Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2011, Az. B 6 KA 35/10 R

6. Senat | REWIS RS 2011, 2248

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Gegenstand

Erstattung von Kosten im Widerspruchsverfahren - Kausalität eines Widerspruchs für eine begünstigende Entscheidung


Leitsatz

Die erforderliche Kausalität eines Widerspruchs für eine begünstigende Entscheidung im Widerspruchsverfahren fehlt nicht, wenn der Widerspruch sich gegen eine Rückforderung in einem vorläufigen Bescheid richtete und im Widerspruchsbescheid eine endgültige Regelung zugunsten des Widerspruchsführers erfolgt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2010 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. November 2007 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens beträgt 1542 Euro.

Tatbestand

1

[X.]er Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der hälftigen Kosten eines isolierten Vorverfahrens.

2

[X.]er Kläger war in den [X.]/1999 bis [X.] als Zahnarzt in [X.] zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er stand in ständigen [X.]eschäftsbeziehungen zur Firma [X.], von der er zahntechnisch Leistungen bezog. [X.] wurde in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren dem Anfangsverdacht nachgegangen, er habe von diesem Unternehmen Rückzahlungen (sog "Kick-back"-Zahlungen) erhalten, die er nicht an die gesetzlichen Krankenkassen weitergeleitet habe. [X.]ie Beklagte hob mit zwei Bescheiden vom 23.9.2003 unter Hinweis auf dieses Ermittlungsverfahren die dem Kläger für die [X.]/1999 bis einschließlich [X.] erteilten [X.] in Höhe von vorläufig insgesamt 269 807,60 [X.] auf und forderte die zu Unrecht gezahlte Vergütung bzw die zu Unrecht erstatteten Kosten zurück.

3

[X.]em Widerspruch des [X.] hiergegen gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7.11.2006 in Höhe von 137 046,50 [X.] statt und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. [X.]ebühren und Auslagen des Bevollmächtigten seien nicht zu erstatten. [X.]ie [X.] seien nur vorläufig aufgehoben worden, weil nach den Erfahrungswerten noch privatärztliche Leistungen in der zurückgeforderten Summe hätten enthalten sein können. Unter Berücksichtigung des Ermittlungsergebnisses, der beschlagnahmten Abrechnungsunterlagen des [X.] und nach den Auskünften der betroffenen Krankenkassen sei ein Schaden in Höhe von 132 761,10 [X.] entstanden. [X.]ieser Betrag sei an die Krankenkassen und die Patienten zurückzuzahlen. [X.]ie Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes werde zwar für notwendig gehalten, Kosten könnten aber dennoch nicht erstattet werden. Es liege zwar rein formal eine teilweise Abhilfe vor. Hierfür sei der Widerspruch jedoch nicht kausal gewesen. [X.]ie Beklagte habe zunächst nur den in der Ermittlungsakte als Höchstschaden benannten Betrag zurückgefordert. Sie hafte gegenüber den Krankenkassen, wenn ein Vertragszahnarzt bei Erfüllung der vertragszahnärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer [X.] lasse und ihr ein Rückgriff gegen den Zahnarzt durch Aufrechnung gegen die Honorarforderungen möglich sei. [X.]aher habe sie den [X.] bei dem Kläger sicherstellen müssen. Nach der nachvollziehbaren [X.]arlegung der Kassen- und Patientenanteile werde der übersicherte Betrag für die Privatpatienten an den Kläger freigegeben, weil die Beklagte insoweit nicht für die Schadensrückabwicklung zuständig sei. Nach dem Abgleich mit dem Zahnarzt und den Krankenkassen werde der vorläufige Ausgangsbescheid endgültig auf den ermittelten [X.]esamtschaden festgesetzt. [X.]ies geschehe unabhängig davon, ob der Zahnarzt Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt habe oder nicht. [X.]eshalb seien nicht der Widerspruch, sondern die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren ursächlich für die teilweise Aufhebung des Widerspruchs. Hätte der Widerspruchsausschuss zum Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs am 27.10.2003 über den Widerspruch entschieden, hätte er den Widerspruch zurückweisen müssen.

