 n.[X.] bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Beträge. Es handelt sich sonach um steuerfreie ausländische Einkünfte, deren steuerfreie Weiterausschüttung durch § 8b [X.] 1999 n.[X.] ermöglicht wird.

c) Einkünfte aus Dividenden sind nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 3 [X.]. Art. 10 Abs. 3 DBA-[X.] 1995 aus der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer auszunehmen, soweit es sich hierbei um nach dem Recht [X.] steuerpflichtige Gewinnausschüttungen auf Anteile an Kapitalgesellschaften handelt, die von einer in [X.] ansässigen Gesellschaft an eine in der [X.] ansässige Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 v.H. unmittelbar der [X.] gehört. Das korrespondiert, was die Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H. anbelangt, mit § 8b Abs. 5 [X.] 1999 n.[X.], wonach die abkommensrechtliche Steuerbefreiung für Gewinnanteile, die von einer ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden, ungeachtet der im Abkommen vereinbarten Mindestbeteiligung auch dann gilt, wenn die Beteiligung mindestens ein Zehntel beträgt.

d) Die Voraussetzungen des hiernach gewährten sog. Schachtelprivilegs sind für die im Streitjahr von der [X.][X.] an die Klägerin ausgeschütteten Beträge erfüllt. Insbesondere ist die Ausschüttung in [X.] nach Art. 10 Abs. 2 DBA-[X.] 1995 steuerpflichtig und die Klägerin hält mit 25,17 v.H. unmittelbar mindestens 10 v.H. der Anteile an der [X.][X.] als einer in [X.] ansässigen Gesellschaft. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

2. Im Ergebnis ebenfalls zutreffend hat das [X.] davon abgesehen, 5 v.H. der vereinnahmten Dividende der [X.][X.] nach § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] als fiktive nichtabzugsfähige Betriebsausgaben anzusetzen.

a) Von den Dividenden aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, die (u.a.) nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder nach § 8b Abs. 5 [X.] 1999 n.[X.] von der Körperschaftsteuer befreit sind, gelten nach § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] 5 v.H. als Betriebsausgaben, die mit den Dividenden in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Daraus folgt nach Auffassung der Verwaltung (vgl. Schreiben des [X.] --BMF-- vom 10. Januar 2000, [X.], 71), dass der hieraus zu errechnende Betrag gemäß § 3c EStG 1997 ([X.]. § 8 Abs. 1 [X.] 1999 a.[X.]) nicht abgezogen werden darf; die Fiktion ist danach nicht davon abhängig, ob und in welcher Höhe der O[X.]gesellschaft tatsächlich Betriebsausgaben entstanden sind (ebenso z.B. [X.], Internationales Steuerrecht --[X.]-- 1999, 365; [X.]/Wiesch, Betriebs-Berater --BB-- 1999, 2325). Die Gegenmeinung vermisst, um diese Rechtswirkung eines Abzugsverbots auslösen zu können, die ausdrückliche tatbestandliche Bezugnahme auf § 3c EStG 1997 und den darin angeordneten Abzugsausschluss für die betreffenden Betriebsausgaben, wie sie noch in der vorherigen Fassung des § 8b Abs. 7 [X.] 1999 a.[X.] enthalten war; mittels des bloßen Hinweises auf den "unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang" mit den betreffenden steuerfreien Einnahmen lasse sich dieses Manko nicht substituieren (z.B. Scheipers, [X.] --DStR-- 2000, 89, 92 unter Bezugnahme auf [X.]/[X.], [X.] 1999, 257). Dem ist indes nicht zu folgen. Bei verständiger Auslegung ist die [X.] in § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] in den Kontext zu § 3c EStG 1997 zu stellen; beide Vorschriften sind deshalb im Zusammenhang zu lesen. Es genügt die gesetzliche Festlegung, dass die mit 5 v.H. quantifizierten fiktiven Betriebsausgaben solche sind, die "in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang" mit den steuerfreien Einnahmen stehen; sowohl Rechtsvoraussetzung als auch Rechtsfolge von § 3c EStG 1997 werden damit tatbestandlich mit hinreichender Deutlichkeit aufgegriffen (so [X.]eits Senatsurteil vom 29. August 2012 I R 7/12, [X.], 45, [X.], 89).

