Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.04.2018, Az. 30 W (pat) 10/17

30. Senat | REWIS RS 2018, 9977

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Glatte Wände" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 003 050.6

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 26. April 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 4. Februar 2016 angemeldete Wortmarke

2

Glatte Wände

3

soll für die Waren

4

„Klasse 02: Anstrichmittel; Farben; Firnisse; Lacke; [X.], [X.]; [X.] als Anstrichfarbe; Holzschutzmittel; Färbemittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Verdünnungsmittel für sämtliche vorgenannte Waren; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; Spachtelmassen zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes [Anstrichmittel]; [X.] aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur;

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Klasse 03: [X.] und Bleich, [X.], Polier, Fettentfernungs- und Schleifmittel für das Maler und Stuckateurhandwerk; Abbeizmittel;

6

Klasse 19: Baumaterialien [nicht aus Metall, soweit in Klasse 19 enthalten]; Fassadenmörtel; Verputzmittel; Edelputz; Streichputz; Fertigmörtel; [X.]füllmittel; Baukalk; Estrich; Spachtelmassen und [X.] [soweit in Klasse 19 enthalten] für [X.]; Asphalt, [X.] und Bitumen“

7

eingetragen werden.

8

Die Markenstelle für Klasse 2 des [X.] hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 15. April 2016 und 22. Februar 2017, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

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Glatte Wände beschränke sich daher auf eine Beschreibung der Art und des Zwecks der Waren.

Die weiter beanspruchten Waren „[X.], Bitumen“ würden auch als (Außen-) Wandanstrich verwendet und könnten daher ebenfalls dazu beitragen, eine glatte Wand zu erzeugen.

Die „[X.]- und Bleich-, Fettentfernungs- und Schleifmittel für das Maler- und Stuckateurhandwerk“ seien ebenfalls geeignet, der Herstellung einer glatten Wand zu dienen. Sie könnten zur Vorbereitung der Oberfläche (ähnlich einer Grundierung oder einer Spachtelmasse) aufgetragen werden und in Verbindung mit weiteren Materialien im Rahmen eines Beschichtungssystems eine glatte Wand erzeugen.

Was die Waren „Estrich, Asphalt“ betreffe, würden diese zwar beim Bau einer (senkrechten) Wand typischerweise nicht benutzt, sondern eher bei Böden; es gebe jedoch auch gekippte Bodenflächen bzw. schräg stehende (begehbare) Wände (z. B. in Kletter- oder Erlebnisparks). Hier sei der sprachliche Übergang zwischen Böden und Wänden fließend. Der Verkehr werde daher auch in Bezug auf diese Waren annehmen, dass sie dazu bestimmt seine, glatte (Wand-)Flächen zu erzeugen.

Glatte Wände nicht der Hauptzweck der Waren (z. B. Farbgebung bei Färbemitteln oder Vorbereitung der Oberfläche für den nachfolgenden Farbauftrag bei [X.]n) beschrieben werde, führe nicht zur Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung. Denn das [X.] schließe allgemein Zeichen von der Eintragung aus, die einen ohne weiteres erfassbaren, beschreibenden Begriffsinhalt in Bezug auf diese Waren aufwiesen. Dies sei vorliegend der Fall. Das angemeldete Zeichen beschreibe die Art und Bestimmung der beanspruchten Waren und werde deshalb nicht als Herkunftshinweis erfasst.

Glatte Wände vielfältige Interpretationsmöglichkeiten erlaube und auch nicht alle Waren dafür bestimmt und geeignet seien, glatte Wände zu erzeugen. So würden die in Klasse 2 genannten Färbemittel nicht typischerweise zur Herstellung einer glatten Wand verwendet. Sie dienten vielmehr zur Farbgebung der Wand. Gleiches gelte für jegliche [X.]. Diese würden eingesetzt, um einen farblich vorteilhaften Grund für das anschließend eingesetzte Färbemittel zu schaffen. Auch die in Klasse 2 genannten Beizmittel dienten einem anderen Zweck. Beizen würden zum Schutz der Oberfläche gegen Oxidation (bei Metall) oder Schimmel (bei Holz und Geweben) eingesetzt. Entsprechend sei das Zeichen auch für Verdünnungsmittel der in Klasse 2 genannten Färbe- und Beizmittel sowie für „[X.] aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit“ e intragungsfähig. Die übrigen in Klasse 2 genannten Waren wie z. B.