4

[X.]as S[X.] [X.]üsseldorf hat die Beklagte verurteilt, die [X.]ebühren und Auslagen des Vorverfahrens des Bevollmächtigten in hälftiger Höhe zu erstatten, weil der Widerspruch des [X.] teilweise erfolgreich gewesen sei. Es sei hier allein auf das Ergebnis abzustellen. Umstände, die eine ursächliche Verknüpfung zwischen der begünstigenden Entscheidung der Behörde und dem Widerspruch ausschlössen, lägen nicht vor. Zwar hätte die Beklagte möglicherweise auch ohne den Widerspruch von Amts wegen ihre Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide nach Konkretisierung der strafrechtlichen Vorwürfe angepasst. Es entspreche jedoch dem typischen Risiko einer Behörde, dass von ihr getroffene Maßnahmen mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf angegriffen würden. [X.]er Adressat eines belastenden Verwaltungsakts könne nicht darauf verwiesen werden, dass die Behörde der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht im Laufe des Verfahrens von sich aus fehlerfrei nachkommen werde.

5

[X.]as LS[X.] Nordrhein-Westfalen hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des S[X.] geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). [X.]ie Änderung des [X.] durch Reduzierung auf etwa die Hälfte des [X.] beruhe nicht auf dem Widerspruch des [X.]. [X.]ie Beklagte, die zunächst keine exakte Berechnung des rechtswidrig erhaltenen Honorars habe durchführen können, habe lediglich einen vorläufigen, auf einer Schätzung beruhenden Bescheid erlassen. Bei einem vorläufigen Verwaltungsakt werde eine Regelung unter dem Vorbehalt der späteren endgültigen Entscheidung getroffen. [X.]ie Beklagte hätte auch die Möglichkeit gehabt, nach Erlass eines neuen [X.] den Widerspruch für erledigt zu erklären und mit der entsprechenden Kostenfolge in vollem Umfang abzuweisen.

6

[X.]agegen richtet sich Revision des [X.]. Er trägt zur Begründung vor, allein entscheidend sei der Ausgang des Widerspruchsverfahrens. Nur so sei für den Betroffenen auch das Kostenrisiko eines Widerspruchsverfahrens absehbar. [X.]ie Einlegung eines Widerspruchs sei stets kausal für die sodann ergehende Widerspruchsentscheidung. [X.]urch nicht ausreichend konkretisierbare Anforderungen an die Kausalität werde die Kostenerstattungsentscheidung nach § 63 Abs 1 Satz 1 S[X.]B X entgegen ihrem Wortlaut schleichend zu einer Ermessensentscheidung. [X.]as LS[X.] habe der Beklagten auch zu Unrecht die Möglichkeit zugestanden, einen vorläufigen Rückforderungsbescheid zu erlassen.

7

[X.]er Kläger beantragt, das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.]üsseldorf vom 21. November 2007 zurückzuweisen.

8

[X.]ie Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

[X.]ie Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des [X.] durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 S[X.][X.]).

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist begründet. Das [X.] hat zu Unrecht das Urteil des [X.] geändert. Die [X.] ist verpflichtet, eine [X.]ostengrundentscheidung zugunsten des [X.] zu treffen.

1. Die [X.]lage unmittelbar gegen die Entscheidung der [X.]n im Widerspruchsbescheid über die [X.]osten des Widerspruchsverfahrens war zulässig (zur Trennung von Sach- und [X.]ostenentscheidung vgl B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.] Rd[X.]). Eines gesonderten Vorverfahrens nach § 78 Abs 1 [X.]G hinsichtlich der [X.]ostengrundentscheidung bedurfte es nicht (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, Stand: August 2011, [X.] § 63 Rd[X.] 25). Die [X.] war als Behörde, die über den Widerspruch entschieden hat, auch für die [X.]ostenentscheidung zuständig (vgl B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.], Rd[X.] 16 zur [X.]ostenfestsetzungsentscheidung des Berufungsausschusses).

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch des [X.] ist § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Diese Voraussetzung war hier gegeben. Der Widerspruch des [X.] war erfolgreich iS des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X, weil die [X.] die Rückforderungssumme auf etwa die Hälfte reduziert hat.

3. Dem Erfolg des Widerspruchs iS des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X steht eine mangelnde Ursächlichkeit zwischen dem Widerspruch und der begünstigenden Entscheidung nicht entgegen. Der Senat hält grundsätzlich daran fest, dass ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich ist, wenn zeitlich nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eine den Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht, sondern auch erforderlich ist, dass zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl zuletzt Urteil vom 13.10.2010 - [X.] [X.]A 29/09 R, [X.] 4-1300 § 63 [X.] Rd[X.] 16 unter Bezugnahme auf B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.] Rd[X.] 15; B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.] Rd[X.] 11; B[X.] [X.] 3-1500 § 144 [X.] S 34; B[X.] [X.] 3-1300 § 63 [X.] 3 S 13).

