Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. VI ZR 117/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6423

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/11
Verkündet am:

15. Mai 2012

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

BGB § 823 Abs. 1 Ai, § 1004 Abs. 1
a)
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist nicht auf Gewerbebetriebe im handelsrechtlichen Sinn beschränkt, sondern steht auch den Angehörigen freier Berufe zu (hier: Sporttrainer).
b)
Eine Behinderung der Erwerbstätigkeit ist unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Insoweit ist eine umfassende Interessen-
und Güterabwägung erforderlich.
c)
Zur Interessenabwägung, wenn die [X.] (Bun-deswehr) nicht duldet, dass ein freier Sporttrainer, der für das [X.] der ehemaligen [X.] tätig war, Sportsoldaten trainiert.
[X.], Urteil vom 15. Mai 2012 -
VI [X.]/11 -
OLG [X.]

LG [X.] (Oder)
-

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-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
15.
Mai
2012
durch den Vorsitzenden [X.],
die
Richter Zoll,

Wellner
und
Stöhr
und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Die Revision gegen
das Urteil des 6.
Zivilsenats des Brandenbur-gischen Oberlandesgerichts vom 29.
März
2011
wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger begehrt von
der
[X.],
seine Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer von Soldaten der Sportfördergruppe der [X.]
zu dulden.
Der Kläger war bis 1998 Spitzensportler im Eiskunstlauf, zunächst in der [X.], später im wiedervereinigten [X.]. Zur [X.] ist er erfolgreicher [X.]. Er trainiert seit mehreren Jahren [X.] und [X.], die zwischen 2004 und 2011 zahlreiche nationale und interna-tionale Erfolge im [X.] erzielten.
Die Beklagte
fördert Spitzensportler bei der [X.] nach Maßgabe der "Regelung für die Förderung von Spitzensportlern bei der [X.]" vom 3.
Juli 1992. Danach werden Spitzensportler nach der Grundausbildung in 1
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Sportfördergruppen versetzt. Dort machen die militärische Ausbildung 30
% des Dienstes, das sportliche Training und die Wettkämpfe 70
% aus. Die Pläne für das dienstliche Training und die Wettkämpfe erstellen
die Bundestrainer oder die von den [X.] beauftragten Trainer, nicht die Beklagte.
Aufgrund seiner Bewerbung vom 23. Mai 2003 war der Kläger seit dem 1. August 2003 Sportsoldat im Dienstrang eines Stabsunteroffiziers im [X.] auf [X.] bei der Sportfördergruppe der [X.] in der Funkti-on eines [X.]trainers. Mit Bescheid vom 31. März 2006 wurde der Kläger aus dem Soldatenverhältnis
entlassen. Er hatte bei seiner Einstellung und bei seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf [X.] auf Fragebögen die Fragen nach einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssi-cherheit der ehemaligen [X.] wahrheitswidrig verneint. Die verwaltungsgericht-liche Klage des [X.] gegen seine Entlassung hatte (bisher) keinen Erfolg.
Nach seiner Entlassung aus der [X.] akkreditierte die [X.]
([X.])
als der [X.] in [X.] den Kläger zeitweise nicht mehr als Trainer und [X.] eine Zusammenarbeit mit ihm ab. In
der Folge
einigten sich der Verband und der Kläger im Rahmen mehrerer
gerichtlicher Verfahren, dass dieser als Trainer des genannten [X.] tätig blieb. Der Kläger trainierte außerdem auch ausländische Eiskunstlaufpaare. Auf eine Anfrage des [X.] vom 31.
Januar 2007 bei dem
zuständigen
Wehrbereichskommando, ob Bedenken dagegen bestünden, dass er "als Trainer tätig ist, sofern die von ihm trainierten Sportler Angehörige der Sportfördergruppe sind und (er) vom Verband als ver-antwortlicher Trainer benannt wird", antwortete das zuständige [X.] im September 2007, dass der Befehlshaber in diesem Wehrbereich ein Training der Sportsoldaten seines Kommandos im Dienst durch den Kläger nicht zulassen werde;
zur Begründung wurde auf die Entlassungsverfügung 4
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vom 31.
März 2006 und auf einen Beschwerdebescheid vom 5.
Mai 2006 [X.] genommen.
Der Eiskunstpaarläufer [X.] war seit [X.] 2003 Sportsoldat auf [X.] im Dienste der [X.]. Er hielt an dem Kläger als Trainer fest. Da die [X.]
für ihn zunächst keinen verantwortlichen Trainer benannte
(und für ihn kein Bundestrainer zur Verfügung stand) -
was
Voraus-setzung für den
Dienst als Sportsoldat ist
-, wurde das Soldatenverhältnis zwi-schen [X.] und der [X.]
nicht mehr verlängert
und endete damit im [X.] 2006. Sein Antrag vom 3. September 2009
auf Wiedereinstel-lung, den
die
Deutsche
Eislauf-Union und der
Deutsche
Olympische
Sportbund ([X.]) befürworteten,
wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass mit dem Kläger als selbstgewähltem Privattrainer kein Bundestrainer bzw. kein von einem Spitzenverband beauftragter Trainer benannt worden sei.
In diesem Rechtsstreit hat der Kläger zuletzt begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihn
als Eiskunstlauftrainer von Soldaten der Sportfördergruppe, [X.] Paarlauf, zu dulden, sofern Sportsoldaten ihn als Trainer haben oder wäh-len,
er vom Spitzenverband beauftragt ist und der [X.] seine
Tätigkeit befür-wortet.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte auf die Berufung des [X.] antragsgemäß verurteilt.
Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte
ihren Antrag auf
Klageabweisung
weiter.

