Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2020, Az. I ZR 168/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1984

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Gegenstand

Versicherungsmakler: Rückforderung einer Provisionsforderung durch den Versicherer im Falle eines im Kontokorrent geführten Maklerkontos


Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des [X.] - 14. Zivilsenat - vom 19. Juni 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf [X.] festgesetzt.

Gründe

1

I. Die auf dem Gebiet der Industrie- und Sachversicherung tätige Klägerin hatte zusammen mit weiteren mit ihr verbundenen Unternehmen des A. -Konzerns unter dem 25. November/6. Dezember 2005 mit dem heutigen Gesellschafter der [X.]n [X.]    eine Courtage-Zusage (im Weiteren auch: Vereinbarung) abgeschlossen, in die die [X.] mit Erklärung vom 23. Oktober 2008 eingetreten ist. Die [X.] erhielt gemäß Ziffer 2 der Vereinbarung [X.] entsprechend den vereinbarten [X.]. Für die [X.] wurde insoweit gemäß Ziffer 4 der Vereinbarung ein im Kontokorrent geführtes Vermittlerkonto eingerichtet. Gemäß Ziffer 4 Satz 2 der Vereinbarung wurde, wenn sich im Rahmen des [X.] zu den zweiwöchentlichen Auszahlungsterminen ein Guthaben für den Makler ergab, dieses an ihn überwiesen.

2

Die Firmengruppe [X.]([X.]), für die die [X.] als Versicherungsmaklerin tätig war und in diesem Zusammenhang von der Klägerin entsprechend der Vereinbarung [X.] erhielt, kündigte, nachdem sie am 7. November 2013 einen anderen Versicherungsmakler beauftragt hatte, den Maklervertrag mit der [X.]n zum 30. November 2013. Die Klägerin, die seit 11. November 2013 Kenntnis von diesem [X.] hatte, schrieb dem Verdienstkonto der [X.]n nach dem 30. November 2013 noch [X.] in Gestalt von Betreuungsprovisionen in Höhe von insgesamt 83.389,22 € gut. Dieser [X.] wurde gemäß dem Auszug des [X.] der [X.]n vom 18. Dezember 2013 am 9. Dezember 2013 gebucht und am 6. Januar 2014 ausbezahlt.

3

Nach dem Vortrag der Klägerin handelte es sich bei dem [X.], der sich aufgrund von Gutschriftbeträgen bis zum [X.]punkt der im vorliegenden Verfahren erhobenen Klage auf [X.] reduzierte, um [X.] für das [X.], auf die die [X.] wegen der Kündigung des [X.] durch die [X.] keinen Anspruch mehr hatte.

4

Das [X.] hat der von der Klägerin deswegen in Höhe dieses Betrags erhobenen Klage stattgegeben. Die [X.] habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 6. Januar 2014 [X.] einen durch nachfolgende Gutschriften auf [X.] reduzierten Betrag von 83.389,22 € als Folgecourtagen für die [X.] ausbezahlt erhalten, bei denen es sich ausweislich der vorgelegten Tabelle nicht um Courtagezahlungen für das [X.] gehandelt habe. Die Klägerin sei, da sie die Zahlung an die [X.] geleistet habe, aktivlegitimiert, und es habe, nachdem der Maklervertrag seit dem 30. November 2013 beendet gewesen sei, für das [X.] auch keinen Rechtsgrund aus dem Verhältnis der [X.]n für die [X.] gegeben, der dem Bereicherungsanspruch entgegenstehe. Da eine Abteilung der Klägerin die Zahlung an die [X.] in Unkenntnis der Nichtschuld veranlasst habe und dieser Abteilung die Kenntnis der anderen für die Buchungsvorgänge zuständigen Abteilung nicht zugerechnet werden könne, liege, wie die [X.] selbst ausgeführt habe, kein Fall des § 814 BGB vor. Der [X.] sei auch nicht verjährt, weil die insoweit gemäß § 195 BGB geltende Frist von drei Jahren durch die per Fax am 21. Dezember 2017 und im Original am 27. Dezember 2017 bei Gericht eingegangene Klage rechtzeitig gehemmt worden sei.

