Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2021, Az. II ZR 75/20

2. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 4541

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Gegenstand

Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer von ihrem Aufsichtsratsmitglied gesetzlich vertretenen Gesellschaft


Leitsatz

Ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist, fällt in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 4. März 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.]s und des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für das [X.] auf 423.033,55 € und für das Revisionsverfahren auf 61.399,23 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist durch mehrere Umwandlungen aus der [X.] (im Folgenden: [X.]) hervorgegangen.

2

Der Beklagte war vom 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2007 Vorsitzender des Aufsichtsrats der D.   (alt). Seit der Umwandlung ihrer Rechtsnachfolgerin in die [X.] (im Folgenden: D.     neu) am 17. April 2008 übte der Beklagte das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der D.   (neu) bis zu seiner Abberufung am 10. März 2011 aus.

3

Die D.   (neu) zahlte auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der [X.], deren Vorstandsvorsitzender der Beklagte war, ohne Zustimmung des Aufsichtsrats für die vom Beklagten im Auftrag der [X.] erbrachten Beratungsleistungen 33.914,00 € (Rechnung vom 27. Mai 2009) und 27.485,23 € (Rechnung vom 18. Juli 2010) an die [X.], mithin insgesamt 61.399,23 €. Alleinaktionär der [X.] war zur Zeit der Rechnungsstellung       B.     .

4

Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten u.a. die Zahlung der an die [X.] geleisteten Beratervergütung.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat insoweit zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat keinen Erfolg.

7

I. Das Berufungsgericht ([X.], AG 2020, 714) hat seine Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

8

Die [X.] (neu) habe Anspruch auf Rückgewähr von 61.399,23 € Beratervergütung aus den Rechnungen vom 27. Mai 2009 und 18. Juli 2010.

9

Der Beklagte habe das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der [X.]  (neu) tatsächlich ausgeübt. § 114 [X.] gelte auch im Falle fehlerhafter Bestellung und sei auch auf "nahestehende Personen" und deshalb auf eine juristische Person anzuwenden, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied sei. Das sei zwar anders als bei § 115 [X.] nicht ausdrücklich angeordnet, die Vorschrift insoweit planwidrig unvollständig und die Lücke dem Zweck von § 114 [X.] entsprechend im Wege der Analogie zu schließen. Es komme nicht darauf an, dass der Beklagte nicht Anteilseigner der [X.] sei und ihm die Vergütungen auch wirtschaftlich nicht zugutegekommen seien. Maßgeblich sei nicht die rechtliche Konstruktion, sondern eine wirtschaftliche Betrachtung. Der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person oder Personenhandelsgesellschaft habe bereits wegen seiner treuhänderischen Bindung der [X.] gegenüber stets ein auch wirtschaftliches Interesse an deren Vorteilen. Bereits in der Möglichkeit, den Adressaten der Zahlung zu bestimmen, sei ein relevanter Vorteil zu sehen. Entscheidend sei, dass eine Vergütung für die vereinbarten persönlichen Dienstleistungen des [X.] entsprechend § 115 Abs. 3 Satz 1 [X.] der [X.] als einem von diesem vertretenen [X.] gewährt werde. Im Übrigen habe der Beklagte seine Behauptung, die Zahlungen seien ihm wirtschaftlich nicht zugeflossen, nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die am 18. Januar 2016 zugestellte Klage habe die Verjährung gehemmt. Kenntnis von den beiden Rechnungen hätten die Vorstands- oder [X.] der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgängerin erst im Frühjahr 2015 besessen.

