Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.03.2022, Az. 4 StR 156/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2022, 3448

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafrechtliche Vermögensabschöpfung: Bereicherungszusammenhang als Voraussetzung für Wertersatzeinziehung beim Drittbegünstigten


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 6. März 2019, soweit es die [X.] S.                    GmbH betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Einziehung eines weiteren Geldbetrages in Höhe von 50.000 € gegen die [X.] unterblieben ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter anderem wegen Betruges zu einer Einzelfreiheitsstrafe verurteilt, gegen den Angeklagten und eine weitere [X.] jeweils eine Einziehungsentscheidung getroffen sowie eine rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens festgestellt. Insoweit ist das Urteil des [X.]s zwischenzeitlich rechtskräftig (vgl. Senatsentscheidung vom 29. Juli 2021 ‒ 4 StR 156/20). Darüber hinaus hat es gegen die [X.] S.                    GmbH als Gesamtschuldner neben dem Angeklagten die Einziehung von [X.] in Höhe von 17.200 € angeordnet. Hiergegen wendet sich die zuungunsten der [X.]n eingelegte, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Beschwerdeführerin die Anordnung der Einziehung eines weiteren Geldbetrages in Höhe von 50.000 € gegen die [X.] S.                    GmbH erstrebt.

2

Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3

Nach den Feststellungen war der Angeklagte bis Oktober 2015 Geschäftsführer der [X.]n S.                    GmbH. Der Angeklagte bot durch seinen Verkaufsleiter am 13. Dezember 2014 dem Geschädigten einen Pkw [X.] zum Kauf an, wobei auf Veranlassung des Angeklagten sowohl im Laufe des von dem Verkaufsleiter geführten Verkaufsgesprächs, als auch in der Ausfertigung des schriftlichen Kaufvertrags bewusst unzutreffende Angaben über den Umfang der an dem Fahrzeug eingetretenen Unfallschäden gemacht wurden. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben erwarb der Geschädigte das Fahrzeug, das aufgrund nicht fachgerecht durchgeführter Reparaturarbeiten einen Wert von maximal 150.000 € hatte, nebst Zubehör zu einem Preis von 378.000 €. Die nach einer in bar erbrachten Anzahlung von 1.000 € verbleibende Kaufpreissumme von 377.000 € überwies der Geschädigte am 18. Dezember 2014 auf ein Bankkonto der früheren Lebensgefährtin des Angeklagten, der weiteren [X.]n, auf das der Angeklagte, ohne formell verfügungsberechtigt zu sein, uneingeschränkt zugreifen konnte und das von ihm verwaltet wurde. In der Folgezeit veranlasste der Angeklagte von dem Bankkonto Überweisungen in Höhe von insgesamt 264.494 €. Unter anderem wurden an die [X.] S.                    GmbH am 23. Dezember 2014 17.200 € und am 6. Januar 2015 50.000 € überwiesen.

4

Bei ihrer zum Nachteil der [X.]n S.                   GmbH getroffenen Einziehungsentscheidung hat die [X.] ‒ nach ihren Ausführungen im Urteil versehentlich ‒ lediglich die am 23. Dezember 2014 ausgeführte Überweisung von 17.200 € an die [X.] berücksichtigt.

II.

5

1. Ungeachtet des umfassend gestellten [X.] ist die Revision der Staatsanwaltschaft ausweislich der Ausführungen in der Rechtsmittelbegründung auf die Frage der Einziehung eines weiteren Geldbetrages in Höhe von 50.000 € zu Lasten der [X.]n beschränkt. Diese Beschränkung auf Teile der Einziehungsentscheidung ist wirksam (vgl. [X.], Urteil vom 9. Oktober 2019 ‒ 1 StR 170/19 Rn. 8). Die von der Beschwerdeführerin begehrte Einziehung eines weiteren Geldbetrages bei der drittbegünstigten [X.]n und die von der [X.] im angefochtenen Urteil bereits getroffene Einziehungsanordnung knüpfen in tatsächlicher Hinsicht an unterschiedliche Verschiebungsakte von Vermögensgegenständen an. Sie weisen daher keinen untrennbaren Zusammenhang auf und sind einer isolierten Betrachtung zugänglich. Infolge der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung hat die im angefochtenen Urteil gegen die [X.] angeordnete Einziehung eines Geldbetrags von 17.200 € Rechtskraft erlangt. Damit sind die diese Entscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen insbesondere zur Betrugstat des Angeklagten auch im Verhältnis zur [X.]n bindend geworden.

6

2. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass im angefochtenen Urteil hinsichtlich der weiteren am 6. Januar 2015 vorgenommenen Überweisung von 50.000 € an die [X.] keine Entscheidung über eine Einziehung getroffen worden ist.

7

a) Die rechtlichen Voraussetzungen einer Einziehungsanordnung gegen die [X.] als Drittbegünstigte beurteilen sich gemäß der in Art. 316h [X.] getroffenen Übergangsregelung nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 ([X.] I, 872) neu geschaffenen gesetzlichen Bestimmungen.

