Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2000, Az. AnwZ (B) 17/98

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2000, 3145

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[X.] ([X.]) 17/98vom14. Februar 2000in dem Verfahrenwegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft- 2 -Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch denPräsidenten des [X.]undesgerichtshofs [X.], [X.] [X.], [X.] und die Richterin [X.], den Rechtsanwalt Prof. [X.], [X.] Dr. [X.] und den Rechtsanwalt Dr. [X.] 14. Februar 2000 nach mündlicher Verhandlung beschlossen:beschlossen:Auf die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers werdender [X.]eschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes desLandes [X.] vom 19. September 1997und die Verfügung des Präsidenten des [X.] vom 14. April 1997 aufgehoben.Gerichtliche Gebühren und Auslagen werden nicht erho-ben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird [X.] DM festgesetzt.[X.] 3 -I. Der am 12. November 1930 geborene Antragsteller ist seit [X.] zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgerichtund dem [X.] zugelassen.Mit Verfügung vom 29. November 1995 hat der Präsident [X.], der frühere Antragsgegner, dem Antragstellergemäß §§ 8a, 15 [X.]RAO aufgegeben, ein Gutachten über seinen Ge-sundheitszustand vorzulegen, weil erhebliche Anhaltspunkte dafür [X.], daß ein Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 [X.]RAOin [X.]etracht komme. Nachdem sein Antrag auf gerichtliche Entscheidunggegen diese Verfügung ohne Erfolg geblieben ist, hat der [X.] ärztliches Gutachten des mit der Verfügung vom 29. November 1995zum Gutachter bestimmten Arztes für Neurologie und Psychiatrie [X.]vom 8. November 1996 vorgelegt. Das Gutachten gelangt zu dem [X.], daß der Antragsteller wegen krankhafter Persönlichkeitsstörungennicht in der Lage sei, den [X.]eruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäßauszuüben. Mit Verfügung vom 14. April 1997 hat der frühere Antrags-gegner daraufhin die Zulassung des Antragstellers zur [X.] gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 [X.]RAO widerrufen. Den dagegen gerich-teten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshofzurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige [X.]eschwerde [X.].[X.] Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 [X.]RAO);es hat auch in der Sache Erfolg.- 4 -1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 [X.]RAO ist die Zulassung zur Rechtsan-waltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt infolge eines körperli-chen Gebrechens, wegen Schwäche seiner geistigen Kräfte oder wegeneiner Sucht nicht nur vorübergehend unfähig ist, den [X.]eruf einesRechtsanwalts ordnungsmäßig auszuüben, es sei denn, daß sein Ver-bleiben in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet. [X.] setzt dabei - ebenso wie § 7 Nr. 7 [X.]RAO - nicht voraus, daßder Rechtsanwalt geisteskrank oder [X.] im Sinne des [X.] § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.]G[X.], geistig oder seelisch behindert im Sinne des§ 1896 Abs. 1 [X.]G[X.] oder schuldunfähig im Sinne des § 20 StG[X.] ist. [X.] ist vielmehr, ob die körperlichen oder geistigen Mängel sol-cher Art und so erheblich sind, daß er deswegen zur ordnungsmäßigen[X.]erufsausübung - also insbesondere zur sachgemäßen und sorgfältigenWahrnehmung der Interessen der Rechtsuchenden - dauernd außer-stande ist (vgl. Senatsbeschluß vom 30. Oktober 1995 - [X.] ([X.])15/95 - [X.]RAK-Mitt. 1996, 74; vgl. [X.], Festschrift für [X.] S. 930).Soweit nicht der Vermutungstatbestand des § 15 Satz 2 i.V. mit § 8a[X.]RAO eingreift, kommt ein Widerruf nur beim vollen Nachweis dieserVoraussetzungen in [X.]etracht (vgl. Senatsbeschluß vom 13. April 1992- [X.] ([X.]) 