Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2022, Az. XII ZB 425/21

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6580

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Gegenstand

Zweifelsvorlage des Standesamtes betreffend Beurkundung einer Namenswahlerklärung


Leitsatz

1. Bei einer Zweifelsvorlage nach § 49 Abs. 2 PStG müssen die Zweifel des Standesbeamten die Vornahme einer konkret zu benennenden Amtshandlung betreffen; das Vorlagerecht dient nicht zur Klärung abstrakter Rechtsfragen durch das Gericht.

2. Die Vorschrift des § 43 Abs. 1 PStG begründet die Zuständigkeit jedes Standesbeamten, die öffentliche Beglaubigung oder Beurkundung der dort aufgeführten Namenswahlerklärungen vorzunehmen. Jedenfalls dann, wenn der beurkundende Standesbeamte nicht zugleich empfangszuständig im Sinne von § 43 Abs. 2 PStG ist, darf er seine Mitwirkung an der Beglaubigung oder Beurkundung nur ablehnen, wenn die gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten die angestrebte Rechtsfolge nicht zulassen oder die Erklärung nach der eigenen Überzeugung des Standesbeamten aus anderen Gründen zweifelsfrei unwirksam ist.

3. Eine analoge Anwendung von Art. 48 EGBGB auf Sachverhalte, in denen ein deutsch-ausländischer Doppelstaater den nach dem Recht des EU-ausländischen Heimatstaats gebildeten Namen nicht während eines gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat erworben hat, ist nicht möglich (Fortführung BGH, Beschluss vom 20. Februar 2019 - XII ZB 130/16, FamRZ 2019, 967 und BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2021 - XII ZB 60/18, FamRZ 2022, 421).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 werden der Beschluss des 7. Zivilsenats des [X.] vom 28. August 2021 und der Beschluss des [X.] vom 2. Juni 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

In den Rechtsmittelverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die 1981 in [X.] geborene Antragstellerin zu 1 ist [X.] und nach ihrer Einbürgerung im Jahr 1988 auch [X.] Staatsangehörige. Sie führte ursprünglich den bei der Geburt erworbenen Namen [X.]., wobei sie ihren [X.]n Vornamen N. in [X.] seit einer auf § 94 [X.] gestützten Namenserklärung im Jahr 2002 in einer [X.] Form führt. Sie ist seit 2014 mit [X.] (im Folgenden: Ehemann) verheiratet. Die beiden Eheleute führten nach der Eheschließung zunächst ihre bisherigen Namen fort und bestimmten im Jahr 2015 den Familiennamen Ja. des Ehemanns zum Ehenamen. Die beiden Kinder der Eheleute, die 2015 geborene [X.]. (Antragstellerin zu 2) und die 2018 geborene [X.]. (Antragstellerin zu 3) besitzen die [X.] und die [X.] Staatsangehörigkeit.

2

Der 1980 geborene Ehemann ist aus der ersten Ehe seiner Mutter [X.]. mit [X.]. Ja. hervorgegangen. Nach der Scheidung dieser Ehe ging die Mutter des Ehemanns im Jahr 1997 mit [X.]. eine neue Ehe ein. Der von dem Stiefvater des Ehemanns geführte Name Freiherr von Ma. wurde in dieser Ehe zum Ehenamen bestimmt, so dass die Mutter des Ehemanns seither den Namen [X.]. führt. In den Jahren 2014 und 2017 führte der Ehemann zwei erfolglos gebliebene Verwaltungsverfahren, mit denen er das Ziel verfolgt hatte, seinen Familiennamen im Wege einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung von „Ja.“ in „Freiherr von [X.].“ ändern zu lassen.

3

Zwischen dem 31. August 2018 und dem 1. April 2019 hielt sich die Antragstellerin zu 1 in [X.] auf. Für diesen [X.]raum war sie dort ausweislich einer von der Gemeinde N./[X.] am 31. August 2018 ausgestellten Meldebescheinigung zum „vorübergehenden Aufenthalt“ gemeldet. Am 17. Dezember 2018 stellte die Antragstellerin zu 1 bei dem Standesamt in N./[X.] den Antrag, ihren Familiennamen von „Ja.“ in „[X.] von [X.].“ zu ändern. Gleichzeitig beantragte sie mit Zustimmung des Ehemanns die Erstreckung der begehrten Namensänderung auf die beiden gemeinsamen Töchter. Das Standesamt in N./[X.] gab diesen Anträgen mit einem nicht begründeten Bescheid vom gleichen Tage statt. Anschließend trug es die Namensänderung der Antragstellerinnen in [X.] Personenstandsregister ein, in denen zuvor die in [X.] geschlossene Ehe der Antragstellerin zu 1 und die in [X.] erfolgte Geburt der Antragstellerinnen zu 2 und 3 nachbeurkundet worden waren.

