Bundessozialgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. B 4 AS 39/15 R

4. Senat | REWIS RS 2016, 14334

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Bildung und Teilhabe - Schülerbeförderungskosten - Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs - Begriff des Bildungsgangs - Besuch eines Sportgymnasiums - eigenständiges Profil - Angewiesensein auf die Schülerbeförderung


Leitsatz

Wer eine Schule besucht, die gegenüber den seiner Wohnung nähergelegenen Schulen eine besondere inhaltliche Ausrichtung im Sinn eines eigenständigen Profils aufweist, hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen für Schülerbeförderung nach dem SGB II, weil es sich um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handelt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] steht die Berücksichtigung von Aufwendungen für Schülerbeförderung im Schuljahr 2013/2014.

2

Der im April 2002 geborene [X.]läger lebt mit seinem Vater und seinen Geschwistern in einer Bedarfsgemeinschaft. Er bezog von August bis November 2013 sowie von Februar bis Juli 2014 aufstockende Leistungen für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten, neben einer Halbwaisenrente von der [X.], Unterhalt und [X.]indergeld. Seit dem 13.8.2012 besuchte er den Sportzweig des fußläufig 3,6 km von der Wohnung seiner Familie entfernt liegenden [X.] - [X.] - in [X.] (im Weiteren "[X.]"). Bis Dezember 2012 erbrachte die Stadt [X.] (Referat Schulen) Leistungen für Schülerbeförderung in Höhe von monatlich 32,50 Euro, abzüglich einer Eigenbeteiligung von 8 Euro monatlich, obwohl sie deren Gewährung durch Bescheid vom [X.] abgelehnt hatte. Zur Begründung der Ablehnung hatte sie ausgeführt, der [X.]läger müsse - anders als § 69 [X.] es für die Übernahme von [X.] vorsehe - keinen Schulweg von mehr als 4 km zurücklegen, sondern lediglich von 2800 m. Auch sei der Fußweg nicht besonders gefährlich. Diese Ablehnung bestätigte die Stadt dem Vater des [X.]lägers durch einen Vermerk vom 14.8.2013 auf dem vorgenannten Bescheid. Erstmals im Juli 2012 hatte der Vater für den [X.]läger eine Schülerjahreskarte erworben, für das Schuljahr 2013/2014 erneut. Am 10.7.2013 beantragte der [X.]läger Leistungen für Schülerbeförderung bei dem Beklagten. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom [X.] unter Hinweis auf die Begründung der Stadt [X.] ab. Im Widerspruchsbescheid vom [X.] führte der Beklagte aus, dass es sich bei dem [X.] nicht um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handele. In der Nähe des Wohnortes des [X.]lägers befänden sich zwei andere Gymnasien; das 900 m entfernte [X.] mit musischem Schwerpunkt und das 1,3 km entfernte [X.] mit [X.] oder [X.] als erster Fremdsprache sowie einem "MINT"-Schwerpunkt.

3

Mit seiner [X.]lage gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten hat der [X.]läger vor dem [X.] geltend gemacht, dass der von ihm zurückzulegende Schulweg zum [X.] ein besonders gefährlicher sei, da ein [X.]reisel ohne Ampel und Fußgängerüberweg zu queren sei. Zudem führe der Weg an einer viel befahrenen Straße entlang. Es handele sich jedoch um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs, ein Sportgymnasium. Das [X.] hat die [X.]lage durch Urteil vom 20.11.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der [X.]läger zwar einen besonders gefährlichen Schulweg zum [X.] zurückzulegen habe. Auch gewährleiste der Sportzweig dieser Schule eine zusätzliche Förderung, die über die der nächstgelegenen Gymnasien hinausgehe. Insoweit handele es sich jedoch nicht um eine schulische, sondern überwiegend außerschulische Förderung durch Verbände und Vereine. Lediglich der Stundenplan sei den von diesen vorgegebenen oder mit diesen abgesprochenen Trainingszeiten angepasst.