Ausgangspunkt für die Rechtsprechung des B[X.] zum Erfordernis einer kausalen Verknüpfung zwischen Widerspruch und begünstigender Widerspruchsentscheidung ist eine Entscheidung des 4. Senats des B[X.] vom [X.] ([X.] 3-1300 § 63 [X.] 3). Dort wurde eine solche Verknüpfung für einen Fall verneint, in dem durch eine nachträgliche Vorlage des Antragsvordrucks und einer Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit im Widerspruchsverfahren die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen nachgewiesen wurden. Der Forderung nach einer ursächlichen Verknüpfung im Rechtssinne hat der 12. Senat sich in einem zurückverweisenden Urteil vom [X.] angeschlossen (B[X.] [X.] 3-1500 § 144 [X.] S 34). In seiner abschließenden Entscheidung in dieser Sache hat der 12. Senat des B[X.] (Urteil vom 18.12.2001 - US[X.] 2001-61 S 377) einen ursächlichen Zusammenhang abgelehnt, weil dem Widerspruch im Hinblick darauf stattgegeben worden war, dass der Widerspruchsführer ausstehende Beitragszahlungen geleistet hatte, nachdem die [X.]rankenkasse wegen eines Beitragsrückstandes das Ende der Mitgliedschaft festgestellt hatte. In den entschiedenen Fällen beruhte die Stattgabe mithin allein darauf, dass der Widerspruchsführer während des Widerspruchsverfahrens eine Handlung nachgeholt hatte, die er zuvor pflichtwidrig unterlassen hatte. Das Verhalten der Widerspruchsführer, die erst im Widerspruchsverfahren die gebotene Handlung nachgeholt und dann die Erstattung der [X.] verlangt hatten, ist als widersprüchlich angesehen worden (B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.] 1 Rd[X.] 10). Der 5. Senat hat in einem Urteil vom 17.10.2006 ([X.] 4-1300 § 63 [X.]) die [X.]ausalität für den Fall verneint, dass bei einem unzulässigen Widerspruch wegen der fehlenden [X.]ostenentscheidung in einem Abhilfebescheid aufgrund einer [X.]ostennote die geltend gemachten Beträge überwiesen worden waren. Als mangels [X.]ausalität nicht erfolgreich hat der 13. Senat am 20.10.2010 in einem obiter dictum den Widerspruch gegen einen Bescheid angesehen, der nach § 96 [X.]G Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens geworden war ([X.] 4-1500 § 193 [X.] 6). Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 13.10.2010 - [X.] [X.]A 29/09 R - ([X.] 4-1300 § 63 [X.] Rd[X.] 18 ff) entschieden, dass auch dann, wenn eine während des Widerspruchsverfahrens eingetretene Rechtsänderung zu einem für den Widerspruchsführer günstigen Verfahrensausgang führt, die erforderliche Ursächlichkeit im Rechtssinne grundsätzlich nicht entfällt (vgl hierzu bereits B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.] 1 Rd[X.] 11, wo die Frage aber nicht zu entscheiden war; [X.] aaO, [X.] § 63 Rd[X.] 27; Diering in LP[X.]-[X.]B X, 2. Aufl 2007, § 63 Rd[X.] f).

Ob die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und die Literatur zu § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz ([X.]) die Prüfung der [X.]ausalität des Widerspruchs als Voraussetzung für den [X.]ostenerstattungsanspruch für entbehrlich halten (hierfür sprechen etwa [X.] [X.] 316 § 80 [X.] [X.] 12 und 25; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2010, § 80 Rd[X.] 25 unter Hinweis auf zT widersprüchliche Entscheidungen; dagegen etwa [X.], NVwZ-RR 1999, 706; [X.]allerhoff in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2008, § 80 Rd[X.] 31) oder ob sie nur die Unmaßgeblichkeit der Widerspruchsbegründung betonen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Das [X.] verfolgt immerhin auch einen kausalitätsbezogenen Ansatz, wenn es in einer neueren Entscheidung bei der Prüfung, ob die Behörde treuwidrig statt einer Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO eine Rücknahmeentscheidung nach § 48 [X.] getroffen hat, darauf abstellt, ob das die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auslösende Ereignis im Verantwortungsbereich des [X.] lag ([X.]E 118, 84: [X.]riegsdienstverweigerungsantrag, der zwischen Absendung und Zugang des Einberufungsbescheides gestellt worden war). Eine [X.]onstellation, in der der Widerspruch nicht kausal für die begünstigende Entscheidung ist, ist hier jedenfalls nicht gegeben.

