Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2010, Az. B 4 AS 68/09 R

4. Senat | REWIS RS 2010, 8232

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Gegenstand

(Absenkung des Arbeitslosengeld II - Arbeitgeberkündigung wegen arbeitsvertragswidrigen Verhaltens während des Leistungsbezuges nach SGB 2 - Anwendung des § 31 Abs 1 SGB 2 oder § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2)


Leitsatz

Eine Arbeitgeberkündigung kann bei entsprechender Anwendung der Sperrzeitregelung auch während des laufenden Alg II-Bezugs zu einer Absenkung der Leistung führen, wenn der Betroffene - insbesondere wegen der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung - in einem Sozialversicherungsverhältnis zur BA als SGB 3-Träger stand.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des dem Kläger für die [X.] vom 1.6. bis [X.] zustehenden Arbeitslosengeldes II ([X.]).

2

Der 1953 geborene Kläger bezog bis zum [X.] [X.]) nach dem [X.] Seit dem 23.1.2006 erhält er [X.], welches die Beklagte vom 1.8.2006 bis 31.1.2007 in Höhe von 692,20 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro; Kosten der Unterkunft in Höhe von 347,20 Euro monatlich) bewilligte (Bescheid vom 3.8.2006).

3

Am 19.12.2006 erfuhr die Beklagte, dass der Kläger seit dem 1.12.2006 bei der Firma [X.] als Thekenkraft in Vollzeit arbeitete. Er wurde zum 23.1.2007 fristlos gekündigt. Für Dezember 2006 zahlte der Arbeitgeber dem Kläger im selben [X.]onat einen Betrag in Höhe von 1 400 Euro. Als Entlohnung für Januar 2007 erhielt er am 12.3.2007 einen Betrag in Höhe von 636,68 Euro. Zu den Gründen der Kündigung führte die Arbeitgeberin gegenüber der Beklagten aus, der Kläger habe die Gäste unfreundlich behandelt, die Arbeit nach einer Erkrankung nicht mehr aufgenommen und eine AU-Bescheinigung erst nach zweiwöchiger Fehlzeit vorgelegt. Die Beklagte senkte das [X.] daraufhin für die [X.] vom 1.6. bis [X.] monatlich um [X.] der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des ihm "zustehenden Gesamtauszahlungsbetrags", ab. Hieraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104 Euro monatlich. Die "ursprüngliche Bewilligungsentscheidung" werde für den [X.]raum der dreimonatigen Absenkung der Leistungen gemäß § 48 Abs 1 SGB X aufgehoben (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). [X.]it weiterem Bescheid vom [X.] bewilligte die Beklagte dem Kläger gleichzeitig entsprechend abgesenkte [X.] vom 1.6. bis [X.] in Höhe von 587,30 Euro monatlich. Nach Eingang einer Lohnabrechnung für den [X.]onat [X.]ai 2007 bewilligte sie ihm unter Aufhebung der "in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen" für den [X.]onat Juli 2007 [X.] in Höhe von 541,90 Euro (Bescheid vom 19.6.2007). Im weiteren Verlauf hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die [X.] vom 1.6. bis [X.] wegen anzurechnenden Nebeneinkommens in Höhe von 48 Euro teilweise auf und forderte die Erstattung dieses Betrags (Bescheid vom [X.]). Für den [X.]raum vom [X.] bis [X.] bewilligte sie dem Kläger [X.] in Höhe von 541,90 Euro (Bescheid vom [X.]).