„[X.]- und Bleich-, Fettentfernungs- und Schleifmittel, Abbeizmittel" der Herstellung einer glatten Wand. Ihre Bestimmung sei die Reinigung, die Aufhellung oder das Aufrauen einer Oberfläche, um diese weiter zu bearbeiten. Auch die Waren der Klasse 19

Der Fachmann wisse, dass die Herstellung einer glatten Wand sehr kompliziert und arbeitsaufwändig sei. Je nach der zu bearbeitenden Oberfläche seien unterschiedliche Schritte gefragt. Eine einzelne Farbe (Klasse 2), Bleichmittel (Klasse 3) oder Baukalk (Klasse 19) könne dies nicht leisten. Nur im Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Materialien und Arbeitsgänge sei dies möglich.

Glatte Wände handele es sich auch nicht um eine so gebräuchliche Wortfolge der Alltagssprache, dass sie vom Verkehr allein und stets als solche aufgenommen und verstanden werde.

Dementsprechend seien auch eine Reihe vergleichbar mit den Begriffen „glatt“ bzw. „Wand“ gebildete Kombinationen als Marke eingetragen worden.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 2 des [X.] vom 15. April 2016 und 22. Februar 2017aufzuheben.

Ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nach [X.] zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache unbegründet, da die angemeldete Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen ist; die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. [X.] [X.] 2015, 1198 (Nr. 59) - [X.]; [X.] 2012, 610 (Nr. 42) - [X.]; [X.] 2008, 608 (Nr. 66) - [X.]; [X.] [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 16) - [X.]; [X.] 2015, 173 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2015, 1198 (Nr. 59) - [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) - KORNSPITZ; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – [X.]; [X.] 2008, 608, 611 (Nr. 66) - [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; [X.] [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2016, 934 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 16) - [X.]; [X.] [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 29) - [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] [X.] 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) - [X.]; [X.] 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) - [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 11) - Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) - [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 32) - [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) - [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) - FUSSBALL WM 2006).

2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Zeichen Glatte Wände bezüglich aller Waren jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Glatte Wände bedeutet „geglättete, keine Unebenheiten aufweisende Wände“. Das war auch schon am Anmeldetag so. Mit dieser den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres geläufigen Bedeutung beschränkt sich die angemeldete Wortfolge in Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Waren, bei denen es sich überwiegend um Maler-, Anstrich- und Baumaterialien handelt, auf einen beschreibenden Hinweis darauf, dass die entsprechenden Waren dafür bestimmt und geeignet sind, geglättete und damit glatte Wände zu schaffen bzw. zur Herstellung solcher Wände beizutragen.

Eine solche Bestimmung bzw. Eignung kann entgegen der Auffassung der Anmelderin auch sämtlichen zurückgewiesenen Waren zukommen. So handelt es sich bei den zu den Klassen 2 und 19 beanspruchten

Was die Waren „

Glatte Wände möglicherweise nicht unmittelbar Merkmale und Eigenschaften dieser Waren; es besteht jedoch auf jeden Fall ein enger beschreibender Bezug, so dass Endverbraucher wie auch die vorliegend in erster Linie angesprochenen [X.] sowie fachlich interessierten Laien (Heimwerker) Glatte Wände in Zusammenhang mit diesen Waren nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstehen werden.

Glatte Wände weist angesichts ihres nahezu jedermann verständlichen [X.] insbesondere auch keine schutzbegründende Interpretationsbedürftigkeit und Mehrdeutigkeit auf. Die seitens der Anmelderin in der Beschwerdebegründung aufgezeigten Interpretations- und Verständnismöglichkeiten sind bereits aus sich heraus, erst recht aber in Zusammenhang mit den vorliegend beanspruchten und für die Prüfung der Schutzfähigkeit eines Zeichens allein maßgeblichen Waren fernliegend. Zudem ist ein Wortzeichen in rechtlicher Hinsicht schon dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der infrage stehenden Waren bezeichnet ([X.], [X.] Int. 2004, 410, 412, Rdn. 38 - [X.]; [X.], [X.] 2008, 900, Rdn. 15 - SPA II).

Was die zu Klasse 19 noch beanspruchten Waren

3. Soweit die Anmelderin auf Voreintragungen, insbesondere mit den Begriffen „glatt“ und „Wand/Wände“ Bezug nimmt, entfalten diese ungeachtet der hier ohnehin fehlenden Vergleichbarkeit in rechtlicher Hinsicht keine Bindungswirkung (vgl. [X.] [X.] 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; [X.] [X.] 2008, 1093 Nr. 8 - [X.]; [X.] [X.] 2011, 230 - [X.]; [X.] MarkenR 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist.

4. Die angemeldete Marke ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Meta

30 W (pat) 10/17

26.04.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.04.2018, Az. 30 W (pat) 10/17 (REWIS RS 2018, 9977)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9977

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