Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2019, Az. B 14 AS 46/18 R

14. Senat | REWIS RS 2019, 445

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattung von Kosten im Vorverfahren - Anspruch auf Freistellung von der Gebührenforderung eines Rechtsanwalts - wirksamer Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts - Ankündigung eines Gebührenverzichts bei erfolglos eingelegtem Widerspruch - Nichterhebung der Verjährungseinrede


Leitsatz

Dem Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren für die Vertretung im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren steht die Nichterhebung der Verjährungseinrede nicht entgegen.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger werden die Urteile des [X.] vom 15. Mai 2018 - L 9 AS 361/17 - und des [X.] vom 16. Januar 2017 aufgehoben und der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2014 verurteilt, den Klägern die Gebühren ihres Rechtsanwalts zu erstatten.

Der Beklagte hat den Klägern vier Fünftel der Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Übernahme von Vorverfahrenskosten.

2

Nach einem für die Kläger im Jahr 2009 erfolgreich abgeschlossenen Vorverfahren zur Höhe der Leistungen für Juli 2008 verpflichtete sich das beklagte Jobcenter, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens einschließlich der Gebühren und Auslagen ihres Bevollmächtigten zu erstatten (Bescheid vom [X.]). Den Ende 2013 gestellten Antrag auf Festsetzung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,76 Euro lehnte es ab, weil die Kläger ihrem Rechtsanwalt gegenüber die Verjährungseinrede erheben könnten (Bescheid vom 28.7.2014; Widerspruchsbescheid vom 7.10.2014).

3

Im Klageverfahren hat der Bevollmächtigte erklärt, er sei bei einer positiven Kostenentscheidung auf die Behörde zugegangen und habe ansonsten Beratungshilfe beantragt; von der Familie fordere er nichts. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.1.2017), die zugelassene Berufung hat das L[X.] zurückgewiesen (Urteil vom [X.]): Zwar stehe die - im Berufungsverfahren erhobene - Verjährungseinrede des Beklagten einem Freistellungsanspruch der Kläger nicht entgegen. Jedoch könne der Bevollmächtigte nach der Vergütungsabrede von den Klägern kein Honorar fordern, von dem sie freizustellen seien. Jedenfalls müssten sie sich darauf verweisen lassen, im Verhältnis zu ihm die Verjährungseinrede zu erheben.

4

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X. Mit Beauftragung ihres Bevollmächtigten seien sie einem wirksamen Gebührenanspruch ausgesetzt gewesen. Die Verjährungseinrede nicht zu erheben, sei nicht rechtsmissbräuchlich.

5

Nach Abschluss eines Teilvergleichs zur Höhe des [X.] beantragen die Kläger,
die Urteile des [X.] vom 15. Mai 2018 - L 9 AS 361/17 - und des [X.] vom 16. Januar 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2014 zu verurteilen, ihnen die Gebühren ihres Rechtsanwalts dem Grunde nach zu erstatten.

6

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der [X.]läger ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G). Zu Recht machen sie geltend, dass sie einem wirksamen Vergütungsanspruch ausgesetzt und zur Erhebung der [X.] nicht gehalten sind.

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 28.7.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2014, durch den der [X.] es sinngemäß abgelehnt hat, die [X.]läger auf der Grundlage des [X.]s vom [X.] von Anwaltsgebühren in Höhe von 480,76 Euro freizustellen. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist dagegen die [X.]ostengrundentscheidung des [X.]n vom [X.].

9

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere war die Berufung zulässig, nachdem das [X.] sie in seinem Urteil zugelassen hat (vgl § 144 [X.]G). Der Streit um die [X.]osten eines isolierten Vorverfahrens (§§ 78 ff [X.]G) betrifft auch keine [X.]osten des Verfahrens iS von § 144 Abs 4 iVm § 165 Satz 1 [X.]G, bei denen Berufung und Revision nicht statthaft sind (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/15 R - B[X.]E 121, 49 = [X.] 4-1300 § 63 [X.], RdNr 11). Schließlich stellt es keinen Verfahrensfehler dar, dass das L[X.] kein Gutachten nach § 14 Abs 2 [X.] eingeholt hat (vgl B[X.] vom [X.] - B 4 AS 21/09 R - B[X.]E 104, 30 = [X.] 4-1935 § 14 [X.], RdNr 13). Zutreffende [X.]lageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1 und 4 [X.]G), im Revisionsverfahren zulässig beschränkt auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G; vgl letztens B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/18 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4, RdNr 8) zur Frage, ob die [X.]läger dem Grunde nach von den [X.]osten ihrer Vertretung im Widerspruchsverfahren zur Höhe der Leistungen für Juli 2008 freizustellen sind.

