Bundessozialgericht, Urteil vom 13.10.2010, Az. B 6 KA 29/09 R

6. Senat | REWIS RS 2010, 2426

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Gegenstand

Kostenerstattung im Vorverfahren - Erfolg des Widerspruchs - Kausalität zwischen Widerspruch und abhelfender Entscheidung - Änderung der Rechtslage


Leitsatz

Ein Widerspruch ist grundsätzlich auch dann erfolgreich iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB 10, wenn eine während des Widerspruchsverfahrens eingetretene Rechtsänderung zu einem für den Widerspruchsführer günstigen Verfahrensausgang führt.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 1. trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 7.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens.

2

Der Kläger ist Facharzt für innere Medizin mit Teilgebietsbezeichnung Nephrologie. Im Oktober 2000 stellte er einen Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit im Wege des [X.]. Gleichzeitig beantragten der Kläger und sein späterer Praxispartner, Dr. M., die gemeinschaftliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als Fachärzte für Innere Medizin - Nephrologie - in [X.] Gegen die ablehnenden Beschlüsse des [X.] vom [X.] legte der Kläger Widerspruch ein ([X.] betreffend [X.]zulassung: [X.]/2001, [X.] betreffend die Genehmigung der Gemeinschaftspraxis: [X.] 11/2001).

3

Am 26.4.2001 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf eine [X.]zulassung. Auch diesen Antrag lehnte der Zulassungsausschuss ab, weil die Voraussetzungen einer Zulassung im Wege des [X.] nach der [X.] der [X.] nicht vorlägen (Beschluss vom 17.5.2001). Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein ([X.]: [X.] 92/2001) und trug vor, dass gerade die Notwendigkeit, nach der [X.] zu den [X.] einen zweiten Arzt in einer Dialysepraxis zu beschäftigen, einen dauerhaften Sonderbedarf indiziere.

4

Mit Wirkung zum [X.] wurde § 24 der [X.] um den Buchstaben e ergänzt, wonach die Voraussetzungen für eine Ausnahme gegeben sind, wenn durch die [X.] ([X.]) zur Sicherstellung der wohnortnahen Dialyseversorgung einem Vertragsarzt ([X.]) oder aufgrund der Qualitätssicherungsvereinbarung zu den [X.] gemäß § 135 Abs 2 [X.]B V einem weiteren Arzt in der Dialysepraxis ([X.]) die Genehmigung zur Durchführung eines [X.] für die nephrologische Versorgung der von einer chronischen Niereninsuffizienz betroffenen Patienten mit Dialyseleistungen gemäß § 2 Abs 7 der [X.] erteilt werden soll, der Zulassung jedoch Zulassungsbeschränkungen für die Zulassung von Fachärzten für Innere Medizin zur Teilnahme an der [X.] Versorgung entgegenstehen.

5

Der Beklagte hob daraufhin den Beschluss des [X.] vom 17.5.2001 auf und ließ den Kläger mit Wirkung zum 1.10.2002 wegen [X.] nach [X.] Buchstabe e der [X.] als Facharzt für Innere Medizin - Nephrologie - zur vertragsärztlichen Versorgung zu (Beschluss vom [X.]). Zur Begründung wurde auf den Beschluss des [X.] über die Änderung der [X.] verwiesen. Mit Beschluss vom selben Tag hob der Beklagte den Beschluss des [X.] vom [X.] auf und genehmigte die aus dem Kläger und Dr. M. bestehende internistisch-nephrologische Gemeinschaftspraxis.

6

Der Kläger beantragte daraufhin, in den Widerspruchsverfahren betreffend die [X.]zulassung sowie die Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis die Beiziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erklären und ihm die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen in beiden Widerspruchsverfahren zu erstatten. Die Beklagte lehnte dies ab, weil die vom Kläger eingelegten Widersprüche für die Entscheidung nicht kausal geworden seien (Beschluss vom 3.9.2003). Der Widerspruch im Verfahren [X.] 92/2001 sei nur aufgrund der zum [X.] in [X.] getreten Ergänzung der [X.] um [X.] Buchstabe e erfolgreich gewesen. Wegen der dadurch erst möglichen Zulassung des [X.] im Wege des [X.] habe auch das auf Genehmigung einer nephrologischen Gemeinschaftspraxis gerichtete Widerspruchsverfahren Erfolg gehabt.

