Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.2012, Az. VI ZR 117/11

6. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6451

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Gegenstand

Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb: Interessenabwägung zum Anspruch eines freien Sporttrainers und ehemaligen Mitarbeiters des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit auf Duldung seiner Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer von Soldaten der Sportfördergruppe der Bundeswehr durch die Bundesrepublik Deutschland


Leitsatz

1. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist nicht auf Gewerbebetriebe im handelsrechtlichen Sinn beschränkt, sondern steht auch den Angehörigen freier Berufe zu (hier: Sporttrainer).

2. Eine Behinderung der Erwerbstätigkeit ist unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Insoweit ist eine umfassende Interessen- und Güterabwägung erforderlich.

3. Zur Interessenabwägung, wenn die Bundesrepublik Deutschland (Bundeswehr) nicht duldet, dass ein freier Sporttrainer, der für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR tätig war, Sportsoldaten trainiert.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 29. März 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der [X.], seine Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer von Soldaten der Sportfördergruppe der [X.] zu dulden.

2

Der Kläger war bis 1998 Spitzensportler im Eiskunstlauf, zunächst in der [X.], später im wiedervereinigten [X.]. Zur [X.] ist er erfolgreicher Eiskunstpaarlauftrainer. Er trainiert seit mehreren Jahren [X.] und [X.], die zwischen 2004 und 2011 zahlreiche nationale und internationale Erfolge im Eiskunstpaarlauf erzielten.

3

Die Beklagte fördert Spitzensportler bei der [X.] nach Maßgabe der "Regelung für die Förderung von Spitzensportlern bei der [X.]" vom 3. Juli 1992. Danach werden Spitzensportler nach der Grundausbildung in [X.] versetzt. Dort machen die militärische Ausbildung 30 % des Dienstes, das sportliche Training und die Wettkämpfe 70 % aus. Die Pläne für das dienstliche Training und die Wettkämpfe erstellen die Bundestrainer oder die von den [X.] beauftragten Trainer, nicht die Beklagte.

4

Aufgrund seiner Bewerbung vom 23. Mai 2003 war der Kläger seit dem 1. August 2003 Sportsoldat im Dienstrang eines Stabsunteroffiziers im [X.] auf [X.] bei der Sportfördergruppe der [X.] in der Funktion eines Eiskunstpaarlauftrainers. Mit Bescheid vom 31. März 2006 wurde der Kläger aus dem [X.] entlassen. Er hatte bei seiner Einstellung und bei seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf [X.] auf Fragebögen die Fragen nach einer Tätigkeit für das [X.] der ehemaligen [X.] wahrheitswidrig verneint. Die verwaltungsgerichtliche Klage des [X.] gegen seine Entlassung hatte (bisher) keinen Erfolg.

5

Nach seiner Entlassung aus der [X.] akkreditierte die [X.] ([X.]) als der [X.] in [X.] den Kläger zeitweise nicht mehr als Trainer und lehnte eine Zusammenarbeit mit ihm ab. In der Folge einigten sich der Verband und der Kläger im Rahmen mehrerer gerichtlicher Verfahren, dass dieser als Trainer des genannten [X.] tätig blieb. Der Kläger trainierte außerdem auch ausländische Eiskunstlaufpaare. Auf eine Anfrage des [X.] vom 31. Januar 2007 bei dem zuständigen [X.], ob Bedenken dagegen bestünden, dass er "als Trainer tätig ist, sofern die von ihm trainierten Sportler Angehörige der Sportfördergruppe sind und (er) vom Verband als verantwortlicher Trainer benannt wird", antwortete das zuständige [X.] im September 2007, dass der Befehlshaber in diesem Wehrbereich ein Training der Sportsoldaten seines Kommandos im Dienst durch den Kläger nicht zulassen werde; zur Begründung wurde auf die Entlassungsverfügung vom 31. März 2006 und auf einen Beschwerdebescheid vom 5. Mai 2006 Bezug genommen.

