Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.07.2012, Az. X ZR 126/09

10. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4323

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsverfahren betreffend eine Arzneimittelzubereitung: Naheliegen der Kombination zweier Wirkstoffe durch den Stand der Technik - Leflunomid


Leitsatz

Leflunomid

Eine die Kombination zweier Wirkstoffe (hier: Leflunomid und Teriflunomid) umfassende Arzneimittelzubereitung ist durch den Stand der Technik nahegelegt, wenn der Fachmann, der vor dem Prioritätstag nach einer durch den Stand der Technik nahegelegten Verfahrensanweisung ein Monopräparat (hier: mit dem Wirkstoff Leflunomid) hergestellt hätte, ein Erzeugnis erhalten hätte, das während einer verkehrsüblichen Lagerungszeit durch eine chemische Reaktion in die Kombination der beiden Wirkstoffe umgewandelt worden wäre.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. August 2009 verkündete Urteil des 3. Senats ([X.]) des [X.] abgeändert.

Das [X.] Patent 896 537 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 7. März 1997 angemeldeten [X.] Patents 896 537 (Streitpatents), das die Priorität einer [X.] Patentanmeldung vom 20. März 1996 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent betrifft ein Kombinationspräparat enthaltend 5Methylisoxazol-4carbonsäure-(4trifluormethyl)-anilid (Verbindung oder Komponente 1, im Folgenden auch: [X.]) und N(4Trifluormethylphenyl)-2cyan-3hydroxycrotonsäureamid (Verbindung oder Komponente 2, im Folgenden auch: [X.]). Es umfasst in der erteilten Fassung elf Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache lautet:

"1. Feste Zubereitung, enthaltend

die Komponente 1 5Methylisoxazol-4carbonsäure-(4trifluormethyl)-anilid,

die Komponente 2, die Verbindung der [X.]

Abbildung

und/oder eine stereoisomere Form der Verbindung der [X.] und/oder ein physiologisch verträgliches Salz der Verbindung der [X.], und

3) einen pharmazeutisch verträglichen Träger,

dadurch gekennzeichnet, dass der Gehalt der Komponente 1 von 2 bis 20 mg beträgt und der Gehalt der Komponente 2 von 0,3% bis 50% der Komponente 1 beträgt.

2

Wegen der Ansprüche 4 bis 11 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

3

Die Klägerin hat mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig; er sei nicht neu, ergebe sich für den Fachmann aber jedenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und das Streitpatent hilfsweise beschränkt verteidigt.

4

Durch das angefochtene Urteil hat das Patentgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

5

Die Beklagte verteidigt das Streitpatent nur noch in der Fassung von acht [X.]. Danach sollen mit Patentanspruch 1 die Verwendung einer festen Zubereitung aus den Komponenten 1 und 2 und einem pharmazeutisch verträglichen Träger nach Maßgabe der erteilten Fassung, jedoch mit einem Gehalt der Komponente 2 ([X.]) von 0,3% bis 10% der Komponente 1 ([X.]) zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis geschützt werden, der Gehalt der Komponente 2 in den [X.] 2 bis 5 zwischen 0,5% bis 10%, 0,8% bis 10%, 1% bis 10% und 1% bis 5% variieren und mit den [X.] 6 bis 8 zusätzlich bestimmte Darreichungsformen dieser Zubereitungen erfasst werden.

6

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.       M.   , [X.], Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der [X.]    , ein schriftliches Sachverständigengutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten und ein ergänzendes Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.         S.    , [X.], für sie erstellt hat.

Entscheidungsgründe

7

Soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt, ist es ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2006 - [X.], [X.]Z 170, 215 - [X.]). In den Grenzen der beschränkten Fassungen führt die zulässige und begründete Berufung der Klägerin ebenfalls zu seiner Nichtigerklärung.

