Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.04.2018, Az. 30 W (pat) 63/16

30. Senat | REWIS RS 2018, 9994

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Glatte Wand" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 003 049.2

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 26. April 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 4. Februar 2016 angemeldete Wortmarke

2

[X.]

3

soll u. a. für die Waren

4

„Klasse 02: Anstrichmittel; Farben; Firnisse; Lacke; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Färbemittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Verdünnungsmittel für sämtliche vorgenannte Waren; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; Spachtelmassen zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes [Anstrichmittel]; [X.] aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur;

5

Klasse 03: [X.] und Bleich, [X.], Polier, Fettentfernungs- und Schleifmittel für das Maler und Stuckateurhandwerk; Abbeizmittel;

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Klasse 19: Baumaterialien [nicht aus Metall, soweit in Klasse 19 enthalten]; Fassadenmörtel; Verputzmittel; Edelputz; Streichputz; Fertigmörtel; [X.]füllmittel; Baukalk; Spachtelmassen und Grundierungsmittel [soweit in Klasse 19 enthalten] für Bauzwecke“

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eingetragen werden.

8

Die Markenstelle für Klasse 2 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 15. April 2016 zunächst vollständig und - auf Erinnerung der Anmelderin - mit Beschluss vom 5. August 2016 teilweise, nämlich für o. g. Waren zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung insoweit an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

9

Die sprachüblich aus Begriffen der [X.] Alltagssprache gebildete Wortkombination werde von den angesprochenen Fachkreisen aus dem Bauwesen sowie privaten Bauherren und interessierten und informierten Laien als beschreibender Hinweis auf Art, Zweck und Wirkungsweise der in Frage stehenden Waren verstanden, nämlich dass sie zum Glätten unebener Wände bestimmt und geeignet seien. Dies könne auf die zurückgewiesenen Waren zutreffen, so dass [X.] sich auf einen beschreibenden Hinweis beschränke, dass es sich um Waren handele, die dazu dienten, glatte Wände zu erzeugen. In diesem Sinne werde die Wortfolge auch verwendet, und zwar nicht nur von der Anmelderin, so dass dieser Begriff nicht mit einem bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht werde.

[X.] vielfältige Interpretationsmöglichkeiten erlaube und auch nicht alle zurückgewiesenen Waren dafür bestimmt und geeignet seien, glatte Wände zu erzeugen. So würden die in Klasse 2 genannten Färbemittel nicht typischerweise zur Herstellung einer glatten Wand verwendet. Sie dienten vielmehr zur Farbgebung der Wand. Gleiches gelte für jegliche Grundierungsmittel. Diese würden eingesetzt, um einen farblich vorteilhaften Grund für das anschließend eingesetzte Färbemittel zu schaffen. Auch die in Klasse 2 genannten Beizmittel dienten einem anderen Zweck. Beizen würden zum Schutz der Oberfläche gegen Oxidation (bei Metall) oder Schimmel (bei Holz und Geweben) eingesetzt. Entsprechend sei das Zeichen auch für „[X.] aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit“ e intragungsfähig. Die übrigen in Klasse 2 genannten Waren wie zB „[X.]- und Bleich-, Fettentfernungs- und Schleifmittel, Abbeizmittei" oder „Baumaterialien“ der Herstellung einer glatten Wand.

Der Fachmann wisse, dass die Herstellung einer glatten Wand sehr kompliziert und arbeitsaufwändig sei. Je nach der zu bearbeitenden Oberfläche seien unterschiedliche Schritte gefragt. Eine einzelne Farbe (Klasse 2), Bleichmittel (Klasse 3) oder Baukalk (Klasse 19) könne dies nicht leisten. Nur im Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Materialien und Arbeitsgänge sei dies möglich.

[X.] handele es sich auch nicht um eine so gebräuchliche Wortfolge der Alltagssprache, dass sie vom Verkehr allein und stets als solche aufgenommen und verstanden werde.

