Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2021, Az. 1 StR 127/20

1. Strafsenat | REWIS RS 2021, 8422

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Gegenstand

Einziehung von Taterträgen: Subventionsbetrug auf Basis fingierter Rechnungen eines Gehilfen an eine GmbH


Tenor

1. Auf die Revisionen der [X.] und der Staatsanwaltschaft - insoweit zugunsten der [X.] - wird das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2019 im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben; die Einziehungsanordnung entfällt.

2. Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft zuungunsten der [X.] eingelegt ist, wird die Revision verworfen.

3. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel und die der [X.] im gesamten Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

1

Das [X.] hat gegen die [X.] die Einziehung von „[X.]“ in Höhe von 79.658 Euro als Gesamtschuldnerin angeordnet. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 643.571,18 Euro erstrebt, und die Revision der [X.]n führen auf die jeweils erhobene Sachrüge zur Aufhebung des Ausspruchs über die Einziehung und zum Entfallen der [X.].

I.

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Der unter anderem wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug in drei Fällen verurteilte Angeklagte    [X.]    , der Geschäftsführer der [X.]n ist, unterstützte die gesondert Verfolgten [X.]            , [X.]          und M.             bei von diesen begangenen Subventionsbetrugstaten.

4

[X.]             , [X.]          sowie M.             beabsichtigten, unter anderem mit der E.       [X.]    GmbH (im Folgenden: [X.]) aus [X.] Rapsöl als Treibstoff zu produzieren, ein nach dem [X.] gefördertes Blockheizkraftwerk zu betreiben sowie Brennholz herzustellen. Die angesichts der Höhe des [X.] schwierige Finanzierung stützte sich unter anderem auf die Inanspruchnahme von öffentlichen Finanzierungshilfen in Form von Investitionszulagen und -zuschüssen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“.

5

Anfang 2007 beschlossen [X.]            , [X.]          und M.           , interne Kosten wie Löhne und Gehälter der Mitarbeiter und Geschäftsführer, deren Finanzierung anderweitig nicht gesichert war, im Rahmen von (überhöhten) Lieferantenrechnungen „abzubilden“. Der Betrag, welcher von den Lieferanten in Rechnung gestellt und von der [X.] oder in die Finanzierung eingebundenen Leasingunternehmen gezahlt wurde, überstieg den tatsächlich vereinbarten Preis für zu liefernde Wirtschaftsgüter. Dieser überhöhte Betrag sollte über Gutschriften oder Provisionsrechnungen an die [X.] oder sonstige Unternehmen der Unternehmensgruppe G.    zurückgeführt werden. Die Kosten aus den (überhöhten) Lieferantenrechnungen wurden von der [X.] im Rahmen der Anträge auf Gewährung von Investitionszulagen und -zuschüssen als Investitionskosten geltend gemacht, um auf diese Weise Finanzierungshilfen zu erlangen, die (teilweise) nicht durch die gegenüber den Lieferanten tatsächlich erbrachten Gegenleistungen gerechtfertigt waren.

6

Die [X.], für die der Angeklagte [X.]     als Geschäftsführer handelte, war eine der [X.], die für die Lieferungen von Wirtschaftsgütern überhöhte Rechnungen erstellte und nicht leistungshinterlegte Gegenrechnungen aus der [X.] akzeptierte und beglich.

7

Für die Wirtschaftsjahre 2007 und 2009 machte die [X.] überhöhte Beträge aus den Rechnungen der [X.]n für Werkstatt- und Produktionsausrüstung (2007 - Fall 1. a)) sowie ein Probeentnahmegerät und eine Straßenfahrzeugwaage (2009 - Fall 3. a)) im Rahmen der Anträge auf Gewährung von Investitionszulagen gegenüber dem Finanzamt [X.].    für die Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter mit einem Investitionszulagesatz von 25 % unberechtigt als Investitionskosten geltend. Für das Wirtschaftsjahr 2008 (Fall 2. a)) beantragte die [X.] Finanzierungshilfen für die Anschaffung einer Brikettiermaschine bei zwei Subventionsgebern, und zwar bei dem Finanzamt [X.].    eine Zulage mit einem Investitionszulagesatz von 25 % sowie einen Investitionszuschuss bei der [X.] (im Folgenden: [X.]) mit einem Fördersatz von 30,49 %.

8

Die - seitens der [X.] und der in die Finanzierung eingebundenen Leasingunternehmen getätigten - Überweisungen der überhöhten Rechnungsbeträge auf ein Konto der [X.]n erfolgten in allen Fällen jeweils vor Erlass des jeweiligen (ersten) Zuwendungsbescheids des Finanzamtes [X.].    und der [X.]sowie den entsprechenden Auszahlungen der Subventionen.