4

Durch [X.] vom 15. April 2019 hat die Antragstellerin zu 1 dem für den seinerzeitigen [X.]n Wohnsitz der Familie zuständigen Standesamt S. mitgeteilt, dass die Antragstellerinnen den in [X.] erworbenen Namen „[X.] von [X.].“ auch in [X.] führen wollen, und unter Hinweis auf Art. 48 EGBGB beantragt, die Familiennamen der Antragstellerin zu 1 und der beiden minderjährigen Töchter „anzupassen“. Die Standesbeamtin trägt Zweifel, ob „die beantragte Amtshandlung der Namensangleichung einen Verstoß gegen den ordre public gemäß Art. 6 EGBGB darstellt“, und hat die Sache dem Amtsgericht vorgelegt. Die Standesamtsaufsicht hält die Zweifel des Standesamts für berechtigt.

5

Das Amtsgericht hat auf die Vorlage „die Anträge“ der Antragstellerinnen „zurückgewiesen“. Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen hat das [X.] die angefochtene Entscheidung abgeändert und das Standesamt angewiesen, auf die [X.] der Antragstellerinnen „Veranlassungen nach Maßgabe der Gründe“ der Beschwerdeentscheidung zu treffen, in denen insbesondere Ausführungen dazu enthalten sind, dass die Namenswahl der Antragstellerinnen den [X.]n ordre public nicht berühre und die weiteren Voraussetzungen einer wirksamen Namenswahl durch das Standesamt in eigener Verantwortung zu prüfen seien.

6

Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Standesamts, das eine Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

II.

7

[X.] ist statthaft, weil sie das Beschwerdegericht - für den [X.] bindend - in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat (§ 70 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG). Sie ist auch im Übrigen zulässig und führt in der Sache zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht.

8

1. Die in [X.], 1949 veröffentlichte Entscheidung des [X.] kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil ihr keine zulässige Zweifelsvorlage des Standesamts zugrunde liegt.

9

Das Vorliegen einer zulässigen Zweifelsvorlage ist eine spezielle Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren (vgl. [X.]/[X.] in Personenstandssachen Rn. 904 ff., 910). Verfahrensmängel, die sich auf Verfahrens- und Sachentscheidungsvoraussetzungen beziehen, sind nach § 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG durch das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. [X.]sbeschluss vom 24. Juni 2015 - [X.]/15 - FamRZ 2015, 1603 Rn. 12 [X.]).

a) Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 PStG kann das Standesamt in Zweifelsfällen von sich aus die Entscheidung des Gerichts darüber herbeiführen, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist. Die Vorlage des Standesamts gilt für das weitere Verfahren als Ablehnung der Amtshandlung (§ 49 Abs. 2 Satz 2 PStG). Bereits hieraus ergibt sich, dass sich die Zweifel des Standesbeamten auf die Vornahme einer konkreten Amtshandlung beziehen müssen, denn das Vorlagerecht dient nach allgemeiner Ansicht nicht dazu, losgelöst von einer konkret anstehenden Amtshandlung des Standesamts abstrakte Rechtsfragen durch das Gericht klären zu lassen (vgl. [X.] 2022, 110, 111 und [X.], 260, 261; [X.], 221, 222; [X.] [X.] 1970, 128; [X.]/[X.]/[X.] Personenstandsgesetz 5. Aufl. § 49 Rn. 19; [X.] Rn. 398; [X.] in [X.]/[X.] Personenstandsrecht Band II § 45 PStG Rn. 54, 68; [X.]/[X.] in Personenstandssachen Rn. 640). Zum Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist deshalb nicht die vom Standesamt aufgeworfene [X.] zu machen, sondern allein die Frage, ob das Standesamt zu einer konkreten Amtshandlung anzuweisen ist oder nicht. Das zwingende Erfordernis einer konkreten Benennung der bevorstehenden Amtshandlung ergibt sich auch daraus, dass sich das durch die Zweifelsvorlage eingeleitete gerichtliche Verfahren in der Hauptsache erledigt, wenn die verfahrensgegenständliche Amtshandlung durch das Standesamt vollzogen worden ist (vgl. [X.], 893, 894; vgl. auch [X.]sbeschluss vom 22. November 2017 - [X.] 578/16 - FamRZ 2018, 198 Rn. 8 zur Erledigung des Anweisungsverfahrens).

