Bundessozialgericht, Urteil vom 25.04.2018, Az. B 4 AS 19/17 R

4. Senat | REWIS RS 2018, 10168

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Bildung und Teilhabe - außerschulische Lernförderung - Begriff der Lernförderung - Erforderlichkeit einer langfristigen Förderung - Lesen und Schreiben als Lernziele


Leitsatz

Lernförderung ist mehr als nur Nachhilfe und umfasst grundsätzlich jede Förderung Lernender, wozu auch ein Unterricht zur Lese-Rechtschreibförderung über eine längere Zeit hinweg gehören kann.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Januar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen der Lernförderung nach § 28 Abs 5 [X.] wegen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) vom 1.4.2012 bis zum 31.7.2014.

2

Der am 5.12.2002 geborene Kläger bezog zusammen mit seiner Mutter in der strittigen [X.] durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] von dem beklagten Jobcenter. Der Kläger besuchte in den Schuljahren 2011/2012 und 2012/2013 die dritte und vierte Klasse einer Grundschule sowie in den Schuljahren 2013/2014 und 2014/2015 die fünfte und sechste Klasse einer [X.], jeweils in [X.] Er leidet an einer LRS, wie im September 2011 von einem Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie festgestellt und von der Grundschule bestätigt worden ist, die die Notwendigkeit einer Lernförderung in [X.] bejahte. Der Kläger nahm am allgemeinen schulischen Förderunterricht im Fach [X.] teil. Ab dem Schuljahr 2011/2012 wurden bei ihm die Rechtschreibleistungen in den Fachnoten wegen Notenschutzes nicht berücksichtigt und seine Versetzung war nicht gefährdet. Mit [X.]escheid der Grundschule vom [X.] wurde bei ihm das Vorliegen einer LRS im Sinne des Erlasses "Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie)" des zuständigen Ministeriums für [X.]ildung und Frauen vom [X.] festgestellt. Während der gesamten strittigen [X.] besuchte der Kläger einen Unterricht zur Lese- und Rechtschreibförderung der Volkshochschule ([X.]) von 90 Minuten pro Woche, dessen Kosten sich auf 56 bis 89 Euro pro Monat beliefen.

3

Am 3.4.2012 beantragte der Kläger die Übernahme der laufenden monatlichen Kosten für die Teilnahme an diesem Unterricht beim [X.]eklagten. Letzterer lehnte den Antrag ab, weil Lernförderung nach § 28 Abs 5 [X.] nur vorübergehende kurzzeitige und versetzungsrelevante Lernschwächen beheben solle, nicht aber eine länger andauernde Förderung, wie vorliegend, zum Gegenstand haben könne, zudem sei die Versetzung nicht gefährdet ([X.]escheid vom 16.7.2012; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2012).

4

Das [X.] hat den [X.]eklagten unter Aufhebung der angefochtenen [X.]escheide verurteilt, die Kosten für die Lernförderung des [X.] ab Antragstellung zu übernehmen (Urteil vom 23.10.2013). Das L[X.] hat die [X.]erufung des [X.]eklagten zurückgewiesen (Urteil vom 20.1.2017), nachdem die [X.]eteiligten den Leistungszeitraum bis zum 31.7.2014 begrenzt hatten, weil der Kläger anschließend nicht mehr nach dem [X.] leistungsberechtigt gewesen sei. Lernförderung könne auch für längere [X.] zu gewähren sein, wenn dies, wie bei Legasthenie, erforderlich sei, um gleichberechtigten Zugang zu [X.]ildung zu ermöglichen. Der [X.]egriff "Lernförderung" ziele auf eine komplexere Leistung als der [X.]egriff "Nachhilfe" ab. Das entscheidende Lernziel der Grund- und der [X.] sei nicht die Versetzung, sondern der Erwerb der Kulturtechniken Lesen und Schreiben als [X.]asis für weiterführendes Lernen und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Dem besuchten Unterricht sei insgesamt die Eignung nicht abzusprechen, und die Höhe der Vergütung sei angemessen gewesen.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der [X.]eklagte eine Verletzung von § 28 Abs 5 [X.] und weist neben der Dauer der Förderung und dem Notenschutz sowie den Versetzungen des [X.] auf die vorrangigen Leistungen nach § 35a [X.][X.] VIII und §§ 53 ff [X.][X.] XII sowie den pädagogischen Auftrag der Schule hin, der nicht vom [X.]-Träger zu übernehmen sei.

