Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.03.2018, Az. 30 W (pat) 66/16

30. Senat | REWIS RS 2018, 12252

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Multiflux" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 000 262.0

hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 16. Oktober 2014 und vom 27. Juli 2016 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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[X.]

3

ist am 17. Januar 2014 für die Waren der

4

„Klasse 9: [X.], insbesondere magnetisch-induktive [X.], Ultraschall-[X.], Wirbelfrequenz-[X.], Coriolis-Massedurchflussmessgeräte, Schwebekörper-[X.]“

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zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] geführte Markenregister angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des [X.]es hat die Anmeldung durch Beschluss vom 16. Oktober 2014 wegen des Vorliegens von [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 [X.] zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Anmelderin wurde mit Beschluss vom 27. Juli 2016 zurückgewiesen, da es sich bei dem Anmeldezeichen um eine merkmalsbeschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] handele.

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[X.] geeignet, die beanspruchten Durchflussmessgeräte hinsichtlich ihrer Bestimmung, den Durchfluss verschiedener Medien zu messen, zu beschreiben. Darauf, dass [X.] nicht als Fachbegriff nachgewiesen sei (anders als „[X.]“, vgl. [X.] PROMA 30 W (pat) 22/14 - [X.]), komme es vorliegend nicht entscheidend an, weil auch zukünftige Entwicklungen mit einzubeziehen seien und das Zeichen überdies bereits im einschlägigen Markt zur Bezeichnung eines Messrechners verwendet worden sei.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

9

Zur Begründung trägt die Anmelderin vor, das Anmeldezeichen sei für die beanspruchten Waren weder unmittelbar beschreibend noch weise es einen engen beschreibenden Bezug zu diesen Waren auf. Der erste Wortbestandteil „Multi“ habe sowohl im [X.] als auch im [X.] die Bedeutungen „vielfach" oder „mehrfach“. Dem zweiten Wortbestandteil „[X.]” komme die Bedeutung „Fließen“, „Fluss“, „Strömung”, oder „Wasserwert“ zu. Somit ergebe sich für das [X.] ein Aussagegehalt im Sinne von „Mehrfachfließen“ oder „Mehrfachströmung”, was nicht gleichzusetzen sei mit der Eignung eines Geräts zur Durchflussmessung von unterschiedlichen Medien. Zu letztgenannter Bedeutung werde der Verkehr allenfalls aufgrund mehrerer Gedankenschritte im Rahmen einer analysierenden Betrachtungsweise gelangen, was bereits die Schutzfähigkeit der Marke begründe. Soweit die Markenstelle darauf verweise, dass das Anmeldezeichen bereits auf dem einschlägigen Markt verwendet werde, sei darauf hinzuweisen, dass das Verwendungsbeispiel der Markenstelle, die Wortmarke „Multi-[X.]-FMC 2000”, abweichend von „[X.]“ gebildet sei und zudem nicht beschreibend, sondern markenmäßig, verwendet werde.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]es vom 16. Oktober 2014 und vom 27. Juli 2016 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

 Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] bestehen.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. [X.] [X.] 2015, 1198 (Nr. 59) - [X.]; [X.] 2012, 610 (Nr. 42) - [X.]; [X.] 2008, 608 (Nr. 66) - [X.]; [X.] [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 16) - [X.]; [X.] 2015, 173 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) - smartbook; [X.]2013, 731 (Nr. 11) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2015, 1198 (Nr. 59) - [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) - KORNSPITZ; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - [X.]; [X.] 2008, 608, 611 (Nr. 66) - [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; [X.] [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2016, 934 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 16) - [X.]; [X.] [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 29) - [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.] 2015, 581 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] [X.] 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) - [X.]; [X.] 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) - [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 11) - Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) - [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 32) - [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 9) - [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) - [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) - FUSSBALL WM 2006).

2. Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung [X.] über die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

 Die Markenstelle ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass sich die angemeldete Marke aus den Elementen „Multi“ und „flux“ zusammensetzt.