b) Gemessen daran ist die Vorlage des Standesamts nicht zulässig, weil sie nur auf die Beantwortung der Frage nach der [X.] der von den Antragstellerinnen angestrebten Namenswahl zielt. Zwar kann die Zweifelsvorlage als Verfahrensvoraussetzung durch das Rechtsbeschwerdegericht uneingeschränkt in freier Würdigung selbst ausgelegt werden (vgl. OLG Köln [X.], 262, 263; [X.], 213, 214). Nach Lage der Akten vermag der [X.] der Vorlage des Standesamts aber auch im Wege der Auslegung keinen verfahrensrechtlich zulässigen Inhalt beizulegen.

aa) Soweit die Standesbeamtin in der Einleitung zur Vorlage auf die „beantragte Amtshandlung der Namensangleichung“ verweist, beschreibt sie damit keine konkrete standesamtliche Verrichtung, deren Vornahme bevorstehen könnte. Denn namensrechtliche Erklärungen führen nach allgemeinen Grundsätzen eine Namensänderung herbei, sobald sie mit dem gesetzlichen Inhalt und in der vorgeschriebenen Form dem empfangszuständigen Standesamt zugehen (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Personenstandsgesetz 5. Aufl. § 45 Rn. 4). Nichts Anderes gilt für die Namenswahl nach Art. 48 EGBGB (vgl. [X.]/[X.] BGB [2019] Art. 48 EGBGB Rn. 41; [X.]/[X.] und Personenstand 3. Aufl. Rn. II-446).

bb) Amtshandlung ist jede Verwaltungsmaßnahme des Standesbeamten, die ihm durch eine personenstandsrechtliche Vorschrift übertragen ist und auf die ein Beteiligter bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einen konkreten Rechtsanspruch hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.] Personenstandsrecht Band II § 45 PStG Rn. 6; [X.]/[X.] in Personenstandssachen Rn. 44). Die Vorlage enthält ausschließlich tatsächliche und rechtliche Ausführungen zu Fragen des materiellen Rechts, ohne dass aus der Vorlage der Bezug zu einer konkreten standesamtlichen Maßnahme erkennbar wird. Eine öffentliche Beglaubigung oder Beurkundung der [X.] ist bislang noch nicht erfolgt. Es lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob sich etwa die Standesbeamtin wegen ihrer Zweifel an der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der Namenswahl bereits daran gehindert sieht, an der Beglaubigung oder Beurkundung der [X.] mitzuwirken, ob sie möglicherweise der Auffassung ist, eine erst noch zu beurkundende [X.] nicht als wirksam entgegennehmen zu können oder ob sich ihre rechtlichen Bedenken - wovon die Standesamtsaufsicht auszugehen scheint - auf die anschließende Eintragung des geänderten Namens in ein Personenstandsregister beziehen.

Allerdings geben die dem [X.] vorliegenden Akten schon keinen zuverlässigen Aufschluss darüber, ob bei dem Standesamt S. die künftige Eintragung in ein Personenstandsregister oder auch nur die Entgegennahme der [X.] und damit zusammenhängende Maßnahmen (etwa die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 46 Nr. 2 [X.]) überhaupt veranlasst sein könnten. Die Geburt der Antragstellerin zu 1 im Jahr 1981 ist bei dem Standesamt in G./[X.] registriert worden. Ob und gegebenenfalls bei welchem [X.]n Standesamt ihre Geburt nach dem Erwerb der [X.]n Staatsangehörigkeit nachbeurkundet worden ist, ergibt sich aus der standesamtlichen Vorlage und den Feststellungen der Instanzgerichte nicht. Wenn aber für die Antragstellerin zu 1 kein Geburtseintrag im Inland geführt werden sollte, würde daraus folgen, dass für die Entgegennahme ihrer [X.] nicht das Standesamt S. als Wohnsitzstandesamt, sondern vorrangig dasjenige Standesamt empfangszuständig wäre, das ihre Eheschließung registriert hat (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 PStG). Nach Aktenlage wird das Eheregister bei dem Standesamt M. geführt. Im Übrigen ist die Geburt der Antragstellerin zu 2 bei dem Standesamt H. und die Geburt der Antragstellerin zu 3 bei dem Standesamt [X.] beurkundet worden.

