Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.2010, Az. B 1 KR 14/09 R

1. Senat | REWIS RS 2010, 9313

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Kostenerstattung für stationäre Krankenhausbehandlung in EU-Mitgliedstaat - Begrenzung auf die Höhe der Vergütung bei Erbringung als Sachleistung im Inland - Möglichkeit einer dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat - zwischenzeitliche Verbesserung der Versorgungssituation im Inland - Berechnung des Erstattungsbetrages nach Ablösung der Pflegesatzvergütung ausgehend von den einschlägigen DRGs


Leitsatz

1. Erteilt eine Krankenkasse die Zustimmung zur stationären Behandlung des Versicherten in einem anderen EG-Mitgliedstaat nur mit der Maßgabe einer Kostenerstattung begrenzt auf die Inlandssätze, steht damit nicht zugleich fest, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung im Inland nicht zu erlangen und deshalb volle Kostenerstattung zu leisten ist.

2. Eine Krankenkasse darf ihrem Versicherten trotz ärztlicher Vorbehandlungen im EG-Ausland und voller Kostenübernahmen dafür auch bei schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken die inzwischen gebesserte Versorgungssituation im Inland Kosten begrenzend entgegenhalten.

3. Bestimmt sich die Höhe der Kostenerstattung für eine stationäre Auslandsbehandlung nach der Vergütung für eine entsprechende Leistungserbringung im Inland, errechnet sich der Erstattungsbetrag nach Ablösung der Pflegesatzvergütung ausgehend von den für die Operation einschlägigen Diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG).

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kostenerstattung für eine im Jahr 2005 in [X.] durchgeführte Herzoperation.

2

Bei dem 1939 geborenen, bei der beklagten [X.] versicherten Kläger waren 1982 und 1992 in der Klinik "[X.] (im Folgenden: [X.]) - einer Einrichtung des [X.] staatlichen Gesundheitsdienstes - Herzoperationen durchgeführt worden; dabei war ihm jeweils eine bioprothetische Aortenklappe (= Transplantate von verstorbenen Organspendern) eingesetzt worden. Die Kosten dafür hatte die Beklagte voll getragen.

3

Im Juli 2005 wurde bei dem Kläger ua eine Aorteninsuffizienz Grad II-III festgestellt. Nachdem sich bei einer Untersuchung in L. Anfang September 2005 das Erfordernis einer dritten Aortenklappenoperation gezeigt hatte, beantragte er bei der Beklagten die Kostenübernahme für diese - mit einem erhöhten Risiko behaftete - [X.], die wiederum in der [X.] vorgenommen werden solle (Kostenvoranschlag 22.000 [X.] Pfund <[X.]>; Sicherheitsleistung 32.000 [X.]); in der [X.] sei er seit über 40 Jahren bekannt und habe großes Vertrauen in die dortigen Ärzte; medizinische Gründe sprächen für die gleichzeitige [X.] eines zudem bestehenden [X.].

4

Die Beklagte entschied, dass sie die Kosten der Krankenhausbehandlung in der [X.] "anteilig im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ohne präjudizierende Wirkung" übernehme. Da die [X.] nach der Stellungnahme des Herzchirurgen Dr. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) auch in [X.] durchgeführt werden könne, sei die Erstattung allerdings auf die [X.] Sätze in einem vergleichbaren [X.] - mit Abzügen für Zuzahlungen und Verwaltungskosten - beschränkt (Bescheid vom 3.11.2005).

5

Im Widerspruchsverfahren wandte sich der Kläger gegen die Beschränkung der Kostenerstattung, weil die stationäre Behandlung im [X.] notwendig und er schon 1982 und 1992 in der [X.] mit der in [X.] ungebräuchlichen [X.]sweise behandelt worden sei.