6

Der Eiskunstpaarläufer [X.] war seit [X.] 2003 Sportsoldat auf [X.] im Dienste der [X.]. Er hielt an dem Kläger als Trainer fest. Da die [X.] für ihn zunächst keinen verantwortlichen Trainer benannte (und für ihn kein Bundestrainer zur Verfügung stand) - was Voraussetzung für den Dienst als Sportsoldat ist -, wurde das [X.] zwischen [X.] und der [X.] nicht mehr verlängert und endete damit im [X.] 2006. Sein Antrag vom 3. September 2009 auf Wiedereinstellung, den die [X.] und der [X.] ([X.]) befürworteten, wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass mit dem Kläger als selbstgewähltem Privattrainer kein Bundestrainer bzw. kein von einem Spitzenverband beauftragter Trainer benannt worden sei.

7

In diesem Rechtsstreit hat der Kläger zuletzt begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihn als Eiskunstlauftrainer von Soldaten der Sportfördergruppe, Disziplin Paarlauf, zu dulden, sofern Sportsoldaten ihn als Trainer haben oder wählen, er vom Spitzenverband beauftragt ist und der [X.] seine Tätigkeit befürwortet.

8

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte auf die Berufung des [X.] antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

I.

9

Das Berufungsgericht, dessen Urteil vom 29. März 2011 ([X.] - 6 U 66/10) in juris veröffentlicht ist, führt im Wesentlichen aus:

Das in der Berufungsinstanz verfolgte [X.] des [X.] sei unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs der [X.] in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des [X.] berechtigt (§ 823 Abs. 1, §§ 31, 89, 1004 Abs. 1 BGB). Die Beklagte greife in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des [X.] ein, wenn sie nicht dulde, dass der Kläger [X.] trainiere. Die Beklagte könne sich hierfür auf rechtfertigende Umstände bzw. die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht berufen.

Das Verhalten der [X.] stelle einen [X.] Eingriff in den geschützten betrieblichen Bereich des [X.] dar. Der Kläger sei, seitdem er nicht mehr Sportsoldat sei, selbstständiger Trainer und Lehrer und erziele mit dieser Tätigkeit Einkünfte. Er übe zu Erwerbszwecken die Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer freiberuflich aus. Auch Angehörige freier Berufe könnten sich auf den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB berufen.

Das Verhalten der [X.] stelle einen unmittelbaren [X.] Eingriff dar. Der Umstand, dass die Beklagte ein Training von [X.] durch den Kläger nicht dulde oder dulden werde, stelle eine zielgerichtete Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen des [X.] zu seinen Auftraggebern dar. Die Beklagte habe zweifelsfrei die Absicht, einem [X.], der bei dem Kläger trainieren wolle, dies zu untersagen und ein entsprechendes Verhalten entweder disziplinarrechtlich durchzusetzen oder aber ihn, wenn er sich nicht daran halten wolle, aus der Sportfördergruppe zu entlassen, ferner einen Sportler nicht in die Sportfördergruppe aufzunehmen, wenn er beim Kläger trainieren sollte. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie sich [X.] gegenüber anders verhalten werde, als sie es dem Kläger gegenüber angekündigt habe.

Es spreche alles dafür, dass auf Seiten der [X.], die in der Disziplin Eiskunstlauf trainierten, und auch auf Seiten der sportlichen Spitzenverbände ein Interesse bestehe, dass der Kläger als Trainer von [X.] tätig werde. Er trainiere die mit Abstand erfolgreichsten [X.] Sportler im Eiskunstlauf. Der Kläger müsse nicht im Einzelnen darlegen, welches Mitglied der Sportfördergruppe konkret an ihn herangetreten sei. Es reiche aus darzulegen, dass es sich bei den [X.] potentiell um solche Athleten handele, durch deren Training der Kläger Einkünfte erzielen könnte, und dass dafür, dass er hier Aufträge erhalten könnte, eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche bzw. dass seine Aussichten auf Aufträge nicht rein hypothetischer Natur seien.