4. Der [X.]läger hat sich als Widerspruchsführer im Ergebnis teilweise durchgesetzt, weil die [X.] den vom [X.]läger angegriffenen Honorareinbehalt im Widerspruchsverfahren deutlich reduziert hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die [X.] in den Bescheiden vom 23.9.2003 die Höhe der Rückforderungssummen lediglich vorläufig festgesetzt hatte. Es ist dem Adressaten eines Verwaltungsaktes nicht verwehrt, auch gegen eine vorläufige Festsetzung Widerspruch einzulegen. Die [X.] kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass sie den Widerspruch hätte zurückweisen müssen, wenn sie früher über ihn entschieden hätte. Es kann offenbleiben, ob dies zutrifft, hat sich doch ihre Schätzung als deutlich überzogen erwiesen. Auf hypothetische Entscheidungsalternativen kommt es nicht an. Tatsächlich hat die [X.] jedenfalls nicht in angemessener [X.] über den Widerspruch entschieden, sondern abgewartet, bis sie eine endgültige Entscheidung über die Höhe der Rückforderung hat treffen können. Wenn die [X.] dann - unter Vermengung der Entscheidungen über den Widerspruch hinsichtlich der vorläufigen Festsetzung einerseits und über die endgültige Festsetzung andererseits - dem Widerspruch teilweise abhilft, ist dieser als erfolgreich im Rechtssinne anzusehen.

Dass die [X.] möglicherweise auch ohne den Widerspruch eine endgültige Festsetzung in Höhe von 132 761,10 [X.] vorgenommen hätte, lässt die [X.]ausalität des Widerspruchs nicht entfallen. Das [X.] hat zu Recht ausgeführt, dass dem [X.]läger nicht zuzumuten war, auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Festsetzung zu verzichten. Er war auch durch die vorläufige Regelung beschwert und nicht gehindert, auf deren Änderung mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln hinzuwirken. Gerade wenn die Feststellung der Schadenssumme einige [X.] in Anspruch nimmt, kann ein Interesse an der Reduzierung des vorläufig festgestellten Betrages oder gar der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides insgesamt bestehen. Wenn die [X.] zeitnah, also zumindest innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 88 Abs 2 [X.]G, entschieden hätte, hätte sie ihrer Widerspruchsentscheidung den im Entscheidungszeitpunkt vorhandenen [X.]enntnisstand zu Grunde legen müssen und dürfen. Nach damaligem Sachstand hätte die Beurteilung, ob ihr Rückzahlungsansprüche in der ursprünglich angenommenen Höhe von ca 270 000 [X.] zustanden, möglicherweise noch anders ausfallen können (zur Schätzungsbefugnis vgl B[X.] [X.] 3-5550 § 35 [X.] 1 S 6). Allein der Umstand, dass die [X.] den Widerspruch nicht zeitnah beschieden und die Entscheidung sodann mit der endgültigen Festsetzung verknüpft hat, ändert nichts daran, dass auf den Widerspruch hin eine teilweise Stattgabe erfolgte.

Entgegen der Auffassung der [X.]n besteht hier auch wertungsmäßig keine Parallele zu dem Fall, in dem der Widerspruchsführer sich widersprüchlich verhält, weil er erst im Widerspruchsverfahren eine gebotene Handlung nachholt und dann die Erstattung der [X.] verlangt (vgl B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.] 1 Rd[X.] 10). Zwar war der [X.]läger, nachdem feststand, dass er [X.]ick-Back-Zahlungen erhalten hatte, zur Mitwirkung bei der Ermittlung der Schadenshöhe verpflichtet. Die [X.] hat in ihrem Widerspruchsbescheid selbst ausgeführt, der [X.]läger habe mit Schreiben vom 3.11.2003 an das Amtsgericht den Schaden auf ca 130 000 [X.] beziffert, was der letztlich festgesetzten Summe nahekommt. Die Höhe der vorläufigen Festsetzung resultierte außerdem nach den Angaben der [X.]n auch daraus, dass zunächst der maximale Schadensbetrag sichergestellt werden sollte ohne Differenzierung zwischen [X.]assen- und Privatpatienten. Zur Neuberechnung der Rückforderung reichte damit nicht allein eine einfache Mitwirkungshandlung des [X.] aus. Es bedurfte vielmehr einer Auswertung der Abrechnungsunterlagen sowie der strafrechtlichen Ermittlungen, um die Schadenssumme zu konkretisieren. Dem [X.]läger ist ein widersprüchliches Verhalten im Widerspruchsverfahren nicht vorzuwerfen. Dass letztlich das gesamte Verfahren auf sein Fehlverhalten zurückgeht, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, weil die [X.]ostengrundentscheidung - außerhalb des engen Rahmens eines venire contra factum proprium im Verwaltungsverfahren selbst - grundsätzlich keinen Raum für die Berücksichtigung von Verschuldensgesichtspunkten bietet. Die Vorschrift des Satz 3 in § 63 Abs 1 [X.]B X betrifft nicht die hier streitige Grundentscheidung, sondern kann allenfalls die Erstattung dem Umfang nach beschränken (vgl B[X.] Urteil vom 8.10.1987, 9a RVs 10/87, juris Rd[X.] 12, 13; [X.] in von [X.], [X.]B X, 7. Aufl 2010, § 63 Rd[X.] 25).