7

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, weil die Widersprüche des [X.] nicht erfolgreich gewesen seien (Gerichtsbescheid vom 13.3.2006). Das L[X.] Niedersachsen-Bremen hat den Gerichtsbescheid und den Beschluss des Beklagten aufgehoben und ihn verurteilt, dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen in den Verfahren [X.] 11/2001 und [X.] 92/2001 zu erstatten und die Zuziehung eines Rechtsanwalts als notwendig zu bestimmen (Urteil vom [X.]). Ein Widerspruch sei erfolgreich, wenn der angegriffene Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufgehoben werde. Eine Kausalität zwischen der Widerspruchseinlegung und dem Erfolg des Widerspruchs müsse nicht bestehen. Das gelte auch dann, wenn der Erfolg durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage herbeigeführt worden sei. Für den Anwendungsbereich des § 80 Abs 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), dem die Vorschrift des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X nachgebildet worden sei, komme es nach herrschender Meinung auf eine Kausalität des Widerspruchs nicht an. Das B[X.] sei dem zunächst gefolgt. In späteren Entscheidungen seien dann der 4. und der 12. Senat des B[X.] davon teilweise abgewichen und hätten angenommen, dass der Widerspruch nur erfolgreich sei, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe. Das Abstellen der Rechtsprechung auf eine ursächliche Verknüpfung überzeuge vor dem Hintergrund des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X nicht. Das gelte umso mehr, als sie im Ergebnis zu einer umfangreichen Kasuistik führe, mit der das [X.] nach dem Regierungsentwurf des § 80 VwVfG gerade nicht belastet werden sollte. Soweit die Entscheidungen von den Gedanken getragen worden seien, Mängel bei der Mitwirkung des [X.] durch eine Kostentragung zu sanktionieren, bedürfe es des Konstrukts einer kausalen Verknüpfung nicht, weil nach § 63 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 1 [X.]B X die Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, von diesem selbst zu tragen seien.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der zu 1. beigeladenen [X.]. Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] sei ein Widerspruch nur dann erfolgreich, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe. Eine solche sei hier gerade nicht gegeben, weil allein die Änderung der [X.] zum Erfolg des [X.] im Vorverfahren geführt habe. Das B[X.] habe in einem Urteil vom 25.3.2004 - B 12 KR 1/03 R - die Frage, ob ein Erfolg des Widerspruchs vorliege, wenn eine während des Widerspruchsverfahrens in [X.] getretene Gesetzesänderung zu einem für den Widerspruchsführer günstigen Verfahrensausgang führe, ausdrücklich offengelassen. Dieser Entscheidung habe ein Sachverhalt zugrunde gelegen, in dem das Widerspruchsverfahren einvernehmlich geruht habe, um zu der mit dem Widerspruch aufgeworfenen Rechtsfrage höchstrichterliche Entscheidungen in Parallelverfahren abzuwarten. Das B[X.] habe die Auffassung vertreten, dass die Ursächlichkeit des Widerspruchs für den Erfolg in der Sache durch das einverständliche Abwarten und den günstigen Ausgang der Parallelverfahren ersetzt werde. Eine solche besondere Fallkonstellation sei bei einer bloßen Rechtsänderung aber nicht gegeben.

9

Die Beigeladene zu 1. beantragt,
das Urteil des L[X.] Niedersachsen-Bremen vom [X.] aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte schließt sich dem Antrag der Beigeladenen zu 1. an.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X fordere keinen Kausalzusammenhang für die Erstattungspflicht der Behörde. Im Übrigen wäre der Widerspruch auch ohne die eingetretene Rechtsänderung erfolgreich gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beigeladenen zu 1. ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht den Gerichtsbescheid des [X.] sowie den angefochtenen Bescheid des [X.]n aufgehoben. Der [X.] ist verpflichtet, eine [X.]ostengrundentscheidung zugunsten des [X.] für die Verfahren zu den [X.]: [X.]/2001 und [X.]/2001 zu treffen und dabei auch die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

1. Die [X.]lage unmittelbar gegen den Beschluss des [X.]n über die [X.]osten der Widerspruchsverfahren war zulässig. Eines vorausgehenden Vorverfahrens nach § 78 Abs 1 [X.] bedurfte es nicht. Der [X.] war als Behörde, die über den Widerspruch entschieden hat, auch für die [X.]ostenentscheidung zuständig. Das hat zur Folge, dass ein Vorverfahren gegen die vom Berufungsausschuss zu treffende [X.]ostenentscheidung nicht stattfindet (vgl [X.]-1300 § 63 [X.] zur [X.]ostenfestsetzungsentscheidung des Berufungsausschusses).