Der Kläger sei Trainer für Spitzensportler im Eiskunstlauf. Die potentiellen Kunden des [X.] stünden angesichts der Tatsache, dass alle Spitzensportler - außer dem vom Kläger trainierten [X.] - in diesem Bereich [X.] seien, im Dienst der [X.]. Der Sache nach verschließe die Beklagte dem Kläger einen Markt an Nachfragern, weil [X.] nur unter Inkaufnahme empfindlicher wirtschaftlicher Nachteile seine Leistungen in Anspruch nehmen könnten. Die Nachfrager der Leistungen des [X.] seien die [X.], sofern sie ihn direkt entlohnen sollten, bzw. auch die Spitzenverbände, sofern diese beabsichtigen, den Kläger für das Training von [X.] zu bezahlen.

Die Beklagte, die ihr Rechtsverhältnis zum Kläger durch die fristlose Entlassung beendet habe, setze mit der von ihr mit der vorliegenden Klage angegriffenen Maßnahme ihre Entscheidung, sich von dem Kläger zu trennen, mit Wirkung sowohl gegenüber den bei ihr tätigen [X.] als auch gegenüber den [X.] des Sports durch. Die Frage, ob hierin ein klassischer Boykott oder ein einfacher Boykott zu sehen sei, müsse nicht abschließend entschieden werden. Jedenfalls stelle das Verhalten der [X.] einen zielgerichteten Eingriff in die Erwerbsmöglichkeiten des [X.] dar, weil [X.], die ihre durch den Soldatenstatus begründete Existenzsicherung nicht verlieren wollten, beim Kläger nicht trainieren könnten.

Nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien sehe der Senat die Verhaltensweise der [X.] nicht als gerechtfertigt an.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des [X.] gegen die Beklagte, seine Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer von [X.] unter den im Tenor des Berufungsurteils genannten Voraussetzungen nicht zu behindern, ohne Rechtsfehler bejaht.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das vom Kläger beanstandete Verhalten der [X.] einen Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt und daher zu unterlassen ist (§ 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB).

1. Nach der Rechtsprechung des [X.] wird der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen [X.] darstellt, gewährt. Das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb wird durch § 823 Abs. 1 BGB nicht nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche [X.] zu rechnen ist, vor unmittelbaren Störungen bewahrt. Unter dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur Betriebsräume und -grundstücke, Maschinen und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte, sondern auch Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Außenstände. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb von der Rechtsprechung gewährten und nach und nach erweiterten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben (Senatsurteil vom 9. Dezember 1958 - [X.], [X.], 65, 69 f.). Das Recht am Unternehmen ist dabei nicht auf Gewerbebetriebe im handelsrechtlichen Sinn beschränkt, sondern steht auch den Angehörigen freier Berufe zu ([X.]/[X.], 5. Aufl., § 823 Rn. 192 [X.]).

Danach trifft die Auffassung des Berufungsgerichts zu, dass der Kläger sich, sofern seine Tätigkeit als freier Sporttrainer, der mit dieser Tätigkeit Einkünfte erzielt, in Frage steht, grundsätzlich gegen eine Beeinträchtigung seines Unternehmens nach § 823 Abs. 1 BGB unter Berufung auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zur Wehr setzen kann.

2. Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen welche § 823 Abs. 1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die irgendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen (Senatsurteil vom 9. Dezember 1958, aaO, [X.]). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur einzelne Geschäftsaktivitäten des Unternehmens beeinträchtigt werden (vgl. etwa [X.], Urteil vom 24. Februar 1983 - [X.], NJW 1983, 2195, 2196).