Das aus dem [X.] stammende Präfix „Multi“ bedeutet in Bildungen mit Substantiven, Adjektiven und Verben „viel, vielfach, mehr, mehrfach“ (www.duden.de). Im Zusammenhang mit Adjektiven wird es beispielsweise in den Worten „multimedial“ und „multikulturell“ benutzt, bei Substantiven beispielsweise in den Worten „Multitalent“ oder „Multimillionär“. (vgl. hierzu etwa [X.] PROMA, 28 W (pat) 563/12 - [X.]; 28 W (pat) 38/10 - MULTITUBO; 24 W (pat) 81/07 - MultiStar)

Bei dem [X.] „flux“ handelt es sich um einen lexikalisch nachweisbaren, ursprünglich aus dem [X.] stammenden und in verschiedene Sprachen übernommenen Begriff, welcher mehrere Bedeutungen haben kann. [X.] ist dieser Begriff in der Bedeutung „Materie- oder Teilchenströmung, speziell für den Neutronenfluss“ sowie als Bezeichnung für „Stoffverlagerungen durch die Membran lebender Zellen und ihrer Organellen“ nachweisbar (vgl. [X.], [X.], 4. Aufl., 2007 S. 468). Diesem letztgenannten Begriffs- und Bedeutungsgehalt weitgehend entsprechend bezeichnet „[X.]“ in der Filtrations- und Membrantechnik den sog. „Wasserwert“ (vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserwert). Dieser Wert gibt die Durchtrittsrate bzw. den Durchsatz eines Mediums (Wasser) durch einen Filter oder eine Membran an, also den volumenmäßigen Durchsatz pro Zeiteinheit und pro Druckdifferenz (vgl. hierzu schon m. w. N. [X.] PROMA 30 W (pat) 22/14 - [X.]).

Ferner kann der Begriff „flux“, wie auch aus den von der Anmelderin vorgelegten Unterlagen hervorgeht (vgl. etwa die Anlage www.leo.org), aus dem [X.] ins [X.] mit der Bedeutung „Durchflussmenge“ übersetzt werden, und mit dieser Bedeutung wird das [X.] im Inland nachweislich vielfach im Zusammenhang mit [X.]n verwendet.

Ausgehend hiervon hat die Markenstelle zutreffend festgestellt, dass das [X.] „flux“

Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Bezeichnung [X.] die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich nämlich nicht nur danach, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen [X.] die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. [X.] [X.] 2004, 674 (Nr. 99) - Postkantoor; [X.] 2004, 680 (Nr. 40) - [X.]; [X.] 2010, 534 (Nr. 42) - [X.]; [X.] [X.] 2012, 270 (Nr. 16) - Link economy; [X.] 2014, 1204 (Nr. 16) - [X.]; [X.] 2017, 186 (Nr. 30) - [X.]; siehe auch m. w. N. Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rn. 201, 217-218). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung so weit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. [X.] [X.] 2017, 520 (Nr. 49) - [X.]; [X.] 1995, 408, 409 - [X.]; [X.] PROMA 30 W (pat) 23/10 - [X.]; [X.] [X.] 1997, 639, 640 - [X.]). Dabei kann eine die bloße Summenwirkung der beschreibenden Einzelbestandteile übersteigende und damit schutzbegründende Wirkung vor allem in syntaktischer oder semantischer Art durch eine besondere sprachliche Ausgestaltung oder durch die Ungewöhnlichkeit der Kombination erzielt werden (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 219). Dies ist vorliegend festzustellen.

[X.] vervielfältigt wird. Die nach der gewohnten Wortbildung naheliegende Bedeutung „viel Durchfluss“ bzw. „[X.]“ enthält keine unmittelbar nachvollziehbare, sinnvolle Sachaussage für die beanspruchten Waren. Zu der von der Markenstelle unterstellten Bedeutung, wonach sich der „[X.]“ auf die Bestimmung des Messgerätes, den Durchfluss verschiedener Medien zu messen, bezieht, gelangt der angesprochene Verkehr nur im Rahmen einer analysierenden Betrachtungswiese und über mehrere Gedankenschritte, was aber bereits die Unterscheidungskraft begründet.

Nichts anderes ergibt sich aus den [X.] der Markenstelle sowie des Senats, wonach das Gesamtwort „[X.]“ weder im Sinne eines Fachbegriffs, noch zur werblichen Beschreibung von [X.]n verwendet wird. Der einzige Nachweis der Markenstelle (digitaler Messrechner „Multi-[X.]-FMC 2000“) bezieht sich auf eine markenmäßige Verwendung, und darüber hinaus konnte auch der Senat keine Belege für eine beschreibende Verwendung des Gesamtbegriffs ermitteln.

Die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis kann dem angemeldeten Zeichen in seiner Gesamtheit deshalb nicht abgesprochen werden.

3. Da dem Zeichen in seiner Gesamtheit mangels einer im Vordergrund stehenden Sachaussage für die beanspruchten Waren das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann, besteht an dem Gesamtbegriff [X.] auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Die Beschwerde hat daher Erfolg.

Meta

30 W (pat) 66/16

15.03.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.03.2018, Az. 30 W (pat) 66/16 (REWIS RS 2018, 12252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12252

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