Il. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin ein durchsetzbarer Anspruch aus § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] analog gegen den Beklagten auf Rückzahlung von 61.399,23 € nebst [X.] zusteht.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend den Anwendungsbereich des § 114 Abs. 1 [X.] auf den Vertrag einer Aktiengesellschaft mit einer juristischen Person erstreckt, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist.

a) [X.] darf gemäß § 114 Abs. 1 [X.] grundsätzlich keine Honorare an ein Aufsichtsratsmitglied zahlen, bevor der zugrundeliegende Beratungsvertrag vom Aufsichtsrat genehmigt worden ist. Der Regelungszweck des § 114 [X.] ist im Zusammenhang mit demjenigen des § 113 [X.] zu sehen. Nach § 113 [X.] hat die Hauptversammlung über die Höhe der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder zu entscheiden, soweit das nicht bereits in der Satzung geschehen ist. Der Zweck des § 114 [X.] besteht zum einen darin, Umgehungen des § 113 [X.] zu verhindern, indem es dem Aufsichtsrat ermöglicht wird, den vom Vorstand geschlossenen Beratungsvertrag präventiv darauf zu überprüfen, ob er tatsächlich in Übereinstimmung mit dem gesetzlichen Gebot des § 113 [X.] nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit zum Gegenstand hat. Der dadurch bewirkte Zwang, den Beratungsvertrag offenzulegen und dem Aufsichtsrat zur Zustimmung zu unterbreiten, soll diesem zugleich die Möglichkeit eröffnen, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der Aktiengesellschaft an einzelne Aufsichtsratsmitglieder - etwa in Form überhöhter Vergütungen - und damit eine denkbare unsachliche, der Erfüllung seiner Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des [X.] durch den Vorstand zu verhindern ([X.], Urteil vom 4. Juli 1994 - [X.], [X.]Z 126, 340, 346 ff.; Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 9; Urteil vom 20. November 2006 - [X.], [X.]Z 170, 60 Rn. 9; Urteil vom 10. Juli 2012 - [X.], [X.]Z 194, 14 Rn. 12 f. - [X.]).

Diese Kontrolle ist auch dann geboten, wenn der Beratungsvertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich, sondern mit einer [X.] geschlossen wird, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer das Aufsichtsratsmitglied ist ([X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 10) oder an der das Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, und ihm dadurch mittelbare Zuwendungen zufließen, bei denen es sich nicht nur um - abstrakt betrachtet - ganz geringfügige Leistungen handelt oder die im Vergleich zu der von der Hauptversammlung festgesetzten Aufsichtsratsvergütung einen vernachlässigenswerten Umfang haben ([X.], Urteil vom 20. November 2006 - [X.], [X.]Z 170, 60 Rn. 8; Urteil vom 2. April 2007 - [X.], [X.], 1056 Rn. 11; Urteil vom 10. Juli 2012 - [X.], [X.]Z 194, 14 Rn. 14 - [X.]).

b) Den Angriffen der Revision stand hält die Auffassung des Berufungsgerichts, das Zustimmungserfordernis des § 114 Abs. 1 [X.] analog auf die Vereinbarung der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der [X.] anzuwenden, welche den vom Beklagten erbrachten Beratungsleistungen zugrunde lag.

aa) Ob ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer [X.], deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist, in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 [X.] fällt, ist umstritten.

(1) Im Schrifttum wird teilweise die Position des [X.] als gesetzlicher Vertreter der vertragsschließenden [X.] für die Anwendung der §§ 113, 114 [X.] als nicht ausreichend erachtet ([X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 5. Aufl., § 114 Rn. 60; [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl., § 114 Rn. 18; [X.]/[X.], AG 1976, 266, 267). Einer erweiternden Anwendung des § 114 [X.] stehe entgegen, dass allein wegen der gesetzlichen Vertretung noch keine Abhängigkeit von dem Aufsichtsratsmitglied angenommen werden könne. Gegen eine entsprechende Anwendung des § 115 Abs. 3 [X.] spreche, dass der Gesetzgeber angesichts der unmittelbaren Aufeinanderfolge der §§ 114, 115 [X.] eine übereinstimmende Regelung ohne Weiteres hätte vorsehen können, stattdessen den § 115 [X.] aber eng an die Vorschrift des § 89 [X.] angelehnt und bewusst mehr formalisiert habe ([X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 5. Aufl., § 114 Rn. 60).