6

Vom 25.11. bis 4.12.2005 wurde der Kläger in der [X.] stationär am Herzen operiert und erhielt am 28.11.2005 einen Aortenklappenersatz mittels Bioprothese bei gleichzeitiger Beseitigung des [X.]. Am 8., 9. und 22.12.2005 stellte die Klinik ihm die Versorgung in Rechnung (Behandlung am 25.11.2005; stationärer Aufenthalt 25.11. bis 4.12.2005; ambulantes EKG am 8.12.2005). Die Beklagte erstattete dem Kläger 23.990,38 Euro auf den Rechnungsbetrag (insgesamt 36.595,12 Euro). Dabei berücksichtigte sie eine vom Kläger zu leistende Zuzahlung von 90 Euro und einen Verwaltungskostenabschlag von 30 Euro (Bescheid vom 12.1.2006). Die Beklagte holte zudem eine weitere [X.]-Stellungnahme ein, in der bekräftigt wird, dass die [X.] auch in [X.] (zB in der Klinik für Herzchirurgie/K.) habe durchgeführt werden können. Den Widerspruch wies sie zurück, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V für eine vollständige Kostenerstattung nicht vorlägen (Widerspruchsbescheid vom 22.3.2006).

7

Das vom Kläger ua unter Hinweis auf eine erhöhte Mortalitätsrate bei entsprechenden [X.]en in [X.] angerufene Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das [X.] ([X.]) hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen: Die Beklagte müsse ihm nicht mehr als 23.990,38 Euro erstatten. Die Erteilung der für die stationäre Behandlung in der [X.] erforderlichen Zustimmung habe im Ermessen der Beklagten gelegen, das sie fehlerfrei ausgeübt habe. Ein Anspruch auf volle Kostenerstattung sei nicht aus § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V herzuleiten, weil eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung zB in der Klinik für Herzchirurgie in K. und im [X.] möglich gewesen sei. Dass 1982 und 1992 die in der [X.] durchgeführten [X.]en in [X.] noch unüblich gewesen seien, besage nichts für die Verhältnisse im November 2005. Die Anspruchsvoraussetzungen lägen auch nicht deswegen vor, weil zur Überzeugung des [X.]s - die näher dargelegt wird - das Mortalitätsrisiko in der [X.] nicht eklatant niedriger sei als in [X.] Krankenhäusern. Nach einer Stellungnahme des [X.]-Arztes Dr. L. lasse sich aufgrund der aktuellen und verfügbaren internationalen Literatur keine Aussage zur Mortalität bei einer dritten Herzklappenoperation finden; auch Prof. P./L. habe im [X.] keine selektiven Mortalitätsraten angegeben. Bei dieser Sachlage sehe sich der [X.] nicht gedrängt, zum Mortalitätsrisiko Beweis zu erheben, weil nicht erkennbar sei, dass ein anderer Arzt oder eine andere Organisation über weitergehende Möglichkeiten als Dr. L. verfüge, aktuelle internationale Literatur auszuwerten. Die Beklagte habe ihre Zustimmung und die Kostenübernahmeerklärung auf die [X.] [X.] in einem vergleichbaren Krankenhaus beschränken dürfen. Der insoweit maßgebliche § 13 Abs 4 Satz 3 SGB V bleibe auch bei einer stationären Auslandsbehandlung unberührt. Die erstatteten 23.990,38 Euro umfassten die Kosten, die bei einer entsprechenden [X.] in [X.] entstanden wären (Urteil vom 13.2.2009).

8

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 103 SGG und § 13 Abs 4 und 5 [X.] Das [X.] habe den hilfsweise gestellten Beweisantrag ohne zureichende Begründung übergangen,

        

 bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH eine Auskunft zu der Tatsache einzuholen, dass es in der Bundesrepublik [X.] keine nennenswerte [X.]spraxis für eine dritte Aortenklappenersatzoperation gibt,

        

weiter hilfsweise Zeugnis der dort tätigen Dr. [X.] und [X.] hierzu einzuholen.