3. Rechtsgrundlage des streitbefangenen [X.] ist § 63 [X.]B X.

a) Nach § 63 [X.]B X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist (Abs 1 Satz 1). Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten - wie hier durch den [X.] festgestellt - notwendig war (Abs 2).

b) Ist die Gebührenforderung des Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren - wie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des L[X.] hier - noch nicht beglichen, zielt der Anspruch nach § 63 [X.]B X auf "Erstattung" der notwendigen Aufwendungen darauf, von der Gebührenforderung nach Maßgabe von § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X befreit zu werden (so bereits B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-1300 § 63 [X.]2 RdNr 14; ebenso etwa L[X.] Rheinland-Pfalz vom 6.5.2015 - L 6 [X.]/13 - juris Rd[X.]5 ff; L[X.] Berlin-Brandenburg vom 13.10.2016 - L 31 AS 1774/16 - juris RdNr 31). Eine solche Freistellung kann ein Erstattungsberechtigter beanspruchen, soweit er im Innenverhältnis zum Bevollmächtigten zum Ausgleich von dessen Gebührenforderung verpflichtet und die ihr zugrundeliegende Tätigkeit im Außenverhältnis zum erstattungsverpflichteten Träger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als notwendig anzusehen ist (zur entsprechenden Lage unter Privaten vgl letztens nur [X.] vom 22.1.2019 - [X.] - NJW 2019, 1522 RdNr 11 mwN). Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Forderung im Innenverhältnis schon in Rechnung gestellt worden ist (B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-1300 § 63 [X.]2 RdNr 17 f unter Verweis auf [X.] vom 22.3.2011 - [X.]/10 - NJW 2011, 2509 RdNr 9 und 18).

c) Hiernach beanspruchen die [X.]läger dem Grunde nach zu Recht, von der streitbefangenen Gebührenforderung freigestellt zu werden. Sie sind einem wirksamen Vergütungsanspruch ihres Bevollmächtigten ausgesetzt (dazu 4.) und der Geltendmachung des [X.] steht weder der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegen (dazu 5.) noch ist der Anspruch in entsprechender Anwendung von § 45 [X.]B I verjährt (dazu 6.).

4. Zu Unrecht hat das L[X.] angenommen, dass die [X.]läger ihrem Bevollmächtigten für die Vertretung im Widerspruchsverfahren für Juli 2008 keine Vergütung schulden; die (bloße) Ankündigung eines Gebührenverzichts bei einem erfolglos eingelegten Widerspruch zieht keinen Verlust des anwaltlichen Gebührenanspruchs im Erfolgsfall nach sich.

a) Übernimmt ein Rechtsanwalt in einer sozialrechtlichen Angelegenheit die Vertretung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, für die - wie hier - bei Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens das [X.] nicht anzuwenden wäre, erwirbt er nach § 1 Abs 1 Satz 1, § 3 Abs 2 [X.] einen als Betragsrahmengebühr ausgestalteten (gesetzlichen) Gebührenanspruch, der sich nach dem [X.] der Anlage 1 zum [X.] bestimmt (§ 2 Abs 2 Satz 1 [X.]), soweit er nicht durch eine bei seiner Mandatierung getroffene [X.] an dessen Geltendmachung gehindert ist (vgl [X.] vom 5.6.2014 - [X.] - [X.]Z 201, 334 RdNr 16 ff und 32 ff mwN). So liegt es hier nicht. Den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des L[X.] ist weder die Zusage eines Gebührenverzichts bei erfolgreicher Vertretung der [X.]läger zu entnehmen (dazu b und c) noch ist zu erkennen, dass die [X.] mit dem Bevollmächtigten gebührenrechtlich unzulässig war (dazu d), weshalb sich die Frage nach den Folgen eines solchen Verstoßes für seinen Gebührenanspruch im Erfolgsfall nicht stellt (dazu e).