b) Die vorgenannte Fiktion und das daraus abzuleitende Abzugsverbot sind jedoch auf den im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt nicht anzuwenden. Die Fiktion ebenso wie die Nichtabziehbarkeit von Betriebsausgaben gemäß § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] verstoßen im Zusammenwirken gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 des [X.] [X.] i.d.[X.] des [X.] zur Änderung des Vertrags ü[X.] die [X.], der Verträge zur Gründung der [X.]en sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte --[X.]-- (Amtsblatt der [X.]en --[X.]-- 1997, Nr. [X.] 340, 1), jetzt Art. 63 des Vertrags ü[X.] die Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.] des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags ü[X.] die [X.] und des [X.] [X.] --A[X.]V-- (Amtsblatt der [X.] --ABl[X.]-- 2008, Nr. [X.] 115, 47), und damit gegen primäres Gemeinschaftsrecht.

aa) Die Regelung des § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] ist am Maßstab des Primärrechts, insbesondere also auch an den Grundfreiheiten, zu messen.

Dies wäre allenfalls dann zu verneinen, wenn die Regelung zu einem Bereich gehören würde, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert worden ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wäre sie in einem solchen Fall nicht anhand der Bestimmungen des Primärrechts zu beurteilen, sondern nur anhand der Harmonisierungsmaßnahme ([X.]-Urteile [X.] vom 20. Dezem[X.] 2017 [X.]-504/16 und [X.]-613/16, [X.]:[X.]:2017:1009, [X.], 319; [X.] und [X.] vom 7. Septem[X.] 2017 [X.]-6/16, [X.]:[X.]:2017:641, [X.] --[X.]-- 2018, 175; [X.] vom 8. März 2017 [X.]-14/16, [X.]:[X.]:2017:177, [X.] 2017, 409; [X.] vom 12. Novem[X.] 2015 [X.]-198/14, [X.]:[X.]:2015:751, ABl[X.] 2016, Nr. [X.] 16, 8; jeweils m.w.N.).

Die Regelung des § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] [X.]uht auf der Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 ü[X.] das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten --Mutter/Tochter-Richtlinie-- ([X.] 1990, Nr. L 225, 6, [X.]. [X.] 1990, Nr. L 266, 20). Daher ist es erforderlich zu bestimmen, ob durch Art. 4 Abs. 2 der Mutter/Tochter-Richtlinie eine solche Harmonisierung bewirkt worden ist.

Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung des [X.] zu verneinen, da Art. 4 Abs. 2 der Mutter/Tochter-Richtlinie [X.]eits nach seinem Wortlaut den Mitgliedstaaten "nur eine Möglichkeit" einräumt, die nicht abzusetzenden Verwaltungskosten pauschal mit bis zu 5 v.H. anzusetzen. Es steht somit im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob und in welchem Umfang --von 0 v.H. bis zu 5 v.H.-- die nicht abzusetzenden Verwaltungskosten pauschal angesetzt werden. Wie der [X.] ferner [X.]eits entschieden hat, dürfen die Mitgliedstaaten von den --durch Art. 4 Abs. 2 der Mutter/Tochter-Richtlinie gegebenen-- Möglichkeiten, die ihnen die Richtlinie einräumt, nur unter Beachtung der grundlegenden Bestimmungen des Vertrags Gebrauch machen und sind insbesondere an die Grundfreiheiten gebunden ([X.]-Urteile [X.] und [X.], [X.]:[X.]:2017:641, [X.] 2018, 175, Rz 17 f.; [X.], [X.]:[X.]:2017:177, [X.] 2017, 409, Rz 22 ff.; [X.] vom 2. Septem[X.] 2015 [X.]-386/14, [X.]:[X.]:2015:524, [X.], 1661, Rz 39; [X.] - [X.] Investissement vom 1. Okto[X.] 2009 [X.]-247/08, [X.]:[X.]:2009:600, [X.], 1949, Rz 53; Test [X.]laimants in [X.] vom 12. Dezem[X.] 2006 [X.]-446/04, [X.]:[X.]:2006:774, [X.], 173, Rz 46; [X.] vom 23. Februar 2006 [X.]-471/04, [X.]:[X.]:2006:143, [X.], 834, Rz 45; [X.] vom 18. Septem[X.] 2003 [X.]-168/01, [X.]:[X.]:2003:479, [X.], 13, Rz 26).

bb) Die Regelung des § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] fällt in den Anwendungs[X.]eich der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 [X.] (jetzt Art. 63 A[X.]V) und nicht in denjenigen der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 [X.] (jetzt Art. 49 A[X.]V).