4

Die Berufung des [X.]lägers hiergegen hat das L[X.] durch Urteil vom 12.5.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Übernahme der [X.] nach § 28 Abs 4 [X.]B II vorliegend nicht erfüllt seien. Bei dem [X.] handele es sich nicht um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs. Zwar werde der Begriff des Bildungsgangs im [X.]B II nicht definiert. Auch ließen sich den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für seine Auslegung entnehmen. Ebenso könne, entgegen vielfacher Ausführungen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte, den schulrechtlichen Vorschriften der Länder eine Definition dieses Begriffs nicht unmittelbar entnommen werden. Insoweit mangele es, anders als bei der Übernahme der Aufwendungen für mehrtägige [X.]lassenfahrten, an einem ausdrücklichen gesetzlichen Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen. Der Begriff des "Bildungsgangs" sei vielmehr bundeseinheitlich zu verwenden. Aus dem Umstand jedoch, dass der Bundesgesetzgeber den in den schul- und landesrechtlichen Bestimmungen sowie den Schulgesetzen üblichen Begriff des "Bildungsgangs" verwende, ohne ihn ausdrücklich mit einem grundsicherungsrechtlichen Inhalt zu versehen, sei zu schließen, dass eine schulische Ausbildung jedenfalls dann einen Bildungsgang iS des § 28 Abs 4 [X.]B II darstelle, wenn die schulrechtlichen Bestimmungen des [X.] dies so vorsähen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Für die Fahrtkostenübernahme nach § 69 Abs 3 S 2 [X.] seien bei der Bestimmung der nächstgelegenen Schule Ausnahmen im Hinblick auf die Schulart iS der §§ 9, 10 [X.] nur bei Schulen vorgesehen, die Besonderheiten wegen der zu wählenden ersten Fremdsprache aufwiesen. Unter Berücksichtigung dieser Ausnahme sei bei dem Begriff des Bildungsgangs einzig auf die jeweilige Schulart abzustellen. Weitere pädagogische oder organisatorische Schwerpunkte einer Schule hätten unberücksichtigt zu bleiben. Bei dem vom [X.]läger besuchten Sportgymnasium handele es sich jedenfalls nicht um eine Schule mit einer besonderen Ausrichtung. So werde nicht in einem erhöhten Maße Sport als Schulunterricht angeboten oder komme der Sportnote ein höherer Stellenwert zu. Vielmehr diene der Besuch der besonderen Sportklassen der Freihaltung des Unterrichts von Trainingszeiten in der gewählten Sportart. Die Stundenpläne würden in enger Abstimmung mit den Verbands- und Vereinstrainern gestaltet. Das vom [X.] getragene Sportgymnasium stelle eine Maßnahme der Förderung des Hochleistungssports dar und keinen an den besonderen Fähigkeiten der Schüler orientierten Bildungsgang mit spezifischen Lernschwerpunkten und -anforderungen.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der [X.]läger eine Verletzung von § 28 Abs 4 [X.]B II. Das [X.] als Sportgymnasium sei als eigener Bildungsgang im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Es bestehe durchaus eine Verknüpfung zwischen schulischer Ausbildung und sportlicher Talentförderung.

6

Der [X.]läger beantragt (sinngemäß),
die Urteile des [X.]sozialgerichts Rheinland-Pfalz von 12. Mai 2015 und des [X.] vom 20. November 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem [X.]läger für die [X.] vom 1. August bis 31. Dezember 2013 monatlich Leistungen der Schülerbeförderung in Höhe von 34,30 Euro und vom 1. Januar bis 31. Juli 2014 in Höhe von 35,60 Euro, abzüglich eines Eigenanteils von 5 Euro monatlich zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen in der Entscheidung des L[X.] für zutreffend.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 [X.]G).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]G).

