Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2017, Az. XII ZB 578/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 1895

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Gegenstand

Eheschließung gleichgeschlechtlicher Partner: Hauptsacheerledigung des Anweisungsverfahrens in der Rechtsbeschwerdeinstanz wegen Vollziehung der begehrten Amtshandlung


Leitsatz

Wird die von einem Beteiligten begehrte Amtshandlung des Standesamts im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nach § 49 Abs. 1 PStG vollzogen, ist das Anweisungsverfahren dadurch in der Hauptsache erledigt.

Tenor

Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die dem männlichen Geschlecht angehörenden Antragsteller erklärten mit Schreiben vom 15. Februar 2016 gegenüber dem Standesamt (Beteiligte zu 2) ihre Anmeldung zur Eheschließung, wobei sie ausdrücklich die Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz ablehnten. Das Standesamt verweigerte durch Schreiben vom 25. Februar 2016 seine „Mitwirkung bei der Anmeldung der Eheschließung“.

2

Den Antrag der Antragsteller, das Standesamt dazu anzuweisen, ihrer Anmeldung zur Eheschließung zu entsprechen und die Eheschließung vorzunehmen, hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Das [X.], dessen Entscheidung in [X.], 601 veröffentlicht ist, hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss zugelassen.

3

Hiergegen richtet sich die am 15. Dezember 2016 eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragsteller. Nach dem Inkrafttreten des [X.] auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 ([X.]) haben die Antragsteller am 5. Oktober 2017 vor dem Standesamt die Ehe miteinander geschlossen. Sie haben die Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

4

Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt.

5

1. Ein Antragsverfahren nach den [X.] über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit endet grundsätzlich dann, wenn der Antragsteller die Erledigung erklärt. Stimmen alle Beteiligten der Erledigung zu, liegt eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung im Sinne von § 22 Abs. 3 FamFG vor, die für das Gericht bindend ist, so dass es insbesondere nicht mehr nachprüfen darf, ob und wann tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist. So liegt der Fall unter den hier obwaltenden Umständen jedoch nicht, weil sich jedenfalls die am Verfahren beteiligte Standesamtsaufsicht der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat. Eine einseitige Erledigungserklärung verpflichtet das Gericht demgegenüber zu der Prüfung, ob die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist (vgl. [X.]/Sternal FamFG 19. Aufl. § 22 Rn. 29 f.; [X.]/[X.] in [X.]/[X.] FamFG 5. Aufl. § 22 Rn. 8).

6

2. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist die Hauptsache in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erledigt, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 1981 - [X.] 756/81 - FamRZ 1982, 156, 157; [X.] Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - [X.] - NJW 2015, 1449 Rn. 7 mwN und vom 14. Oktober 2010 - [X.]/10 - [X.] 2011, 39 Rn. 11 mwN). Für gerichtliche Verfahren nach dem Personenstandsgesetz, auf die gemäß § 51 Abs. 1 PStG die [X.] über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden sind, gelten insoweit keine Besonderheiten (vgl. [X.], 601, 602).

7

3. Gemessen daran ist die Hauptsache im vorliegenden Fall erledigt.

8

a) Verfahrensgegenstand ist die von den Antragstellern nach § 49 Abs. 1 PStG erstrebte gerichtliche Anweisung an das Standesamt, die Vornahme einer bestimmten Amtshandlung, nämlich die Mitwirkung an der von den Antragstellern begehrten Eheschließung durch Entgegennahme der Anmeldung, Prüfung der Ehevoraussetzungen und Vornahme der Eheschließung, nicht deshalb zu verweigern, weil die Antragsteller dem gleichen Geschlecht angehören. Das Standesamt hat im Laufe des [X.] in der gewünschten Weise an der Eheschließung der Antragsteller mitgewirkt. Wird die von einem Beteiligten begehrte Amtshandlung des Standesamts im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nach § 49 Abs. 1 PStG vollzogen, ist das Anweisungsverfahren dadurch in der Hauptsache erledigt (vgl. [X.], 893, 894).

9

b) Zwar hat das Standesamt die begehrten Amtshandlungen erst nach der Änderung der Rechtslage durch das am 1. Oktober 2017 in [X.] getretene Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vorgenommen. Darauf und auf die mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] FamRZ 2015, 118 Rn. 178 mwN und [X.], 1593 Rn. 45 mwN) sehr umstrittene Frage, ob der Gesetzgeber zur einfachgesetzlichen Öffnung des [X.] für gleichgeschlechtliche Verbindungen befugt war (so etwa [X.] NVwZ 2017, 1658, 1660 ff.; [X.] [X.], 1281 ff.; [X.] FamRZ 2016, 351 ff.; [X.]/Tometten DÖV 2016, 581, 586 f.; [X.] NJW 2015, 3557, 3559 f.) oder ob die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten zu den nach Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Strukturprinzipien der Ehe gehöre, die einer Änderung durch einfaches Gesetz nicht zugänglich sind (so etwa [X.] in [X.]/[X.] GG [Stand: April 2012] Art. 6 Rn. 58; [X.]OK GG/[X.] [Stand: August 2017] Art. 6 Rn. 4.1 ff.; [X.] NVwZ 2017, 1096 ff.; [X.] NJW 2017, 2225 ff.; [X.] NZFam 2016, 536, 537 f.) kommt es im vorliegenden Fall nicht (mehr) an. Maßgeblich ist allein, dass mit der Vornahme der begehrten Amtshandlung die Grundlage für eine Sachentscheidung über den Verfahrensgegenstand im gerichtlichen Anweisungsverfahren nach § 49 Abs. 1 PStG entfallen ist. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts geschaffenen Rechtslage ist nicht entscheidungserheblich, so dass insbesondere eine Vorlage an das [X.] nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht kommt.

Dose     

      

Schilling     

      

[X.]

      

Botur     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 578/16

22.11.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Zweibrücken, 28. November 2016, Az: 3 W 115/16

§ 22 FamFG, § 49 Abs 1 PStG, GleichGeschlEheEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2017, Az. XII ZB 578/16 (REWIS RS 2017, 1895)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 107 REWIS RS 2017, 1895

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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