Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.10.2013, Az. I B 109/12

1. Senat | REWIS RS 2013, 2243

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Gegenstand

Kircheneinkommensteuer in sog. glaubensverschiedenen Ehen


Leitsatz

1. NV: Die Kircheneinkommensteuer, die sich als Annexsteuer nach dem einkommensteuerrechtlich ermittelten Einkommen bemisst, ist strikt vom besonderen Kirchgeld, das nach der Rechtsprechung des BVerfG als eigenständige Steuer nach dem Lebensführungsaufwand bemessen wird, zu trennen.

2. NV: Von daher bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel, wenn in einer sog. glaubensverschiedenen Ehe bei der Anteilsbemessung der Kircheneinkommensteuer des alleinverdienenden Ehegatten (Kirchenmitglied) der Lebensführungsaufwand des nichtverdienenden Ehegatten (Nicht-Kirchenmitglied) nicht zu berücksichtigen ist.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr (2006) Mitglied der [X.] (der Beigeladenen); seine Ehefrau, mit der er zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, war konfessionslos. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte in Höhe von 53.529 €, seine Ehefrau in Höhe von ./. 1.543 €.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erließ gegenüber dem Kläger einen Bescheid über [X.] [X.] und setzte diese zunächst auf 444,08 € fest. Im weiteren Verlauf wurde die [X.] auf nunmehr 258,96 € herabgesetzt. Als Bemessungsgrundlage wurde hierbei ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 35.874 € unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrags von 5.808 €, der steuerfreien Halbeinkünfte des [X.] von 1.004 € und der Steuerermäßigung nach § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) von 117 € die Einkommensteuer unter Anwendung des [X.] mit 3.237 € errechnet. Der Anteil des [X.] an der gemeinschaftlichen Bemessungsgrundlage der Ehegatten wurde entsprechend § 19 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in [X.] ([X.] [X.]) vom 15. Juni 1978 (Gesetz- und Verordnungsblatt [X.] 1978, 369, BStBl I 1978, 403) nach dem Verhältnis der Steuerbeträge, die sich bei Anwendung der Einkommensteuergrundtabelle auf die Summe der Einkünfte eines jeden Ehegatten ergaben, im Streitfall mit 100 v.H. bestimmt.

3

Mit seiner dagegen erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung des ihm entstehenden Lebensführungsaufwands für die nicht kirchenangehörige Ehefrau; er begehrt die Minderung der festgesetzten Kirchensteuer um 96 €, dieser Betrag entspreche dem besonderen Kirchgeld bei glaubensverschiedenen Ehen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] [X.], das festgesetzt würde, wenn seine Ehefrau [X.] wäre. Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Finanzgerichts --[X.]-- [X.] vom 18. Juni 2012  10 K 3864/11). Die Revision hat das [X.] nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger und macht sinngemäß geltend, die Aufteilungsregelung des § 19 Abs. 4 Satz 2 [X.] [X.] verstoße --aufgrund der Nichtberücksichtigung eines "negativen" besonderen Kirchgelds-- gegen das Gebot der Folgerichtigkeit sowie das Prinzip der Leistungsfähigkeit und damit gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

5

Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch [X.] ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist (so z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 4. März 2009 VI B 105/08, [X.], 1140). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) orientierte Auseinandersetzung erforderlich ([X.] vom 4. Februar 2003 VIII B 182/02, [X.] 2003, 1059, m.w.[X.]). In der Beschwerdebegründung ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] ([X.]-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, [X.] 2004, 533; vom 31. Januar 2005 III B 59/04, [X.] 2005, 1081, m.w.[X.]). Es fehlt jedoch an der Klärungsbedürftigkeit, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das [X.] getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist und nicht (erst) in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (ständige Rechtsprechung z.B. [X.] vom 3. November 2010 X B 101/10, [X.] 2011, 285; vgl. hierzu auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.[X.]).

6

a) Wenn der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage formuliert, ob § 19 Abs. 4 [X.] insofern gegen das Gebot der Folgerichtigkeit und damit gegen das Gleichheitsgebot in Art. 3 GG verstößt, als in glaubensverschiedenen Ehen bei der Anteilsbemessung der [X.] des [X.] Ehegatten ([X.]) beim alleinverdienenden Ehegatten ([X.]nmitglied) nicht berücksichtigt wird, im umgekehrten Fall aber (Alleinverdiener ist [X.] und nicht-verdienender Ehegatte ist [X.]nmitglied) das besondere Kirchgeld vom [X.] Ehegatten als [X.]nmitglied erhoben wird und sich typisierend an dessen [X.] bemisst, ist diese Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Die Rechtslage ist eindeutig.

7

b) Die für die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des [X.] (vgl. insbesondere [X.]-Beschluss vom 28. Oktober 2010  2 BvR 591/06, 2 BvR 1689/09, 2 BvR 2698/09, 2 BvR 2715/09, 2 BvR 148/10, 2 BvR 816/10, [X.] --HFR-- 2011, 98, m.w.[X.] aus der Rechtsprechung des [X.]) und des [X.] (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, [X.]E 211, 90, [X.], 274, m.w.[X.]) geklärt. So hat das [X.] hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer [X.] angehörenden Ehegatten, wohl aber der [X.] des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden kann (vgl. [X.]-Urteil vom 14. Dezember 1965  1 BvR 606/60, [X.]E 19, 268, BStBl I 1966, 196). Wenn angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des [X.]es als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehepartners dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird, ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (vgl. [X.]-Beschluss in HFR 2011, 98, unter Hinweis auf Senatsurteil in [X.]E 211, 90, [X.], 274).