Der erkennende Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der [X.]läger für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen für Schülerbeförderung iS des § 28 Abs 4 [X.] hat. Es mangelt bereits an Feststellungen des [X.] dazu, ob der [X.]läger im streitigen Zeitraum hilfebedürftig und auf Schülerbeförderung für den Besuch des [X.] angewiesen war sowie es ihm zuzumuten war, die Aufwendungen hierfür aus dem Regelbedarf zu tragen. Anders als vom [X.] angenommen - insoweit waren aus Sicht des Berufungsgerichts die vorbenannten Feststellungen nicht erforderlich - sind die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Schülerbeförderung dem Grund nach jedoch insoweit gegeben, als es sich bei dem von dem [X.]läger besuchten Sportgymnasium um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs iS des § 28 Abs 4 [X.] [X.] handelt.

1. Im Streit stehen Leistungen für Aufwendungen der Schülerbeförderung iS des § 28 [X.] im Zeitraum vom [X.] bis 31.7.2014, wie sie der Beklagte durch Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] abgelehnt hat, der Höhe nach begrenzt durch den Antrag des [X.] im Revisionsverfahren.

Dieser Anspruch kann isoliert und allein als Anspruch des minderjährigen [X.] gerichtlich durchgesetzt werden ([X.] vom [X.] A[X.]2/13 R - [X.] 4-4200 § 28 [X.] RdNr 14). Er wird vom [X.]läger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt.

2. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des [X.], insbesondere zu der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Vermittlung des [X.] in das [X.] durch seinen Vater als [X.]opf der Bedarfsgemeinschaft, geht der erkennende Senat vorliegend davon aus, dass die Voraussetzung der [X.] iS des § 7 [X.], insbesondere der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 [X.], im überwiegenden Teil des hier streitigen Zeitraumes gegeben waren. Nicht zu beurteilen vermag das B[X.] hingegen, ob die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch nach § 28 Abs 4 [X.] auch in den Monaten Dezember 2013 und Januar 2014, in denen der [X.]läger keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten hat, vorlagen. Bei der Bewertung der nachzuholenden Feststellungen insoweit wird das [X.] auch §§ 19 Abs 3 [X.], 28 Abs 1 [X.] und 11 Abs 1 S 4 [X.] zu berücksichtigen haben, denn die Leistungen der Bildung und Teilhabe sollen besondere Bedarfslagen bei [X.]indern und Jugendlichen im Einzelfall und unabhängig von der übrigen Bedarfsgemeinschaft gezielt decken (BT-Drucks 17/3404, [X.]04).

3. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs 4 [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.] (mit Wirkung vom [X.], [X.] 1167) konnte der erkennende Senat nur insoweit abschließend beurteilen, als es sich bei der von dem [X.]läger besuchten Schule um die nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs handelt. Nach § 28 Abs 4 [X.] [X.] werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von [X.] übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Zur Ausfüllung des Begriffs der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" ist bundeseinheitlich darauf abzustellen, ob es sich bei der besuchten Schule um eine solche handelt, die gegenüber den näher gelegenen Schulen einen eigenständigen Bildungsgang im Sinne eines eigenständigen Profils mit besonderer inhaltlicher Ausrichtung innerhalb der gewählten Schulart aufweist, sodass sie insoweit die "nächstgelegene" ist. Dies kann zwar weder dem Wortlaut der Norm, noch der Gesetzesbegründung oder landesschulrechtlichen Regelungen entnommen werden (a). Diese Ausfüllung des Begriffs der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" folgt jedoch zwingend aus dem Sinn und Zweck der Leistungen für Schülerbeförderung als Teil des das Existenzminimum sicherstellenden "[X.]" für [X.]inder und Jugendliche, unter Berücksichtigung systematischer Erwägungen und der Einbeziehung von [X.]riterien, die in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum [X.] entwickelt worden sind (b).

a) Was unter der "nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs" zu verstehen ist, lässt sich der Vorschrift des § 28 Abs 4 [X.] selbst nicht entnehmen. Diese Begriffe werden im Grundsicherungsrecht auch nicht definiert oder in anderem Zusammenhang verwendet. Ebenso sind sie umgangssprachlich nicht klar konturiert.

