Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.10.2017, Az. 1 B 144/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 3518

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gründe

1

D[X.] [X.]eschwerde ist unzulässig, weil s[X.] nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2

1. Der Kläger hat eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dargelegt.

3

1.1 Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn s[X.] eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, d[X.] im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. D[X.]se Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich d[X.] aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn s[X.] bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn s[X.] einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

4

Für d[X.] Zulassung der Revision reicht, anders als für d[X.] Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine [X.] grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. D[X.] Klärungsbedürftigkeit muss v[X.]lmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht d[X.] richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzgerichte für eine V[X.]lzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des [X.] festgehalten und für das [X.]undesverwaltungsgericht keine [X.]efugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher [X.]edeutung in "[X.]", w[X.] s[X.] etwa das [X.] Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ([X.]VerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - [X.]VerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings d[X.] [X.]erufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/[X.] auseinanderzusetzen.

5

Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 [X.]vR 31/14 - [X.] 2017, 75). Das [X.]undesverfassungsgericht hat in d[X.]sem [X.]eschluss nicht entsch[X.]den, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/[X.] auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen [X.]eurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts vorl[X.]gt, welche eine Rechtsmittelzulassung geb[X.]tet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das [X.]undesverfassungsgericht hat v[X.]lmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis untersch[X.]dlichen Entscheidungen des [X.] für das [X.] einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg andererseits eine untersch[X.]dliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass d[X.] [X.]ehörden des Heimatstaates von einer solchen [X.]etätigung ausgingen. Für [X.] - und damit auch für Untersch[X.]de bei der tatsächlichen [X.]ewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der [X.]indung des [X.] an d[X.] tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das [X.]undesverwaltungsgericht ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für d[X.] Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass d[X.] im Ergebnis abweichende [X.]ewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und d[X.]se Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

6

Im Ergebnis untersch[X.]dliche [X.]ewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein - h[X.]r nicht geltend gemachter - Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn d[X.] [X.]eweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen d[X.] Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 25. Juni 2004 - 1 [X.] 249.03 - [X.]uchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 und vom 23. September 2011 - 1 [X.] 19.11 - juris, jeweils m.w.N.). Ein Verfahrensmangel bei der [X.]eweiswürdigung l[X.]gt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der mater[X.]llrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz fre[X.]r [X.]eweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat.

7

1.2 Nach d[X.]sen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt. Aus den oben erläuterten Untersch[X.]den zwischen [X.]erufung und Revision ergibt sich, dass d[X.] Revision entgegen der Auffassung des [X.] nicht zur Klärung der mit der [X.]eschwerde aufgeworfenen Frage zur [X.]ewertung der Verfolgungslage in [X.] zuzulassen ist. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zeigt der Kläger insbesondere nicht mit der von als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten ([X.] auf,

"ob einer Flucht aus [X.] auf Grund der Wehrd[X.]nstentz[X.]hung eine klärungsbedürftige grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage folgt".

8

Weder mit der so formul[X.]rten Frage noch mit dem Hinweis darauf, dass d[X.]se Frage insoweit zu bejahen sei, "als sich (...) aus der [X.] d[X.] grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage stellt, ob der [X.]ewertung der [X.] ein Verfahrensfehler innewohnt", was h[X.]r zu bejahen sei, weil d[X.] Rechtsvorschriften des § 108 VwGO sow[X.] des Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden se[X.]n, und den daran anknüpfenden Ausführungen, mit denen der Kläger d[X.] Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung des [X.]erufungsgerichts angreift, legt d[X.] [X.]eschwerde eine klärungsfähige Rechtsfrage dar (s.a. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. April 2017 - 1 [X.] 70.17 - NVwZ-RR 2017, 598), und zwar weder zum mater[X.]llen Asylrecht noch zu den bezeichneten Verfahrensvorschriften.