Schließlich berührt die [X.]ausalität hier auch nicht, dass der [X.]läger seinen Widerspruch nicht ausdrücklich gesondert begründet hat. Der Sachverhalt, um den gestritten wurde, und das Vorbringen des [X.] hierzu war der [X.]n hinreichend bekannt, wie sich nicht zuletzt aus den Bezugnahmen im Widerspruchsbescheid auf das Strafverfahren sowie auf das Verfahren der Zulassungsentziehung ergibt. Welche rechtlichen Erwägungen letztlich zur (teil)stattgebenden Entscheidung im Widerspruchsverfahren geführt haben (vgl B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.] Rd[X.] 19; B[X.] [X.] 3-1500 § 144 [X.] S 34), ist grundsätzlich ohne Belang. Der Erfolg eines Widerspruchs bemisst sich nicht daran, ob der Argumentation des [X.] gefolgt wurde. Einer [X.]ausalität zwischen Widerspruchsbegründung und der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes bedarf es nicht. Auch wenn dem Widerspruch aus vom Widerspruchsführer nicht vorgetragenen Gründen stattgegeben wird, ist er erfolgreich gewesen, wenn der Abhilfe eine vom Ausgangsbescheid abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde liegt (vgl [X.]rasney in [X.]asseler [X.]omm, Stand: Januar 2009, § 63 [X.]B X Rd[X.]).

Der Verwaltungsträger wird dadurch auch nicht in unbilliger Weise mit [X.]osten belastet. Der Widerspruchsführer hat von einem ihm zustehenden Rechtsbehelf zur Wahrung seiner Rechte Gebrauch gemacht. Das [X.] hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich für die [X.] als Behörde das typische Risiko realisierte, dass eine von ihr getroffene Maßnahme mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf angegriffen wurde. Auch der Umstand, dass sie über diesen Rechtsbehelf nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist des § 88 Abs 2 [X.]G entschieden hat und damit auch nicht mehr allein aufgrund einer Schätzung, ist der [X.]n zuzurechnen.

Es kann offenbleiben, ob die [X.] die [X.]ostenfolge hätte vermeiden können, wenn sie bezogen auf den vorläufigen Bescheid einen negativen Widerspruchsbescheid und einen gesonderten Bescheid über die endgültige Festsetzung der Rückforderung erlassen hätte. Eine hypothetische Gestaltungsmöglichkeit stellt die Rechtsfolgen der tatsächlichen Gestaltung nicht in Frage. Soweit die [X.] noch zum [X.]punkt der Widerspruchsentscheidung im Jahr 2006 so vorgegangen wäre, hätten erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit eines solchen allein zur Vermeidung von [X.]osten gewählten Vorgehens bestanden (vgl insoweit auch [X.], NJW 2009, 2968, 2969).

5. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbehelfsverfahren, § 63 Abs 2 iVm Abs 3 Satz 2 [X.]B X, hat die [X.] zu Recht nicht in Frage gestellt (anders gelagert B[X.] [X.] 4-1300 § 63 [X.] Rd[X.] 22, zum formalen Akt der Widerspruchserhebung in einem Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren).

6. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 G[X.]G.

Meta

B 6 KA 35/10 R

19.10.2011

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Düsseldorf, 21. November 2007, Az: S 2 KA 249/06, Urteil

§ 63 Abs 1 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2011, Az. B 6 KA 35/10 R (REWIS RS 2011, 2248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2248

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