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch des [X.] ist § 63 Abs 1 Satz 1 [X.], der auch im vertragsärztlichen Zulassungsrecht zur Anwendung kommt (vgl [X.]-1300 § 63 [X.] Rd[X.]6; [X.], 257 = [X.]-1300 § 63 [X.], jeweils Rd[X.]2; [X.]-1935 § 17 [X.] Rd[X.]3). Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Diese Voraussetzung war hier gegeben. Die Widersprüche des [X.] waren erfolgreich iS des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.], weil der [X.] die beantragte Sonderbedarfszulassung sowie die Genehmigung der Gemeinschaftspraxis erteilt hat.

3. Dem Erfolg des Widerspruchs iS des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.] steht hier eine mangelnde Ursächlichkeit zwischen dem Widerspruch und den begünstigenden Entscheidungen nicht entgegen. Der [X.] hält allerdings grundsätzlich daran fest, dass ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich ist, wenn zeitlich nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eine den Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht, sondern auch erforderlich ist, dass zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl [X.]-1300 § 63 [X.] Rd[X.]5; [X.]-1300 § 63 [X.] Rd[X.]1; [X.]-1500 § 144 [X.]3 S 34; [X.]-1300 § 63 [X.] S 13). Eine solche Verknüpfung hat der 4. [X.] des BSG in einer Entscheidung vom [X.] ([X.]-1300 § 63 [X.]) für einen Fall verneint, in dem durch eine nachträgliche Vorlage des Antragsvordrucks und einer Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit im Widerspruchsverfahren die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen nachgewiesen wurden. Dem hat sich der 12. [X.] in einem zurückverweisenden Urteil vom [X.] angeschlossen ([X.]-1500 § 144 [X.]3 S 34). In seiner abschließenden Entscheidung in dieser Sache hat der 12. [X.] des BSG (Urteil vom 18.12.2001 - [X.] 2001-61 S 377) einen ursächlichen Zusammenhang abgelehnt, weil dem Widerspruch im Hinblick darauf stattgegeben worden war, dass der Widerspruchsführer ausstehende Beitragszahlungen geleistet hatte, nachdem die [X.]rankenkasse wegen eines Beitragsrückstandes das Ende der Mitgliedschaft festgestellt hatte. In den entschiedenen Fällen beruhte die Stattgabe mithin allein darauf, dass der Widerspruchsführer während des Widerspruchsverfahrens eine Handlung nachgeholt hatte, die er zuvor pflichtwidrig unterlassen hatte. Das Verhalten der Widerspruchsführer, die erst im Widerspruchsverfahren die gebotene Handlung nachholten und dann die Erstattung der [X.] verlangten, wurde als widersprüchlich angesehen ([X.]-1300 § 63 [X.] Rd[X.]0). Der 5. [X.] hat in einem Urteil vom 17.10.2006 ([X.]-1300 § 63 [X.]) die [X.]ausalität für den Fall verneint, dass bei einem unzulässigen Widerspruch gegen die fehlende [X.]ostenentscheidung im [X.] aufgrund einer [X.]ostennote die geltend gemachten Beträge überwiesen wurden. Entgegen der Auffassung des [X.] ist das Erfordernis der [X.]ausalität nicht im Hinblick auf § 63 Abs 1 Satz 3 [X.] obsolet, weil diese Vorschrift nur die Höhe, nicht den Grund der [X.]ostenentscheidung betrifft (vgl [X.] in: [X.]/[X.], [X.], Stand: Juli 2010, [X.] § 63 Rd[X.] 28; [X.] in: von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 63 Rd[X.] 25; [X.]allerhoff in: [X.]/Bonk/Sachs, [X.], 7. Aufl 2008, § 80 Rd[X.]2). Eine mit den genannten Fallkonstellationen vergleichbare Sit[X.]tion ist hier indes nicht gegeben.

Es bedarf daher keiner abschließenden Bewertung, ob die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und das Schrifttum zu § 80 [X.], wie das [X.] meint, eine Frage nach der [X.]ausalität des Widerspruchs ausschließen (hierfür sprechen zB [X.] [X.] 316 § 80 [X.] [X.]2 und 25; [X.] in: [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2010, § 80 Rd[X.] 25 unter Hinweis auf zT widersprüchliche Entscheidungen; dagegen etwa [X.], NVwZ-RR 1999, 706; [X.]allerhoff aaO § 80 Rd[X.]1) oder ob sie nur die Unmaßgeblichkeit der Widerspruchsbegründung betonen. Das [X.] verfolgt jedenfalls auch einen kausalitätsbezogenen Ansatz, wenn es in einer neueren Entscheidung bei der Prüfung, ob die Behörde treuwidrig statt einer Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 [X.] getroffen hat, darauf abstellt, ob das die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auslösende Ereignis im Verantwortungsbereich des [X.] lag ([X.]E 118, 84: [X.]riegsdienstverweigerungsantrag, der zwischen der Absendung des Einberufungsbescheides und der [X.] gestellt worden ist).