b) Vereinbart war nach den Feststellungen des L[X.] mit den [X.]lägern, dass der Bevollmächtigte es "auf seine [X.]appe" nehmen werde, wenn der Widerspruch weder zu einer positiven [X.]ostengrundentscheidung führen noch nachträglich Beratungshilfe gewährt werden sollte. Danach galt für die [X.]läger zunächst, dass sie im Fall eines - wie hier nicht - erfolglosen Widerspruchs und bei nachträglicher Gewährung von Beratungshilfe von der Beratungshilfegebühr abgesehen (§ 44 Satz 2 [X.]) kraft Gesetzes vor einer Inanspruchnahme durch den Bevollmächtigten geschützt waren (vgl § 8 Abs 2 BerHG) und dass sie bei der Zurückweisung (auch) eines solchen Antrags mit einem Gebührenverzicht durch eine Nichtgeltendmachung der Gebühren von seiner Seite rechnen konnten.

c) Das lässt jedoch nicht darauf schließen, dass der Bevollmächtigte den [X.]lägern auch bei einer erfolgreichen Vertretung im Widerspruchsverfahren einen Gebührenverzicht in Aussicht gestellt hat und infolgedessen das Jobcenter nach der Vorstellung der Beteiligten in diesem Fall vor Ersatzansprüchen nach § 63 [X.]B X bewahrt bleiben sollte; dafür spricht nichts. Nach der Interessenlage muss eine Erklärung wie die hier abgegebene vielmehr so ausgelegt werden - wozu der Senat selbst befugt ist (zur Auslegung typischer Erklärungen vgl letztens nur B[X.] vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R - [X.] 4-2600 § 6 [X.] RdNr 39 mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen) -, dass der Bevollmächtigte im Erfolgsfall ("gehe ich auf die Behörde zu") den ihm den [X.]lägern gegenüber zustehenden Gebührenanspruch beim [X.]n geltend machen und bei Erfolglosigkeit Beratungshilfe beantragen sollte, mithin ein [X.]ostenrisiko für ihn nur bestand (es "auf seine [X.]appe" ging), wenn überhaupt kein Zahlungsanspruch gegen Dritte - das Jobcenter oder die Staatskasse - zu erlangen war und er mithin dann von der Familie "nichts fordere", wie er vor dem [X.] bekundet hat.

d) Dass diese Zusage gebührenrechtlich unzulässig war, ist den Feststellungen des L[X.] nicht zu entnehmen.

Allerdings ist Rechtsanwälten nach § 49b Abs 1 Satz 1 [X.] (hier in der im Zeitpunkt der Mandatserteilung im November 2008 geltenden Fassung des [X.] vom 5.5.2004, [X.] 718; zur Maßgeblichkeit des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Rechts vgl nur [X.] vom 23.2.1995 - [X.] - NJW 1995, 1425, 1426) die Unterschreitung von gesetzlichen [X.] untersagt; unzulässig ist es danach, "geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das [X.] vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt". Eine solche abweichende Bestimmung enthält - von der zwischenzeitlich eingeführten und zum Zeitpunkt hier noch nicht geltenden Möglichkeit eines vollständigen Verzichts bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe (§ 4 Abs 1 Satz 3 [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] vom [X.], [X.] 3533) abgesehen - § 49 Abs 1 Satz 2 [X.]. Hiernach ist ein Rechtsanwalt befugt, "im Einzelfall … besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insbesondere dessen Bedürftigkeit, Rechnung (zu) tragen durch Ermäßigung oder Erlaß von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags".