9

Die Auffassung des [X.], dass weitergehende Möglichkeiten zur Auswertung internationaler Literatur nicht erkennbar seien, bedeute eine unzulässige Vorwegnahme des [X.]. Weder habe das Gericht die zur Beurteilung des [X.] erforderliche Sachkunde, noch sei nach seiner Auffassung schon das Gegenteil erwiesen. Das [X.] habe den Beweisantrag - für das Revisionsgericht bindend - so ausgelegt, dass implizit behauptet werde, es gebe in [X.] keine nennenswerte [X.]spraxis für eine dritte Aortenklappenoperation, während in der [X.] eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung möglich sei. Die Beklagte habe ihre Zustimmung zur Auslandsbehandlung auch erteilt. Das [X.] habe zudem keine Feststellungen zu seinen (des [X.]) Einkommens- und Vermögensverhältnissen getroffen, welche für die Ermessensausübung von Bedeutung seien. Das Ermessen habe zu seinen Gunsten ausgeübt werden müssen. Darüber hinaus habe das [X.] § 13 Abs 5 Satz 2 SGB V falsch ausgelegt, weil die Krankenkasse ([X.]) die objektive [X.] dafür treffe, dass eine gleichwertige stationäre Behandlung auch im Inland möglich sei. Es stelle sich zudem die Frage, ob nicht auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V die [X.] die [X.] tragen müsse, wenn doch deren Vorliegen in § 13 Abs 4 Satz 2 SGB V widerleglich vermutet werde. Dass die Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V erfüllt sein könnten, ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte die [X.] vollständig bezahlt habe; daraus sei zu folgern, dass die [X.] Herzchirurgie einen Vorsprung vor der [X.] habe. Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung führe zwingend zur vollen Kostenerstattung.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des [X.]s Baden-Württemberg vom 13. Februar 2009 und des [X.] vom 30. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 3. November 2005 und 12. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2006 zu verurteilen, ihm weitere 12.484,74 Euro zu zahlen,

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des Urteils des [X.]s Baden-Württemberg vom 13. Februar 2009 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das [X.]-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet.

[X.], welches einen Erstattungsanspruch des [X.] gegen die beklagte [X.] von weiteren 12.484,74 Euro für die stationäre Behandlung vom 25.11. bis 4.12.2005 und die ambulante Behandlung am [X.] in der [X.] verneint und die angefochtenen Bescheide der [X.]n als rechtmäßig angesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keine durchgreifenden Revisionsrügen gegen das Urteil vorgebracht, nach dem er gegen die [X.] (nur) Anspruch auf Kostenübernahme für die Herzoperation in der [X.] in Höhe von 23.990,38 Euro hat. § 13 Abs 4 Satz 1 bis 5 [X.] gibt dem Kläger keinen weitergehenden Anspruch (dazu 1.) Die Voraussetzungen für eine vollständige Kostenerstattung nach der vom Kläger geltend gemachten Anspruchsgrundlage des § 13 Abs 4 Satz 6 [X.] sind nicht erfüllt (dazu 2.).

1. Der vom Kläger erhaltene Zahlbetrag in Höhe von 23.990,38 Euro entspricht dem in § 13 Abs 4 Satz 1 bis 5 [X.] geregelten [X.].

Nach § 13 Abs 4 Satz 1 [X.] (anzuwenden in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung durch Art 1 Nr 4 Buchst b des Gesetzes vom 14.11.2003, [X.] 2190 ) sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen [X.] im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der [X.] und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines [X.] zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen dabei nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der [X.] sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind (§ 13 Abs 4 Satz 2 [X.]). Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die [X.] bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (§ 13 Abs 4 Satz 3 [X.]). Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln; sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen (§ 13 Abs 4 Satz 4 und 5 [X.]). Diese Begrenzung der Kostenerstattung verstößt nicht gegen Europarecht (vgl Senats-Urteil vom [X.] KR 22/08 R - [X.], zur Veröffentlichung in [X.] und [X.]-2500 § 13 [X.] vorgesehen, jeweils RdNr 40 mwN; vgl [X.] I 2003, 4509 [X.], 106, 107 = [X.]-6030 Art 59 [X.] Rd[X.]28, 137, 138 - Müller-Fauré/[X.]; [X.] I 2004, 2641 RdNr 48 - Leichtle; [X.] I 2006, 4325 Rd[X.]32 - [X.]) . Die von der [X.]n gewährte Zahlung bewegt sich im Rahmen dieser Vorgaben.