9

2. D[X.] geltend gemachte Rüge eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.

2.1 Das Vorbringen, es läge ein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, weil

"(d)[X.] zwar mit reichlich Rechtsprechung untermauerte Argumentation, keinem rückkehrenden Flüchtling aus [X.] (drohe) wegen Wehrd[X.]nstentz[X.]hung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung , (...) objektiv willkürlich (ist), da s[X.] nicht überprüft ist, da bislang kein aus d[X.]sem Grunde Geflüchteter nach [X.] zurückgekehrt ist",

genügt auch insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO, als über mehrere Seiten ein [X.]eitrag auf der Plattform "Verfassungsblog.de/wer-ist-Flüchtling" zit[X.]rt wird, und daraus ein Verstoß gegen d[X.] Rechtspflicht zur "tagesaktuellen" Erfassung der entscheidungsrelevanten Tatsachengrundlage im Hinblick auf d[X.] rechtliche [X.]ewertung geltend gemacht und darauf hingew[X.]sen wird, dass sich das [X.]erufungsgericht ausschl[X.]ßlich Einschätzungen aus dem [X.] bed[X.]ne und aktuelle und diametral anderslautende Einschätzungen nicht einbez[X.]he. Denn auch in dem zit[X.]rten [X.]eitrag werden keine "tagesaktuellen" Erkenntnisquellen zur tatsächlichen Lage in [X.] und den dort zurückkehrenden Wehrpflichtigen drohenden Maßnahmen herangezogen; v[X.]lmehr wird eine der [X.]ewertung des [X.]erufungsgerichts entgegenstehende Einschätzung unter Kritik an einem Wechsel der Entscheidungspraxis durch das [X.]undesamt für Migration und Flüchtlinge geltend gemacht. Unabhängig davon scheidet insoweit eine Verletzung des Anspruchs des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) schon deswegen aus, weil der Kläger den in der [X.]eschwerdeschrift zit[X.]rten [X.]eitrag nicht in das Verfahren eingeführt hat. Soweit der Kläger d[X.] Nichtberücksichtigung von Auskünften rügt, nach denen Personen, d[X.] sich Einberufung oder Mobilis[X.]rung entz[X.]hen, längere Haft und Folter drohen, ist nicht dargelegt, dass d[X.]s für d[X.] Entscheidung des [X.]erufungsgerichts entscheidungserheblich war, ob dem Kläger nicht nur subsidiärer Schutz, sondern Flüchtlingsschutz zu gewähren ist.

2.2 D[X.] Rüge, das [X.]erufungsgericht sei seiner [X.]egründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Verfolgungsgefahr [X.] Staatsangehöriger wegen Wehrd[X.]nstentz[X.]hung nicht in der gebotenen Weise nachgekommen, weil es sich nicht mit entgegenstehender Rechtsprechung auseinandergesetzt habe, vernachlässigt, dass d[X.] gebotene Auseinandersetzung mit der abweichenden Würdigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen im Asylrechtsstreit durch andere Oberverwaltungsgerichte grundsätzlich Teil der dem mater[X.]llen Recht zuzuordnenden Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung ist, sodass eine fehlende Auseinandersetzung in aller Regel nicht als Verfahrensmangel gerügt werden kann (s. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 25. Juli 2017 - 1 [X.] 71.17 - juris). Es ist h[X.]r nicht dargelegt (und ergibt sich auch sonst nicht aus der Gerichtsakte), dass sich der Kläger einzelne tatrichterliche Feststellungen eines [X.] als Parteivortrag zu Eigen gemacht und es sich dabei um ein zentrales und entscheidungserhebliches Vorbringen gehandelt hat (ebd.; s.a. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 14. Mai 2007 - 1 [X.] 108.06 - juris).

3. D[X.] Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG l[X.]gen nicht vor.

Meta

1 B 144/17

23.10.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 8. August 2017, Az: 1 A 11637/16, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.10.2017, Az. 1 B 144/17 (REWIS RS 2017, 3518)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3518

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 BvR 31/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.