8

I. Das Streitpatent betrifft eine feste Arzneimittelzubereitung, die [X.] in bestimmten Mengen und prozentual darauf bezogene Anteile an [X.] enthält. Der Streitpatentschrift zufolge war aus der [X.] Patentanmeldung 13 376 ([X.]) bekannt, dass [X.] antirheumatisch, antiphlogistisch, antipyretisch und analgetisch wirksam ist und gegen Multiple Sklerose eingesetzt werden kann. In der [X.] Patentanmeldung 217 206 ([X.]) werde beschrieben, dass [X.] immunmodulierende Eigenschaft habe und sich zur Behandlung von chronischer Graft-versus-Host-Krankheit und Autoimmunerkrankungen, insbesondere systemischem Lupus erythematodes, eigne und diesbezügliche pharmazeutische Präparate je nach Anwendungsform in unterschiedlichen Dosen verabreicht würden.

9

Ein konkretes zu lösendes Problem wird in der Beschreibung des Streitpatents nicht ausdrücklich formuliert. Nach der Rechtsprechung des [X.] bestimmt sich das von einer Schutzrechtslehre gelöste Problem danach, was die Erfindung objektiv leistet, was wiederum durch Auslegung der Patentansprüche, gegebenenfalls unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen, zu ermitteln ist ([X.], Urteil vom 4. Februar 2010 - [X.], [X.], 602 Rn. 27 mwN - Gelenkanordnung).

Patentanspruch 1 des Streitpatents stellt in der zuletzt verteidigten Fassung (im Folgenden nur: Patentanspruch 1) die Verwendung einer festen Zubereitung unter Schutz, enthaltend

1. die Komponente 1 ([X.]),

1.1 mit einem Gehalt von 2 bis 20 mg,

2. die Komponente 2 ([X.]), die Verbindung der [X.]

Abbildung

und/oder eine stereoisomere Form der Verbindung der [X.] und/oder ein physiologisch verträgliches Salz der Verbindung dieser Formel,

2.1 mit einem Gehalt von 0,3% bis 10% der Komponente 1,

3. einen pharmazeutisch verträglichen Träger,

4. zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis.

Unter Berücksichtigung seiner Beschränkung ergibt sich als das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem, ein zur Behandlung von rheumatoider Arthritis verwendbares Arzneimittel mit besserem Wirkungsgrad zur Verfügung zu stellen.

[X.]. Das Patentgericht die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung bejaht und dies im Wesentlichen wie folgt begründet.

Dieser Gegenstand sei neu. Soweit [X.] zur Behandlung von chronischer Graft-versus-Host-Krankheit sowie von bestimmen Autoimmunkrankheiten auch die Verwendung von [X.] und [X.] in Kombination vorschlage, werde stets nur eine für alle Formulierungen gleichermaßen geltende Gesamtdosis angegeben, nicht aber, in welchem anteiligen Mengenverhältnis die beiden Stoffe im Falle ihrer Kombination vorzusehen seien, um die angestrebte Wirkung zu erzielen.

Die Neuheit der vorgeschlagenen Kombination könne auch nicht deshalb verneint werden, weil der Anteil des letzteren Stoffs im Verhältnis zum ersteren nur in einer extrem großen Bandbreite (330:1 bis 2:1) beziffert werde. Denn über die [X.] werde nicht nur der mögliche Gehalt von [X.] an der gesamten Zubereitung definiert, sondern auch der Bereich für das Mischungsverhältnis selbst angegeben, wobei der Gehalt an [X.] als der Bezugsgröße selbst nicht uferlos weit, sondern auf den Bereich zwischen 2 und 20 mg eingegrenzt sei. Da [X.] keine Angaben zum Mischungsverhältnis enthalte, werde die Lehre von Patentanspruch 1 des Streitpatents insoweit nicht vorweggenommen.