4

Das [X.] hat entsprechend dem Klageantrag den Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufgehoben. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, weil die Beklagte das [X.] zu Unrecht abgesenkt habe. [X.]angels Rechtsfolgenbelehrung vor der Weigerung der Aufnahme bzw Fortführung einer zumutbaren Arbeit seien die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst c [X.] nicht erfüllt. Es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen einer Sperrzeit nach § 31 Abs 4 [X.] b [X.]I gegeben seien. Jedenfalls sei diese Vorschrift nicht für [X.]räume anwendbar, in denen ein Sperrzeittatbestand während des Bezugs von [X.] verwirklicht werde (Urteil vom 16.10.2008). Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sei nur der Sanktionsbescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.]. Nachdem die Beklagte zu Protokoll erklärt habe, dass sie dem Kläger für den Fall, dass der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] durch formell rechtskräftige Entscheidung aufgehoben sei, den gekürzten [X.] gewähren werde, sei eine zusätzliche Leistungs- und Anfechtungsklage bezüglich der [X.] nicht erforderlich. Im Übrigen habe der Kläger den Streitgegenstand insoweit wirksam beschränkt, als er die Verfügungen über Unterkunfts- und Heizkosten für den gesamten [X.]raum in diesem Verfahren nicht angefochten habe, sondern "nur" nicht um den [X.] gekürzte Regelleistungen begehre. Gegen eine gleichzeitige Anwendbarkeit des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst c [X.] und des § 31 Abs 4 [X.] b [X.] spreche, dass die Beklagte immer dann auf die Sperrzeitenregelung des § 31 Abs 4 [X.] b [X.] zurückgreifen könne, wenn die in Abs 1 genannten Voraussetzungen, zB mangels Rechtsfolgenbelehrung, nicht vorlägen. Dies könne - wie hier - der Fall sein, wenn eine Absenkung nach Absatz 1 an einer fehlenden Rechtsfolgenbelehrung, die § 31 Abs 4 [X.] b [X.] nicht vorsehe, scheitere. Stehe ein Bedürftiger zum [X.]punkt der Aufnahme einer Tätigkeit und während der Obliegenheitsverletzung im Leistungsbezug nach dem [X.], sei dem Leistungsträger die Vornahme einer ordnungsgemäßen Belehrung iS des § 31 Abs 1 [X.] möglich und zumutbar. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es sich um Leistungen handele, die das Existenzminimum beträfen (Urteil vom 16.9.2009).

5

[X.]it ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 31 Abs 4 [X.] b [X.]. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine neben § 31 Abs 1 [X.] anwendbare Rechtsvorschrift. Ein Rückgriff auf § 144 Abs 1 [X.]I, der die Sanktionierung bei Verlust des Beschäftigungsverhältnisses durch arbeitsvertragswidriges Verhalten regele, sei daher möglich.

6

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der Urteile des [X.] vom 16. September 2009 und des [X.] vom 16. Oktober 2008 die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G). Ob die Beklagte das [X.] in der [X.] vom 1.6. bis [X.] in zutreffender Höhe geleistet hat, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden. Zwar liegen die Voraussetzungen für eine Absenkung des [X.] nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst c [X.]B II nicht vor. Jedoch fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 [X.]G) des [X.] dazu, ob der [X.]läger im Sinne der weiteren Ermächtigungsgrundlage für eine Absenkung nach § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II iVm § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist diese Sperrzeitregelung des [X.] hier heranzuziehen.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem die Beklagte das [X.] des [X.] für den [X.]raum vom 1.6. bis [X.] um [X.] der Regelleistung abgesenkt hat. Der am gleichen Tag erlassene Bewilligungsbescheid vom [X.] ist ebenfalls Gegenstand des Verfahrens, weil er mit dem Absenkungsbescheid vom [X.] eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheids zur Höhe des [X.] in dem von der Absenkung betroffenen [X.]raum darstellt (vgl B[X.], Urteil vom [X.] - B 11a/11 [X.] 81/04 R - [X.], 8 ff = [X.] 4-4300 § 140 [X.], jeweils RdNr 6; B[X.], Urteil vom 18.8.2005 - [X.] [X.] 4/05 R - [X.] 4-1500 § 95 [X.] RdNr 5; B[X.], Urteil vom 5.8.1999 - B 7 [X.] 14/99 R, [X.], 225, 227 = [X.] 3-4100 § 119 [X.]7 S 78). Die [X.] der beiden am [X.] erlassenen Bescheide korrespondieren miteinander. Auch der Widerspruchsbescheid vom [X.] stellt einen Bezug zur Bewilligung des [X.] her. Der [X.]läger hat sich mit seiner [X.]lage gegen diese auch die Höhe der [X.] bewilligenden Bescheide vom [X.] idF des Widerspruchsbescheides vom [X.] gewandt, deren Inhalt zugleich Ausgangspunkt für die Bestimmung des Streitgegenstandes ("das von dem [X.]läger Gewollte") ist.