4. Hier liegt die für den Anspruch nach § 63 Abs 1 Satz 1 [X.] grundsätzlich erforderliche [X.]ausalität zwischen Widerspruch und Erfolg im Widerspruchsverfahren vor. Wenn nämlich eine während des Widerspruchsverfahrens eingetretene Rechtsänderung zu einem für den Widerspruchsführer günstigen Verfahrensausgang führt, entfällt die erforderliche Ursächlichkeit im Rechtssinne grundsätzlich nicht (vgl hierzu bereits [X.]-1300 § 63 [X.] Rd[X.]1, wo die Frage aber nicht zu entscheiden war; [X.] aaO [X.] § 63 Rd[X.] 27; Diering in: LP[X.]-[X.], 2. Aufl 2007, § 63 Rd[X.] f). Ob dies auch für den Fall eines ursprünglich offensichtlich unbegründeten Widerspruchs gilt, muss der [X.] nicht entscheiden; eine solche [X.]onstellation liegt nicht vor (zum offensichtlich unzulässigen Widerspruch vgl [X.]-1300 § 63 [X.]). Deshalb kann hier offen bleiben, ob der Widerspruch des [X.] nicht auch ohne die Änderung der [X.] zum 1.7.2002 Erfolg gehabt hätte.

Wenn und soweit der Widerspruchsführer im Verfahren von einer Rechtsänderung zu seinen Gunsten profitiert, ist neben dieser Änderung auch der Widerspruch ursächlich für den Erfolg iS des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]. Durch seinen Widerspruch hat der Widerspruchsführer die Bestandskraft der ablehnenden Verwaltungsentscheidung verhindert, die allein durch die Rechtsänderung nicht entfallen wäre. Eine ähnliche Wertung liegt dem Urteil des 12. [X.]s des BSG vom 25.3.2004 zu Grunde. In dem entschiedenen Fall hatte das Widerspruchsverfahren einvernehmlich geruht, um zu der mit dem Widerspruch aufgeworfenen Frage höchstrichterliche Entscheidungen in Parallelverfahren mit Blick darauf abzuwarten, ob diese Verfahren zugunsten des [X.] ausgingen ([X.]-1300 § 63 [X.] = [X.] 2004, 776 mit zustimmender Anmerkung von [X.]). In beiden Fällen setzte sich der Widerspruchsführer mit seinem Begehren im Ergebnis aus Rechtsgründen durch. Dabei ist grundsätzlich nicht von Belang, welche rechtlichen Erwägungen zur stattgebenden Entscheidung im Widerspruchsverfahren geführt haben (vgl [X.]-1500 § 144 [X.]3 S 34). Der Erfolg eines Widerspruchs bemisst sich nicht daran, ob der Argumentation des [X.] gefolgt wurde. Einer [X.]ausalität zwischen Widerspruchsbegründung und der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes bedarf es nicht. Auch wenn dem Widerspruch aus vom Widerspruchsführer nicht vorgetragenen Gründen stattgegeben wird, ist er erfolgreich gewesen, wenn der Abhilfe eine vom Ausgangsbescheid abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde liegt (vgl [X.]rasney in [X.]asseler [X.]ommentar, Stand: Jan[X.]r 2009, § 63 [X.] Rd[X.]).

Dem [X.] ist insofern zuzustimmen, als dem Wortlaut des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.] keine Einschränkung hinsichtlich der Gründe für die stattgebende Entscheidung zu entnehmen ist. Im Gesetzgebungsverfahren zu § 80 [X.], dem § 63 [X.] nachgebildet ist (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 8/2034 [X.] zu § 61 des Entwurfs), wurde erörtert, ob eine [X.]ostenerstattungspflicht dann entfallen soll, wenn dem Widerspruch nicht wegen Rechtswidrigkeit, sondern wegen Unzweckmäßigkeit des angefochtenen Bescheides stattgegeben wird (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 7/910 S 92). Eine unterschiedliche Beurteilung dieser Fälle wurde abgelehnt, um das [X.]ostenverfahren nicht mit schwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen zu belasten. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides soll mithin nicht nach Abschluss des Verfahrens im anschließenden [X.]ostenverfahren überprüft werden müssen. Das erscheint auch deshalb sinnvoll, weil im Rahmen des § 63 [X.] eine gebundene Entscheidung und nicht wie bei § 193 [X.] eine Ermessensentscheidung getroffen wird.