6

Der [X.]eklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 20. Januar 2017 und des [X.] vom 23. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 [X.] 2 Satz 2 [X.]). Inwiefern der [X.]läger Anspruch auf Leistungen der Lernförderung nach § 28 [X.] 5 [X.] für den besuchten [X.] gegen das beklagte [X.] hat, kann der Senat aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des [X.] vom 20.1.2017 und des [X.], mit welchen der Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 16.7.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2012 verurteilt wurde, die [X.]osten für die Lernförderung des [X.] vom 1.4.2012 bis zum 31.7.2014 zu übernehmen.

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des [X.] nicht entgegen.

Insbesondere ist nicht die Beiladung eines der vom Beklagten als vorrangig zuständig bezeichneten Träger der Jugend- oder der Sozialhilfe erforderlich. Nach § 75 [X.] 2 Alt 1 [X.] sind Dritte (nur) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Diese Voraussetzungen sind für keinen der Bezeichneten erfüllt, weil die vorliegende Entscheidung ihnen gegenüber keine Rechtswirkungen entfaltet. Über eine unechte notwendige Beiladung nach § 75 [X.] 2 Alt 2 [X.] war vom Senat mangels Rüge im Revisionsverfahren nicht zu befinden (vgl nur [X.] in [X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 75 Rd[X.], 13a f mwN).

Der [X.]läger verfolgt sein Begehren in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 [X.] 1 Satz 1, [X.] 4 [X.]). Zwar steht dem Leistungsträger hinsichtlich der Erbringung von Leistungen zur Bildung und Teilhabe grundsätzlich ein Auswahlermessen zu, ob er die Leistung als Sach- oder Dienstleistung oder als (ggf pauschalierte) Geldleistung erbringt (§ 29 [X.] 1 [X.]), sodass regelmäßig die [X.] (§ 54 [X.] 1 Satz 1 [X.]) die statthafte [X.]lageart ist; beschafft sich der Hilfebedürftige die im Streit stehende Leistung jedoch endgültig selbst, wie dies nach den Feststellungen des [X.] vorliegend der Fall war, richtet sich das Begehren auf eine Geldleistung, die im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen ist (BSG vom [X.] AS 10/09 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.] Rd[X.]0; BSG vom [X.] - B 4 AS 79/12 R - [X.] 4-4200 § 24 [X.] Rd[X.] 11; siehe zur Übernahme von Aufwendungen bei berechtigter Selbsthilfe den seit [X.] geltenden § 30 [X.]) und hinsichtlich derer ein Grundurteil im Höhenstreit ergehen kann (§ 130 [X.] 1 [X.]; vgl nur BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4225 § 1 [X.] Rd[X.] mwN).

Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Übernahme der [X.]osten für Lernförderung nach § 28 [X.] 5 [X.] handelt es sich um einen gerichtlich isoliert durchsetzbaren Anspruch. Denn die Bedarfe für Bildung und Teilhabe am [X.] und kulturellen Leben in der [X.], Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden nach § 28 [X.] 1 Satz 1 [X.] neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der [X.]ätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt und sind nach § 37 [X.] 1 Satz 2 [X.] gesondert zu beantragen (BSG vom [X.] AS 12/13 R - [X.] 4-4200 § 28 [X.] Rd[X.] 14: Leihgebühr Cello; BSG vom [X.] - [X.] AS 29/16 R - [X.] 4-4200 § 28 [X.] Rd[X.]: Schülerbeförderungskosten Waldorfschule).

3. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Leistungen der Lernförderung vom 1.4.2012 bis zum 31.7.2014 ist § 19 [X.] 2 iVm §§ 7 ff sowie § 28 [X.] 1 und 5 [X.] idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011 ([X.]). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen [X.]punkt geltende Recht anzuwenden (vgl BSG vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.] 14 f mwN: Geltungszeitraumprinzip).