2. Die Beschwerdeentscheidung ist somit aufzuheben, weil die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung mangels einer zulässigen Zweifelsvorlage nicht gegeben waren. Der [X.] hat von der Möglichkeit einer Zurückverweisung an das Gericht des ersten [X.] (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG) Gebrauch gemacht, weil der Verfahrensmangel beide tatrichterlichen Instanzen ergreift und auch das Beschwerdegericht die Sache bei zutreffender Sachbehandlung an das erstinstanzliche Gericht hätte zurückverweisen müssen, um dem Amtsgericht dadurch Gelegenheit zu geben, auf eine verfahrensrechtlich korrekte Zweifelsvorlage des Standesamts hinzuwirken (vgl. [X.], 221, 222).

III.

Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf das Folgende hin:

1. Die Vorschrift des § 43 Abs. 1 PStG begründet die Zuständigkeit jedes Standesbeamten, die öffentliche Beglaubigung oder Beurkundung einer [X.] nach Art. 48 EGBGB vorzunehmen; die Beteiligten können das Standesamt, das ihre Erklärungen beglaubigen oder beurkunden soll, frei wählen (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Personenstandsgesetz 5. Aufl. § 43 Rn. 6; [X.] Rn. 1162). Mit der Zuständigkeit des Standesbeamten geht die Amtspflicht zur Mitwirkung an der öffentlichen Beglaubigung oder Beurkundung namensrechtlicher Erklärungen einher. Da die [X.] des Standesbeamten für Zwecke des Personenstands in diesem Bereich neben diejenige der Notare tritt, entspricht es zutreffender Ansicht, dass der beurkundende Standesbeamte jedenfalls dann, wenn er nicht zugleich empfangszuständig ist, die Beglaubigung oder Beurkundung einer namensrechtlichen Erklärung in Anlehnung an die für Notare geltenden Grundsätze nur dann ablehnen darf, wenn die gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten die angestrebte Rechtsfolge nicht zulassen oder die Erklärung nach der eigenen Überzeugung des Standesbeamten aus anderen Gründen zweifelsfrei unwirksam ist (vgl. [X.] FamRZ 2017, 359, 360; [X.] 2014, 333 und [X.] 2000, 213, 215; [X.]/[X.]/[X.] Personenstandsgesetz 5. Aufl. § 41 Rn. 15; [X.] Rn. 1165). Bloße Zweifel an der materiell-rechtlichen Wirksamkeit der [X.] berechtigen den Standesbeamten daher nicht, deren Beglaubigung oder Beurkundung zu verweigern, und können somit auch keine Grundlage für eine auf seine Pflicht zur Mitwirkung an der Beurkundung bezogene Zweifelsvorlage nach § 49 Abs. 2 PStG sein.

2. Unterliegt der Name einer Person [X.]m Recht, so kann sie gemäß Art. 48 Satz 1 Halbsatz 1 EGBGB durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen Namen wählen. Nach der bisherigen Aktenlage dürften diese Voraussetzungen nicht vorliegen.

a) Dabei steht die konkrete Art des Namenserwerbs der Antragstellerinnen einer Anwendbarkeit von Art. 48 Satz 1 EGBGB allerdings nicht entgegen. Der Namenserwerb der Antragstellerin beruht auf einer behördlichen Namensänderung nach dem [X.]n Gesetz über die Änderung von Vor- und Familiennamen vom 17. Oktober 2008 (abgedruckt bei [X.]/[X.]/[X.] Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: Juli 2021] Länderteil [X.] S. 113 ff.), nach dem der Leiter des Standesamts auf Antrag eine Entscheidung über die Änderung des Vor- oder Familiennamens treffen kann, wenn für die begehrte Änderung ein wichtiger Grund gegeben ist. Der [X.] hat bereits entschieden, dass Art. 48 Satz 1 EGBGB wegen seines uneingeschränkten Wortlauts nicht nur auf den mit einem statusbegründenden oder [X.] familienrechtlichen Ereignis zusammenhängenden Namenserwerb, sondern auch auf einen solchen Namenserwerb anwendbar ist, der auf einer gerichtlichen, behördlichen oder privatautonomen Namensänderung beruht (vgl. [X.]sbeschluss vom 14. November 2018 - [X.] 292/15 - FamRZ 2019, 218 Rn. 12 ff. [X.]). Der hier vorliegende Fall einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung im [X.] ist daher vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst.