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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil vom 29. März 2011 ([X.] -
6 [X.])
in juris veröffentlicht ist,
führt im Wesent-lichen
aus:
Das in der Berufungsinstanz verfolgte [X.] des [X.] sei unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs der [X.] in den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb
des [X.] berechtigt (§
823 Abs.
1, §§
31, 89, 1004 Abs.
1 BGB). Die Beklagte greife in den eingerichteten und ausgeüb-ten Gewerbebetrieb des [X.] ein, wenn sie nicht dulde, dass der Kläger Sportsoldaten trainiere. Die Beklagte könne sich hierfür auf rechtfertigende Um-stände bzw. die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht berufen.
Das Verhalten der [X.] stelle
einen betriebsbezogenen
Eingriff in den geschützten betrieblichen Bereich des [X.] dar. Der Kläger sei, seitdem er nicht mehr Sportsoldat sei, selbstständiger
Trainer und Lehrer
und
erziele mit dieser Tätigkeit Einkünfte. Er übe zu Erwerbszwecken die Tätigkeit als Eis-kunstlauftrainer freiberuflich aus. Auch Angehörige freier Berufe könnten sich auf den Schutz des §
823 Abs.
1 BGB berufen.
Das Verhalten der [X.] stelle einen unmittelbaren betriebsbezoge-nen Eingriff dar.
Der Umstand, dass die Beklagte ein Training von Sportsolda-ten durch den Kläger nicht dulde oder dulden werde, stelle eine zielgerichtete Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen des [X.] zu seinen [X.] dar. Die Beklagte habe zweifelsfrei die Absicht, einem Sportsoldaten, der bei dem Kläger trainieren wolle, dies zu untersagen und ein entsprechendes Verhalten entweder disziplinarrechtlich durchzusetzen oder aber ihn, wenn er 9
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sich nicht daran halten wolle, aus der Sportfördergruppe zu entlassen, ferner einen Sportler nicht in die Sportfördergruppe aufzunehmen, wenn er beim Klä-ger trainieren sollte. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie sich Sportsoldaten gegenüber anders verhalten werde, als sie es dem Kläger ge-genüber angekündigt habe.
Es spreche alles dafür, dass auf Seiten der
Sportsoldaten, die in der [X.] Eiskunstlauf trainierten, und auch auf Seiten der sportlichen Spitzenver-bände ein Interesse bestehe, dass der Kläger als Trainer von Sportsoldaten tätig werde. Er trainiere die mit Abstand erfolgreichsten [X.] Sportler im Eiskunstlauf. Der Kläger müsse nicht im Einzelnen darlegen, welches Mitglied der Sportfördergruppe konkret an ihn herangetreten sei. Es reiche aus
darzule-gen, dass es sich bei den Sportsoldaten potentiell um solche Athleten handele, durch deren Training der Kläger Einkünfte erzielen könnte, und dass dafür, dass er hier Aufträge erhalten könnte, eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche bzw. dass seine
Aussichten auf Aufträge nicht rein hypothetischer Natur seien.
Der Kläger sei Trainer für Spitzensportler im Eiskunstlauf. Die potentiel-len Kunden des [X.] stünden
angesichts der Tatsache, dass alle Spitzen-sportler -
außer dem vom Kläger trainierten
Eiskunstlaufpaar
-
in diesem Be-reich Sportsoldaten
seien, im Dienst der [X.].
Der Sache nach [X.] die Beklagte dem Kläger einen Markt an Nachfragern, weil Sportsoldaten nur unter Inkaufnahme empfindlicher wirtschaftlicher Nachteile seine Leistun-gen in Anspruch nehmen könnten. Die Nachfrager der Leistungen des [X.] seien die Sportsoldaten, sofern sie ihn direkt entlohnen sollten, bzw. auch die Spitzenverbände, sofern diese beabsichtigen, den Kläger für das Training von Sportsoldaten zu bezahlen.
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Die Beklagte, die ihr Rechtsverhältnis zum Kläger durch die fristlose [X.] beendet habe, setze mit der von ihr mit der vorliegenden Klage ange-griffenen Maßnahme ihre Entscheidung, sich von dem Kläger zu trennen, mit Wirkung sowohl gegenüber den bei ihr tätigen Sportsoldaten als auch gegen-über den [X.] des Sports durch. Die Frage, ob hierin
ein [X.] Boykott oder ein einfacher Boykott
zu sehen sei, müsse nicht abschlie-ßend entschieden werden. Jedenfalls stelle das Verhalten der