Anspruch auf Lernförderung als Leistung für Bildung und Teilhabe haben Leistungsberechtigte danach, wenn sie diese beantragt haben, sie Schülerin oder Schüler iS von § 28 [X.] 1 Satz 2 [X.] sind, die Voraussetzungen des § 28 [X.] 5 [X.] vorliegen und sie weder Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten [X.]apitel des [X.] haben (§ 19 [X.] 2 Satz 1 [X.]) noch für sie entsprechende Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe nach § 6b des [X.] gewährt werden (§ 19 [X.] 2 Satz 2 [X.]). Nach § 28 [X.] 5 [X.] wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.

Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] hat der [X.]läger, vertreten durch seine Mutter (§ 38 [X.] 1 [X.]), den erforderlichen Leistungsantrag (§ 37 [X.] 1 Satz 2 [X.]) gestellt, war er eine leistungsberechtigte Person nach dem § 7 [X.] 2 Satz 1 [X.], hatte er im strittigen [X.]raum keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten [X.]apitel des [X.] und wurden ihm keine Leistungen nach § 6b [X.] gewährt. Der [X.]läger war im streitbefangenen [X.]raum Schüler iS des § 28 [X.] 1 Satz 2, [X.] 5 [X.].

Nicht entscheiden kann der Senat jedoch mangels ausreichender Feststellungen des [X.], ob und inwieweit der [X.]läger Anspruch auf die begehrte Lernförderung hat. Zwar ist dem [X.] zuzustimmen hinsichtlich eines weiten Verständnisses des Begriffs Lernförderung (dazu 4.) sowie der [X.]ulturtechniken Lesen und Schreiben - im Unterschied zur Versetzung - als wesentliche Lernziele (dazu 5.). Auch wenn bei dem [X.]läger nach den Feststellungen des [X.] eine [X.] vorlag, sind deren Ausprägung und damit der konkret zu deckende Bedarf offengeblieben, was allerdings aufzuklären ist (dazu 6.), um des Weiteren entscheiden zu können, ob und inwieweit eine die schulischen Angebote ergänzende Lernförderung erforderlich, der Unterricht bei der [X.] geeignet und die entstandenen [X.]osten angemessen waren (dazu 7.).

4. Lernförderung ist - wie schon aus dem Begriff folgt und das [X.] zu Recht ausgeführt hat - mehr als nur Nachhilfe ([X.] in [X.], 6. Aufl 2017, § 28 Rd[X.]4; [X.] in [X.], [X.], [X.]I, § 28 [X.] Rd[X.] 36, Stand der Einzelkommentierung 4/2012) und umfasst grundsätzlich jede Förderung Lernender (Voelzke in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 28 Rd[X.], Stand der Einzelkommentierung 3/2017).

Dieses bereits aus dem Wortlaut folgende weite Verständnis des Begriffs "Lernförderung" wird durch den Sinn und Zweck der Norm erhärtet. Der Gesetzgeber wollte mit den Bedarfen für Bildung und Teilhabe die vom [X.] im Urteil vom [X.] (1 BvL 1/09, 1 [X.], 1 [X.] - [X.]E 125, 175 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 12) aufgestellten Anforderungen umsetzen, sodass diese bei der Ausfüllung des bundesrechtlichen Begriffs der Lernförderung heranzuziehen sind (vgl BSG vom [X.] AS 39/15 R - [X.], 69 = [X.] 4-4200 § 28 [X.] 9: Schülerbeförderung Sportgymnasium). Danach soll über die Vermittlung von Bildung die materielle Basis für Chancengerechtigkeit hergestellt und vermieden werden, dass schulpflichtige [X.]inder von [X.]-Beziehern ohne hinreichende staatliche Leistungen in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen [X.]räften bestreiten zu können, was mit Art 1 [X.] 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 [X.] 1 GG nicht vereinbar ist ([X.], aaO, Rd[X.] 192). Die Ermöglichung von Chancengerechtigkeit kann effektiv nur über ein weites Verständnis des Begriffs der Lernförderung im Sinne einer Förderung Lernender erreicht werden, sodass diesem Begriffsverständnis der Vorzug zu geben ist.