Soweit die Klägerin sich dafür, dass bei der Synthese oder Lagerung von [X.] stets ein in die Bandbreite von Patentanspruch 1 fallender Anteil von [X.] entstehe, auf die [X.] ([X.]) eines in [X.] enthaltenen Vorschlags zur Synthese von [X.] stütze, sei dort mit 153,6° C ein anderer Schmelzpunkt ausgewiesen als in [X.] (166,5° C). Außerdem sei der [X.] ein Grobprodukt mit nicht unbeträchtlichen Verunreinigungen gewesen, das der Fachmann für die Arzneimittelherstellung nicht in Betracht ziehe. Dass [X.] auch in einem zur Arzneimittelherstellung geeigneten, aufgereinigten Rohprodukt gemäß [X.] mit einem Schmelzpunkt von 166,5° C in den erforderlichen Mengen nachweisbar sei, werde durch diesen [X.] nicht belegt.

Auch die weiteren in das Verfahren eingeführten Schriften belegten nicht, dass [X.] zwangsläufig und stetig in einer von Patentanspruch 1 beanspruchten Größenordnung in [X.]-Formulierungen enthalten sei.

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei dem Fachmann nicht durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen. [X.] gebe keine konkreten Hinweise darauf, wie beide Stoffe kombiniert werden könnten. Es habe auch keine fachliche Veranlassung bestanden, [X.] und [X.] in Kombination zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe aufzugreifen und eine pharmazeutische Zusammensetzung auf Basis dieser Komponenten für den Bereich der immunsuppressiven Therapie mit verbesserter Wirkung bei geringerer Dosis bereitzustellen. Aus fachmännischer Sicht sei vielmehr davon auszugehen gewesen, dass jede dieser beiden Verbindungen an sich zur Behandlung der für sie genannten immunologischen Erkrankungen geeignet sei. Es sei auch bekannt gewesen, dass in festen Formulierungen verabreichtes [X.] im Dünndarm fast vollständig zu [X.] metabolisiert werde, dieser Stoff letztlich die pharmakologische Wirkung von [X.] ausmache und das aktive Prinzip darstelle, weshalb auch stets die gleiche biologische Wirkung zu erwarten gewesen sei, unabhängig davon, ob der Wirkstoff als [X.] oder als dessen Metabolit in festen Verbindungen verabreicht werde. Das gelte umso mehr, als die beiden Stoffe nach [X.] zwar kombiniert angewendet werden könnten, dort für alle Anwendungsformen aber immer die gleich hohe Dosis empfohlen werde. Bei dieser Sachlage seien aus fachmännischer Sicht aus der Kombination von [X.] und [X.] keine Vorteile in Gestalt einer verringerten Dosis und damit einhergehenden reduzierten Nebenwirkungen zu erwarten gewesen und noch weniger, dass die Einstellung der in Patentanspruch 1 angegebenen Mengenverhältnisse zu einer Wirkungsverbesserung führen würde. Der bei der dokumentierten Tierversuchsreihe an der Abnahme des [X.] ablesbare synergistische Effekt sei für den Fachmann in keiner Weise vorhersehbar gewesen. Sei die Kombination zweier Wirkstoffe als solche nicht nahegelegt, könnten synergistische Effekte die erfinderische Tätigkeit begründen, wenn sie für den Fachmann, wie hier, unerwartet und überraschend seien.

[X.]I. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis nicht stand. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Patentgericht die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung zu Recht bejaht hat. Auch in seiner zuletzt verteidigten Fassung erweist sich dieser Anspruch jedenfalls als nicht rechtsbeständig, weil sein Gegenstand dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. 138 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 56 EPÜ; Art. [X.] § 6 Nr. 1 IntPatÜG); für die [X.] gilt Entsprechendes.

1. Als Fachmann ist nach den zutreffenden und von den Parteien nicht beanstandeten Ausführungen des Patentgerichts ein promovierter Chemiker oder Pharmazeut mit mehrjähriger Industriepraxis und speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Arzneimittelentwicklung anzusehen, der mit einem in der Forschung tätigen Mediziner mit Erfahrung auf dem Gebiet der Immunologie in einem Team zusammenarbeitet.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist als diesem Fachmann durch den Stand der Technik am [X.] nahegelegt zu bewerten.