5

Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der [X.]n durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen: Die streitgegenständlichen Buchungen und Zahlungen seien in einem vertraglichen Leistungsverhältnis zwischen den [X.]en erfolgt, ohne dass die [X.] - was unstreitig sein dürfte - einen Rechtsanspruch darauf gehabt hätte. Entscheidend sei nicht, ob die Leistung aufgrund eines Vertragsverhältnisses wie im vorliegenden Fall der bislang möglicherweise nicht gekündigten Courtagevereinbarung erfolgt sei, sondern ob die konkrete Zuwendung dem Leistungsempfänger nach der ihr zugrundeliegenden Rechtsbeziehung (endgültig) zustehe. Dem vom [X.] ausgeurteilten Rückforderungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB stünden weder § 814 BGB noch die Verjährungseinrede entgegen, da der Großteil der streitgegenständlichen Forderung erst im Jahre 2014 gutgebucht worden sei und das [X.] hinsichtlich der [X.] zutreffend auf das Auszahlungsdatum abgestellt habe.

6

Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.]n. Diese möchte mit der zuzulassenden Revision ihren in den Vorinstanzen erfolglosen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgen. Die Klägerin beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.]n zurückzuweisen.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 3 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht das Verfahrensgrundrecht der [X.]n auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

8

1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, [X.] des Vorbringens der [X.] zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - zu bescheiden (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 29. Oktober 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 78 Rn. 7; Beschluss vom 21. März 2018 - [X.]/17, NJW-RR 2018, 651 Rn. 16; Beschluss vom 11. Februar 2020 - [X.]/19, NJW-RR 2020, 693 Rn. 5).

9

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht, soweit es im Hinweisbeschluss ausgeführt hat, die streitgegenständlichen Buchungen und Zahlungen seien in einem vertraglichen Leistungsverhältnis zwischen den [X.]en erfolgt, ohne dass die [X.] "was unstreitig sein dürfte" einen Rechtsanspruch darauf gehabt hätte, und soweit es im Zurückweisungsbeschluss im Hinblick auf die Ziffer 1 der Courtage-Zusage ausgeführt hat, die einzelne [X.] setze voraus, dass der Versicherungsnehmer im maßgeblichen [X.]raum von der [X.]n betreut worden sei, unter Verletzung des Anspruchs der [X.]n auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG im [X.] nicht auf den Vortrag der [X.]n in der Berufungsbegründung und in deren Stellungnahme zum Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO eingegangen ist, Rechtsgrund für die am 6. Januar 2014 an die [X.] ausgezahlten 83.389,22 € sei Ziffer 4 Satz 2 der Vereinbarung gewesen.

Das Guthaben, das sich auf dem bei der Klägerin geführten Verrechnungskonto der [X.]n durch die Buchungen vom 9. Dezember 2013 und den Kontoauszug vom 18. Dezember 2013 unstreitig ergeben habe, sei gemäß diesem Vortrag nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung unabhängig davon an die [X.] auszubezahlen gewesen, wie es zustande gekommen sei und welche Besonderheiten sich aus der [X.] ergeben hätten. Der Auszahlungsanspruch habe auch noch im [X.] bestanden, weil die Courtage-Zusage vom 25. November/6. Dezember 2005 - anders als der hiervon zu trennende Maklervertrag - nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen zu unterstellenden Vortrag der [X.]n bislang nicht gekündigt oder aufgehoben worden sei. Dass insoweit Abweichendes habe gelten sollen, wenn die auf dem Verrechnungskonto gebuchten Provisionen wegen Beendigung des [X.] mit der [X.] nicht verdient gewesen sein sollten, lasse sich dem Wortlaut der Vereinbarung nicht entnehmen. Da es sich bei dieser Vereinbarung nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zu unterstellenden Vortrag der [X.]n um eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt habe, gingen Zweifel im Rahmen der Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin. Sofern die Gutschriften durch die Klägerin auf dem Verrechnungskonto der [X.]n tatsächlich zu Unrecht erfolgt seien, weil der maßgebliche Maklervertrag der [X.]n mit der [X.] von dieser zum 30. November 2013 gekündigt worden sei, möge sich die Klägerin für etwaige Rückforderungen an die [X.] oder die [X.] als Folgemaklerin halten, die dann ihrerseits wiederum möglicherweise Ansprüche gegen die [X.] geltend machen könnten. Im Verhältnis der Klägerin zur [X.]n bleibe es dagegen bei der klaren Regelung der Ziffer 4 Satz 2 der Courtage-Zusage, weshalb die Auszahlung im Januar 2014 mit Rechtsgrund erfolgt sei.

Auf diesen Vortrag ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung im [X.] nicht eingegangen. Soweit es in Bezug auf die Ziffer 1 der Courtage-Zusage ausgeführt hat, die einzelne [X.] setze voraus, dass der Versicherungsnehmer im maßgeblichen [X.]raum von der [X.]n betreut werde, hat dies mit der Ziffer 4 Satz 2 der Courtage-Zusage als Rechtsgrund für die Auszahlung des unstreitig vorhandenen [X.]s nichts zu tun.