8

Diese Ausführungen des [X.] beziehen sich allerdings auf das besondere Kirchgeld, das im Gegensatz zu [X.]nsteuern, die als Zuschlagsteuer zur Einkommensteuer erhoben werden ([X.]neinkommensteuer), als eine eigenständige Steuer, die auf einem kircheneigenen Steuertarif beruht, erhoben wird (vgl. hierzu: [X.] in [X.]/[X.], Handbuch des Staatskirchenrechts der [X.], [X.], S. 1135; v. [X.] in v. Mangoldt/Klein/[X.], Das [X.] Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., Art. 137 [X.] Rz 541; [X.], Rechtsfragen der [X.]nsteuer, 2002, S. 327 ff. und 473 ff., m.w.[X.]). Den Ausführungen des [X.] liegt damit erkennbar die Grundannahme einer strikten Trennung zwischen der [X.]neinkommensteuer als [X.] und dem besonderen Kirchgeld als eigenständige Steuer zugrunde. Ein "Korrespondenzprinzip", wie es der Kläger für die [X.]neinkommensteuer steuerlich berücksichtigen will, liegt ihnen erkennbar nicht zugrunde. Denn mit dem besonderen Kirchgeld sollen [X.]nangehörige, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch eine Eheschließung im Hinblick auf das Einkommen des --konfessionslosen-- Ehegatten erhöht hat, und die mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bleiben würden, einer angemessenen Besteuerung unterworfen werden. Nur für diese Fallkonstellation orientiert sich das besondere Kirchgeld als eigenständige Steuer der Höhe nach an dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten und nach der Rechtsprechung des [X.] als unbedenkliches Besteuerungsmerkmal am "[X.]" des kirchenangehörigen Ehegatten ([X.]-Urteil in [X.]E 19, 268, BStBl I 1966, 196; ebenso: Urteil des [X.] vom 18. Februar 1977 VII C 48.73, BVerwGE 52, 104; Senatsbeschluss vom 22. Januar 2012 I B 18/01, [X.] 2002, 674, m.w.[X.]). Dies bedeutet, dass --entgegen den Ausführungen des [X.] in der [X.] es jedenfalls verfassungsrechtlich nicht geboten ist, den für das besondere Kirchgeld herangezogenen Besteuerungsmaßstab des [X.]es "korrespondierend" auch auf die [X.]neinkommensteuer zu übertragen. Dies insbesondere auch deshalb nicht, weil sich im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach §§ 26, 26b EStG 2002 die Bemessungsgrundlage der [X.]neinkommensteuer bereits durch die Anwendung des [X.] nach § 32a Abs. 5 EStG 2002 vermindert hat und hierdurch innerhalb der Erwerbs-, aber auch Verbrauchsgemeinschaft der Ehegatten im Ergebnis auch die gegenseitigen Unterhaltspflichten abgebildet werden. Die zusätzliche Berücksichtigung eines "[X.]es" würde demgegenüber den "Sonderfall" der glaubensverschiedenen Ehe in der Konstellation des Streitfalls gegenüber [X.]n und konfessionsverschiedenen Ehen besser stellen. Dem kann nach Auffassung des Senats nicht mit der Beschwerde entgegengehalten werden, dass im [X.]nsteuerrecht die glaubensverschiedene Ehe nicht als "[X.]" zu verstehen sei. Diese Betrachtung mag --obwohl wie ausgeführt die Anwendung des [X.] die Bemessungsgrundlage vermindert hat-- zutreffend sein, da sich der Gesetzgeber bei der Bemessungsgrundlage für glaubensverschiedene Ehen im Falle der Zusammenveranlagung für das [X.] entschieden hat und gerade nicht jedem Ehegatten die Hälfte des gemeinsamen Einkommens bzw. der Einkommensteuer zurechnet, dies hat jedoch nicht die vom Kläger begehrte Rechtsfolge zur Konsequenz, dass eine Berücksichtigung des "[X.]es" auch bei der [X.]neinkommensteuer verfassungsrechtlich geboten ist. Vergleicht man die [X.]nsteuerbelastung [X.] und [X.] Ehen einerseits und die glaubensverschiedener Ehen andererseits, so ist eine Ungleichbehandlung der Ehe als [X.] nicht festzustellen. Sowohl die [X.] oder [X.] als auch die glaubensverschiedene Ehe ist, sofern nur ein Ehegatte Einkünfte bezieht, mit [X.]nsteuer in Höhe von 8 v.H. bzw. 9 v.H. der gemeinsamen Einkommensteuer belastet (vgl. insoweit auch Senatsurteil vom 8. April 1997 I R 68/96, [X.]E 183, 107, [X.] 1997, 545). Im Grunde möchte der Kläger als verheiratetes [X.]nmitglied besser als der Ehepartner einer [X.]n oder konfessionsverschiedenen Ehe gestellt werden. Verfassungsrechtlich besteht hierfür keine Handhabe.

Meta

I B 109/12

08.10.2013

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 18. Juni 2012, Az: 10 K 3864/11, Urteil

Art 3 GG, § 5 Abs 1 S 1 Nr 5 KiStG BW, § 19 Abs 4 KiStG BW, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.10.2013, Az. I B 109/12 (REWIS RS 2013, 2243)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2243


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I S 24/13

Bundesfinanzhof, I S 24/13, 26.02.2014.


Az. I B 109/12

Bundesfinanzhof, I B 109/12, 08.10.2013.


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