9

2. Das [X.] hat die [X.] auf § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 73c Satz 1 [X.] gestützt und angenommen, die [X.] habe durch die Beihilfehandlungen ihres Geschäftsführers Überweisungsgutschriften erlangt, deren Gegenwert in Höhe von 79.658 Euro einzuziehen sei. Die Wirtschaftsstrafkammer hat dabei ausgehend von den zu Unrecht in Rechnung gestellten Nettobeträgen, die an die [X.] überwiesen wurden (52.000 Euro im Fall 1. a) der Urteilsgründe; 75.000 Euro im Fall 2. a) der Urteilsgründe; 100.162 Euro im Fall 3. a) der Urteilsgründe), wegen der Anknüpfung an den Tatbestand des Subventionsbetruges und der Akzessorietät der Beihilfe auf die durch den Angeklagten [X.]     als Gehilfen mitverursachten Schäden in Gestalt der vom Finanzamt ausgezahlten Investitionszulagen in Höhe von 25 % des jeweiligen [X.] (Fälle 1. a), 2. a) und 3. a) der Urteilsgründe) und zudem des Zuschusses der [X.]in Höhe von 30,49 % des [X.] von 75.000 Euro (Fall 2. a) der Urteilsgründe) abgestellt.

II. Revision der [X.]n

Die Einziehungsentscheidung des [X.]s hat keinen Bestand.

1. Eine Einziehung nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 73c Satz 1 [X.] scheidet aus.

a) Zwar ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass sich die strafrechtliche Vermögensabschöpfung vorliegend gemäß Art. 316h Satz 1 [X.] nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 ([X.]) eingeführten und am 1. Juli 2017 in [X.] getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. [X.] richtet (vgl. [X.], Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 [X.] Rn. 47 ff.).

b) Hinsichtlich der an die [X.] zu Unrecht überwiesenen Rechnungsbeträge liegen die Voraussetzungen einer [X.] nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 73c Satz 1 [X.] jedoch nicht - auch nicht teilweise - vor.

aa) Gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] richtet sich die Anordnung der Einziehung nach § 73 [X.] und § 73a [X.] gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn er durch die Tat etwas erlangt und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat.

„Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 [X.] ist ein Vermögenswert - nicht anders als „aus“ der Tat unter Geltung des § 73 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF -, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des [X.] derart zugeflossen ist, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegt, insbesondere also die [X.]. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an, weil es sich bei dem [X.] um einen tatsächlichen Vorgang handelt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18 Rn. 8; vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8; vom 2. Juli 2015 - 3 [X.] Rn. 13 und vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], [X.]St 56, 39 Rn. 19; BT-Drucks. 18/9525, [X.]). Nicht erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 [X.] sind als Mittel für die Tatdurchführung erhaltene Gegenstände (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10 Rn. 4 und vom 28. April 2011 - 4 StR 2/11 Rn. 5; [X.], [X.], 68. Aufl., § 73 Rn. 25).

bb) Anknüpfungstat für die Vermögensabschöpfung sind die durch die gesondert Verfolgten [X.]            , [X.]          und M.             als Haupttäter begangenen Subventionsbetrugstaten, zu denen der Angeklagte - als Geschäftsführer für die [X.] im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] handelnd - durch Vorlage der überhöhten Rechnungen seitens der [X.]n und die Rückzahlung der aufgrund dieser Rechnungen überwiesenen Beträge Beihilfe geleistet hat. Der Vermögenszufluss bei der [X.]n beruht - ebenso wie der spätere Rückfluss der entsprechenden Beträge - auf der Grundlage der zwischen den Tatbeteiligten getroffenen Abrede, aber nicht auf der Verwirklichung des Tatbestandes des Subventionsbetruges, sondern dient dessen Verwirklichung. Dafür spricht bereits der zeitliche Ablauf. Die Geldzahlungen an die [X.] waren den Subventionszahlungen zeitlich vorgelagert. Bei dieser Sachlage hat die [X.] die Überweisungsgutschriften nicht durch die Taten, sondern zum Zwecke von deren Durchführung erlangt.