(2) Nach anderer, auch vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht gilt das Zustimmungserfordernis der §§ 113, 114 [X.] analog § 115 Abs. 3 [X.] auch für Verträge mit juristischen Personen, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist (KG, AG 1997, 42, 44 f.; [X.], [X.], 1296, 1297 f.; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 114 Rn. 14; KK-[X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 114 Rn. 18; BeckOGK [X.]/[X.], Stand: 1. Februar 2021, § 114 Rn. 10; [X.]/Hambloch-Gesinn/Gesinn, [X.], 3. Aufl., § 114 Rn. 11; [X.]/[X.], [X.] Handbuch der AG, 3. Aufl., § 7 Rn. 264; [X.], Festschrift [X.], 1974, [X.], 286 f.; [X.], Festschrift [X.], 2008, S. 1171, 1180 f.).

bb) Der [X.] schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Die §§ 113, 114 [X.] erfassen auch den Fall, dass die Aktiengesellschaft den Vertrag mit einer [X.] schließt, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist.

(1) Der Normzweck der §§ 113, 114 [X.], nämlich die Aktiengesellschaft vor verdeckten Aufsichtsratvergütungen und der Gefährdung der Unabhängigkeit des [X.] durch zu enge Beraterbeziehungen zu schützen ([X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 9; Urteil vom 20. November 2006 - [X.], [X.]Z 170, 60 Rn. 9 f.; Urteil vom 10. Juli 2012 - [X.], [X.]Z 194, 14 Rn. 13 - [X.]), erfasst auch diesen Fall.

Die unvoreingenommene und unabhängige Überwachung der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat kann auch dann beeinträchtigt sein, wenn das Aufsichtsratsmitglied als gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners auf der anderen Seite eines [X.] steht. Unabhängig von der Beteiligung des gesetzlichen Vertreters an seiner [X.] und/oder der Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung trifft ihn der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg seiner [X.] in seiner beruflichen Stellung ([X.], [X.], 1296, 1297 f.; [X.], Festschrift [X.], 2008, S. 1171, 1180 f.).

Darüber hinaus führen besondere Beraterbeziehungen zwischen dem Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern auch außerhalb der Gewährung rechtswidriger [X.] zu engen Beziehungen und Verflechtungen zwischen den an ihnen beteiligten Personen, die Einfluss auf die Ausübung der Überwachungstätigkeit haben können. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es geboten, dass das Bestehen derartiger Verträge gegenüber dem Aufsichtsrat offengelegt und ihre Wirksamkeit von seiner Zustimmung abhängig gemacht wird ([X.], Urteil vom 4. Juli 1994 - [X.], [X.]Z 126, 340, 347 f.).

Der Einwand der Revision, nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Beklagten habe dieser bei der [X.] nur ein erfolgsunabhängiges bzw. [X.] Festgehalt bezogen, welches völlig unabhängig von den Honorareinnahmen der [X.] für seine [X.] gewesen sei, geht deshalb ins Leere. Das erfolgsunabhängige Festgehalt des Beklagten musste durch die von ihm vertretene [X.], der die Honorare für die vom Beklagten erbrachten Beratungsleistungen als Vertragspartnerin der Klägerin zugeflossen sind, auch erwirtschaftet werden.

(2) § 115 [X.] entfaltet gegenüber einer solchen erweiternden Auslegung des § 114 [X.] keine Sperrwirkung, wie der [X.] bereits ausgesprochen hat ([X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 11; Urteil vom 20. November 2006 - [X.], [X.]Z 170, 60 Rn. 7).

