Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2011, Az. IX ZR 161/09

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5030

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Gegenstand

Rechtsanwaltsvertrag: Mandatsende bei Beratung über eine Unternehmenssanierung; Warnpflichten


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Der Wert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

2

1. Ein Anwaltsvertrag kann durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Einen von der Rechtsprechung des [X.] abweichenden Rechtssatz, dass das Zustandekommen des Vertrages ausschließlich von der Sachkunde des Auftraggebers und der Bedeutung der Auskunft für den Empfänger abhängt, stellt das angefochtene Urteil nicht auf. Wenn bei der erforderlichen Gesamtwürdigung des Verhaltens der Vertragsparteien einzelne Umstände außer Betracht geblieben sein sollten oder eine abweichende Würdigung vorstellbar wäre, rechtfertigte dies nicht die Zulassung der Revision. Dem von der Nichtzulassungsbeschwerde als übergangen gerügten Gesichtspunkt der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von den Gläubigern und dem Schuldner (§ 56 Abs. 1 Satz 1 [X.]) konnte im vorliegenden Fall schon deshalb keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen, weil der Nebenintervenient nicht von Anfang an als zukünftiger Insolvenzverwalter zugezogen worden ist; dass Insolvenzantrag gestellt und der Nebenintervenient Insolvenzverwalter werden sollte, war vielmehr erst das Ergebnis der Besprechung am 30. Mai 2001. Vortrag dazu, dass der Klägerin die Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] bekannt war, weist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht nach.

3

2. Auf die Hilfsbegründung des [X.], die Klägerin sei jedenfalls in den Schutzbereich eines zwischen ihrem Ehemann und/oder der Schuldnerin und dem [X.] geschlossenen Vertrags einbezogen gewesen, kommt es nicht an, weil die [X.] - Vertragsschluss unmittelbar zwischen der Klägerin und dem [X.] - zulassungsrechtlich Bestand hat. Auch hier ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht einen von der Rechtsprechung des [X.] abweichenden Obersatz aufgestellt hätte.

4

3. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf dem Rechtssatz, ein Anwaltsvertrag ende, wenn der Anwalt eine Tätigkeit übernimmt, die zum bisherigen Mandat in Widerspruch steht. Ein Anwaltsvertrag endet (u.a.) mit der Erledigung des Auftrags (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juni 1996 - [X.], [X.], 1832, 1833). Die Beratung zu den Möglichkeiten, die das Insolvenzrecht für die Sanierung des Unternehmens der Schuldnerin bot, war mit dem Insolvenzantrag abgeschlossen. Dass der Nebenintervenient es übernommen hätte, die Klägerin auch während des Insolvenzverfahrens zu beraten, hat weder die Klägerin noch der Beklagte zu 2 behauptet.

5

4. [X.] hat den Mandanten vor Gefahren zu warnen, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung eines eingeschränkten Mandats aufdrängen, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich dieser Gefahr nicht bewusst ist. Eine solche Verpflichtung kommt vor allem dann in Betracht, wenn Ansprüche gegen Dritte zu verjähren drohen ([X.], Urteil vom 26. Juni 2008 - [X.], [X.], 1563 Rn. 15 mwN). Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte zu 2 die Stellungnahme des Rechtsanwalts K.     am 13. Januar 2004 erhalten hat. Er hatte damit weiterhin Grund zu der Annahme, dass der Klägerin die Gefahr der Verjährung des Anspruchs gegen den [X.] nicht bewusst war; denn diesem - im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils zitierten - Schreiben war zu entnehmen, dass der Anspruch gegen den [X.] gerade nicht näher geprüft worden war. Die Frage, wie es sich auf die Pflichten aus einem eingeschränkten Mandat auswirkt, wenn ein anderer Anwalt umfassend beauftragt worden ist, stellt sich im vorliegenden Fall nicht.

6

5. Nach den nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils (dort Seite 21) hat die Klägerin die Klage gegen den Beklagten zu 2 nicht nur auf dessen (wirkliche oder vermeintliche) Gesellschafterhaftung gestützt, sondern auch auf den Umstand, dass der Beklagte zu 2 sie beraten hat.

7

6. Dass das Berufungsgericht angenommen hat, die Klage sei im Sinne von § 167 ZPO demnächst zugestellt worden, wirft schließlich ebenfalls keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Der Klägerin können nur solche Verzögerungen zugerechnet werden, die auf ihr eigenes Fehlverhalten zurückzuführen sind. Die Anrufung des örtlich unzuständigen [X.]          war kein Fehler, der sich auf die Zustellung der Klage auswirken durfte. Die Vorschriften der §§ 39, 281 ZPO zeigen deutlich, dass auch die bei einem örtlich unzuständigen Gericht eingereichte Klage zugestellt werden muss.

8

7. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Kayser                                           Raebel                                                   Lohmann

                           Pape                                                   Möhring

Meta

IX ZR 161/09

07.07.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 15. Juli 2009, Az: 15 U 4225/08, Urteil

§ 56 Abs 1 S 1 InsO, § 280 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2011, Az. IX ZR 161/09 (REWIS RS 2011, 5030)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5030

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