Soweit vertreten wird, Lernförderung iS des § 28 [X.] 5 [X.] sei abweichend von dem allgemeinen Sprachgebrauch enger zu fassen bzw auf Ausnahmefälle zu beschränken (vgl [X.] in [X.], G[X.]-[X.], § 28 Rd[X.]2, Stand der Einzelkommentierung 12/2015) kann dem aus den aufgezeigten Gründen nicht gefolgt werden, im Übrigen ergibt sich eine Begrenzung des Anspruchs auf Lernförderung aus den weiteren Anspruchsvoraussetzungen der Geeignetheit, zusätzlichen Erforderlichkeit und Angemessenheit. Auf diese weiteren Voraussetzungen verweist auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des heutigen § 28 [X.] 5 [X.] - im Entwurf war es [X.] 4 (BT-Drucks 17/3404 [X.], 105 f). In dieser wird einerseits entsprechend dem Urteil des [X.] vom [X.] darauf hingewiesen, dass "außerschulische Lernförderung als Sonderbedarf vom Anspruch auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfasst sein kann", und andererseits der Ausnahmecharakter und der "in der Regel" nur kurzzeitige Bedarf betont sowie auf den Vorrang schulischer Angebote hingewiesen; von der Schule initiierte Angebote oder schulnahe Förderstrukturen, insbesondere Angebote von Fördervereinen, gingen über das schulische Angebot hinaus und führten nicht zu einem Ausschluss von der Fördermöglichkeit (BT-Drucks, aaO). Eine eindeutige Tendenz im Sinne einer engen Auslegung der Regelung ist dem nicht zu entnehmen.

Aus diesem Verständnis des Begriffs "Lernförderung", dem Sinn und Zweck der Norm sowie ihrer Entstehungsgeschichte folgt vielmehr, dass Lernförderung - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht nur kurzzeitige, sondern ggf längerfristige Bedarfe umfassen und damit unter Umständen für einen längeren [X.]raum zu erbringen sein kann.

Des Weiteren kann trotz des vorrangigen pädagogischen Auftrags der Schulen als Teil der Länderverwaltung zur Vermittlung der [X.]ulturtechniken Lesen und Schreiben die Stellung des [X.]s als "[X.]" (hierauf schon hinweisend: [X.], [X.] 2010, 240, 244) auch hinsichtlich der Lernförderung aufgrund der verfassungsrechtlichen Fundierung dieser Leistung nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten tritt keine "Vermischung bestehender Gesetze und Zuständigkeiten" ein, sondern mangels anderer gesetzlicher Ansprüche zB gegen die Schulverwaltung der Länder ist der [X.] insofern verpflichtet, "das menschenwürdige Existenzminimum von [X.] wegen durch Rechtsansprüche zu gewährleisten" ([X.], aaO, Rd[X.] 182), und hat dies ua mit § 28 [X.] 5 [X.] getan.

Dies erfordert im Gegenzug die Prüfung möglicher vorrangiger Leistungen (vgl § 5 [X.]) wie insbesondere die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte [X.]inder und Jugendliche nach § 35a [X.] (vgl nur [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl 2015, § 35a Rd[X.] 71 ff zu solchen Leistungen bei [X.]) und für behinderte Menschen nach §§ 53 ff [X.] (vgl nur [X.] in Grube/[X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 53 Rd[X.]6 mwN zu solchen Leistungen bei [X.]; vgl ferner [X.]/[X.], Therapeutische Hilfen für junge Menschen - Problematische Schnittstellen zwischen [X.], [X.] und [X.], [X.]/SGB 2007, 387 ff, 451 ff, zu [X.] 455 ff). Dass Menschen wegen einer [X.] im Rechtssinne behindert sein können, folgt aus der entsprechend geltenden (§§ 2, 69 [X.] 1 [X.] in der in der strittigen [X.] anwendbaren Fassung, denen §§ 2, 152 f, 241 [X.] 5 [X.] in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung entsprechen) [X.] 3.4.2 des Teils B der Anlage [X.] Grundsätze zur [X.] vom 10.12.2008 ([X.] 2412), die lautet "Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit im Schul- und Jugendalter - [X.]ognitive Teilleistungsschwächen (z. B. Lese-Rechtschreib-Schwäche [Legasthenie], isolierte Rechenstörung)" und je nach Ausprägung zu einem Grad der Behinderung von 0 bis 50 führen kann.