Anders als § 115 [X.], der den Zustimmungsvorbehalt für Kreditgewährungen an Aufsichtsratsmitglieder ausdrücklich auf eine Reihe von Umgehungssachverhalten ausdehnt (vgl. auch § 89 [X.]), enthält § 114 [X.] zwar keine entsprechende Regelung. Da ein Sachgrund hierfür nicht ersichtlich ist, ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, offenbare Umgehungen der §§ 113, 114 [X.] in deren Anwendungsbereich einzubeziehen. Entscheidend ist allein, dass anderenfalls Umgehungen der genannten Vorschriften durch Einschaltung einer [X.], deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist, Tür und [X.] geöffnet wäre und ein bewusstes Absehen des Gesetzgebers von einem Umgehungsschutz regelmäßig nicht angenommen werden kann ([X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 11).

Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich deshalb aus § 115 [X.] nicht entnehmen, dass es für die von dem Berufungsgericht befürwortete analoge Anwendung des § 114 [X.] auf den vorliegenden Fall an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Es ist nicht auszuschließen, dass das Aufsichtsratsmitglied, insbesondere wenn es - wie hier der Beklagte - aufgrund seiner Stellung als Vorsitzender des Aufsichtsrats besonderen Einfluss ausüben kann, bei dem Vertragsschluss (allein) die Interessen der von ihm vertretenen [X.] im Blick hat und sich auf der anderen Vertragsseite bei seiner Aktiengesellschaft auch dann für den Vertragsschluss einsetzt, wenn dieser für sie nachteilig ist. Bereits der Verdacht, dass das Aufsichtsratsmitglied seine Position als gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners ausnutzen kann, um [X.] für diesen zu akquirieren, erfordert, den Anwendungsbereich des § 114 [X.] auch auf diese Fallkonstellation zu erstrecken. Solche Vertragsgestaltungen werden damit auch nicht ausgeschlossen, sondern sie unterliegen lediglich der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats, § 114 Abs. 1 [X.].

(3) Durch eine solche erweiternde Auslegung des § 114 Abs. 1 [X.] werden auch [X.] erfasst und verhindert, mit denen der Zweck der §§ 113, 114 [X.] vereitelt werden soll. Anderenfalls würde § 114 [X.] auch insoweit leerlaufen, da allein schon um der [X.] zu entgehen, solche Verträge im Aufsichtsrat zu erörtern, auf Verträge mit [X.]en ausgewichen werden könnte ([X.], Festschrift [X.], 1974, [X.], 287).

Ein solches Umgehungsgeschäft liegt hier vor. Hätte der Beklagte die den beiden Rechnungen zugrundeliegende Vereinbarung mit der [X.](neu) geschlossen, wäre diese gemäß §§ 113, 114 [X.] unwirksam gewesen. Ob es sich bei der gewählten vertraglichen Konstellation um eine bewusste Umgehung handelt, ist unerheblich. Der Schutzzweck der §§ 113, 114 [X.] erfordert keinen Vorsatz oder gar Absicht der Beteiligten, sondern will allein den dargestellten objektiven Gefahren entgegenwirken und eine objektive Umgehung der Normen verhindern (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 10).

c) Da der Beklagte weder eine Zustimmung des [X.] noch der Hauptversammlung behauptet hat, kann dahinstehen und bedarf keiner weiteren Feststellungen, ob die den Honoraren zugrundeliegende Vereinbarung nach § 114 [X.] genehmigungsfähig oder eine nach § 113 [X.] unzulässige Vergütungsvereinbarung war.

d) Ebenso bedarf es entgegen der Revision keiner weiteren Feststellung zu der Höhe der Aufsichtsratsvergütung des Beklagten bei der [X.](neu). Der entsprechend anzuwendende § 115 [X.] sieht für die von ihm geregelten Umgehungssachverhalte gerade keine Geringfügigkeitsgrenze vor. Nach Sinn und Zweck der §§ 113, 114 [X.] kommt es bei einem gesetzlichen Vertreter des Vertragspartners der Aktiengesellschaft, welcher ein erfolgsunabhängiges bzw. [X.] Festgehalt bezieht, auch nicht auf das Verhältnis der Aufsichtsratsvergütung zu dem genehmigungspflichtigen Beraterhonorar des von ihm vertretenen Vertragspartners, dem das Honorar allein zufließt, an.