Die Subventionszahlungen sind schließlich bereits nach dem zeitlichen Ablauf auch nicht an die [X.] „übertragen“ worden, so dass auch eine Einziehung gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ausscheidet.

cc) [X.] bei der [X.]n sind daher ebenso wie die überhöhten Rechnungen als solche Tatmittel im Sinne von § 74 Abs. 1 [X.] (vgl. für zum Zwecke eines Kredit- oder Subventionsbetrugs inhaltlich falsch hergestellte Unterlagen [X.]/[X.]/Eser/[X.], [X.], 30. Aufl., § 74 Rn. 12 mwN; [X.]/[X.]/[X.]/Niesler, Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl., § 74 Rn. 17; [X.] NJW 1976, 2030; siehe auch [X.], Urteil vom 5. Juli 1918 - [X.], [X.]St 52, 201). Demgemäß sind unter Gegenständen im Sinne von § 74 Abs. 1 [X.] nicht nur körperliche Sachen, sondern auch Rechte - mithin auch Bankguthaben - zu verstehen (vgl. LK-[X.]/[X.], 13. Aufl., § 74 Rn. 11; [X.]/[X.]/Eser/[X.], [X.], 30. Aufl., § 74 Rn. 6; MüKo-[X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 74 Rn. 9).

2. Da die [X.] die zu Unrecht in Rechnung gestellten Beträge an die [X.] zurücküberwiesen hat, käme allein eine Einziehung des [X.]es nach § 74c Abs. 1 [X.] aF in Betracht. Da die Taten vor dem 1. Juli 2017 begangen wurden, richtete sich die Einziehung von [X.] insoweit gemäß Art. 316h [X.] nach § 74c Abs. 1 [X.] aF.

Die Voraussetzungen einer [X.]einziehung nach § 74c Abs. 1 [X.] aF liegen jedoch nicht vor. Eine [X.]einziehung nach § 74c Abs. 1 [X.] aF ist nur gegen den Täter oder Teilnehmer der [X.] selbst möglich und setzt überdies voraus, dass der Tatbeteiligte die Einziehung durch andere als die im konkreten Fall die Einziehung begründende Tathandlungen vereitelt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. September 1991 - 2 StR 387/91 Rn. 4 und vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10 Rn. 6; [X.]/[X.]/Eser/[X.], [X.], 30. Aufl., § 74c Rn. 5). Beides ist hier nicht erfüllt. Denn die Beihilfehandlungen des Angeklagten [X.]     bestanden nach der gemeinsamen Abrede gerade (auch) darin, das gezahlte überhöhte Entgelt für die Lieferung der Wirtschaftsgüter an die [X.] bzw. die [X.] zurück gelangen zu lassen.

3. Die [X.] hat daher entsprechend § 354 Abs. 1 [X.] zu entfallen.

III. Revision der Staatsanwaltschaft

Aus dem zuvor Ausgeführten folgt, dass die Revision der Staatsanwaltschaft, die auf eine Einziehung des Wertes der gesamten an die [X.] aus den jeweiligen Rechnungen über die Lieferung der Wirtschaftsgüter überwiesenen Beträge und nicht nur der überhöhten Rechnungsbeträge gerichtet ist, ohne Erfolg bleibt. Auch die Zahlungen an die [X.], denen die Lieferung von Wirtschaftsgütern zugrunde lag, sind nicht durch die Taten erlangt. Zudem handelt es sich nach den Feststellungen des [X.]s insoweit wegen der Leistungshinterlegung bereits nicht um Tatmittel.

IV.

Die Vorschrift des § 301 [X.] ermöglicht es dem Senat, auch über die Revision der Staatsanwaltschaft durch Beschluss nach § 349 Abs. 4 [X.] zu entscheiden, obwohl mit diesem Rechtsmittel eine der [X.]n nachteilige Entscheidung erstrebt wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. Februar 2012 - 3 StR 7/12 Rn. 3; vom 22. April 1998 - 5 StR 5/98, [X.]St 44, 68, 82 und vom 6. November 1996 - 5 StR 219/96 Rn. 17 mwN jeweils zu einer zuungunsten eines Angeklagten geführten Revision der Staatsanwaltschaft; ebenso [X.]/[X.], 26. Aufl., § 349 Rn. 32; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 349 Rn. 36). Auch in diesem Fall ist die Entscheidung durch Beschluss unbedenklich, da sie die [X.] nicht beschwert. Um etwaigen Bedenken wegen einer möglichen Verletzung rechtlichen Gehörs der Staatsanwaltschaft (vgl. [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 349 Rn. 28) zu begegnen, hat der Senat den [X.] vor der Entscheidung auf die fehlenden Erfolgsaussichten der von ihm vertretenen Revision mit eingehender Begründung hingewiesen.

Raum     

        

Bellay     

        

Hohoff

        

Leplow     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 127/20

24.02.2021

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Leipzig, 18. Juli 2019, Az: 221 Js 4504/19 - 15 KLs

§ 73b Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 73b Abs 1 S 1 Nr 2 StGB, § 73c S 1 StGB, § 74c Abs 1 StGB vom 13.11.1998

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2021, Az. 1 StR 127/20 (REWIS RS 2021, 8422)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3609 REWIS RS 2021, 8422

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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