[X.] einen zielgerichteten Eingriff in die Erwerbsmöglichkeiten des [X.] dar, weil Sportsoldaten, die ihre durch den Soldatenstatus begründete Existenzsicherung nicht verlieren wollten, beim Kläger nicht trainieren könnten.
Nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien sehe der Senat die Verhaltensweise der [X.] nicht als gerechtfertigt an.
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II.
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des [X.] gegen die Beklagte, seine Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer von Sportsoldaten unter den im Tenor des Berufungsurteils genannten Vorausset-zungen
nicht zu behindern, ohne Rechtsfehler bejaht.
Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des [X.], dass das vom Kläger beanstandete Verhalten der [X.] ei-nen Eingriff in dessen
eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb darstellt und daher zu unterlassen ist (§
823 Abs.
1, §
1004 Abs.
1 BGB).
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1.
Nach der Rechtsprechung des [X.] wird der Schutz des §
823 Abs.
1 BGB gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichte-ten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen [X.] darstellt, gewährt.
Das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb wird durch §
823 Abs.
1 BGB
nicht nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der [X.] gewerbliche [X.] zu rechnen ist, vor unmittelbaren Störungen bewahrt. Unter dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne des §
823 Abs.
1 BGB ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur Betriebs-räume und -grundstücke, Maschinen und Gerätschaften, [X.] und Warenvorräte, sondern auch Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Außenstände. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbe-trieb von der Rechtsprechung gewährten und nach und nach erweiterten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionie-ren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben (Senatsurteil vom 9. [X.] 1958 -
VI
ZR 199/57, [X.]Z 29, 65, 69
f.). Das Recht am Unternehmen ist dabei nicht auf Gewerbebetriebe im handelsrechtlichen Sinn beschränkt, sondern steht auch
den Angehörigen freier Berufe
zu
([X.]/
Wagner, 5.
Aufl., §
823 Rn.
192 mwN).
Danach trifft die Auffassung des Berufungsgerichts zu, dass der Kläger sich, sofern seine Tätigkeit als freier Sporttrainer, der mit dieser Tätigkeit [X.] erzielt,
in Frage steht, grundsätzlich gegen eine Beeinträchtigung seines Unternehmens nach §
823 Abs.
1 BGB unter Berufung auf das Recht am einge-richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zur Wehr setzen kann.
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2.
Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen welche §
823 Abs.
1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen,
die ir-gendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen (Senatsurteil vom 9. Dezember 1958, aaO, S.
74).
Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur einzelne Geschäftsaktivitäten des Unternehmens beeinträchtigt werden (vgl. etwa [X.], Urteil vom 24. Februar 1983 -
I
ZR 207/80, NJW
1983, 2195, 2196).
Danach beurteilt das Berufungsgericht das vom Kläger beanstandete Verhalten der [X.] ohne Rechtsfehler als betriebsbezogen. Die Beklagte will nicht dulden, dass Sportler, die von dem Kläger trainiert werden, [X.] sind. Zutreffend stellt das Berufungsgericht insoweit darauf ab, dass die Beklagte dem Kläger auf dessen Anfrage hin mitgeteilt hat, Generalmajor [X.] werde es nicht dulden, dass der Kläger Sportsoldaten seines Kommandobe-reichs im Dienst trainiere. Aus dieser Mitteilung ist nach der bedenkenfreien Feststellung des Berufungsgerichts die Absicht der [X.] zu entnehmen, einem Sportsoldaten, der bei dem Kläger trainieren wolle, dies zu untersagen und ein entsprechendes Verhalten entweder disziplinarrechtlich durchzusetzen oder aber ihn, wenn er sich
nicht daran halten will, aus der Sportfördergruppe zu entlassen. Das Berufungsgericht entnimmt dem ferner zutreffend die [X.], einen Sportler nicht in die Sportfördergruppe aufzunehmen, wenn er den
Kläger als Trainer wählen sollte. Dass die Beklagte gewillt ist, ihre Absicht durchzusetzen, zeigt der Fall des Eiskunstläufers [X.].