Das [X.] hat das Begehren des [X.] insofern zu Unrecht einschränkend dahingehend ausgelegt (§ 123 [X.]G), dass er eine gerichtliche Entscheidung lediglich hinsichtlich der Absenkungsentscheidung, nicht jedoch auch hinsichtlich des im streitigen [X.]raum zu zahlenden [X.] begehrt. Der unvertretene [X.]läger hat weder schriftsätzlich noch in anderer Weise den Streitgegenstand beschränkt. Schon mangels Anwesenheit des [X.] in den Terminen beim [X.] und [X.] hat auch keine Erörterung der [X.]onsequenzen einer Beschränkung des Streitgegenstandes stattfinden können (vgl zu diesem Erfordernis: B[X.], Urteil vom 18.8.2005 - [X.]/7 [X.] 4/05 R - [X.] 4-1500 § 95 [X.] RdNr 8). Im wiedereröffneten Berufungsverfahren ist über das Begehren des [X.] daher im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1 und 4 [X.]G iVm § 56 [X.]G) zu entscheiden. Dabei wird das [X.] auch die weiteren Bewilligungsbescheide vom [X.] und [X.] berücksichtigen müssen, welche die Höhe des [X.] in dem hier streitigen [X.]raum vom 1.6 bis [X.] regeln und nach § 96 [X.]G zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

2.a) Die Vorinstanzen haben zu Recht die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst c [X.]B II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] ([X.] 1706) nicht als erfüllt angesehen. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst c [X.]B II wird das [X.] unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn er sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Es fehlt hier schon an einer Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst c [X.]B II.

Unabhängig hiervon fällt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Arbeitgeberkündigung nicht unter den Begriff des "Fortführens" einer Arbeit durch den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne dieses [X.]es ([X.] in Gagel, [X.]B II/[X.], § 31 [X.]B II RdNr 57, Stand Dezember 2006; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B II, 2. Aufl 2007, § 31 RdNr 78; [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.]B II, 3. Aufl 2009, § 31 Rd[X.]9). Eine Weigerung, eine Arbeit fortzuführen, liegt nur vor, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige selbst kündigt, einen Aufhebungsvertrag schließt oder die abhängige oder selbständige Tätigkeit einfach aufgibt. Dass der Gesetzgeber zwischen einer (aktiven) Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Hilfebedürftigen und dessen Beendigung durch den Arbeitgeber wegen des Verhaltens des Hilfebedürftigen unterscheidet, ergibt sich auch aus dem weiteren Absenkungstatbestand des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II, der bei Teilnahme an einer Eingliederungsmaßnahme eine Absenkung des [X.] ausdrücklich auch dann vorsieht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige "Anlass für den Abbruch" gegeben hat. Auch im Sperrzeitenrecht des [X.] (§ 144 Abs 1 Satz 2 [X.]) hat der Gesetzgeber für die Fallgestaltungen der Arbeitsaufgabe gesondert den Sachverhalt aufgenommen, dass der Arbeitslose "durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat" (vgl auch B[X.], Urteil vom 19.3.1986 - 7 [X.] - B[X.]E 60, 50, 52 = [X.] 4100 § 119 [X.] sowie B[X.], Urteil vom 16.9.1999 - B 7 [X.] 32/98 R - [X.], 270, 273 = [X.] 3-4100 § 119 [X.]9 S 95).

b) Die hier vorliegende Arbeitgeberkündigung kann aber nach § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II einen [X.]ürzungstatbestand begründen, weil diese Regelung auf die vorliegende [X.]onstellation anwendbar ist. Nach § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die in dem [X.] genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf [X.] begründen. Damit ist Bezug genommen ua auf § 144 Abs 1 Satz 2 [X.], demzufolge eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe eintritt, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Im Unterschied zu § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst c [X.]B II erfordert § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II für den Eintritt der Sperrzeit keine vorherige Rechtsfolgenbelehrung.