Auf diese vorrangigen Leistungen hat der Beklagte zwar hingewiesen, die bei Verneinung eines Anspruchs in eigener Zuständigkeit gebotene entsprechende Weiterleitung des Antrags des [X.] (vgl § 16 SGB I) aber unterlassen, wiewohl die Voraussetzungen des § 14 [X.] nicht erfüllt waren.

5. Die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele, die mit einer solchen Lernförderung erreicht werden sollen, sind die [X.]ulturtechniken Lesen und Schreiben und nicht die Versetzung in die nächsthöhere [X.]lasse als solche. Dies folgt, wie das [X.] zu Recht und unter Bezugnahme auf die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften ausgeführt hat, aus dem schon oben angeführten Zweck der Lernförderung, durch die Vermittlung von Bildung die materielle Basis für Chancengerechtigkeit herzustellen und zu vermeiden, dass schulpflichtige [X.]inder von [X.]-Beziehern in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen [X.]räften bestreiten zu können und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dazu trägt die Versetzung in die jeweils nächsthöhere [X.]lasse zwar ebenfalls bei, letztlich entscheidend sind indes die in der jeweiligen [X.]lasse zu erlernenden Fähigkeiten, wie Lesen und Schreiben. Erst recht gilt dies, wenn Einschränkungen dieser Fähigkeiten aufgrund eines Notenschutzes, wie vorliegend, nicht versetzungsrelevant sind.

6. Dass bei dem [X.]läger eine [X.] vorlag, ergibt sich aus den Feststellungen des [X.]. [X.] ist allerdings die Ausprägung dieser Störung und damit ebenso der im Rahmen einer Lernförderung nach § 28 [X.] 5 [X.] zu deckende Bedarf. Dies von Amts wegen zu ermitteln, ist im Verwaltungsverfahren Aufgabe der Behörde (§§ 20 f SGB X) und im Gerichtsverfahren des Gerichts (§ 103 [X.]). Das [X.] wird dies im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

Grundlage für diese Ermittlungen muss der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand sein, selbst wenn dieser auf Gebieten, die sich ständig weiterentwickeln, schwierig festzustellen sein mag; dabei sind neben Fachbüchern und Standardwerken die Leitlinien der [X.] ([X.]), soweit sie vorliegen und einschlägig sind, zu berücksichtigen und ggf ist ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl nur [X.] - B 2 U 1/05 R - [X.], 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17, Rd[X.]6 f; konkret zur [X.]: S3-Leitlinie der [X.] mit Register-[X.] 028-044: "Diagnostik und Behandlung von [X.]indern und Jugendlichen mit Lese- und / oder Rechtschreibstörung" mit Ausführungen insbesondere zur Diagnostik und Behandlung).

7. Ausgehend von der so näher konkretisierten [X.] des [X.] und dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wird dann zu klären sein, ob und inwieweit eine die schulischen Angebote ergänzende Lernförderung erforderlich, der Unterricht bei der [X.] geeignet und die entstandenen [X.]osten angemessen waren.

Über die [X.]osten des Revisionsverfahrens wird das [X.] ebenfalls zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 19/17 R

25.04.2018

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Lübeck, 23. Oktober 2013, Az: S 40 AS 785/12, Urteil

§ 28 Abs 1 S 1 SGB 2, § 28 Abs 1 S 2 SGB 2, § 28 Abs 5 SGB 2, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.04.2018, Az. B 4 AS 19/17 R (REWIS RS 2018, 10168)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10168

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