Durch dieses Vorgehen wird die Tätigkeit des [X.] als freier Sport-trainer erheblich beeinträchtigt. Das [X.] ist ein wichtiger Teil der Förderung von Sportlern durch den [X.] Staat. Nach den Fest-stellungen des Berufungsgerichts erfolgt die
staatliche Sportförderung -
neben 21
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der Förderung durch die Polizei und durch den Zoll
-
durch die [X.].
Die Sportsoldaten
beziehen einen Sold, leisten nur in geringfügigem Umfang militä-rischen Dienst und bringen den überwiegenden Teil ihrer Dienstzeit im Training zu. Auf diese Weise erhalten sie ein regelmäßiges Einkommen und eine [X.] Absicherung, die es ihnen ermöglicht, ohne auf eine Berufstätigkeit zum Le-bensunterhalt angewiesen zu sein, Sport auf hohem Niveau zu betreiben. Der Wintersport ist ein Schwerpunkt dieser Art von
Sportförderung.
Nach dem un-bestrittenen Vortrag des [X.] wird der Eiskunstlauf in [X.] nur auf diese Weise gefördert. Alle Spitzensportler in diesem Bereich sind Sportsolda-ten
mit
Ausnahme des
Eiskunstlaufpaars, das
der Kläger trainiert. Die potentiel-len Kunden des [X.], also die Spitzensportler, auf die er nach seiner Qualifi-kation als Trainer ausgerichtet ist, stehen
mithin
jedenfalls zu einem ganz er-heblichen Teil
im Dienst der [X.].
Nach Auffassung der [X.] dürfen Sportler, die den Kläger als [X.] wählen, dadurch gemaßregelt
werden, dass ihnen die Möglichkeit, Sport-soldat zu sein, verwehrt
wird,
so dass sie nicht in den Genuss der damit ver-bundenen oben beschriebenen
Vorteile
kommen
und die Kosten für die Be-schäftigung des [X.] aus anderweit erzielten Einnahmen finanzieren müs-sen, soweit ihnen dies überhaupt möglich ist. Mit Recht führt das Berufungsge-richt aus, der Sache nach verschließe die Beklagte dem Kläger einen Markt an Nachfragern, weil Sportsoldaten nur unter Inkaufnahme empfindlicher wirt-schaftlicher Nachteile seine Leistungen in Anspruch nehmen könnten; die Nachfrager der Leistungen des [X.] sind die Sportsoldaten, sofern sie ihn direkt entlohnen sollten, bzw. auch die Spitzenverbände, sofern diese beabsich-tigen, den Kläger für das Training von Sportsoldaten zu bezahlen.
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-