b) Indessen ist es nach dem Stand der bisherigen Ermittlungen sehr zweifelhaft, dass die Antragstellerinnen den Namen „[X.] von [X.].“ während eines gewöhnlichen Aufenthalts in [X.] erworben haben.

aa) Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt ist der Ort oder das Land zu verstehen, in dem der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt liegt. Vorausgesetzt wird nicht nur ein Aufenthalt von einer gewissen Dauer, die zum Unterschied von dem einfachen oder schlichten Aufenthalt nicht nur gering sein darf, sondern auch das Vorhandensein weiterer Beziehungen, insbesondere in familiärer oder beruflicher Hinsicht, in denen - im Vergleich zu einem sonst in Betracht kommenden Aufenthaltsort - der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person zu sehen ist (vgl. [X.]sbeschlüsse [X.], 300 = FamRZ 2019, 892 Rn. 19 [X.] zu Art. 19 EGBGB und [X.], 293 = FamRZ 1981, 135, 136 f. zum [X.] Minderjährigenschutzabkommen; [X.] Urteil vom 5. Februar 1975 - [X.] - FamRZ 1975, 272, 273 zum [X.] Unterhaltsübereinkommen). Die Entscheidung, ob der Aufenthalt in einem Staat als „gewöhnlicher“ Aufenthalt im vorstehenden Sinne anzusehen ist, liegt wesentlich auf tatsächlichem Gebiet und erfordert eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Zu diesen Umständen gehört auch der Wille der betreffenden Person, den gewöhnlichen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen dauerhaft in diesen Staat zu legen (animus manendi), der - soweit er sich in äußeren Umständen manifestiert - bis zu einem gewissen Grad Defizite hinsichtlich der objektiven Bedingungen für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts ausgleichen kann (vgl. [X.]sbeschluss vom 25. Mai 2022 - [X.] 404/20 - FamRZ 2022, 1308 Rn. 17; [X.] Urteil vom 25. November 2021 - [X.]. [X.]/20 - FamRZ 2022, 215 Rn. 57 f. zur [X.]). Umgekehrt werden bei einer gefestigten Absicht der Rückkehr in den Herkunftsstaat (animus revertendi) erhöhte Anforderungen an die objektiven Bedingungen, insbesondere an die Mindestaufenthaltsdauer, für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland zu stellen sein. Bleiben insbesondere familiäre, berufliche oder sonstige Bindungen in erheblichem Umfang zum Herkunftsstaat erhalten, wie dies bei zeitlich befristeten Urlaubs-, Ausbildungs- oder Klinikaufenthalten im Ausland typischerweise der Fall ist, spricht dies dafür, dass der gewöhnliche Aufenthalt selbst bei einer längeren Verweildauer im Ausland nicht dorthin verlegt worden ist (vgl. [X.]/von [X.] 8. Aufl. Art. 5 EGBGB Rn. 158, 163).

bb) Gemessen daran ist die Annahme, dass die Antragstellerin zu 1 zwischen August 2018 und April 2019 einen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] begründet hatte, nach dem derzeitigen Sachstand nicht gerechtfertigt. Es sind bislang insbesondere keine Feststellungen dazu getroffen worden, welchem Zweck der Aufenthalt der Antragstellerin zu 1 und der Kinder in [X.] diente, welche Wohnverhältnisse dort vorlagen und wie sich das familiäre Zusammenleben mit dem wohl in [X.] verbliebenen Ehemann in dieser [X.] gestaltete. Soweit man den Meldeverhältnissen eine gewisse Indizwirkung für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts beimisst (vgl. [X.]sbeschluss vom 25. Mai 2022 - [X.] 404/20 - FamRZ 2022, 1308 Rn. 30 [X.]), lässt sich aus der von der Gemeinde N./[X.] am 31. August 2018 ausgestellten Meldebescheinigung über einen vorübergehenden Aufenthalt (Zaświadczenie o zameldowaniu na pobyt [X.]) bis zum 1. April 2019 eher noch ein Beweisanzeichen dafür entnehmen, dass die Antragstellerin zu 1 von vornherein die feste Absicht zur Rückkehr in den [X.]n Herkunftsstaat hatte, wo sie mit den beiden Kindern nach den Ermittlungen des Standesamts auch durchgehend gemeldet geblieben ist und wo der Ehemann offensichtlich weiterhin lebte und arbeitete.

c) Eine analoge Anwendung von Art. 48 EGBGB auf Sachverhalte, in denen ein deutsch-ausländischer Doppelstaater den nach dem Recht seines [X.] Heimatstaats gebildeten Namen nicht während eines gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat erworben hat, ist nicht möglich.