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt weiterhin mit Erfolg, dass der [X.] entscheidungserheblich ist. Sie weist hierzu mit Recht auf den Vortrag der [X.]n in der Berufungsbegründung hin, die Verjährung habe mit der Buchung im Kontokorrent der [X.]n am 9. Dezember 2013, jedenfalls aber mit der Erstellung des [X.] vom 18. Dezember 2013 zu laufen begonnen, der einen Rechnungsabschluss dargestellt habe, wohingegen das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen zur Frage der Verjährung allein auf den [X.]punkt der Auszahlung des Guthabens abgestellt hat.

Nach dem Vortrag der [X.]n sind sämtliche wechselseitigen Forderungen der [X.]en und der Konzerngesellschaften gemäß Ziffer 4 der Courtage-Zusage auf einem Verrechnungskonto verrechnet worden und sind Guthaben, die sich im Rahmen des [X.] zu den zweiwöchigen Auszahlungsterminen für die [X.] ergeben haben, an diese auszuzahlen gewesen. Die [X.] hat mithin geltend gemacht, dass im Rahmen der seinerzeitigen [X.] ein Rechtsgrund für die vorgenommene Auszahlung bestanden habe und deshalb eine [X.]e Leistung ausscheide, sowie vorgetragen, dass der erstellte Kontoauszug einem Rechnungsabschluss im Sinne von § 355 HGB entspreche und die Klägerin mit Blick auf den dort genannten Saldo ein Schuldanerkenntnis abgegeben habe.

Das Berufungsgericht hat zwar erkannt, dass wegen der [X.] und des der [X.]n in Form des [X.] Nr. 22 vom 18. Dezember 2013 mitgeteilten Rechnungsabschlusses ein von der Klägerin gegenüber der [X.]n abgegebenes Schuldanerkenntnis anzunehmen ist, aber gemeint, dass auch ein [X.] abgegebenes Schuldanerkenntnis gemäß § 812 Abs. 1 BGB kondiziert werden könne. Zu der von der [X.]n erhobenen Verjährungseinrede hat es lediglich ausgeführt, die Klage sei im Jahr 2017 noch innerhalb der Verjährungsfrist erhoben worden, weil der Bereicherungsanspruch erst mit der Auszahlung des Guthabens im Januar 2014 entstanden sei.

Bei einem Kontokorrent stellt die Übermittlung des [X.] und die darin liegende Anerkennung des Saldos nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1971 - [X.], [X.], 283, 284 [juris Rn. 28]) ein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB dar. Die Klägerin hätte daher, wenn sie - wie sie behauptet - der [X.]n im Kontoauszug Nr. 22 zu Unrecht in das Kontokorrent eingestellte [X.] mitgeteilt hätte, vor deren Rückforderung zunächst das darin liegende Schuldanerkenntnis kondizieren müssen. Der entsprechende Bereicherungsanspruch wäre allerdings bereits im [X.] mit dem der [X.]n am 18. Dezember 2013 übermittelten Kontoauszug entstanden, weil in ihn nach dem Vortrag der Klägerin zu Unrecht Einzelforderungen für die [X.] nach Beendigung des [X.] eingestellt worden sind, und wäre daher nach § 195 BGB schon am Ende des Jahres 2016 verjährt. Dass die Klägerin im [X.] Kenntnis vom Bestehen dieses Kondiktionsanspruchs gehabt oder insoweit jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgelegen hat, ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts im [X.] zu unterstellen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts im Zurückweisungsbeschluss stehen dem nicht entgegen, weil sich diese allein auf § 814 BGB und die dort erforderliche positive Kenntnis vom Nichtbestehen der Guthabenforderung beziehen. Wenn aber bei einer [X.] das im Kontoauszug oder Rechnungsabschluss liegende Anerkenntnis wegen Verjährung nicht mehr kondiziert werden kann, können auch die mit ihrer Einstellung in das Kontokorrent rechtlich nicht mehr selbständigen Einzelforderungen und das daraus resultierende Guthaben nicht mehr kondiziert werden.

III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 2 ZPO abgesehen.

Koch     

        

Schaffert     

        

Pohl   

        

Schmaltz     

        

Odörfer     

        

Meta

I ZR 168/19

23.07.2020

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 19. Juni 2019, Az: 14 U 3519/18

§ 355 HGB, § 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 652 Abs 1 S 1 BGB, § 781 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2020, Az. I ZR 168/19 (REWIS RS 2020, 1984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1984

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