Denn nach den Ermittlungen des [X.], die mit Revisionsrügen nicht angegriffen werden und damit für den Senat bindend sind (§ 163 [X.]), handelt es sich bei den 23.990,38 Euro um einen Betrag, der angefallen wäre, wenn es eine etwa zeitgleiche Behandlung in der Klinik für Herzchirurgie in [X.] stattgefunden hätte. Maßgeblicher [X.] sind insoweit 24.110,38 Euro, die um die den Kläger als Versicherten treffende gesetzliche Zuzahlung von 90 Euro sowie um den satzungsmäßigen (iVm § 13 Abs 4 Satz 4 [X.]) [X.] von 30 Euro zu vermindern sind. Damit ergibt sich ein Erstattungsbetrag von 23.990,38 Euro. Wie der Senat bereits mit Urteil vom [X.] KR 22/08 R ([X.], zur Veröffentlichung in [X.] und [X.]-2500 § 13 [X.] vorgesehen, jeweils RdNr 40) entschieden hat, ist insbesondere die Begrenzung der Kostenerstattung unter Zugrundelegung der Kosten rechtmäßig, die in [X.] für eine entsprechende Versorgung am Wohnort bzw am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherten anfallen würden. Die nach § 13 Abs 4 Satz 3 [X.] zu erstattenden Kosten sind nach der Ablösung der Pflegesatzvergütung für stationäre Krankenhausbehandlung entsprechend ausgehend von den einschlägigen [X.] zu errechnen.

Entgegen der Auffassung des [X.] entfällt die Prüfung der Höhe des [X.] nach § 13 Abs 4 Satz 3 [X.] auch nicht deshalb, weil § 13 Abs 5 [X.] für stationäre Auslandsbehandlung eine Sonderregelung enthielte. Denn die letztgenannte Bestimmung enthält nach ihrem Regelungsgehalt zu der Frage, in welcher Höhe ein Kostenerstattungsanspruch bei stationärer Behandlung im [X.] besteht, keine Rechtsfolge. Der Inhalt des § 13 Abs 5 [X.] ist darauf beschränkt, hinausgehend über Abs 4 Satz 1 das zusätzliche Erfordernis der vorherigen Zustimmung der [X.] für die stationäre Auslandsbehandlung aufzustellen. § 13 Abs 5 [X.] lässt dagegen die übrigen Voraussetzungen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 4 [X.] unberührt (vgl [X.] in: [X.], Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 73. Lieferung 10/2009, § 13 [X.] Rd[X.]65 ff) .

2. Der Kläger hat auch keinen weitergehenden Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 4 Satz 6 [X.] als von der [X.]n zuerkannt, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Kläger hätte sich nämlich zumutbar in [X.] behandeln lassen können.

§ 13 Abs 4 Satz 6 [X.], auf den sich der Kläger stützt, bestimmt: "Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die [X.] die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen." Die Übernahme der "ganzen" Kosten für eine erforderliche Auslandsbehandlung sind in das Ermessen der [X.] gestellt. Die Regelung räumt ihr dieses Ermessen jedoch nur für den Fall ein, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist. Jedenfalls an dieser Voraussetzung fehlt es hier. Auf die - weitere - Rüge des [X.], das [X.] habe keine Feststellungen zu seinen für die Ermessensausübung bedeutsamen Einkommens- und Vermögensverhältnissen getroffen, kommt es schon von daher nicht an.

a) Vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung des § 13 Abs 4 Satz 6 [X.], dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung des [X.] nur in der [X.] und nicht in [X.] möglich war, kann hier nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil die [X.] dem Kläger die - an sich von den gleichen Voraussetzungen abhängige - Zustimmung zur Auslandsbehandlung nach § 13 Abs 5 [X.] erteilt hatte. Zwar durfte diese Zustimmung nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der [X.] im Inland erlangt werden kann (§ 13 Abs 5 Satz 2 [X.]). Insoweit fällt aber ins Gewicht, dass die [X.] in der Begründung ihres Bescheides vom 3.11.2005 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zustimmung gar nicht bejahte, sondern sogar ausdrücklich auf das Gegenteil hinwies, nämlich darauf, dass die [X.] nach der Stellungnahme eines Herzchirurgen des [X.] ebenso in [X.] durchgeführt werden könne; explizit wurde von der [X.]n darin ausgeführt, dass (begrenzte) Kosten nur "im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ohne präjudizierende Wirkung" übernommen würden. Dieses Verwaltungshandeln der [X.]n kann sich ihr gegenüber nicht im Nachhinein zum Nachteil auswirken, weil sie in Umsetzung der [X.]-Stellungnahme konsequenterweise eine Leistungsgewährung insgesamt hätte ablehnen müssen. Gleichwohl ist das Verwaltungshandeln der [X.]n nachvollziehbar und bewegt sich auf gesichertem rechtlichen Boden, weil es bei nüchterner Betrachtung erkennbar von Entgegenkommen und einem besonderen Verständnis für die prekäre gesundheitliche Situation des [X.] getragen war. Denn die [X.] bot dem Kläger so bei verständiger Würdigung eine letztlich als - untechnisches - Vergleichsangebot zu verstehende Möglichkeit der Leistungsgewährung an, indem sie trotz der greifbaren, mit ärztlichen Stellungnahmen begründbaren verwaltungsmäßigen Ablehnung letztlich zu einer begünstigenden Entscheidung mit [X.] griff. Für dieses Vorgehen lässt sich anführen, dass sie nach den beiden Voroperationen des [X.] in [X.] und im Vorfeld seiner unmittelbar bevorstehenden, sehr risikoreichen dritten Herzklappenoperation berechtigte Hoffnungen haben konnte, so juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden, die das Überlebensrisiko für die [X.] möglicherweise noch verringert hätten.