Für die Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fällt, ist auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2017:1009, [X.], 319, Rz 77, m.w.N.). Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fällt in den Anwendungs[X.]eich von Art. 43 [X.] (jetzt Art. 49 A[X.]V) ü[X.] die Niederlassungsfreiheit. Hingegen sind nationale Regelungen ü[X.] Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2017:1009, [X.], 319, Rz 78, m.w.N.).

(1) Der Senat hat zu den Regelungen des § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] und § 8b Abs. 2 [X.] 1999 n.[X.] entschieden, dass eine unmittelbare Beteiligung an den stimm[X.]echtigten Anteilen einer Tochtergesellschaft von mindestens 10 v.H. bei der gebotenen typisierenden Betrachtung einen hinreichend "sicheren Einfluss" ermöglicht und damit vorrangig die Niederlassungsfreiheit anwendbar sei (Senatsurteile vom 6. März 2013 I R 10/11, [X.], 157, [X.], 707; in [X.], 45, [X.], 89). An dieser Rechtsprechung wird unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des [X.] nicht mehr festgehalten.

(2) Nach der Rechtsprechung des [X.] ermöglicht es eine Beteiligung von mindestens 10 v.H. zwar, diejenigen Investitionen vom Geltungs[X.]eich der [X.] auszuschließen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage getätigt werden, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll. Jedoch bewirkt eine solche Anteilsquote für sich allein nicht, dass die [X.] nur auf Beteiligungen anwendbar wäre, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen. Eine Beteiligung in dieser Höhe lässt nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass die Gesellschaft, die sie hält, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft ausübt ([X.]-Urteile X vom 10. Juni 2015 [X.]-686/13, [X.]:[X.]:2015:375, [X.], 1229, Rz 21; [X.] International vom 11. Septem[X.] 2014 [X.]-47/12, [X.]:[X.]:2014:2200, [X.] 2014, 1869, Rz 34 ff.; [X.] vom 3. Okto[X.] 2013 [X.]-282/12, [X.]:[X.]:2013:629, [X.] 2013, 871, Rz 22; ebenso keine "sichere Beteiligung": [X.]-Urteile [X.], [X.]:[X.]:2017:1009, [X.], 319, Rz 79 f. bei einer Mindestbeteiligung von 15 v.H.; [X.] und [X.], [X.]:[X.]:2017:641, [X.] 2018, 175, Rz 42 f. bei einer Mindestbeteiligung von 20 v.H.). Demgemäß ist die Regelung des § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] nicht nur auf Dividenden anwendbar, die eine gebietsansässige Gesellschaft auf Grundlage einer Beteiligung hält, die einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der ausschüttenden Gesellschaft verleiht und es ermöglicht, deren Tätigkeiten zu bestimmen, sondern auch auf Dividenden, die auf der Grundlage einer Beteiligung bezogen werden, die keinen solchen Einfluss verleiht.

(3) Im Hinblick auf Rechtsvorschriften, deren Gegenstand es nicht ermöglicht, zu bestimmen, ob sie vorwiegend unter Art. 43 [X.] (jetzt Art. 49 A[X.]V) oder unter Art. 56 [X.] (jetzt Art. 63 A[X.]V) fallen, ist nach der Rechtsprechung des [X.] zu differenzieren (grundlegend [X.]-Urteil Test [X.]laimants in [X.] vom 13. Novem[X.] 2012 [X.]-35/11, [X.]:[X.]:2012:707, [X.] 2012, 924, Rz 93 ff.). Handelt es sich um Dividenden mit Ursprung in einem Mitgliedstaat, sind die tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falles zu [X.]ücksichtigen, um zu klären, ob die zugrunde liegende Situation von Art. 43 [X.] (jetzt Art. 49 A[X.]V) oder von Art. 56 [X.] (jetzt Art. 63 A[X.]V) erfasst wird. Handelt es sich demgegenü[X.] --wie vorliegend-- um Dividenden mit Ursprung in einem Drittstaat, kann sich die in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft unabhängig vom Umfang der Beteiligung im konkreten Fall allein auf Art. 56 [X.] (jetzt Art. 63 A[X.]V) [X.]ufen ([X.]-Urteile SE[X.]IL vom 24. Novem[X.] 2016 [X.]-464/14, [X.]:[X.]:2016:896, [X.] 2017, 118, Rz 35; [X.] International, [X.]:[X.]:2014:2200, [X.] 2014, 1869, Rz 38 f.; Test [X.]laimants in [X.], [X.]:[X.]:2012:707, [X.] 2012, 924, [X.]). Insofern bleibt die Höhe der konkreten Beteiligung un[X.]ücksichtigt ([X.]-Urteil [X.] International, [X.]:[X.]:2014:2200, [X.] 2014, 1869, Rz 41; so zutreffend auch [X.] Münster, [X.]-Vorlage vom 20. Septem[X.] 2016  9 K 3911/13 F, E[X.] 2017, 323; vgl. auch Watrin/E[X.]hardt, BB 2014, 2967, 2970). Auch die Klägerin kann sich somit --unabhängig von ihrer tatsächlichen Beteiligung in Höhe von 25,17 v.H. an der [X.][X.]-- auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 [X.] (jetzt Art. 63 A[X.]V) [X.]ufen.