Danach beurteilt das Berufungsgericht das vom Kläger beanstandete Verhalten der [X.] ohne Rechtsfehler als betriebsbezogen. Die Beklagte will nicht dulden, dass Sportler, die von dem Kläger trainiert werden, [X.] sind. Zutreffend stellt das Berufungsgericht insoweit darauf ab, dass die Beklagte dem Kläger auf dessen Anfrage hin mitgeteilt hat, Generalmajor [X.] werde es nicht dulden, dass der Kläger [X.] seines [X.] im Dienst trainiere. Aus dieser Mitteilung ist nach der bedenkenfreien Feststellung des Berufungsgerichts die Absicht der [X.] zu entnehmen, einem [X.], der bei dem Kläger trainieren wolle, dies zu untersagen und ein entsprechendes Verhalten entweder disziplinarrechtlich durchzusetzen oder aber ihn, wenn er sich nicht daran halten will, aus der Sportfördergruppe zu entlassen. Das Berufungsgericht entnimmt dem ferner zutreffend die Absicht, einen Sportler nicht in die Sportfördergruppe aufzunehmen, wenn er den Kläger als Trainer wählen sollte. Dass die Beklagte gewillt ist, ihre Absicht durchzusetzen, zeigt der Fall des Eiskunstläufers [X.].

Durch dieses Vorgehen wird die Tätigkeit des [X.] als freier Sporttrainer erheblich beeinträchtigt. Das [X.] ist ein wichtiger Teil der Förderung von Sportlern durch den [X.] Staat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgt die staatliche Sportförderung - neben der Förderung durch die Polizei und durch den Zoll - durch die [X.]. Die [X.] beziehen einen Sold, leisten nur in geringfügigem Umfang militärischen Dienst und bringen den überwiegenden Teil ihrer Dienstzeit im Training zu. Auf diese Weise erhalten sie ein regelmäßiges Einkommen und eine [X.] Absicherung, die es ihnen ermöglicht, ohne auf eine Berufstätigkeit zum Lebensunterhalt angewiesen zu sein, Sport auf hohem Niveau zu betreiben. Der Wintersport ist ein Schwerpunkt dieser Art von Sportförderung. Nach dem unbestrittenen Vortrag des [X.] wird der Eiskunstlauf in [X.] nur auf diese Weise gefördert. Alle Spitzensportler in diesem Bereich sind [X.] mit Ausnahme des [X.]s, das der Kläger trainiert. Die potentiellen Kunden des [X.], also die Spitzensportler, auf die er nach seiner Qualifikation als Trainer ausgerichtet ist, stehen mithin jedenfalls zu einem ganz erheblichen Teil im Dienst der [X.].

Nach Auffassung der [X.] dürfen Sportler, die den Kläger als Trainer wählen, dadurch gemaßregelt werden, dass ihnen die Möglichkeit, Sportsoldat zu sein, verwehrt wird, so dass sie nicht in den Genuss der damit verbundenen oben beschriebenen Vorteile kommen und die Kosten für die Beschäftigung des [X.] aus anderweit erzielten Einnahmen finanzieren müssen, soweit ihnen dies überhaupt möglich ist. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, der Sache nach verschließe die Beklagte dem Kläger einen Markt an Nachfragern, weil [X.] nur unter Inkaufnahme empfindlicher wirtschaftlicher Nachteile seine Leistungen in Anspruch nehmen könnten; die Nachfrager der Leistungen des [X.] sind die [X.], sofern sie ihn direkt entlohnen sollten, bzw. auch die Spitzenverbände, sofern diese beabsichtigen, den Kläger für das Training von [X.] zu bezahlen.