a) [X.] metabolisiert nicht nur, wie in der 1987 veröffentlichten [X.] erwähnt, im basisch geprägten Milieu des menschlichen Dünndarms zu [X.], sondern dieselbe Umwandlung vollzieht sich, sofern keine - am [X.] des Streitpatents nicht bekannten - Gegenmaßnahmen ergriffen werden, auch bei bloßer Lagerung des Stoffes. Dieser Prozess ist, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat und was von den Parteien nicht in Frage gestellt wird, in der chemischen Struktur der Gruppe der [X.] begründet, zu der [X.] gehört und derzufolge dessen heterozyklischer Teil durch Ringöffnung zu einem entsprechenden Teil zu [X.] reagiert. Solche Ringöffnungen durch Basen sind, wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, in der Fachliteratur seit über 100 Jahren beschrieben und auch das erfolgreiche Unterfangen der Beklagten, der Klägerin den Vertrieb eines [X.]präparates gerichtlich zu untersagen, beruht auf dieser Erkenntnis ([X.], Urteil vom 14. April 2011 - 4b [X.], Anlage E 2).

b) Im Verlaufe dieses [X.] erreicht der Anteil, zu dem sich [X.] zu [X.] umbildet, eine Größenordnung, die in die mit Patentanspruch 1 beanspruchte Spanne fällt.

aa) In der [X.] Patentanmeldung 797 895 (NiK5) wird erläutert, dass die Herstellung von festen, [X.] enthaltenden Arzneistoffzubereitungen beispielsweise in Tablettenform während der Lagerung zur Bildung von 6% bis 9% [X.] führt. Nach einem von zwei in der Schrift dokumentierten Beispielen wiesen [X.]zubereitungen, die im Wesentlichen wasserfrei hergestellt worden waren, nach sechs Monaten Lagerung bei 40°C mit einer Luftfeuchtigkeit von 75% einen [X.]gehalt in Höhe von 1,5%, bezogen auf den Gehalt an [X.], auf. Eine ähnliche, aber zunächst in Wasser gelöste Zubereitung (zweites Beispiel) wies nach gleich langer Lagerung unter identischen Bedingungen einen Gehalt von 8,3% [X.] auf.

Diese Angaben können bei der Entscheidung des Streitfalls unbeschadet des Umstands berücksichtigt werden, dass der für die Anmeldung maßgebliche [X.] von NiK5 eine Woche nach dem für das Streitpatent in Anspruch genommenen liegt. Mit Art. 54 EPÜ unvereinbar wäre allerdings, die Neuheit der Lehre des Streitpatents an der später veröffentlichten, prioritätsjüngeren Schrift zu messen. Das geschieht aber nicht, wenn lediglich die in jener Patentanmeldung mitgeteilten Messergebnisse zur prozentualen Umwandlung von [X.] zu [X.] verwertet werden. Diese Daten spiegeln lediglich die dem Wirkstoff [X.] immanente und, wie ausgeführt, in seiner chemischen Struktur begründete Eigenschaft wider, sich ohne Weiteres zu [X.] umzuwandeln. Dieser Prozess vollzog sich vor dem [X.] des Streitpatents nicht anders als danach, und auch wenn ein Beleg für konkrete Werte erst nach dem [X.] des Streitpatents, in NiK5, veröffentlicht wurde, sieht der Senat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass diese Werte bei früherer [X.] entsprechend ausgefallen wären. Das gilt umso mehr, als die in NiK5 beschriebenen Versuche infolge der Lagerzeit von sechs Monaten ohnehin geraume Zeit vor dem [X.] des Streitpatents angelegt waren.

bb) Eine weitere Bestätigung ergibt sich aus den von der Beklagten im Verfahren vor dem [X.] vorgelegten [X.]. Sie hat sich dort auf Stabilitätsprüfungen ihres eigenen Präparats [X.] berufen, bei denen drei verschiedene Chargen von [X.] über einen Zeitraum von 36 Monaten unter üblichen Laborbedingungen und gemäß etablierten Standardverfahren getestet wurden. Hierbei ergab sich, dass die [X.]tabletten unter Bedingungen der Klimazonen I und [X.] nach 12 Monaten einen [X.]gehalt von 0,3%, nach 18 Monaten einen [X.]gehalt von 0,4 - 0,5% und nach 36 Monaten einen [X.]gehalt von 0,8 - 1,1% aufwiesen. Unter Bedingungen der Klimazonen [X.]I und [X.] betrugen die Gehalte nach 12 Monaten 0,5 – 0,8, nach 18 Monaten 0,9 – 1,2 und nach 36 Monaten 1,7 - 2,1%. Sämtliche Werte lagen mithin in dem in Merkmal 2.1 angegebenen Gehaltsbereich.