Bei dieser Sachlage, insbesondere angesichts der Begründung des Bescheides vom 3.11.2005, der ausdrücklich und auch für den Kläger erkennbar ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erging, liegt es jedenfalls fern, der Argumentation des [X.] aus dem Revisionsverfahren zu folgen, wonach aus der Zustimmung der [X.]n zur stationären Auslandsbehandlung in seinem Sinne auch Folgerungen für die volle Kostenerstattung gezogen werden müssten bzw dass deswegen eine die [X.] treffende Umkehr der Feststellungslast hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 [X.] zu erfolgen habe.

b) Das [X.] hat die Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 [X.], wonach der Kläger eine ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung bei einem zugelassenen Leistungserbringer im Inland habe erlangen können, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.

aa) Das [X.] hat aus verschiedenen Umständen - insbesondere [X.]-ärztlichen Stellungnahmen vom 25.10. und 28.11.2005 sowie vom [X.] - hergeleitet, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Krankheit des [X.], insbesondere ein bioprothetischer Aortenklappenersatz im November/Dezember 2005 auch in einem zugelassenen Krankenhaus in [X.] möglich war (Klinik für Herzchirurgie in [X.] ; [X.]); es hat sich dabei auch argumentativ mit gegenläufigen Gesichtspunkten auseinandergesetzt. Diese Einschätzung ist im Ergebnis vom Kläger im Berufungsverfahren auch nicht (mehr) bestritten worden. Soweit er im Revisionsverfahren weiter geltend macht, die Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 [X.] seien erfüllt, weil die [X.] die Voroperationen in der [X.] vollständig bezahlt habe und seiner Meinung nach die [X.] Herzchirurgie weiterhin einen Vorsprung vor der [X.] habe, kann ihm nicht gefolgt werden. Auch wenn in den Jahren 1982 und 1992 die beim Kläger durchgeführte [X.] in [X.] noch unüblich war und nur von einer einzigen Klinik durchgeführt wurde, lässt dies nicht den Schluss darauf zu, dass die Verhältnisse im November 2005, also mehr als zwölf Jahre später, noch in gleicher Weise bestanden. Das [X.] hat insoweit beanstandungsfrei ausgeführt, dass nach den Ermittlungen im Laufe der [X.] eine Änderung der Sachlage eingetreten sei, weil nunmehr auch (weitere) zugelassene Krankenhäuser in [X.] den bioprothetischen Aortenklappenersatz durchführten. Das greift der Kläger im [X.] mit Revisionsrügen nicht an.