cc) Die Regelung des § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar. Dies führt zur Nichtanwendbarkeit von § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.]. Die Gründe hierfür ergeben sich aus den Urteilen des [X.] [X.] ([X.]:[X.]:2006:143, [X.], 834) sowie [X.] ([X.]:[X.]:2003:479, [X.], 13). In dem zuerst genannten Urteil hat der [X.] auf das Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats vom 14. Juli 2004 I R 17/03 ([X.], 152, [X.], 53) entschieden, Art. 52 des Vertrages zur Gründung der [X.], später Art. 43 [X.], jetzt Art. 49 A[X.]V, und damit das [X.] der freien Niederlassung, sei dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der [X.] einer in diesem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaft für den Erwerb von Beteiligungen an einer Tochtergesellschaft steuerlich nicht abzugsfähig sind, soweit diese Aufwendungen auf Dividenden entfallen, die von der Steuer befreit sind, weil sie von einer in einem anderen Mitgliedstaat oder Vertragsstaat des genannten Abkommens ansässigen mittelbaren Tochtergesellschaft stammen, obwohl solche Aufwendungen dann abzugsfähig sind, wenn sie auf Dividenden entfallen, die von einer mittelbaren Tochtergesellschaft, die in demselben Mitgliedstaat wie dem Staat des Geschäftssitzes der Muttergesellschaft ansässig ist, ausgeschüttet werden und die faktisch ebenfalls von der Steuer entlastet sind. Auf die Gründe jener Entscheidung im Einzelnen wird, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen. Die Konstellation, die der [X.] zu beurteilen hatte, stimmt mit jener, die im Streitfall in Rede steht, im [X.] ü[X.]ein. Hier wie dort geht es um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen einer Muttergesellschaft auf die Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft und auf die aus dieser Beteiligung erzielten, im Inland steuerbefreiten Dividenden. Ein Unterschied zu jener vom [X.] entschiedenen Konstellation besteht lediglich in zweierlei Hinsicht, was sich jedoch auf das Ergebnis --die Nichtanwendbarkeit von § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] unter den Gegebenheiten des [X.] jedoch nicht auswirkt.

(1) Zum einen geht es im Streitfall nicht um den Abzug tatsächlich entstandener [X.]. Solche werden kraft Gesetzes in Höhe von 5 v.H. der Dividenden pauschal fingiert. Die Höhe dieser Pauschalierung orientiert sich --wie erläutert-- an Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Mutter/Tochter-Richtlinie. Wird eine solche Ermächtigung durch [X.]-Sekundärrecht --wie in § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] geschehen-- in der Weise umgesetzt, dass die Pauschalierung lediglich zu Lasten ausländischer Beteiligungsgesellschaften wirkt, verstößt sie gegen die Grundfreiheit des Art. 43 [X.] (jetzt Art. 49 A[X.]V). Die vom [X.] aufgestellten Rechtsgrundsätze sind mithin einschlägig (vgl. Senatsurteil vom 9. August 2006 I R 95/05, [X.], 504, [X.], 279, m.w.N.).

(2) Zum anderen unterscheiden sich die Sachverhalte darin, dass die vorliegend zu beurteilende Beteiligung von der Klägerin an einer [X.] Tochtergesellschaft gehalten wurde, es sich also um eine Drittstaaten- und nicht um eine Mitgliedstaatenbeteiligung handelt. Auch solche Beteiligungen in einem Drittstaat werden a[X.] ü[X.] die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 [X.] (jetzt Art. 63 A[X.]V) geschützt. Dieser Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit wird durch die pauschale Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben im Ergebnis verletzt; die [X.] stimmen insoweit mit denjenigen der Niederlassungsfreiheit ü[X.]ein (Senatsurteil in [X.], 504, [X.], 279, m.w.N.).