Die Gesetzesmaterialien sind insoweit ebenso wenig ergiebig. Dort werden die Begriffe "nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs" zunächst durch "Primärstufe, Sekundarstufe I und II" (BT-Drucks 17/4095, [X.]) und später beispielhaft als "Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Gemeinschaftsschule" umschrieben (BT-Drucks 17/4095, [X.]0 zur Einfügung des § 28 Abs 3a [X.]). Dem [X.] ist zuzugeben, dass der "gewählte Bildungsgang" jedoch nicht mit der Schulstufe gleichgesetzt werden kann, denn diese ist nicht wählbar. Ferner ist letzterer [X.]onkretisierungsversuch auch insoweit unschlüssig, als etwa die Gesamtschule in zahlreichen [X.]esländern sowohl die Schulart der Realschule als auch des Gymnasiums umfasst.

Zutreffend geht das [X.] ebenfalls davon aus, dass der Begriff des "gewählten Bildungsgangs" auch nicht den landesrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen ist (s zum Verhältnis von [X.]esrecht zu schulrechtlichen Bestimmungen der Länder ausführlich [X.] vom 22.11.2011 - [X.] AS 204/10 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.] RdNr 13 ff). Abgesehen davon, dass er dort sehr uneinheitlich verwendet wird, zeigt die [X.], dass die landesrechtlichen Regelungen hier außer Betracht zu bleiben haben. So wird in der [X.] betont, dass die Schülerbeförderungskosten in einigen [X.]esländern regelhaft nur bis zum Abschluss der Sekundarstufe 1 übernommen würden. Die neuen Leistungen des § 28 Abs 4 [X.] sollten gezielt darüber hinausgehen. Insoweit galt es der Aufforderung des [X.] an den Gesetzgeber nachzukommen, hilfebedürftige Schülerinnen und Schüler mit den für den Schulbesuch notwendigen Mitteln auszustatten (Urteil vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 241 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] RdNr 181), soweit insbesondere die Länder im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen dafür keine gleichwertigen Leistungsansprüche bereithielten (BT-Drucks 17/4095, [X.]0). Wenn mithin die Regelungen der Länder vielfach als nicht ausreichend analysiert und die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung erkannt worden ist, sind die schulrechtlichen Regelungen der Länder ungeeignet, um als Auslegungshilfe bei der verwendeten Begrifflichkeit zu dienen.

Zudem mangelt es bereits in der bundesrechtlichen Regelung des § 28 Abs 4 [X.], anders als im Hinblick auf die Leistungen für eine angemessene Lernförderung nach § 28 Abs 5 [X.] und die mehrtägige [X.]lassenfahrt nach § 28 Abs 2 [X.] (s noch zur Regelung des § 23 Abs 3 [X.] Nr 3 [X.] idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 2954; [X.] vom 22.11.2011 - [X.] AS 204/10 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.]), an einem ausdrücklichen Verweis auf die schulrechtlichen Bestimmungen der Länder. Der Begriff wird demnach ausschließlich in einen bundesrechtlichen Bezugsrahmen gestellt. Dies entspricht auch der Verantwortungsverteilung zwischen [X.] und [X.] im Bereich der Existenzsicherung. So hat das [X.] in seinem Urteil vom [X.] die Erwägung der [X.]esregierung, die Bedarfsdeckung obliege im Bereich des Bildungswesens den [X.], als nicht tragfähig befunden (Urteil vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 241 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] RdNr 181). Da der [X.] mit der Einfügung der Regelung über die Schülerbeförderung zum 1.1.2011 in das [X.] - als Teil des "[X.]" (durch das [X.]/[X.]/[X.] vom 24.3.2011, [X.] 453) - zugleich die Anforderungen des [X.] einfachgesetzlich umgesetzt hat (BT-Drucks 17/12036, [X.]), muss sich die Ausfüllung des bundesrechtlichen Bezugsrahmens an den Anforderungen des [X.] für die Ausgestaltung der existenzsichernden Leistungen für [X.]inder und Jugendliche ausrichten.