Dass die Grenzen dieser Öffnungsklausel hier nicht gewahrt worden sind, ergeben die Feststellungen des L[X.] nicht. Mit dem Leistungsbezug nach dem [X.]B II gehören die [X.]läger zu dem Personenkreis, dem gegenüber nach § 49 Abs 1 Satz 2 [X.] Gebühren oder Auslagen erlassen werden können. Das darf zwar dem Zeitpunkt nach wirksam erst nach Erledigung des Auftrags erklärt werden. Das hindert einen Rechtsanwalt indes nicht, einen Erlass bereits bei Mandatserteilung in Aussicht zu stellen; anderenfalls würde die Vorschrift ihren Zweck verfehlen, Bedürftigen den Zugang zu [X.] Vertretung zu erleichtern (zutreffend [X.] in Henssler/Prütting, [X.], 5. Aufl 2019, § 49b RdNr 45). Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte jenseits dessen bereits bei der Übernahme des Auftrags einen verbindlichen Gebührenverzicht bei Misserfolg ausgesprochen hat, lassen die Feststellungen des L[X.] nicht erkennen. Das gilt schließlich gleichermaßen für einen Verstoß gegen das Merkmal "im Einzelfall"; Umstände, die auf eine in diesem Sinne unzulässige Erlasspraxis in einer Vielzahl von Fällen hindeuten könnten, sind nicht festgestellt.

e) [X.]einer Entscheidung bedarf danach, welche Rechtsfolgen ein etwaiger Verstoß gegen das Gebührenunterschreitungsverbot des § 49b Abs 1 Satz 1 [X.] hat und ob dem Rechtsanwalt in einem solchen Fall auch im Erfolgsfall kein Vergütungsanspruch zusteht, von dem der nach § 63 [X.]B X (an sich) erstattungspflichtige Gegner seinen Auftraggeber freizustellen hat; das kann (weiter) offenbleiben (vgl [X.] vom 13.11.2014 - [X.] - NJW 2015, 1093 RdNr 13).

5. Dem Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren für die Vertretung im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren steht die Nichterhebung der [X.] nicht entgegen.

a) Allerdings ist in der Rechtsprechung zu Schuldbefreiungsansprüchen ein - auch für den Gläubiger des [X.] erkennbares und zu berücksichtigendes - Interesse des Schuldners anerkannt, diesen nur insoweit von seiner Schuld befreien zu müssen, als er (selbst) auf deren Erfüllung in Anspruch genommen werden kann. Nach der Spruchpraxis des [X.] kann deshalb von einem Freistellungsgläubiger im Regelfall verlangt werden, sich seinem Gläubiger gegenüber auf die Einrede der Verjährung zu berufen, soweit dies nicht ausnahmsweise als unzumutbar erscheint (vgl letztens [X.] vom 28.1.2016 - VII ZR 266/14 - [X.]Z 208, 372 Rd[X.]9 ff mwN).

b) Diese Grundsätze sind auf [X.] nach § 63 [X.]B X nicht unmittelbar zu übertragen. § 63 [X.]B X ist ebenso wie die Parallelregelung des § 80 [X.] nicht Ausdruck eines allgemeinen kostenrechtlichen [X.] im [X.], sondern Spezialregelung zur [X.]ostenerstattung bei förmlichen Widerspruchsverfahren. Demzufolge wird Betroffenen zugemutet, [X.]osten der Rechtsverfolgung außerhalb des Anwendungsbereichs von § 63 [X.]B X - und entsprechend von § 80 [X.] - auch im Erfolgsfall ausschließlich selbst zu tragen; insoweit hat die Rechtsprechung die entsprechende Anwendung von § 63 [X.]B X stets verneint (vgl letztens B[X.] vom 25.6.2015 - [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 119, 170 = [X.] 4-1300 § 63 [X.]3, Rd[X.]3 mwN ; ebenso zu § 80 [X.] etwa [X.] vom 27.9.1989 - 8 C 88.8 - [X.]E 82, 336, 342). Umgekehrt bedarf es danach besonderer Gründe, einem nach dem [X.] des § 63 [X.]B X grundsätzlich Anspruchsberechtigten die Berufung auf den [X.]ostenerstattungsanspruch zu versagen, um den erstattungspflichtigen Träger zu verschonen.