Für die Auffassung, dass eine Rechtsänderung zu Gunsten des [X.] die [X.]ausalität des Widerspruchs für dessen Erfolg nicht entfallen lässt, spricht schließlich, dass die [X.] von der Beigeladenen zu 1. vertretene Gegenauffassung (zumindest) in zwei [X.]onstellationen wohl kaum zur Anwendung kommen könnte. Das betrifft zum einen Fälle, in denen alles dafür spricht, dass der Widerspruch auch ohne die Rechtsänderung Erfolg gehabt hätte, etwa weil die Auffassung der Ausgangsbehörde der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen hat, der dann im Laufe des Widerspruchsverfahrens durch eine gesetzliche [X.]larstellung Rechnung getragen worden ist. Wollte man auch insoweit die [X.]ausalität des Widerspruchs für den Erfolg allein mit Hinweis auf die Rechtsänderung verneinen, hätte der Widerspruchsführer als Folge dieser Änderung einen ursprünglich begründeten Erstattungsanspruch nach § 63 Abs 1 [X.] verloren. Er müsste dann Anwaltskosten in unter Umständen erheblicher Höhe selbst tragen, obwohl er bei Beauftragung des Anwalts sicher davon ausgehen konnte, mit diesen [X.]osten nicht belastet zu werden.

Vergleichbare Wertungsprobleme ergäben sich in [X.]onstellationen, in denen sich der Widerspruchsführer unter Umständen parallel zum eigenen Widerspruchsverfahren im politischen Raum um eine Änderung oder auch nur [X.]larstellung der Rechtslage (auch) zu seinen Gunsten bemüht. Wenn er damit Erfolg hat, wäre schwer begründbar, dass dieser Erfolg mit dem Ausschluss des Erstattungsanspruchs nach § 63 Abs 1 [X.] selbst dann erkauft werden müsste, wenn im Widerspruchsverfahren und im politischen Raum übereinstimmende Gesichtspunkte angeführt wurden.

Der Verwaltungsträger wird dadurch auch nicht in unbilliger Weise trotz rechtmäßigen Verhaltens mit [X.]osten belastet. Zum einen soll aus Gründen der Verfahrensökonomie die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im [X.]ostenverfahren nicht mehr überprüft werden. Für die Leistungs- und Verpflichtungsklage wäre ohnehin der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblich (vgl [X.], 116 = [X.]-2500 § 101 [X.] 7, Rd[X.] 26 mwN; [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 54 Rd[X.]4 mwN). Zum anderen hat der Widerspruchsführer seinerseits von einem ihm zustehenden Rechtsbehelf zur Wahrung seiner Rechte Gebrauch gemacht. Er kann nicht darauf verwiesen werden, dass er auch dadurch seinem Begehren zum Erfolg hätte verhelfen können, dass er nach Eintritt der Rechtsänderung einen neuen Antrag gestellt hätte. Im Fall der Rechtsänderung während des Vorverfahrens zugunsten des [X.] liegt der Grund für den Erfolg des Widerspruchs außerhalb der Rechtskreise der Beteiligten allein in der Sphäre des [X.]. Dessen Tun steht aber, insbesondere im Fall der [X.], der Sphäre des [X.] näher als der des [X.]. Das Risiko einer Änderung der Rechtslage ist mithin ebenso wie eine Änderung der Rechtsprechung regelmäßig dem Verwaltungsträger zuzurechnen.

5. Das [X.] hat auch zutreffend entschieden, dass der [X.]läger beanspruchen kann, dass der [X.] die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbehelfsverfahren feststellt, § 63 Abs 2 iVm Abs 3 Satz 2 [X.]. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts ist danach zu beurteilen, ob der Widerspruchsführer es für erforderlich halten durfte, im Vorverfahren durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden ([X.]-1300 § 63 [X.] Rd[X.]9). Das ist in Verfahren, in denen es um die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung geht, in der Regel der Fall.

6. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 154 Abs 1 und § 162 Abs 3 iVm § 154 Abs 3 VwGO. Eine Erstattung außergerichtlicher [X.]osten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (vgl [X.], 257 = [X.]-1300 § 63 [X.] Rd[X.]6).

Meta

B 6 KA 29/09 R

13.10.2010

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Hannover, 13. März 2006, Az: S 24 KA 267/03, Gerichtsbescheid

§ 63 Abs 1 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.10.2010, Az. B 6 KA 29/09 R (REWIS RS 2010, 2426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2426

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