c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann hiernach nahegelegt, ohne dass es darauf ankäme, ob der Fachmann, was das Patentgericht verneint hat, Anlass hatte oder ob es eine Anregung dafür gab, zu einer [X.] enthaltenden Arzneimittelzubereitung [X.] nach den Vorgaben von Patentanspruch 1 zuzugeben.

aa) Der am [X.]e mit der patentgemäßen Aufgabenstellung befasste Fachmann hätte mit einer solchen Maßnahme nichts anderes erreicht als dasjenige, was sich infolge der chemischen Struktur von [X.] von selbst einstellte. Der Fachmann wäre mithin schon dann zu einer erfindungsgemäßen Zusammensetzung gelangt, wenn er vor dem [X.] ein [X.]präparat, wie es im druckschriftlichen Stand der Technik vorbeschrieben war, in der Weise formuliert hätte, wie es die Beklagte bei ihrem Erzeugnis [X.]und ihr folgend die Klägerin bei ihrem vor dem [X.] als das Streitpatent verletzend angegriffenen Erzeugnis getan hat. Zwar kann nicht festgestellt werden, dass die konkrete Formulierung im Stand der Technik bekannt war. Wie jedoch in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten S.     im Einzelnen ausgeführt wird und die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen bestätigt hat, enthält die Formulierung einschließlich der als Füllstoffe verwendeten Laktose und Maisstärke, des Bindemittels Povidon (Poly(1-vinyl-2-pyrrolidon), des Sprengmittels Crospovidon sowie der als Fließregulierungs- und Schmiermittel verwendeten Komponenten Siliziumdioxid und Magnesiumstearat nichts, was am [X.] nicht zu den üblichen und gängigen Maßnahmen der [X.] gehört hätte, und die Beklagte macht hierfür substanziiert auch nichts geltend.

bb) [X.] der erfindungsgemäßen Zubereitung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich aus dem naheliegenden Vorgehen des Fachmanns bei der Bereitstellung einer [X.]monotablette eine Zusammensetzung aus [X.] und [X.] erst nach einer Lagerung des [X.]erzeugnisses über eine gewisse Zeitspanne und damit sozusagen erst mit Verzögerung eingestellt hätte. Jedenfalls nach Anlauf dieser Zeitspanne hätte sich ein erfindungsgemäßes Kombinationspräparat ergeben, denn Patentanspruch 1 definiert keinen Zeitpunkt, namentlich nicht den der Herstellung der Zubereitung, zu dem beide Wirkstoffe in dem geforderten mengenmäßigen Verhältnis zueinander vorliegen müssten, sondern schützt die Kombination als solche ungeachtet des Zeitpunkts, zu dem und der Art und Weise, wie sie entstanden ist. Dies gilt auch nach dem Übergang zu einem Verwendungsanspruch, denn die Verwendungsangabe fügt nur die Indikation für die Gabe des Kombinationspräparats hinzu, ändert aber nichts an den Anforderungen an Beschaffenheit und Entstehung des arzneilichen Mittels.