c) Ein solcher Grund ist nicht, dass der Freistellungsgläubiger seinem ([X.] gegenüber die [X.] nach § 195 [X.] erheben kann, wie es nach den zutreffenden Ausführungen des L[X.] hier möglich wäre. Zwar begründet einerseits die Rechtsbeziehung zwischen dem Freistellungsgläubiger - hier den [X.]lägern - und dem nach § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X verpflichteten Rechtsträger - hier dem Jobcenter - eine Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme (auch) in diesem Verhältnis. Andererseits anerkennt § 63 [X.]B X ausdrücklich das Interesse von Versicherten und Leistungsberechtigten, sich zur Vertretung in einem Widerspruchsverfahren - dessen Durchführung obligatorische Voraussetzung für ein etwaiges [X.]lageverfahren ist (vgl § 78 Abs 1 Satz 1 [X.]G) - eines rechtskundigen Prozessbevollmächtigten des eigenen Vertrauens zu bedienen, sofern nicht ausnahmsweise anzunehmen ist, dass sie ihre Rechte gegenüber der Verwaltung selbst ausreichend wahren können (§ 63 Abs 2 [X.]B X; vgl dazu nur [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, Stand: September 2015, [X.] § 63 RdNr 50 unter Verweis auf [X.] <[X.]ammer> vom 28.9.2010 - 1 BvR 623/10 - [X.] 2011, 118 RdNr 13 ff).

Dass bei dieser Lage dem Interesse der Behörde, einen sozialrechtlich nicht verjährten (dazu sogleich unter 6.) [X.]ostenerstattungsanspruch nicht mehr erfüllen zu müssen, ungeachtet der gesetzlichen Wertung des § 63 Abs 2 [X.]B X regelmäßig Vorrang gebührt vor dem Interesse eines Widerspruchsführers an der Aufrechterhaltung der Vertrauensbeziehung zu seinem Bevollmächtigten, ist nicht zu erkennen; das gilt erst Recht, wenn dieser - wie hier - einen Gebührenverzicht nach § 49b Abs 1 Satz 2 [X.] für den Fall eines erfolglosen Widerspruchs in Aussicht stellt, um dem Widerspruchsführer die Verfolgung seiner Rechte zu erleichtern (ebenso im Ergebnis [X.] Nordhausen vom [X.] AS 1757/15 - [X.] 2017, 435, 437 f; [X.] Neubrandenburg vom 12.4.2018 - [X.] AS 1010/17 - [X.] 2018, 156 RdNr 36 ff; L[X.] Berlin-Brandenburg vom 7.6.2018 - L 10 [X.]/16 - juris Rd[X.]9 ff; ebenso zur [X.]ostenerstattung nach § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO OLG [X.]oblenz vom 28.7.2008 - 14 W 374/08 - [X.], 1179; [X.] vom 29.7.2010 - 15 W 18/10 - NJW-RR 2011, 499, 500; aA dagegen Feddern in jurisP[X.]-[X.]B X, 2. Aufl 2017, § 63 RdNr 84).

Insbesondere kommt einem solchen Verschonungsinteresse des Trägers nicht deshalb Vorrang vor dem Interesse des Freistellungsgläubigers an der zeitlich längeren Geltendmachung des [X.] zu, weil mit zunehmendem zeitlichem Abstand die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen der Gebührenbestimmung häufig schwerer fällt (vgl zu diesem Zweck der [X.] nur Ellenberger in [X.], [X.], 78. Aufl 2019, Überbl v § 194 RdNr 8); dem kann im Rahmen der Beweiswürdigung zu den [X.]riterien des § 14 Abs 1 Satz 1 und 3 [X.] (vgl dazu nur B[X.] vom [X.] - B 4 AS 21/09 R - B[X.]E 104, 30 = [X.] 4-1935 § 14 [X.], RdNr 19 ff sowie letztens B[X.] vom 12.12.2019 - [X.] [X.]/18 R) ausreichend Rechnung getragen werden. Ebenfalls nicht durchzudringen vermag der [X.] schließlich mit dem Hinweis auf Schwierigkeiten bei Rückstellungen für noch offene Erstattungsansprüche in unbekannter Höhe; solange der Gesetzgeber darauf nicht mit einer eigenständigen Verjährungsregelung für Ansprüche aus § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X reagiert, ist dies während der Dauer der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährungsfrist entsprechend § 45 [X.]B I (dazu 6.) hinzunehmen.