[X.] einer dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden [X.] ausschließlich in der [X.] folgt auch nicht daraus, dass der Kläger geltend gemacht hat, er setze besonderes Vertrauen in die dortigen Chirurgen und Kardiologen, weil er jahrzehntelangen Kontakt dorthin mit jährlichen Kontrolluntersuchungen habe und beide Voroperationen dort durchgeführt worden seien. Auch wenn der Wunsch verständlich ist, dass sich Patienten es bei bevorstehenden schweren, mit einem nicht unerheblichen Mortalitätsrisiko behafteten [X.]en zur Behandlung in "bewährte" Hände oder zu Ärzten begeben, die ihnen bereits in der Vergangenheit bei ähnlich schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen erfolgreich Hilfe zuteil werden ließen, folgt daraus nicht zugleich, dass die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) für entsprechende Wunschbehandlungen auch uneingeschränkt aufzukommen hat. Schon allgemein besteht das Wunsch- und Wahlrecht des § 33 Satz 1 SGB I nur, soweit Rechtsvorschriften dem nicht entgegenstehen. Anders als es § 76 Abs 1 Satz 1 [X.] für die freie Arztwahl unter den für die vertragsärztliche Versorgung zugelassenen oder gleichgestellten Leistungserbringern bestimmt, gibt es jedoch schon bei einer Behandlung im Inland keine entsprechende ausdrückliche Regelung für den Bereich der stationären Krankenhausbehandlung (vgl bereits [X.] [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]3; [X.] in: [X.], Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 73. Lieferung 10/2009, § 13 [X.] Rd[X.]69; [X.] in: [X.], Stand: 1.10.2009, § 39 [X.] RdNr 97) .

Erst recht kann auch eine Auslandsbehandlung - zumal in stationärer Form unter den erschwerten (europarechtskonformen) Voraussetzungen des § 13 Abs 5 [X.] - unter dem allgemeinen, sich auch in § 13 Abs 4 Satz 6 [X.] niederschlagenden Regime des § 2 Abs 1 Satz 3 [X.] nicht allein unter Hinweis auf den [X.] oder die Inanspruchnahme der europarechtlichen passiven Dienstleistungsfreiheit beansprucht werden. Aus § 18 [X.] hat der Senat vielmehr hergeleitet, dass dafür ein qualitatives oder quantitatives Versorgungsdefizit im Inland zu fordern ist (vgl [X.], 164 = [X.]-2500 § 18 [X.], jeweils RdNr 9 ff; vgl auch zur ähnlichen Rechtsprechung des [X.]: [X.] I 2006, 4325 - [X.]).

Ein solches Defizit besteht nicht schon dann, wenn das Leistungsangebot im Ausland wegen einer besonders modernen technischen Ausstattung eines Krankenhauses oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs des dortigen Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist. Denn eine solche Spitzenmedizin bildet nicht den Maßstab für die Leistungen der [X.]. Die [X.]n schulden den Versicherten und ihren Familienangehörigen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik; sie haben die Leistungen zu gewähren, die zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend sind (§ 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1, § 27 Abs 1, § 70 Abs 1 [X.]). Auf eine optimale, über den beschriebenen gesetzlichen Standard hinausgehende Versorgung besteht dagegen kein Anspruch ([X.], 90, 93 f = [X.] 3-2500 § 18 [X.] f; BSG [X.] 5520 § 29 [X.] S 8 f). Spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten eines ausländischen Arztes oder überlegene technische oder personelle Kapazitäten eines Krankenhauses können erst dann eine Inanspruchnahme zu Lasten der [X.] rechtfertigen, wenn sie sich in einem besonderen Leistungsangebot niederschlagen, das nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Teil einer zweckmäßigen medizinischen Behandlung der betreffenden Krankheit ist, im Inland aber nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht (vgl für die insoweit vergleichbare Beurteilung bei § 18 [X.] BSG [X.]-2500 § 18 [X.] Rd[X.]8 mwN). Für eine solche Sachlage ist vorliegend - über den nur in diesem Rahmen potenziell bedeutsamen, vom Kläger speziell angeführten, hier nicht durchgreifenden Gesichtspunkt des vermeintlich höheren [X.] in [X.] hinaus (dazu sogleich näher [X.]) - nichts ersichtlich.

[X.]) Die Revision des [X.] kann schließlich auch keinen Erfolg haben, soweit er in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf § 103 [X.] die Ausführungen des [X.] zum Mortalitätsrisiko angreift und damit ein Versorgungsdefizit (im og Sinne) zu belegen versucht.