b) Anknüpfungspunkt des [X.] insoweit ist die Gewährleistung des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich für [X.]inder und Jugendliche aus besonders förderungsbedürftigen Haushalten (BT-Drucks 17/12036, [X.]). Dieser ist als erforderlich befunden worden, um die materielle Basis für Chancengerechtigkeit herzustellen. Insbesondere in der Bildung hat der Gesetzgeber dabei eine Schlüsselfunktion zur nachhaltigen Überwindung von Hilfebedürftigkeit und zur Schaffung von zukünftigen Lebenschancen erkannt ([X.], [X.]68). Zugleich besteht allerdings ein Spannungsverhältnis zwischen dem die Menschenwürde achtenden Sozialstaat, der nachrangig Leistungen aus dem Fürsorgesystem erbringt, und der Notwendigkeit, insbesondere Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten - durch Entwicklung und Entfaltung ihrer Fähigkeiten - in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt später aus eigenen [X.]räften bestreiten zu können ([X.], [X.]68, unter Hinweis auf [X.] Urteil vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 246 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] RdNr 192). Die Auslegung des Begriffs der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs hat daher der Realisierung von [X.] und dem Nachrang der [X.] im Sinne der Reduzierung der Aufwendungen auf ein notwendiges Maß Rechnung zu tragen. Der Nachrang findet in § 28 Abs 4 [X.] [X.] seine Anknüpfung dergestalt, dass Fahrtkosten nur zur nächstgelegenen und nicht einer beliebig weit entfernten Schule als Bedarf anerkannt werden. Die Förderung der Chancengleichheit und die Rücksicht auf die Fähigkeiten sowie Begabungen des einzelnen Schülers, um Lebenschancen zu ermöglichen, schlägt sich in den Worten des "gewählten Bildungsgangs" nieder. Um die letztbenannten Ziele dabei tatsächlich zu erreichen, kann zur Ausfüllung des Begriffs des "Bildungsgangs" nicht allein auf die Schulart abgestellt werden. Im Hinblick auf Begabung und Fähigkeiten kommt es darauf an, dass sie in der nächstgelegenen Schule auch gefördert und damit Lebenschancen erweiternd eingesetzt werden können sowie Chancengleichheit damit gewährleistet wird. Daher ist auf das Profil der Schule der besuchten Schulart abzustellen, soweit hieraus eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts folgt, die nicht der der nächstgelegenen Schule entspricht. Hiervon ist auch auszugehen, wenn - wie vorliegend - die Schule durch organisatorische Vorkehrungen die Vermittlung besonderer Inhalte durch Dritte ermöglicht.