Es mag sein, dass den mehrmaligen [X.] Meistern, Europameistern und Weltmeistern [X.] und [X.] eine solche Finanzierung aus sonstigen Einnahmen möglich ist und der Kläger durch seine Tätigkeit für diese die Einkünfte erzielt, die er auch hätte, wenn [X.] Sportsoldat wäre. Zutreffend stellt das Berufungsgericht aber darauf ab, dass das Verhalten der [X.] einen Abschreckungseffekt auf solche Sportler ausübt, die Spitzenleistungen erst in Zukunft noch erzielen wollen und die auf die Einkünfte als Sportsoldat nicht verzichten können. Diesen wird die Inanspruchnahme des [X.] als internationalem Spitzentrainer faktisch unmöglich gemacht. Dessen Unternehmen wird insoweit erheblich beeinträchtigt. Dass er durch anderweite Trainingstätigkeit gegebenenfalls auskömmliche Erträge erzielen kann, ist nicht entscheidend.

3. Die Revision wendet sich gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass im Streitfall wohl ein "Boykott" der [X.] gegen den Kläger vorliege. Darauf und auf die Frage, ob ein Boykott "im Rechtssinne" oder ein "einfacher" Boykott vorliegt, kommt es indes nicht an. Ein Eingriff in den Gewerbebetrieb kann auch bei boykottähnlichen Maßnahmen, zu denen das Verhalten der [X.] im Streitfall zweifellos gehört, vorliegen. Entscheidend ist insoweit nur, dass die unternehmerische Tätigkeit des Betroffenen beeinträchtigt wird. Dabei muss im Auge behalten werden, dass mit der Qualifizierung eines Verhaltens als "Boykott" oder boykottähnlich noch nichts über dessen Rechtswidrigkeit gesagt ist. In einer freien Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung können Boykottaufrufe oder boykottähnliche Maßnahmen vielfach gerechtfertigt sein, wenn sie auf wahre Tatsachen und ausreichend sachlich motivierte Gründe gestützt sind (vgl. [X.]/[X.], aaO; Rn. 215 ff.).

4. Da danach die objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen, ist - wie auch im Berufungsurteil geschehen - zu prüfen, ob das Verhalten der [X.] als rechtswidrig zu qualifizieren ist. Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben (vgl. Senatsurteile vom 13. März 1979 - [X.], [X.]Z 74, 9, 14; vom 7. Februar 1984 - VI ZR 193/82, [X.]Z 90, 113, 124 f.; vom 21. April 1998 - [X.], [X.]Z 138, 311, 318 jew. [X.]). Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (ähnlich wie beim Persönlichkeitsrecht, vgl. etwa Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - [X.], [X.]Z 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - [X.], [X.], 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II; vom 20. April 2010 - [X.], [X.], 2728 Rn. 12, jeweils [X.]).

Hier ergibt die Abwägung, dass das Schutzinteresse des [X.] überwiegt. Dabei sind folgende Umstände von Bedeutung:

a) Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte ihre Entscheidung, den Kläger nicht als Trainer von [X.] zu dulden, auf dessen falsche Angaben bei seiner Einstellung und auch auf seine Tätigkeit für das [X.] als solche gestützt hat. Es kann auch unterstellt werden, dass die wahrheitswidrige Verneinung einer Tätigkeit für das [X.] aus soldatenrechtlicher Sicht die Entlassung des [X.] als Sportsoldat gerechtfertigt hat. Diese Umstände können in die Abwägung eingestellt und es kann zugrunde gelegt werden, dass ihre Berücksichtigung entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht entsprechend § 21 Abs. 3 Satz 1 und 3 [X.] ausgeschlossen ist.