c) Das Verhältnis von § 31 Abs 1 [X.]B II und § 31 Abs 4 [X.] [X.]B II ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht so zu verstehen, dass § 31 Abs 4 [X.] [X.]B II im Sinne einer speziellen Gesamtregelung nur für pflichtwidrige Handlungen Anwendung finden kann, die zeitlich vor einer Antragstellung oder dem Beginn des Leistungsbezugs nach dem [X.]B II liegen. Zwar hat sich der Gesetzgeber in vielen Fallgestaltungen der Absätze 1, 2 und 4 des [X.]B II bei der Ausdifferenzierung der [X.] bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe konkret auf die für [X.]B-II-Bezieher im [X.] neu geschaffenen Obliegenheiten bezogen. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist bei den in § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II in Bezug genommenen Sperrzeitregelungen des § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] bis 7 [X.] grundsätzlich unabhängig von einem Leistungsbezug nach dem [X.]B II im Einzelfall zu prüfen, ob die Pflichtverletzung von dem [X.] erfasst wird. Die Heranziehung des § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II setzt allerdings im Sinne von einschränkenden Anwendungsvoraussetzungen voraus, dass das von dem Hilfebedürftigen abverlangte Verhalten nicht bereits von § 31 Abs 1 [X.]B II erfasst ist und das sperrzeitrelevante Ereignis zum einem [X.]punkt eintritt, in dem eine Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des [X.] vorliegt (B[X.], Urteil vom 17.12.2009 - [X.] AS 20/09 R - Rd[X.]4, zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen).

4. Diese Anwendungsvoraussetzungen des § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II ergeben sich nicht bereits aus dem Wortlaut der Norm, sondern aus der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung, insbesondere der bis zum 31.12.2004 geltenden Vorgängervorschrift des § 25 Abs 2 [X.] b Bundessozialhilfegesetz ([X.]), zuletzt idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.] 2848). In der Begründung des Gesetzes zur Umsetzung des [X.] ([X.]) vom [X.] ([X.] 944), auf das diese Regelung wesentlich zurückgeht (vgl hierzu im Einzelnen B[X.], Urteil vom 17.12.2009 - [X.] AS 20/09 R - Rd[X.]0, zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen) wird hierzu ausgeführt, dass § 25 Abs 2 [X.] [X.] nunmehr Hilfeempfänger erfassen sollte, bei denen das Arbeitsamt den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Arbeitsförderungsgesetz ([X.]) festgestellt hat und der Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] ruht oder erloschen ist. Ihnen gleichgestellt wurden diejenigen Hilfeempfänger, die ihre Arbeit aufgegeben und keinen Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] hatten (BT-Drucks 12/4401 S 81).