8/92 - [X.]RAK-Mitt. 1992, 217; vgl. Feuerich/[X.], [X.]RAO4. Aufl. § 14 Rdn. 29); im vorliegenden Falle fehlt es an diesem Nach-weis.2. a) Zwar ist mit der Widerrufsverfügung des früheren Antrags-gegners ein Verhalten des Antragstellers bei der [X.]erufsausübung aufge-zeigt worden, das - bereits seit 1975 - zu [X.], vor allem aber auchmehrfach zu anwaltsgerichtlichen Maßnahmen und strafrechtlichen Ver-- 5 -fahren wegen [X.]eleidigung geführt hat. Jenes Verhalten ist durchgängigdadurch gekennzeichnet, daß der Antragsteller in der [X.] mit Verwaltungs- oder Justizbehörden oder mit gerichtlichen Ent-scheidungen bei Geltendmachung seiner Auffassung den Rahmen sach-licher Kritik nicht gewahrt hat. Die Entscheidungs- oder Verfahrenskritik,die Auseinandersetzungen mit anderen Standpunkten äußerte sich viel-mehr - wie die in der Widerrufsverfügung angeführten Einzelfälle bele-gen - in überzogenen, unsachlichen und provozierenden verbalen Attak-ken, die zudem häufig geeignet waren, den von der Kritik [X.]etroffenen inseiner Ehre zu verletzen. Diesem Verhalten des Antragstellers kommt- gerade wegen seiner Häufigkeit und Auffälligkeit - zwar [X.]edeutung fürdie [X.]eurteilung der Frage zu, ob die Voraussetzungen des [X.] nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 [X.]RAO gegeben sind; allein damit ist [X.] aber nicht nachgewiesen. Denn § 14 Abs. 2 Nr. 3 [X.]RAOzielt nicht darauf, solche Rechtsanwälte aus der Rechtsanwaltschaftauszuschließen, die durch wiederholte Verletzung des [X.] (§ 43a Abs. 3 [X.]RAO) den Ablauf einer geordneten Rechtspflege er-schweren (vgl. [X.], aaO S. 931 ff.); dem muß mit berufsrechtlichenoder - soweit die Grenzen von Straftatbeständen überschritten sind - mitstrafrechtlichen Mitteln begegnet werden. Im Rahmen des § 14 Abs. 2Nr. 3 [X.]RAO ist vielmehr entscheidend, ob das aufgezeigte [X.] und Ausdruck eines so erheblichen geistigen Mangels ist, daß [X.] deswegen zur ordnungsmäßigen [X.]erufsausübung außer-stande ist. Das vermag der Senat mit der zur Überzeugungsbildung er-forderlichen Sicherheit nicht [X.] 6 -b) Zwar ist der vom früheren Antragsgegner bestimmte Sachver-ständige [X.] in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, der [X.] sei infolge geistiger Mängel zur ordnungsmäßigen [X.]erufsaus-übung nicht mehr in der Lage. Er hat im Antragsteller eine unflexible undin der Argumentation starre Persönlichkeit erkannt. Der Antragstellersetze sich nicht mit sich auseinander und projiziere die Schwierigkeiten,die er mit sich selbst habe, auf andere. Dabei verfalle er zunehmend ineine querulatorische und paranoid anmutende Verhaltensweise. Er [X.] sich als Opfer und fühle sich aufgefordert, sich gegen das ver-meintliche Unrecht zur Wehr setzen zu müssen. [X.]eim Antragsteller lägen- diagnostisch eingeordnet - hochgradige Persönlichkeitsauffälligkeitenmit Krankheitswert vor; er sei offensichtlich nicht in der Lage, Korrektu-ren in seinem Verhalten vorzunehmen.Demgegenüber ist der vom Senat mit der Erstellung eines weiterenGutachtens beauftragte Sachverständige Prof. Dr. F. zwar auch zu [X.] gelangt, daß beim Antragsteller Persönlichkeitsauffällig-keiten festzustellen seien. Diese erreichten jedoch nach [X.] und Aus-maß nicht das Gewicht einer Persönlichkeitsstörung. Auch wenn man ei-ne quantifizierende Einschätzung der Persönlichkeitsauffälligkeiten vor-nehme, lägen die Auffälligkeiten deutlich unterhalb der Schwelle, wie [X.] Probanden mit Persönlichkeitsstörungen aufgefunden würden. [X.]eieiner Interpretation des Verhaltens des Antragstellers müßten dessenintrovertierte, sensible Persönlichkeit, seine Hemmungen, seine Kon-taktschwäche berücksichtigt werden. Diese Persönlichkeit des Antrag-stellers, vor allem seine [X.] [X.]eziehungslosigkeit, stehe einem ad-äquaten Umgang mit beruflich erlebten Niederlagen im Wege. Das führe- 7 -dazu, daß sich der Antragsteller teilweise in Schriftsätzen oder mündli-chen Äußerungen im Ton vergreife, sozusagen als Katalysator, als [X.]