b) Die Abwägung hat sich nicht daran zu orientieren, welche Maßnahmen die Beklagte gegen eine Beschäftigung des [X.] in ihrem Zuständigkeits- und Direktionsbereich ([X.]) mit Blick auf dessen Tätigkeit für das [X.] ergreifen durfte. Der Kläger beanstandet im vorliegenden Rechtsstreit nicht die gegen ihn ergriffenen dienstrechtlichen Maßnahmen. Er beanstandet lediglich, dass die Beklagte eine Tätigkeit verhindert, bezüglich der die von der [X.] herangezogenen dienstrechtlichen Gesichtspunkte weitgehend zurücktreten, weil es nicht um die militärische Aus- und Weiterbildung, sondern um das "sportliche Training/Wettkampf" der [X.] geht, für das die Bundestrainer oder die von den [X.] beauftragten Trainer verantwortlich sind (vgl. Nr. 13, 16 und 17 der Regelung für die Förderung von Spitzensportlern bei der [X.] vom 17. Mai 1991 - [X.]. 1992, 257). Dieser Bereich ist im [X.] Sportförderung durch das [X.]" von dem soldatenrechtlichen Direktionsbereich der [X.] weitgehend getrennt. Die Ausgestaltung des Sporttrainings obliegt den zuständigen Sportverbänden und dem Sportler selbst. Das Training findet in der Regel nicht in der Kaserne, sondern in den Olympiastützpunkten bzw. Leistungszentren der Spitzenverbände im In- und Ausland statt (vgl. Nr. 18 Abs. 1 Satz 1 der vorgenannten Regelung).

c) Ein überwiegendes Schutzinteresse der [X.] könnte nur bejaht werden, wenn durch die Tolerierung der Tätigkeit des [X.] als Trainer von [X.] rechtlich erhebliche Interessen, insbesondere das Ansehen der [X.] in nennenswerter Weise beeinträchtigt sein könnte. Die Behinderung der Berufsausübung des [X.] in dem der [X.] fern liegenden Bereich des sportlichen Trainings müsste aus in der Person des [X.] liegenden, die rechtlich geschützten Interessen der [X.] gefährdenden Gründen als gerechtfertigt erscheinen. Dies ist indes nicht der Fall.

aa) Die Tätigkeit des [X.] für das [X.] der ehemaligen [X.] und die falschen Angaben anlässlich seiner Einstellung als Sportsoldat dürfen keineswegs bagatellisiert werden. Doch liegt dieses Verhalten Jahre zurück. Das Gewicht derartiger Verfehlungen für die heutige Beurteilung der Persönlichkeit nimmt mit zunehmendem Abstand von dem [X.] [X.] ab; Haltung und Leistung nach der [X.] können mehr und mehr in den Vordergrund treten.

bb) Der Kläger wurde in das [X.] [X.] in jungen Jahren verstrickt. [X.] Schaden hat er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht angerichtet.

cc) Nach der [X.] war der Kläger zwölf Jahre als Sportsoldat für die Beklagte tätig. Er ist für treue Dienste und überdurchschnittliche Leistungen mehrfach von der [X.] ausgezeichnet worden. Er hat für die Bundesrepublik [X.] als Sportler und Trainer bedeutende internationale Erfolge erzielt und dadurch für das Ansehen der Bundesrepublik [X.] Erhebliches geleistet.

dd) Die für den Eislaufsport zuständigen [X.] Spitzenverbände haben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Einwände mehr dagegen, dass der Kläger Spitzensportler trainiert. Die [X.]kommission des [X.] hat die Teilnahme des [X.] an den [X.] in [X.] befürwortet. Deren damaliger Vorsitzender hat bereits einige Jahre zuvor die Weiterbeschäftigung des [X.] als Trainer befürwortet.

ee) Unter diesen Umständen ist die Beklagte nicht berechtigt, den Kläger vom Training ihrer [X.] auszuschließen. Eine rechtlich beachtliche Beeinträchtigung des Ansehens der [X.] dadurch, dass der Kläger als freier Trainer [X.] trainiert, ist bei unvoreingenommener, vernünftiger Betrachtung nicht ersichtlich und liegt auch angesichts des Werdegangs des [X.] nach der [X.] und der für ihn sprechenden positiven Umstände fern.

[X.]                                                     Zoll                                                    Wellner

                            Stöhr                                                   von [X.]

Meta

VI ZR 117/11

15.05.2012

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 29. März 2011, Az: 6 U 66/10, Urteil

§ 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.2012, Az. VI ZR 117/11 (REWIS RS 2012, 6451)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6451

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