Zwar [X.]ührt Art. 56 [X.] (jetzt Art. 63 A[X.]V) nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a [X.] (jetzt Art. 65 Abs. 1 Buchst. a A[X.]V) nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort und Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln, doch dürfen derartige Maßnahmen und Verfahren nach Art. 58 Abs. 3 [X.] (jetzt Art. 65 Abs. 3 A[X.]V) weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs i.S. des Art. 56 [X.] (jetzt Art. 63 A[X.]V) darstellen. Das a[X.] ist nach der ständigen Spruchpraxis des [X.] nur dann der Fall, wenn die steuerrechtlichen Unterscheidungen auf Situationen angewandt werden, die nicht objektiv vergleichbar sind oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere der Kohärenz der Steuerregelung, gerechtfertigt sind, mit der Folge, dass die Rechtfertigung von Behinderungen des freien Kapitalverkehrs im Ergebnis denselben Regeln unterworfen werden wie die Beschränkung anderer unionsrechtlich verbürgter Grundfreiheiten ([X.]-Urteil SE[X.]IL, [X.]:[X.]:2016:896, [X.] 2017, 118, Rz 52 ff., m.w.N.). Beides ist für die vorliegende Differenzierung hinsichtlich der fingierten [X.] bei [X.] und [X.] nicht erkennbar: Inlands- und Auslandsbeteiligungen sind hinsichtlich der [X.] objektiv in vollem Umfang vergleichbar. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung in § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] ist nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Beides erweist sich nicht zuletzt daran, dass § 8b Abs. 5 [X.] mittlerweile eine Gleichbehandlung beider Situationen sicherstellt (so auch Senatsurteil in [X.], 504, [X.], 279).

dd) Der Senat erachtet die aufgezeigte Unionsrechtslage in Anbetracht des aktuellen Stands der Rechtsprechung des [X.] als eindeutig. Sie entspricht den Aussagen der zitierten [X.]-Urteile und war insoweit [X.]eits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof. Einer Vorlage an den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V bedurfte es deshalb nicht (vgl. [X.]-Urteil [X.]ILFIT vom 6. Okto[X.] 1982 Rs. 283/81, [X.]:[X.]:1982:335, Slg. 1982, 3415).

3. Die Sache ist entscheidungsreif. Insbesondere erübrigt es sich, auf die umstrittene Rechtsfrage einzugehen, ob § 3c Abs. 1 EStG 1997 [X.]. § 8b Abs. 1 [X.] 1999 n.[X.] bei Nichtanwendung von § 8b Abs. 7 [X.] 1999 n.[X.] subsidiär anzuwenden wäre (bejahend [X.] München, Urteil vom 21. August 2015  7 K 3844/13, E[X.] 2015, 1978; [X.] Schleswig-Holstein, Urteil vom 11. Mai 2011  1 K 224/07, E[X.] 2011, 1459; BMF-Schreiben vom 30. Septem[X.] 2008, [X.], 940; Herlinghaus in [X.]/ [X.], [X.], § 8b Rz 88; [X.] in Dötsch/[X.]/ Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b [X.], Rz 373; ablehnend [X.] in [X.]/Drüen, [X.]/[X.]/[X.], § 8b [X.] Rz 515 ff.; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2011, 593, 599; wohl auch [X.], [X.], 403, 412). Denn solche Aufwendungen blieben unbeschadet dieser Frage abziehbar (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 2006 I R 78/04, [X.], 82, [X.], 821). Auch die Gründe hierfür ergeben sich aus dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]:2006:143, [X.], 834; vgl. auch Senatsurteil in [X.], 82, [X.], 821).

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 75/16

24.07.2018

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 19. September 2016, Az: 7 K 1118/16, Urteil

§ 8b Abs 5 KStG 1999 vom 22.12.1999, § 8b Abs 7 KStG 1999 vom 22.12.1999, § 34 Abs 1a KStG 1999 vom 23.10.2000, Art 10 Abs 3 DBA IND 1995, Art 23 Abs 1 Buchst a S 1 DBA IND 1995, Art 23 Abs 1 Buchst a S 3 DBA IND 1995, Art 43 EG, Art 56 EG, Art 49 AEUV, Art 63 AEUV, Art 4 Abs 2 EWGRL 435/90

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.07.2018, Az. I R 75/16 (REWIS RS 2018, 5553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5553

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