Insoweit kann an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu § 2 Abs 1a [X.] Nr 1 [X.] angeknüpft werden. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung für den Besuch einer in § 2 Abs 1 Nr 1 [X.] bezeichneten Ausbildungsstätte nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist (idF der Neubekanntmachung vom 7.12.2010, [X.] 1952). Auch in der genannten Regelung geht es um das Ob und die Höhe einer Leistung, die die Durchführung der Ausbildung gewährleisten soll, wenn eine zumutbar zu besuchende Ausbildungsstätte nicht in der Nähe zur elterlichen Wohnung gelegen ist. Das [X.] hat zur Abgrenzung entschieden, es genüge für die Annahme einer entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte iS des § 2 Abs 1a [X.] Nr 1 [X.] nicht, dass dort der gleiche Abschluss erreicht werden könne. So seien zB Gymnasien nach Lehrstoff und Lehrinhalten verschieden ([X.] Beschluss vom [X.] - 5 [X.]/95 - juris RdNr 4; [X.] Urteil vom 31.3.1980 - 5 C 41.78 - juris; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 2 RdNr 63). Insoweit sind in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als Differenzierungskriterien angesehen worden: Unterschiedliche Aufnahmebedingungen und Prüfungsvoraussetzungen oder organisatorische Gestaltungen ([X.] Urteil vom 16.12.1976 - [X.] 43.75 - [X.]E 51, 354, 357), unterschiedliche weltanschauliche oder konfessionelle Prägungen ([X.] Urteil vom 14.12.1978 - [X.] 49.77 - [X.]E 57, 198, 200; [X.] Urteil vom 22.10.2015 - W 3 [X.] 14.385 - juris RdNr 17; s auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 2 RdNr 62) oder mit einem nicht unerheblichen Anteil über den üblichen Fächerkanon hinausgehende sprach- oder berufsspezifische Unterrichtsangebote, die der Schule insgesamt ihre Prägung geben ([X.] Beschluss vom 18.5.2015 - 12 ZB 14.2860 - juris Rd[X.]). Hieran anknüpfend wird insbesondere das Profil einer Schule als Differenzierungskriterium angesehen ([X.] Urteil vom 24.3.2015 - 2 A 780/13 - juris RdNr 40; s auch [X.]/[X.], Ausbildungsförderungsrecht, 38. Aufl 2014, § 2 [X.] 2.1a.9 und [X.]), auch im Hinblick auf sportliche Leistungsanforderungen sowohl bei der Aufnahme, als auch bei der Frage der Berechtigung des Verbleibs auf der Schule ([X.] Beschluss vom 16.8.2011 - 5 L 409/11 - juris RdNr 27). Ähnliche Überlegungen sind im Übrigen auch in der Literatur zu § 28 Abs 4 [X.] angestellt worden (ähnlich [X.] in [X.], [X.]/[X.]I, Stand 12/2015, § 28 RdNr 24; Voelzke in [X.]/[X.], [X.], Stand 7/2015, § 28 RdNr 66; aA wohl [X.]Voelzke, jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 28 RdNr 118).

Der von dem [X.]läger besuchte [X.] des [X.] ist in diesem Sinne ein Bildungsgang mit einem eigenständigen Profil, das eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts mit sich bringt. Im konkreten Fall kommt das [X.] auch nur deswegen zu einer anderen Wertung, weil es insoweit von einem unzutreffenden Maßstab ausgeht. Es stellt ausschließlich darauf ab, dass der verstärkte Sportunterricht mit dem Ziel des Erwerbs von Fähigkeiten, die für den Hochleistungssport erforderlich sind, nicht in der und durch die Schule selbst, sondern in [X.]ooperation mit den Vereinen und Verbänden, getragen von diesen, erfolgt. Zutreffend hieran ist zwar, dass rein außerschulische Strukturen, die nur an die Organisation "Schule" angeschlossen sind, nicht als eigenes Profil einer Schule anzusehen sind, wenn es gilt, diese unter den Begriff des "gewählten Bildungsgangs" zu fassen (vgl [X.] Urteil vom 22.10.2015 - W 3 [X.] 14.385 - juris RdNr 19 f). Ist die organisatorische Struktur der Schule jedoch auf die außerschulische Aktivität ausgerichtet, wird also der Unterricht zeitlich/organisatorisch an die außerschulische Aktivität angepasst, so ist dies das prägende Profil der Schule. Dies gilt umso mehr, wenn, wie vom [X.] für das [X.] in [X.] festgestellt, auch die Aufnahmevoraussetzungen und die Versetzung in die [X.]lassenstufe 7 von den Leistungen in diesen außerschulischen Aktivitäten abhängen. Dass es sich bei dem [X.] auch um das nächstgelegene Sportgymnasium iS des § 28 Abs 4 [X.] handelt, ist den Feststellungen des [X.] zu entnehmen, wenn es darauf verweist, dass die anderen beiden Gymnasien im Umkreis des Wohnortes des [X.] über andere Profile verfügen (musischer bzw MINT-Schwerpunkt).