Vor diesem Hintergrund will § 31 Abs 4 [X.] a [X.]B II - wie zuvor § 25 Abs 2 [X.] a [X.] - sicherstellen, dass der Ruhens- oder Erlöschenstatbestand wegen einer im Geltungsbereich des [X.] eingetretenen Sperrzeit nicht folgenlos bleibt, wenn zwischenzeitlich ein Anspruch auf [X.] dem Grunde nach entstanden ist ([X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 31 Rd[X.]28, Stand Juli 2007). Ergänzend hierzu ordnet § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II die entsprechende Geltung des § 144 [X.] für Personen an, die einen Anspruch auf [X.] noch nicht erworben haben, aber die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllen. Die übereinstimmende Rechtfertigung für die Einbeziehung beider Personengruppen liegt darin, dass sie aufgrund der zurückgelegten Versicherungszeiten zur Arbeitslosenversicherung in einem Sozialversicherungsverhältnis zur [X.] ([X.]) als [X.]-Trägerin stehen, die sich ihrerseits typisierend gegen den Risikofall der Arbeitslosigkeit zur Wehr setzt, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er nicht in der gebotenen Weise mitwirkt (vgl hierzu im Einzelnen B[X.], Urteil vom 17.12.2009 - [X.] AS 20/09 R - Rd[X.]4 f mwN). Es werden daher diejenigen Beschäftigen erfasst, die in einem für die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf [X.] nach § 123 [X.] zu berücksichtigenden Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigte gegen Arbeitsentgelt nach § 25 Abs 1 [X.] stehen und nicht als Personen in einer geringfügigen Beschäftigung versicherungsfrei sind (§ 27 Abs 2 [X.] iVm § 8 Abs 1 [X.]B IV). Besteht lediglich eine versicherungsfreie Beschäftigung, fehlt es an einem durch Beitragszahlung bzw den Aufbau einer Anwartschaft auf [X.] vermittelten Sozialversicherungsverhältnis zur [X.] und damit an einer Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des [X.] (vgl auch zur teleologischen Reduktion der Sperrzeitenregelung des § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] auf versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], § 144 Rd[X.]08a, Stand November 2009; [X.] in N[X.]-[X.], 3. Aufl 2008, § 144 Rd[X.]6; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 144 Rd[X.]1, Stand März 2007).

5. Wie bereits oben dargelegt, wird die hier vorliegende Arbeitgeberkündigung nicht vom [X.] des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst c [X.] erfasst. Auch der erforderliche Bezug des [X.] zum Rechtskreis des [X.] ist gegeben, weil die von ihm ab 1.12.2006 aufgenommene Vollzeittätigkeit eine Versicherungspflicht als Beschäftigter begründete und es sich auch nicht um eine geringfügige Beschäftigung handelte. Eine solche liegt nach § 8 Abs 1 [X.]B IV vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigt ([X.]) oder die Beschäftigung innerhalb eines [X.]alenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 Euro im Monat übersteigt ([X.]). Ob in einer bestimmten Beschäftigung Versicherungspflicht oder wegen Entgelt- oder [X.]geringfügigkeit Versicherungsfreiheit besteht, ist bei Aufnahme der Beschäftigung vorausschauend zu beurteilen ([X.] in: jurisP[X.]-[X.]B IV, 1. Aufl 2006, § 8 RdNr 41, 49). Vorliegend konnte bei prognostischer Betrachtung der von dem [X.]läger am 1.12.2006 aufgenommenen Vollzeitbeschäftigung als Thekenkraft und des dabei zu erzielenden Verdienstes weder von einer entgeltgeringfügigen noch eine zeitgeringfügige Beschäftigung angenommen werden. Dabei ist es für die Anwendbarkeit des § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II in dem vorgenannten eingeschränkten Sinn unerheblich, ob die von dem [X.]läger aufgenommene versicherungspflichtige Beschäftigung zum vollständigen Wegfall der Hilfebedürftigkeit nach dem [X.]B II geführt hat oder ein geringes Entgelt aus einer Beschäftigung mit [X.]B-II-Leistungen aufgestockt werden muss.

6. Von seinem Rechtsstandpunkt ausgehend hat das [X.] keine Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Sanktion nach § 31 Abs 4 [X.] b [X.]B II iVm § 144 Abs 1 Satz 2 [X.] getroffen. Neben der Frage, ob ein arbeitsvertragswidriges Verhalten vorliegt, wird es ua zu prüfen haben, ob ein solches Verhalten dem [X.]läger subjektiv vorwerfbar ist und die auf ein arbeitsvertragswidriges Verhalten zurückzuführende Lösung des Beschäftigungsverhältnisses für ihn vorhersehbar war. Dies kann regelmäßig nur bei vorheriger Abmahnung bejaht werden (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 144 Rd[X.]51, Stand September 2006 mwN). Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 68/09 R

22.03.2010

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 16. Oktober 2008, Az: S 3 AS 4356/07, Urteil

§ 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 vom 20.07.2006, § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 vom 20.07.2006, § 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 vom 22.12.2005

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2010, Az. B 4 AS 68/09 R (REWIS RS 2010, 8232)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8232

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