Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.02.2016, Az. 4 StR 459/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16264

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Strafbarkeit eines Wohnungsinhabers bei Duldung der Aufbereitung und des Vertriebs von Betäubungsmitteln in der Wohnung


Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Juni 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen ließ der Mitangeklagte Ö.  , der mit der Angeklagten eine Beziehung unterhielt und – nicht ausschließbar – allein deswegen von der Angeklagten in ihre Wohnung aufgenommen worden war, im Spätsommer 2013 ein Paket mit 150 Gramm Heroinzubereitung (Wirkstoffgehalt 25 %) an die Wohnanschrift der Angeklagten versenden, wo es vom Mitangeklagten in Besitz genommen wurde. Die Hälfte des [X.] verwendete der Mitangeklagte in der Folgezeit zum Eigenkonsum für sich und die Angeklagte. Die andere Hälfte streckte und portionierte er und verkaufte sie in und vor der Wohnung der Angeklagten an andere Abnehmer. Die Angeklagte war nicht aktiv in die Planung, Organisation oder Durchführung des Handeltreibens eingebunden und hatte auch kein Interesse an den Details der Tätigkeit ihres Freundes. Sie bekam aber mit, dass ein Paket mit Heroin angekommen war, weil plötzlich wieder ausreichend Heroin in der Wohnung zur Verfügung stand. Die Angeklagte, die wusste, dass der Mitangeklagte mit Heroin handelte, sah es zwar nicht gern, dass der Mitangeklagte seine Geschäfte auch in der Wohnung tätigte, sie duldete jedoch die Verkaufstätigkeit ihres Freundes, weil sie von den von ihm erzielten Gewinnen, insbesondere durch die kostenlose Versorgung mit Heroin und die Finanzierung von Einkäufen und Urlauben, erheblich profitierte. Im Oktober 2014 erhielt der Mitangeklagte von einem Kurier eine Lieferung von 300 Gramm Heroinzubereitung mit 25 % Wirkstoffgehalt, die er mit zur Wohnung der Angeklagten nahm. In der Wohnung wurde die Hälfte der Lieferung von dem Mitangeklagten und der Angeklagten selbst konsumiert, während die andere Hälfte wiederum durch den Mitangeklagten nach Streckung an andere Konsumenten weiterveräußert wurde. Auch diesmal bekam die Angeklagte dadurch, dass wieder Heroin verfügbar war, mit, dass der Mitangeklagte eine neue Lieferung erhalten hatte. Sie duldete den anschließenden Verkauf des [X.] in ihrer Wohnung aus denselben Gründen wie zuvor und unterstützte dadurch den Mitangeklagten.

II.

3

Die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

4

Eine aktive Beteiligung der Angeklagten an der Handelstätigkeit des Mitangeklagten wird durch die [X.] nicht belegt. Allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung, der Aufbereitung oder des Vertriebs von Betäubungsmitteln in der Wohnung erfüllt ohne eine irgendwie geartete, die Handelstätigkeit objektiv fördernde Unterstützungshandlung nicht die Voraussetzungen der strafbaren Beihilfe (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 300/13, [X.], 164; Beschlüsse vom 17. November 2011 – 2 [X.], [X.], 58; vom 2. August 2006 – 2 StR 251/06, [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 67; vom 7. Januar 2003 – 3 StR 414/02, [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 60). Einen solchen [X.] der Angeklagten durch [X.] hat das [X.] nicht festgestellt. Dass die Angeklagte schon bei der Überlassung der Mitnutzung der Wohnung an den Mitangeklagten von deren geplanter Verwendung für [X.] wusste (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 300/13, aaO; Beschluss vom 30. April 2013 – 3 StR 85/13, [X.], 249), hat die [X.] nicht angenommen. Eine auf die künftige Hinnahme des [X.] in der Wohnung bezogene Zusage der Angeklagten, die als psychische Unterstützung der Taten des Mitangeklagten gewertet werden könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 30. April 2013 – 3 StR 85/13, aaO), lässt sich den Urteilsfeststellungen ebenfalls nicht entnehmen.

5

Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen scheidet mangels Garantenstellung der Angeklagten aus. Denn der Inhaber einer Wohnung hat grundsätzlich nicht rechtlich dafür einzustehen, dass in seinen Räumen durch Dritte keine Straftaten begangen werden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 300/13, aaO; Beschluss vom 31. Juli 1992 – 4 [X.], [X.]R StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 10; Urteil vom 24. Februar 1982 – 3 StR 34/82, [X.]St 30, 391). Ein Ausnahmefall, in welchem die Wohnung wegen ihrer besonderen Beschaffenheit oder Lage – über ihre Eigenschaft als nach außen abgeschirmter Bereich hinaus – eine Gefahrenquelle darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 24. Februar 1982 – 3 StR 34/82, aaO; Beschluss vom 7. Januar 2003 – 3 StR 414/02, aaO), ist nicht festgestellt. Dass die Angeklagte aus den durch den Mitangeklagten begangenen Taten Vorteile zog, mag strafrechtlich unter dem Aspekt der Geldwäsche nach § 261 StGB bedeutsam sein (vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, [X.], 546, 549; [X.], BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff., Rn. 677 ff.), für die Frage des Bestehens einer Garantenpflicht der Angeklagten ist dieser Umstand entgegen der Ansicht der [X.] indes ohne jede Relevanz.

[X.][X.]

                          Mutzbauer                          [X.]

Meta

4 StR 459/15

16.02.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Siegen, 12. Juni 2015, Az: 21 KLs 5/15

§ 29 BtMG, § 29a BtMG, § 13 Abs 1 StGB, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.02.2016, Az. 4 StR 459/15 (REWIS RS 2016, 16264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16264

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 459/15 (Bundesgerichtshof)


2 StR 369/07 (Bundesgerichtshof)


3 StR 280/09 (Bundesgerichtshof)


1 StR 598/18 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubter Handel und Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Beihilfe des Wohnungsinhabers


3 StR 301/18 (Bundesgerichtshof)

Konkurrenzverhältnis zwischen Lieferung und Abverkauf von Betäubungsmitteln


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.