4. Nicht abschließend konnte der Senat darüber befinden, ob der [X.]läger auf Schülerbeförderung für den Besuch des [X.] angewiesen war. Auch der Begriff des auf Schülerbeförderung [X.] wird in § 28 Abs 4 [X.] nicht näher umschrieben. Da in allen landesschulrechtlichen Bestimmungen im [X.]esgebiet als Maßstab insoweit in erster Linie auf die Entfernung zwischen dem Wohnort und der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs abgestellt wird, kann dies hier auch für die Auslegung des [X.]esrechts herangezogen werden (vgl [X.] in [X.], [X.]/[X.]I, Stand 12/2015, § 28 RdNr 25; [X.] in Eicher, [X.], 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 34, der wohl die landesrechtlichen Bestimmungen vollständig in die Prüfung einbeziehen möchte - dazu jedoch unter 3c). Dabei kommt es darauf an, ob dieser Weg zumutbar zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden kann oder ob dies nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist, für deren Benutzung sodann Leistungen zur Schülerbeförderung zu erbringen sind (s [X.]Voelzke, jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 28 Rd[X.]5; Voelzke in [X.]/[X.], [X.], Stand 7/2015, § 28 RdNr 67). Die Zumutbarkeit ist anhand der örtlichen Besonderheiten und/oder der persönlichen Umstände des Schülers zu bemessen (s auch [X.] in Eicher, [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 28 RdNr 34). Das heißt, es ist abzustellen zB auf die Beschaffenheit des zurückzulegenden Weges, das Verkehrsaufkommen dort, das Alter des Schülers, etwaige körperliche Beeinträchtigungen oder die Erforderlichkeit des regelmäßigen Transportes größerer Gepäckstücke (vgl [X.]Voelzke, juris P[X.], [X.], 4. Aufl 2015, § 28 Rd[X.]5; Voelzke in [X.]/[X.], [X.], Stand 7/2015, § 28 RdNr 67). Hierzu hat das [X.] keine Feststellungen getroffen. Es stellt im Tatbestand seines Urteils lediglich dar, wie der Weg des [X.] zum [X.] verkehrstechnisch beschaffen ist. Eine Einschätzung, etwa folgend der des [X.], dass es sich bei dem Fußweg von der Wohnung des [X.] zum [X.] um einen besonders gefährlichen Weg handele, hat es nicht vorgenommen. Auch wenn vieles dafür spricht, dass die Bewertung des [X.] zutreffend sein könnte, wird das [X.] - als Tatsacheninstanz - sie im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um sodann auf dieser Grundlage beurteilen zu können, ob der [X.]läger auf Schülerbeförderung für den Besuch des [X.] angewiesen ist.

5. Ebenso wird das [X.] zu entscheiden haben, in welcher Höhe die Aufwendungen des [X.] für Schülerbeförderung erforderlich waren. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die von dem [X.]läger in seinem Antrag bezifferten Beträge von 32,50 Euro und 34,30 Euro seinen tatsächlichen Aufwendungen für die [X.] entsprechen. Dazu, ob diese tatsächlichen Aufwendungen jedoch erforderlich waren um das [X.] mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, hat das [X.] bisher ebenso wenig Feststellungen getroffen, wie zur Beantwortung der Frage danach, ob sie durch Dritte, etwa die Sportvereine, die in das Lernkonzept des besuchten Gymnasiums eingebunden sind, übernommen worden sind. Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, dass der [X.]läger seinen [X.]lageantrag bereits insoweit beschränkt hat, als er Aufwendungen reduziert um einen monatlichen Eigenanteil von 5 Euro iS des § 28 Abs 4 S 2 [X.] (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.], [X.] 1167, mW zum [X.]) begehrt. Daher ist nicht mehr darüber zu befinden, ob ein niedrigerer Eigenanteil unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen ist. Das [X.] wird vielmehr nur noch zu prüfen haben, ob auch ansonsten von einem Regelfall auszugehen ist.

6. Das [X.] wird auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 4 AS 39/15 R

17.03.2016

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Speyer, 20. November 2014, Az: S 21 AS 160/13, Urteil

§ 28 Abs 1 S 1 SGB 2, § 28 Abs 1 S 2 SGB 2, § 28 Abs 4 S 1 SGB 2, § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BAföG, § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.03.2016, Az. B 4 AS 39/15 R (REWIS RS 2016, 14334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14334

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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