8

Nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b StGB richtet sich die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a StGB gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn ihm das Erlangte übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, sofern zuvor kein gutgläubiger Zwischenerwerb eines Dritten im Sinne der Ausschlussklausel des § 73b Abs. 1 Satz 2 StGB stattgefunden hat. Erlangt der andere unter den Voraussetzungen des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b StGB einen Gegenstand, der dem Wert des [X.] entspricht, ist auch dieser Gegenstand gemäß § 73b Abs. 2 StGB einzuziehen. Die Vorschrift des § 73b Abs. 2 StGB dient nach den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Intentionen des Gesetzgebers dem Zweck, auch die Weiterreichung des Wertes des ursprünglich [X.] der Vermögensabschöpfung bei dem Drittbegünstigten zu unterwerfen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/9525, [X.]). Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur bislang umstrittene Frage, ob die [X.]einziehung beim Drittbegünstigten nach § 73b Abs. 2 StGB in Anlehnung an die Rechtsprechung des [X.] zu den [X.] nach altem Recht in subjektiver Hinsicht eine Entziehungs- oder Verschleierungsmotivation des Handelnden bei der Übertragung der Vermögensgegenstände erfordert (vgl. [X.], [X.] 2018, 206; [X.], [X.] 2020, 336; vgl. [X.] in Satzger/Schluckebier/[X.], StGB, 5. Aufl., § 73b Rn. 7 ff. [X.]), hat der [X.] nunmehr dahin entschieden, dass die Einziehung nach § 73b Abs. 2 StGB über den Wortlaut der Norm hinaus einen Bereicherungszusammenhang in dem Sinne voraussetzt, dass die Übertragung des Vermögensgegenstands mit der Zielrichtung vorgenommen wurde, den [X.] dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder die Tat zu verschleiern (vgl. [X.], Urteil vom 1. Juli 2021 ‒ 3 StR 518/19 Rn. 140, 162 ff., zur [X.] in [X.]St bestimmt). Die Einziehung nach § 73b Abs. 2 StGB findet danach ihre Grenzen, wenn ein Zusammenhang mit den ursprünglichen [X.] nicht mehr erkennbar ist und mit der Transaktion weder das Ziel verfolgt wird, das durch die Tat unmittelbar begünstigte Vermögen des [X.] oder eines Dritten dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, noch die Tat zu verschleiern (vgl. [X.], aaO, Rn. 140).

9

b) Von diesen rechtlichen Maßstäben ausgehend war es bei dem vom [X.] rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt aus Gründen materiellen Rechts geboten, auch hinsichtlich der weiteren an die [X.] erfolgten Überweisung in Höhe von 50.000 € eine Entscheidung über die Anordnung einer Einziehung zu treffen. Durch die Überweisung von 50.000 € an die [X.] am 6. Januar 2015 übertrug der Angeklagte einen Teil des Wertes der ursprünglich betrügerisch erlangten Kontogutschrift auf die [X.], die sich die Kenntnis des Angeklagten als ihres Geschäftsführers über die Herkunft der überwiesenen Gelder zurechnen lassen muss (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juni 2018 ‒ 4 [X.] Rn. 3) und daher bösgläubig war. Danach liegt es nicht fern, dass hinsichtlich der Überweisung der 50.000 € die Voraussetzungen für eine [X.]einziehung beim Drittbegünstigten nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b, § 73b Abs. 2 StGB gegeben sind. Denn dass die Übertragung des überwiesenen Buchgeldes von einer Entziehungs- oder Vereitelungsmotivation des Angeklagten getragen war, erscheint nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil, die sich zu dieser Frage in keiner Weise verhalten, jedenfalls möglich.

Quentin     

        

     Bender     

        

Bartel

        

Ri[X.] Dr. Maatsch ist wegen
Urlaubs an der Unterschriftsleistung
gehindert.

                          
        

Quentin

        

Scheuß     

        

Meta

4 StR 156/20

03.03.2022

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 29. Juli 2021, Az: 4 StR 156/20, Beschluss

§ 73b Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.03.2022, Az. 4 StR 156/20 (REWIS RS 2022, 3448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3448

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 72/23 (Bundesgerichtshof)

Einziehung eines Bausparguthabens und eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück bei Einziehungsbeteiligtem


5 Ws 59/20 (Oberlandesgericht Hamm)


3 StR 518/19 (Bundesgerichtshof)

Einziehung von Taterträgen aus internationalen Waffengeschäften: Ausdrucke einer E-Mail als präsentes Beweismittel; Verjährung der Erwerbstaten …


4 StR 156/20 (Bundesgerichtshof)

Betrug: Anforderungen an die Bereicherungsabsicht


1 StR 127/20 (Bundesgerichtshof)

Einziehung von Taterträgen: Subventionsbetrug auf Basis fingierter Rechnungen eines Gehilfen an eine GmbH


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.