Eine Verfahrensrüge erhebt der Kläger nur insoweit, als er dem [X.] vorwirft, es habe seinen Antrag, durch Einholung einer (näher umschriebenen) Auskunft bzw Zeugenvernehmung zu ermitteln, ob es in [X.] keine nennenswerte [X.]spraxis für eine dritte Aortenklappenersatzoperation gebe, nicht ablehnen dürfen; er stützt sich darauf, dass die Auffassung des [X.], weitergehende Möglichkeiten zur Auswertung internationaler Literatur darüber seien nicht erkennbar, eine unzulässige Vorwegnahme des [X.] bedeute und dem Gericht die zur Beurteilung des [X.] erforderliche Sachkunde gefehlt habe. Dem kann nicht gefolgt werden.

Bei einer - wie hier - gerügten Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist im Revisionsverfahren darzulegen, warum sich das [X.] von seiner Rechtsauffassung her zu den vom Betroffenen weiter begehrten Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl zB [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 103 Rd[X.]0 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BSG) . Auch wenn man davon ausgeht, dass es sich vorliegend um einen im Berufungsverfahren formell ordnungsgemäß gestellten Hilfsbeweisantrag des [X.] handelte, ergibt sich aus den Darlegungen der Revisionsbegründung ein solches Ermittlungsdefizit nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es die zentrale entscheidungserhebliche Frage für den Ausgang des Rechtsstreits war und ist, ob das Mortalitätsrisiko für eine dritte Herzklappenoperation in der [X.] im November/Dezember 2005 wesentlich niedriger war als bei entsprechenden [X.]en in [X.], weil es nur dann zu einer weitergehenden Leistungsgewährung an den Kläger kommen könnte. Das [X.] hat dies verneint und seine dazu gewonnene Einschätzung nicht nur auf eigene Erkenntnisse gestützt, sondern seine Überzeugung zu dieser Feststellung aus der Stellungnahme des [X.]-Arztes [X.] vom [X.] hergeleitet, wonach sich zum damaligen [X.]punkt aufgrund der aktuellen und verfügbaren internationalen Literatur keine Aussage zur Mortalität bei einer dritten Herzklappenoperation finden ließ. Das [X.] hat sich dabei auch mit weiteren sich aus dem Verfahren ergebenden anderen Indizien auseinandergesetzt und für seine Auffassung eine nähere Begründung gegeben (Würdigung des Schreibens Prof. P./L. vom 16.3.2007; Veröffentlichung dieses Arztes von 2004; Einschätzung Dr. A./[X.]). Es hat sodann auf dieser Grundlage ausgeführt, dass nicht erkennbar sei, dass ein anderer Arzt oder eine andere Organisation - etwa die im Beweisantrag genannten - über weitergehende Möglichkeiten als [X.] verfügten, die aktuelle internationale Literatur auszuwerten. Der Kläger hat nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Ausführungen des [X.] derartiges in den Tatsacheninstanzen auch gar nicht einmal behauptet. Vor diesem Hintergrund aber ist dann nicht erkennbar, aufgrund welcher konkreten und dem Gericht rechtzeitig unterbreiteten Umstände (zB besondere, über die Sachkunde von [X.] hinausgehende Fähigkeiten der benannten Institution bzw der Zeugen) sich das Berufungsgericht gleichwohl noch zu weiteren Ermittlungen zur Frage des [X.] hätte gedrängt fühlen müssen. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Würdigung der Beweismittel durch das [X.] ist nur am Maßstab der Einhaltung des Prozessrechts zu messen und daraufhin zu überprüfen, ob es dabei verfahrensrechtliche Grenzen überschritten und zB gegen Denkgesetze oder allgemeine [X.] verstoßen hat (vgl allgemein zB BSG [X.] [X.]4 und [X.]6 zu § 128 [X.]; [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 128 Rd[X.]0 ff mwN) . Dazu wird im Revisionsverfahren ebenfalls nichts [X.] geltend gemacht.

3. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 14/09 R

17.02.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Karlsruhe, 30. Januar 2007, Az: S 3 KR 1769/06, Urteil

§ 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 13 Abs 4 SGB 5 vom 14.11.2003, § 13 Abs 5 SGB 5 vom 14.11.2003, § 18 SGB 5, § 33 S 1 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.02.2010, Az. B 1 KR 14/09 R (REWIS RS 2010, 9313)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9313

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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