Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.04.2010, Az. 2 B 111/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 7850

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Gegenstand

Dienstvergehen; Beamter einer juristischen Person des Privatrechts; Zugriff durch Computermanipulation


Gründe

1

[X.]ie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der [X.]ivergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO, § 67 [X.] NRW) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. [X.]er als Beamter der privatrechtlich organisierten, für Aufgaben nach dem [X.] zuständigen Gesellschaft zugewiesene Beklagte hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

a) Findet die disziplinarrechtliche Rechtsprechung des [X.] im Rahmen von § 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 und Abs. 3 Satz 1 [X.] NRW zu den sogenannten [X.], wonach eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis indiziert ist, wenn der Zugriff des Beamten auf mehr als geringwertige Gelder oder Güter erfolgt, auch dann Anwendung bzw. ein Fehlverhalten des Beamten steht einem [X.] im vorgenannten Sinne gleich, wenn der Beamte gemäß § 123a [X.] als Beamter einer privaten juristischen Person (GmbH) zugewiesen worden ist, der [X.]ienstherr des Beamten Mitbegründer dieser Gesellschaft ist, um mit dem anderen Begründer gemeinsam öffentliche Aufgaben zu erfüllen, und der Beamte sich in diesem Rechtsverhältnis mit der privaten juristischen Person fehlverhält, indem er sich buchmäßig Geld zur eigenen, teilweise vorübergehenden Verfügung verschafft und hierdurch unmittelbar einen Schaden bei der privaten juristischen Person verursacht, wodurch der [X.]ienstherr des Beamten zum Ersatz dieses Schadens gegenüber der juristischen Person verpflichtet wird?

b) Ist die disziplinarrechtliche Maßnahmerechtsprechung zu den [X.], wonach zur Beurteilung einer disziplinarrechtlichen Erheblichkeit eine eingeschränkte Schuldfähigkeit im Rahmen von § 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 und Abs. 3 Satz 1 [X.] NRW auf die Einsehbarkeit der verletzten [X.]ienstpflicht abzustellen ist, sodass beim [X.] nur in Ausnahmefällen eine Erheblichkeit zu bejahen ist, auch auf Fälle anwendbar, in denen der Beamte einer juristischen Person des Privatrechts gemäß § 123a [X.] zugewiesen worden ist, der Beamte sich im Rahmen seines Rechtsverhältnisses mit der juristischen Person des Privatrechts buchmäßig Geld verschafft, über das er nach Überweisung auf ein ihm zugängliches Konto verfügt bzw. vorübergehend verfügt und der hierdurch entstandene Schaden, der unmittelbar bei der juristischen Person des Privatrechts eintritt, letztlich vom [X.]ienstherrn des Beamten zu tragen ist, wenn der [X.]ienstherr Mitbegründer dieser juristischen Person des Privatrechts ist, um öffentliche Aufgaben durch die juristische Person zu erfüllen?

3

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt nur bisher ungeklärten abstrakten Rechtsfragen zu, die im Interesse der Wahrung der Rechtseinheit und der Fortentwicklung des Rechts einer Entscheidung durch das Revisionsgericht bedürfen. Eine solche Rechtsfrage wird nicht im Sinne des § 133 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß dargelegt, indem nahezu der gesamte festgestellte Sachverhalt eines Einzelfalles in Frageform vorgetragen wird. Von daher ist es bereits ausgeschlossen, die auf den konkreten Sachverhalt bezogenen Fragen in einem Revisionsverfahren in fallübergreifender Weise zu beantworten.

4

Letztlich geht es der Beschwerde wohl um die Fragen,

- ob die für [X.]e entwickelte Rechtsprechung des [X.] auch anwendbar ist, wenn der Beamte sich das Geld nicht körperlich aneignet, sondern sich die Verfügungsgewalt darüber durch überweisungstechnische Mittel verschafft,

- ob der einer privaten juristischen Person zugewiesene Beamte in gleicher Weise dem [X.]isziplinarrecht unterliegt wie Beamte eines öffentlich-rechtlichen [X.]ienstherrn und

- ob in diesen Fällen dieselben Grundsätze für die Beurteilung einer eingeschränkten Schuldfähigkeit gelten.

5

Keine dieser Fragen rechtfertigt die Zulassung der Revision; sie sind in der Rechtsprechung des [X.] hinreichend geklärt.

6

In seinem Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - (NVwZ-RR 2008, 477, Rn. 22 ff. - insoweit in [X.] 235.1 § 55 [X.] Nr. 2 nicht abgedruckt) hat sich der Senat mit der Frage befasst, ob bei einer computermäßigen Manipulation des Beamten, die nur mittelbar die Zahlung eines Geldbetrages zur Folge haben kann, die für [X.]e entwickelten Grundsätze anwendbar sind, und hierzu ausgeführt, bei Beachtung der sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] ergebenden Bemessungsregelungen könne auch in den Fällen innerdienstlicher Betrugs- oder Untreuehandlungen zum Nachteil des [X.]ienstherrn bei einem Gesamtschaden von über 10 000 [X.]M bzw. 5 000 € die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten sein, und zwar auch dann, wenn keine besonderen Erschwerungsgründe hinzutreten. [X.]avon ausgehend sei im Ergebnis nicht zu beanstanden, ein solches [X.]ienstvergehen hinsichtlich der Schwere einem [X.] gleichzustellen.