e) Der von der Revision nicht mehr aufgegriffene Einwand des Beklagten, wonach er für die [X.] (neu) lediglich bis zur ersten Hauptversammlung vom 11. Mai 2009 wirksam bestellt worden sei, geht ins Leere, da er tatsächlich bis zu seiner Abberufung am 10. März 2011 das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden ausgeübt hat. § 114 Abs. 2 [X.] findet auch auf Aufsichtsratsmitglieder Anwendung, deren Bestellung fehlerhaft erfolgt ist ([X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 14).

Erfasst werden von § 114 [X.] auch Verträge mit dem Aufsichtsratsmitglied, die vor Beginn seiner Amtstätigkeit geschlossen wurden ([X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 19; Urteil vom 2. April 2007 - [X.], [X.], 1056 Rn. 18), weshalb dahinstehen kann, wann die den Rechnungen zugrundeliegende Vereinbarung zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der [X.] geschlossen worden ist.

f) [X.] ist nach dem Wortlaut des § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] das Aufsichtsratsmitglied und somit der Beklagte. Soll ein Aufsichtsratsmitglied die §§ 113, 114 [X.] durch eine Gestaltung der vorliegenden Art nicht umgehen können, so müssen die Rechtsfolgen einer etwaigen Unzulässigkeit des [X.] unter Einschluss derjenigen des Fehlens einer Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 114 Abs. 1 [X.], insbesondere die aktienrechtliche Rückgewährverpflichtung des [X.] gemäß § 114 Abs. 2 [X.], auch gegenüber dem Aufsichtsratsmitglied eingreifen, der als gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners der Aktiengesellschaft gehandelt hat (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 12).

2. Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass der [X.] der Klägerin gegen den Beklagten aus § 114 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht verjährt ist, da die am 18. Januar 2016 zugestellte Klage die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt hat. Auf den [X.] ist die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB anzuwenden ([X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 21).

a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der jetzige Geschäftsführer erst nach seinem Eintritt in die Leitung der Klägerin im [X.] 2014 im Zuge seiner Einarbeitung in die Akten des Unternehmens auf die Rechnungen vom 27. Mai 2009 und vom 18. Juli 2010 gestoßen ist und diese ihm bis Frühjahr 2015 nicht bekannt gewesen sind. Die gegen diese Feststellung gerichtete Verfahrensrüge der Revision ist unzulässig. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO, nicht jedoch mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO behoben werden ([X.], Urteil vom 11. September 2018 - [X.], [X.], 2024 Rn. 30 mwN). Ein auf die Berichtigung des Tatbestands gerichtetes Verfahren hat der Beklagte nicht durchgeführt.

Der Tatbestand geht selbst bei einem Widerspruch zwischen den tatbestandlichen Feststellungen und dem in Bezug genommenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze vor. Ein etwaiger Widerspruch zwischen den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ("Kenntnis Frühjahr 2015") und dem Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 22. November 2016 ("Kenntnis [X.] 2015") kann demnach nicht mehr mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO geltend gemacht werden, sondern hätte ebenfalls mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO beseitigt werden müssen ([X.], Urteil vom 28. Mai 2013 - [X.], [X.], 1372 Rn. 18). Zudem hat sowohl bei Kenntnis im Frühjahr 2015 als auch bei Kenntnis im [X.] 2015 die Verjährungsfrist erst mit Ende des Jahres 2015 zu laufen begonnen.

b) Entgegen der Revision lag auch keine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin bzw. ihrer [X.] i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.