cc) Unerheblich ist auch, dass es für den Fachmann nicht nahegelegen haben mag, ein [X.]präparat mit der Intention zu formulieren, nach einer üblichen und zulässigen Lagerungsdauer eine Kombination von [X.] mit dem Metaboliten [X.] zur Verfügung zu haben. Denn ebenso wie die Neuheit eines Gegenstands zu verneinen ist, der sich bei Befolgung eines bekannten Verfahrens zwangsläufig einstellt (Benkard/Melullis, EPÜ, 2. Aufl., Art. 54 Rn. 134; vgl. auch [X.], Beschluss vom 17. Januar 1980 - [X.], [X.]Z 76, 97 - [X.] - sowie [X.] vom 8. Mai 2012, 11-1376 in [X.]), ist ein Gegenstand als nahegelegt anzusehen, den der Fachmann - und sei es mit gewisser Verzögerung - zwangsläufig erhält, wenn er ein durch den Stand der Technik nahegelegtes Verfahren anwendet. Denn ein derartiger Gegenstand, mag ihn zur Verfügung zu stellen auch als solches nicht nahegelegt gewesen sein, ist das Ergebnis naheliegenden fachmännischen Handels und kann mithin hervorgebracht werden, ohne dass es hierzu eines erfinderischen Bemühens bedürfte.

Die Patentfähigkeit der erfindungsgemäßen Lehre mit Blick auf die Vermeidung zeitlicher Verzögerungen im Aufbau eines bestimmten Anteils an [X.] zu bejahen, würde im Übrigen zu dem nicht zu befürwortenden Ergebnis führen, dass sich die Befolgung von im Stand der Technik bekannten oder durch ihn nahegelegten Anweisungen zur Herstellung von [X.] nur infolge eines üblichen Lagerungsprozesses von einer gewissen Dauer als Verletzung des Streitpatents darstellen und mithin die Freiheit des [X.] zur Nutzung des Standes der Technik ungerechtfertigt beschränken würde.

d) Zur Patentfähigkeit verhilft dem Gegenstand von Patentanspruch 1 auch nicht der beanspruchte Verwendungszweck zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Bereits die [X.] beschreibt, wie auch die Streitpatentschrift ausführt, [X.] als eine antirheumatisch und antiphlogistisch (entzündungshemmend) wirkende Verbindung. Damit bestand für den Fachmann ein hinreichender Anlass, eine Verwendung auch bei einer entzündlichen Erkrankung der Gelenke in Erwägung zu ziehen.

e) Ferner war es auch nahegelegt, hierzu der festen Zubereitung einen [X.]gehalt von 2 bis 20 mg zu geben (Merkmal 1.1). Eine Aussage über die Tagesdosis ist hiermit nicht verbunden. Auch die Beschreibung des Streitpatents (Tz. 16) weist darauf hin, dass die anzuwendende Dosierung von einer Vielzahl von Faktoren abhänge, und bemerkt im Übrigen, dass die Dosierungen im Allgemeinen mehrfach pro Tag und vorzugsweise ein- bis dreimal täglich verabreicht würden. Die erfindungsgemäße Lehre entspricht oder überschneidet sich jedenfalls insoweit mit den Angaben in der [X.], [X.] in Form von Tabletten oder Kapseln in einer Dosis von 10 bis 200 mg zur Verfügung zu stellen (S. 10 Z. 23-25) und bei einem Erwachsenen eine Tagesdosis von 50 bis 200 mg bei oraler und von 10 bis 30 mg bei [X.] Verabreichung vorzusehen.

3. Die zuletzt verteidigten [X.] 2 bis 5 sind nicht anders zu beurteilen. Sie unterscheiden sich von Patentanspruch 1 lediglich dadurch, dass abweichende prozentuale Anteilsspannen von [X.] beansprucht werden, die aber alle Werte einschließen, die bei einer Lagerung von [X.] auftreten können. Schließlich ist auch für eine abweichende Beurteilung des Gegenstands der [X.] 6 bis 8 weder etwas ersichtlich noch geltend gemacht.

[X.]. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 [X.] i. V. mit § 91 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck          

        

          Gröning

        

Die Richter [X.], Mühlens
und [X.] können wegen Urlaubs
nicht unterschreiben.

        
        

Meier-Beck

        

Meta

X ZR 126/09

24.07.2012

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 4. August 2009, Az: 3 Ni 52/07 (EU)

Art 56 EuPatÜbk, § 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.07.2012, Az. X ZR 126/09 (REWIS RS 2012, 4323)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4323

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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