7

Für die bei der [X.] beschäftigten [X.] ist geklärt, dass sie hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit den Regeln über den beamtenrechtlichen [X.]ienst und damit dem [X.]isziplinarrecht unterliegen (Urteile vom 20. August 1996 - BVerwG 1 [X.] 80.95 - BVerwGE 103, 375 <377 f.> = [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.] Nr. 7, vom 6. Juli 2006 - BVerwG 1 [X.] 7.05 - juris Rn. 21 und vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 4 Rn. 10).

8

[X.]er Beschwerde ist nichts dafür zu entnehmen, dass für den Beklagten als Kommunalbeamten etwas anderes gelten könnte: Ungeachtet seiner Zuweisung zu einer privatrechtlich organisierten Einrichtung der Arbeitsvermittlung blieb er Beamter der Klägerin mit allen Rechten und Pflichten, die sich aus dem [X.] ergeben; auch bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterlag er der [X.]ienstpflicht, sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen zu verwalten (§ 57 Satz 2 LBG NRW) und weder die Gesellschaft, bei der er beschäftigt war, noch seine [X.]ienstherrin zu schädigen.

9

Hieraus ergibt sich zugleich, dass in diesen Fällen auch dieselben Grundsätze für die Beurteilung einer eingeschränkten Schuldfähigkeit gelten.

2. Auch die [X.]ivergenzrüge greift nicht durch.

[X.]ie Beschwerde macht geltend, nach der Rechtsprechung des [X.] könne es im Rahmen der Bemessungsentscheidung mildernd berücksichtigt werden, wenn Vorgesetzte ihre Aufsichtspflicht vernachlässigten und ihre Fürsorgepflicht gegenüber Beamten verletzten, wenn diese konkrete Anhaltspunkte - etwa eine starke dienstliche Überforderung - angezeigt hätten, sodass Kontrollmaßnahmen unerlässlich gewesen, pflichtwidrig aber unterblieben oder nur unzureichend durchgeführt worden seien. [X.]emgegenüber habe das Berufungsgericht ausgeführt, der Umstand, dass dem Beklagten das Fehlverhalten erleichtert worden sei, rücke das [X.]ienstvergehen nicht in ein entscheidend milderes Licht.

Mit diesen Ausführungen wird eine [X.]ivergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargelegt. [X.]as Berufungsgericht hat nicht etwa den entgegenstehenden Rechtssatz aufgestellt, die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht könne grundsätzlich nicht mildernd berücksichtigt werden. Es ist vielmehr ersichtlich davon ausgegangen, dass in diesem Falle eine Milderung in Betracht komme, und hat deshalb im Einzelnen dargelegt, weshalb hier unter den konkreten Umständen dieses Falles keine Milderung angebracht sei; hierzu hat es ausgeführt, Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte einer verschärften [X.]ienstaufsicht bedurft hätte, hätten nicht bestanden ([X.]). Letztlich greift die Beschwerde die einzelfallbezogene Würdigung des Berufungsgerichts an, zeigt aber keinen entgegenstehenden Rechtssatz auf. In [X.]isziplinarverfahren kann eine [X.]ivergenz grundsätzlich nicht damit begründet werden, das [X.] habe die be- und entlastenden Umstände im Rahmen der Gesamtwürdigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] fehlerhaft gewichtet (Beschluss vom 3. Juli 2007 - BVerwG 2 [X.] - [X.] 235.1 § 69 [X.] Nr. 1).

Ebenso wenig liegt eine die Zulassung der Revision rechtfertigende [X.]ivergenz darin, dass nach der Rechtsprechung des [X.] eine schwierige, aber nunmehr vollständig überwundene Lebensphase bei der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden könne, während das Berufungsgericht diesen [X.] nicht geprüft habe. Eine [X.]ivergenz liegt nicht schon dann vor, wenn das Berufungsgericht einen vom [X.] aufgestellten abstrakten Rechtssatz unrichtig oder gar nicht anwendet, sondern nur dann, wenn es sich hierzu in Widerspruch setzt. [X.]afür lässt sich dem Beschwerdevorbringen nichts entnehmen.

Meta

2 B 111/09

01.04.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 19. August 2009, Az: 3d A 1848/08, Urteil

§ 13 Abs 1 BDG, § 57 BG NW

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.04.2010, Az. 2 B 111/09 (REWIS RS 2010, 7850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7850

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