Dementsprechend seien auch eine Reihe vergleichbar mit den Begriffen „glatt“ bzw. „Wand“ gebildete Kombinationen als Marke eingetragen worden.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 2 des [X.] vom 15. April 2016 und 5. August 2016 aufzuheben, soweit die Anmeldung für die obengenannten Waren darin zurückgewiesen worden ist.

Ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nach [X.] zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache unbegründet, da die angemeldete Marke in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen ist; die Markenstelle hat die Anmeldung insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. [X.] [X.] 2015, 1198 (Nr. 59) - [X.]; [X.] 2012, 610 (Nr. 42) - [X.]; [X.] 2008, 608 (Nr. 66) - [X.]; [X.] [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 16) - [X.]; [X.] 2015, 173 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2015, 1198 (Nr. 59) - [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) [X.]; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - [X.]; [X.] 2008, 608, 611 (Nr. 66) - [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; [X.] [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2016, 934 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 16) - [X.]; [X.] [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 29) - [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] [X.] 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) - [X.]; [X.] 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) - [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 11) - Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) - [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 32) - [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) - [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) - FUSSBALL WM 2006).

2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Zeichen [X.] bezüglich der maßgeblichen Waren jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

[X.] bedeutet „geglättete, keine Unebenheiten aufweisende Wand“. Mit dieser den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres geläufigen Bedeutung beschränkt sich die angemeldete Wortfolge in Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Waren, bei denen es sich überwiegend um Maler-, Anstrich- und Baumaterialien handelt, auf einen beschreibenden Hinweis darauf, dass die entsprechenden Waren dafür bestimmt und geeignet sind, geglättete und damit glatte Wände zu schaffen bzw. zur Herstellung solcher Wände beizutragen.

Eine solche Bestimmung bzw. Eignung kann entgegen der Auffassung der Anmelderin auch sämtlichen zurückgewiesenen Waren zukommen. So handelt es sich bei den zu den Klassen 2 und 19 beanspruchten

Was die Waren „

[X.] möglicherweise nicht unmittelbar Merkmale und Eigenschaften dieser Waren; es besteht jedoch auf jeden Fall ein enger beschreibender Bezug, so dass Endverbraucher wie auch die vorliegend in erster Linie angesprochenen [X.] sowie fachlich interessierten Laien (Heimwerker) [X.] in Zusammenhang mit diesen Waren nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstehen werden.

[X.] weist angesichts ihres nahezu jedermann verständlichen [X.] insbesondere auch keine schutzbegründende Interpretationsbedürftigkeit und Mehrdeutigkeit auf. Die seitens der Anmelderin in der Beschwerdebegründung aufgezeigten Interpretations- und Verständnismöglichkeiten sind bereits aus sich heraus, erst recht aber in Zusammenhang mit den vorliegend beanspruchten und für die Prüfung der Schutzfähigkeit eines Zeichens allein maßgeblichen Waren fernliegend. Zudem ist ein Wortzeichen in rechtlicher Hinsicht schon dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der infrage stehenden Waren bezeichnet ([X.], [X.] Int. 2004, 410, 412, Rdn. 38 – [X.]; [X.], [X.] 2008, 900, Rdn. 15 - SPA II).

3. Soweit die Anmelderin auf Voreintragungen, insbesondere mit den Begriffen „glatt“ und Wand“ Bezug nimmt, entfalten diese ungeachtet der hier ohnehin fehlenden Vergleichbarkeit in rechtlicher Hinsicht keine Bindungswirkung (vgl. [X.] [X.] 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; [X.] [X.] 2008, 1093 Nr. 8 - [X.]; [X.] [X.] 2011, 230 - [X.]; [X.] MarkenR 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist.

4. Die angemeldete Marke ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Meta

30 W (pat) 63/16

26.04.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.04.2018, Az. 30 W (pat) 63/16 (REWIS RS 2018, 9994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9994

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