. Dabei handele es sich aber gerade nicht um den [X.] geistigen Mangels, sondern um ein bewußtes und gezieltes [X.], um - wenn auch in inadäquater Form - einen als berechtigt emp-fundenen Standpunkt zu vertreten. Der Antragsteller handele also nichtzwanghaft; er sei - im Sinne der §§ 20, 21 StG[X.] - voll steuerungs- undeinsichtsfähig.c) [X.]eide Gutachter gehen mithin zwar davon aus, daß beim [X.] Persönlichkeitsauffälligkeiten festzustellen sind, sie differie-ren aber in der [X.]ewertung, ob diese bereits als - krankhafte - Persön-lichkeitsstörung einzuordnen sind. Für die im Rahmen des § 14 Abs. 2Nr. 3 [X.]RAO vorzunehmende [X.]eurteilung steht jedoch nicht im [X.], ob und wann bei einer Häufung auffälliger Persönlichkeitszügeaus psychiatrischer Sicht von einer Persönlichkeitsstörung ausgegangenwerden kann, entscheidend ist vielmehr, ob sich darin ein geistiger Man-gel ausdrückt, der die weitere ordnungsmäßige [X.]erufsausübung durchden Rechtsanwalt dauerhaft hindert. Dafür ist hier mit [X.]lick auf das mitder Widerrufsverfügung konkret aufgezeigte Verhalten des Antragstel-lers vor allem von [X.]edeutung, ob dieses als Ausfluß und Folge der vonbeiden Sachverständigen festgestellten Persönlichkeitsauffälligkeiten- also als ein deshalb zwanghaftes Verhaltensmuster, dem sich der [X.] nicht entziehen kann - gedeutet werden muß. Denn in diesemFalle wirkten die Persönlichkeitsauffälligkeiten unmittelbar in die berufli-che Tätigkeit des Antragstellers hinein und hinderten ihn daran, sie ord-nungsmäßig auszuüben. Daß dies der Fall ist, kann aber unter [X.]erück-- 8 -sichtigung der Gutachten beider Sachverständiger - an deren Sachkundeder Senat nicht zweifelt - nicht mit ausreichender Sicherheit festgestelltwerden. Wenngleich der Sachverständige [X.] auch in seiner Anhö-rung durch den Senat daran festgehalten hat, daß beim Antragsteller [X.] so gravierende Persönlichkeitsauffälligkeiten vorlägen, daß die-ser außerstande sei, den Anwaltsberuf ordnungsmäßig auszuüben, stehtdem die vom Sachverständigen Prof. Dr. F. in der Anhörung bestätigteEinschätzung entgegen, daß auch die Summe der feststellbaren [X.] nicht die Annahme rechtfertige, das Verhalten des Antragstel-lers stelle sich als Folge eines geistigen Mangels dar. Diese unter-schiedliche Würdigung der Sachverständigen macht deutlich, daß diebeim Antragsteller festgestellten Persönlichkeitsauffälligkeiten einemGrenzbereich zuzuordnen sind, der unterschiedliche [X.]ewertungen hin-sichtlich der Annahme eines - schon oder noch nicht - krankhaften [X.]s erfahren kann. Die daraus resultierende Unsicherheit in der [X.]e-urteilung, die auch durch Einholung eines weiteren Gutachtens nicht be-hoben werden kann, darf - insbesondere unter [X.]erücksichtigung [X.] des hier in Rede stehenden Eingriffs in das Grundrecht ausArt. 12 Abs. 1 GG - nicht zu Lasten des Antragstellers gehen. [X.] es bei dieser Sachlage an dem gesicherten Nachweis, daß in [X.] des Antragstellers die Voraussetzungen für einen Widerruf [X.] gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 [X.]RAO gegeben sind. Die angefoch-tene Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes und die Widerrufsverfü-gung des früheren Antragsgegners waren deshalb aufzuheben.[X.] [X.] Terno [X.] 9 - Salditt [X.] Wüllrich

Meta

AnwZ (B) 17/98

14.02.2000

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2000, Az. AnwZ (B) 17/98 (REWIS RS 2000, 3145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3145

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