Nach der Begründung des [X.] sollte Art. 48 EGBGB im [X.]n Namensrecht eine Rechtsgrundlage für die Eintragung eines im [X.] erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen Namens in solchen Fällen bieten, die dem vom [X.] in der Rechtssache „Grunkin und [X.]“ entschiedenen Sachverhalt kollisionsrechtlich bedingter Namensspaltung entsprechen (vgl. BT-Drucks. 17/11049 S. 12). Wenn es angesichts des vom Gesetzgeber bewusst begrenzten Anwendungsbereichs der Norm nicht planwidrig ist, dass andere Konstellationen hinkender Namensführungen deutsch-ausländischer Doppelstaater innerhalb der [X.] von ihr nicht erfasst werden, ist die Vorschrift schon deshalb einer Analogie grundsätzlich nicht zugänglich (vgl. bereits [X.]sbeschlüsse vom 20. Februar 2019 - [X.] 130/16 - FamRZ 2019, 967 Rn. 34 und vom 8. Dezember 2021 - [X.] 60/18 - FamRZ 2022, 421 Rn. 37). Dies gilt selbst dann, wenn man in den Blick nimmt, dass der durch den gewöhnlichen Aufenthalt vermittelte territoriale Bezug zum ausländischen [X.] nach der Rechtsprechung des [X.]s keine notwendige Voraussetzung für das unionsrechtliche Anerkennungsgebot ist und deshalb auch solche, von einem Aufenthalt im [X.] unabhängigen Konstellationen hinkender Namensführung innerhalb der [X.] zu einem Verstoß gegen unionsprimärrechtliche Gewährleistungen führen können. Die Rechtsprechung des [X.]s überlässt es prinzipiell den Mitgliedstaaten und ihrem nationalen Recht, auf welchem verfahrensrechtlichen Weg sie einen unionsprimärrechtlich gebotenen Gleichlauf in der grenzüberschreitenden Namensführung herstellen. Das [X.] Recht bietet dazu insbesondere mit dem öffentlich-rechtlichen Namensänderungsverfahren nach dem [X.] ([X.]) eine weitere Möglichkeit, die der [X.] - bei Wahrung der Prinzipien der Äquivalenz und der Effektivität - offensichtlich als ausreichend ansieht (vgl. [X.] Urteil vom 8. Juni 2017 - [X.]. [X.]/15 - FamRZ 2017, 1175 Rn. 40 ff. - Freitag). Ob eine analoge Anwendung von Art. 48 EGBGB ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn eine unionsprimärrechtlich gebotene Beseitigung hinkender Namensführung weder durch eine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB noch durch eine öffentlich-rechtliche Namensänderung zu erreichen ist, bedarf unter den hier obwaltenden Umständen keiner weiteren Erörterung, weil jedenfalls der Weg eines Verfahrens nach dem [X.] beschritten werden kann (vgl. Wall [Fachausschuss Nr. 4162] [X.] 2020, 248, 251). In einem solchen Verfahren wird die zuständige Verwaltungsbehörde in eigener Zuständigkeit eine Abwägung zwischen dem durch Art. 21 AEUV gewährleisteten Recht auf Personenfreizügigkeit und den berechtigten Interessen vornehmen, die der [X.] Gesetzgeber mit der in Art. 123 GG iVm Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV zum Ausdruck kommenden Missbilligung einer von familienrechtlichen Statusvorgängen losgelösten Annahme [X.] Adelsbezeichnungen verfolgt (vgl. [X.] Urteil vom 2. Juni 2016 - [X.]. [X.]/14 - FamRZ 2016, 1239 Rn. 80 ff. - [X.]; vgl. auch [X.]sbeschluss vom 14. November 2018 - [X.] 292/15 - FamRZ 2019, 218 Rn. 37 ff. [X.]).

[X.]     

      

Schilling     

      

Günter

      

Nedden-Boeger     

      

Botur     

      

Meta

XII ZB 425/21

19.10.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 28. August 2021, Az: 7 W 87/21, Beschluss

§ 43 Abs 1 PStG, § 43 Abs 2 PStG, § 49 Abs 2 PStG, Art 48 S 1 BGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2022, Az. XII ZB 425/21 (REWIS RS 2022, 6580)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6580 MDR 2023, 53 REWIS RS 2022, 6580

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