[X.]e Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. [X.] fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat ([X.], Urteil vom 15. März 2016 - [X.], [X.], 1107 Rn. 34 mwN). Den Gläubiger trifft generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falls als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers - bzw. des organschaftlichen Vertreters - bejahen zu können ([X.], Urteil vom 15. März 2016 - [X.], [X.], 1107 Rn. 34 mwN; Urteil vom 19. November 2019 - [X.], juris Rn. 28). Eine unterlassene Aufklärung über anspruchsbegründende Umstände kann nur dann als grob fahrlässig zu qualifizieren sein, wenn der Gläubiger auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursachen, nicht ausnutzt ([X.], Urteil vom 8. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 152 Rn. 28; Urteil vom 13. Januar 2013 - [X.], [X.]Z 204, 30 Rn. 29).

Für den neuen Vorstand der [X.]  (neu) bestand nach diesen Maßstäben entgegen der Ansicht der Revision unmittelbar nach der Abberufung des Beklagten vom Amt des [X.] kein konkreter Anlass, die Rechnungen der [X.] vom 27. Mai 2009 und vom 18. Juli 2010 auf ihre Rechtmäßigkeit und ihren Rechtsgrund hin zu untersuchen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, den sich der Beklagte zu eigen gemacht hat, wonach die Zahlungen an den Beklagten in die Kategorie "Kumpanei" fielen, und dass das alleinvertretungsberechtigte, involvierte Vorstandsmitglied [X.]       das Unternehmen wie eine Familiengesellschaft bzw. die [X.] -Gruppe wie einen "Kiosk" geführt habe, zumal sich diese Umstände für die Klägerin auch erst im Rahmen ihrer Kenntniserlangung von den Rechnungen der [X.] durch ihren jetzigen Geschäftsführer im Zuge seiner Einarbeitung in die Akten des Unternehmens ergeben haben können. Auch aus dem von Klägerin zu den Akten gereichten Protokoll der Vernehmung des Beklagten als Zeuge in einem Schiedsverfahren im Jahr 2011, wonach er wegen offener Rechnungen für von ihm für die [X.](alt) erbrachten Beratungsleistungen nach dem Tod von [X.]     , "dann da hinmarschiert" sei, und sich mit dem Vorstandsmitglied "S.     verabredet habe", ergibt sich weder, dass für den neuen Vorstand der [X.] (neu) bereits im Jahr 2011 ein konkreter Anlass bestand, die Rechnungen der [X.] an die [X.] (neu) auf ihren Rechtsgrund zu untersuchen noch, dass ein Vorstandsmitglied der [X.] (neu) von dem fehlenden Rechtsgrund der hier gegenständlichen Zahlungen für Beratungsleistungen der [X.] für die [X.](neu) Kenntnis haben musste.

Soweit die Revision auf den Vortrag des Beklagten verweist, wonach dieser unter Beweis der Vorstände [X.]     und [X.]        gestellt habe, dass er im Aufsichtsrat und bei verschiedenen [X.]erversammlungen über seine Tätigkeit berichtet habe, ergibt sich aus diesem allgemeinen gehaltenen Vorbringen nichts Konkretes bezüglich der den beiden gegenständlichen Rechnungen der [X.] zugrundeliegenden Beratungsleistungen. Der Schluss der Revision, mit diesem Vortrag des Beklagten "konnte nur die zusätzliche, nicht aus der organschaftlichen Stellung geschuldete (Beratungs-)Tätigkeit gemeint sein", findet keine Grundlage in diesem Vortrag. Schuldner der Beratungsleistung war - auch nach dem Vortrag des Beklagten - die [X.] und nicht er.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Bernau

      

von Selle     

      

[X.]     

      

Meta

II ZR 75/20

29.06.2021

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 4. März 2020, Az: I-8 U 32/19, Urteil

§ 113 AktG, § 114 AktG, § 115 Abs 3 AktG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2021, Az. II ZR 75/20 (REWIS RS 2021, 4541)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 1145-1146 REWIS RS 2021, 4541


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. II ZR 75/20

Bundesgerichtshof, II ZR 75/20, 29.06.2021.


Az. 8 U 32/19

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 32/19, 04.03.2020.


Az. XII ZR 6/21

Bundesgerichtshof, XII ZR 6/21, 29.06.2022.


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