d) Hiernach verstoßen Versicherte oder Leistungsberechtigte im Geltungsbereich des [X.]B nicht gegen ihre [X.]ostenminderungspflicht (so aber Feddern in jurisP[X.]-[X.]B X, 2. Aufl 2017, § 63 RdNr 84) oder das Verbot unzulässiger Rechtsausübung, wenn sie ihren Bevollmächtigten gegenüber von der Erhebung der in diesem Verhältnis möglichen [X.] absehen und statt dessen den Rechtsträger, dessen Behörde den im Vorverfahren erfolgreich angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, nach § 63 [X.]B X auf [X.]ostenfreistellung in Anspruch nehmen. Zwar sind Anwaltsgebühren im Außenverhältnis zum Rechtsträger nach § 63 [X.]B X nur erstattungsfähig, soweit sie unter Beachtung der [X.]ostenminderungspflicht als "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig[en]" anzusehen sind (§ 63 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]B X). Zeitlich beurteilt sich das indes aus der Perspektive bei Auftragserteilung und nicht rückschauend (vgl zu § 91 Abs 1 ZPO etwa [X.] vom 15.3.2007 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 955 RdNr 7: Maßgebend für Notwendigkeit ist Rechtsanschauung bei Mandatierung; zu § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X ebenso [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, Stand: September 2015, [X.] §63 RdNr 50; [X.] in von [X.]/Schütze, [X.]B X, 8. Aufl 2014, § 63 RdNr 13; zu § 80 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]allerhoff/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2018, § 80 RdNr 58 unter Verweis auf [X.] vom [X.] - 11 [X.]St 2/99 - NJW 2000, 2832). Soll ein nach diesem Maßstab ursprünglich begründeter Anspruch auf Freistellung von Aufwendungen nachträglich entfallen, bedarf es demnach eines besonderen [X.], der wie ausgeführt hier nicht besteht.

6. Zutreffend ist das L[X.] davon ausgegangen, dass der Freistellungsanspruch der [X.]läger nicht verjährt ist. Zwar unterliegen [X.]ostenerstattungsansprüche nach § 63 [X.]B X der kurzen vierjährigen Verjährung entsprechend § 45 Abs 1 [X.]B I nach Ablauf des [X.]alenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl B[X.] vom 12.12.2019 - [X.] [X.]/18 R); dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Jedoch war die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Geltendmachung des [X.]ostenerstattungsanspruchs im Dezember 2013 noch nicht abgelaufen. Die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des [X.]alenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, bei der [X.]ostengrundentscheidung vom [X.] und der dadurch nach § 8 Abs 1 [X.] ausgelösten Fälligkeit der streitbefangenen Vergütung hier also mit Ablauf des Jahres 2009. Danach begann die vierjährige Verjährungsfrist entsprechend § 45 Abs 1 [X.]B I am 1.1.2010 und endete am 31.12.2013.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 [X.]G und berücksichtigt das Nachgeben der [X.]läger im Rahmen des [X.].

Meta

B 14 AS 46/18 R

12.12.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Nordhausen, 16. Januar 2017, Az: S 31 AS 2363/14, Urteil

§ 63 Abs 1 S 1 SGB 10, § 63 Abs 2 SGB 10, § 80 VwVfG, § 1 Abs 1 S 1 RVG, § 2 Abs 2 S 1 RVG, § 3 Abs 1 S 1 RVG, § 3 Abs 2 RVG, § 4 Abs 1 S 3 RVG, § 14 Abs 1 S 1 RVG, § 14 Abs 1 S 3 RVG, § 49b Abs 1 S 1 BRAO, § 49b Abs 1 S 2 BRAO, § 8 Abs 2 S 1 BeratHiG, § 195 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2019, Az. B 14 AS 46/18 R (REWIS RS 2019, 445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 445

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 402/17

VI ZR 63/10

IX ZR 137/12

IX ZR 267/13

VII ZR 266/14

1 BvR 623/10

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