Es mag sein, dass den mehrmaligen [X.] Meistern, Europameis-tern und Weltmeistern [X.] und [X.] eine solche [X.] aus sonstigen Einnahmen möglich ist und der Kläger
durch seine Tätigkeit für diese
die Einkünfte erzielt, die er auch hätte, wenn [X.] Sportsoldat wäre. Zutreffend stellt das Berufungsgericht aber darauf ab, dass das Verhalten der [X.] einen Abschreckungseffekt auf solche Sportler ausübt, die Spitzenleistungen erst in Zukunft noch erzielen wollen und die auf die Einkünfte als Sportsoldat nicht verzichten können. Diesen wird die Inan-spruchnahme des [X.] als internationalem Spitzentrainer faktisch unmöglich gemacht.
Dessen Unternehmen wird insoweit erheblich beeinträchtigt. Dass er durch anderweite Trainingstätigkeit gegebenenfalls auskömmliche Erträge [X.] kann, ist nicht entscheidend.
3.
Die Revision wendet sich gegen die Ausführungen des Berufungsge-richts, dass im Streitfall wohl ein "Boykott" der [X.] gegen den [X.]. Darauf und auf die Frage, ob ein Boykott "im Rechtssinne"
oder ein "ein-facher" Boykott vorliegt, kommt es indes nicht an. Ein Eingriff in den Gewerbe-betrieb kann auch bei boykottähnlichen Maßnahmen, zu denen das Verhalten der [X.] im Streitfall zweifellos gehört,
vorliegen. Entscheidend ist inso-weit nur, dass die unternehmerische Tätigkeit des Betroffenen beeinträchtigt wird.
Dabei muss im Auge behalten werden, dass mit der Qualifizierung eines Verhaltens als "Boykott" oder boykottähnlich noch nichts über dessen [X.] gesagt ist. In einer freien Gesellschafts-
und Wirtschaftsordnung kön-nen Boykottaufrufe oder boykottähnliche Maßnahmen vielfach gerechtfertigt sein, wenn sie auf wahre Tatsachen und ausreichend sachlich motivierte Grün-de gestützt sind (vgl. [X.]/Wagner, aaO; Rn.
215
ff.).
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4.
Da danach die objektiven Voraussetzungen für
die Annahme
eines
Eingriffs
in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen, ist
-
wie auch im Berufungsurteil geschehen
-
zu prüfen, ob das Verhalten der [X.] als rechtswidrig zu qualifizieren ist. Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen-
und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden [X.] anderer ergeben (vgl. Senatsurteile
vom 13.
März 1979 -
VI
ZR
117/77, [X.]Z 74, 9, 14; vom 7. Februar 1984 -
VI
ZR 193/82, [X.]Z 90, 113, 124 f.; vom 21.
April 1998 -
VI
ZR
196/97, [X.]Z 138, 311, 318 jew.
mwN).
Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das [X.] des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite über-wiegt (ähnlich wie beim Persönlichkeitsrecht, vgl. etwa Senatsurteile vom 15.
Dezember 2009 -
VI
ZR 227/08, [X.]Z 183, 353 Rn.
11 -
Onlinearchiv I; vom 9.
Februar 2010 -
VI
ZR 243/08, [X.], 673 Rn.
14 -
Onlinearchiv II; vom 20.
April 2010 -
VI
ZR 245/08, [X.], 2728 Rn.
12, jeweils mwN).
Hier ergibt die Abwägung, dass das Schutzinteresse des [X.] über-wiegt.
Dabei sind folgende Umstände von Bedeutung:
a) Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte ihre Ent-scheidung, den Kläger nicht als Trainer von Sportsoldaten zu dulden, auf [X.] falsche Angaben bei seiner Einstellung und auch auf seine Tätigkeit für das [X.] als solche gestützt hat. Es kann auch unterstellt
werden, dass die wahrheitswidrige Verneinung einer Tätigkeit für das [X.] aus soldatenrechtlicher Sicht die Entlassung des [X.] als Sportsoldat gerechtfertigt hat. Diese Umstände können
in die Abwä-gung eingestellt und es kann
zugrunde gelegt werden, dass ihre Berücksichti-gung entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht entsprechend
§
21 Abs.
3 Satz 1 und 3 [X.] ausgeschlossen ist.
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13

-

b) Die Abwägung hat sich nicht daran zu orientieren, welche Maßnah-men die Beklagte gegen eine Beschäftigung des [X.] in ihrem Zuständig-keits-
und Direktionsbereich ([X.]) mit Blick auf dessen Tätigkeit für das [X.] ergreifen durfte. Der Kläger beanstandet im vorliegenden Rechtsstreit nicht die gegen ihn ergriffenen dienstrechtlichen Maßnahmen. Er beanstandet lediglich, dass die Beklagte eine Tätigkeit verhin-dert, bezüglich der die von der [X.] herangezogenen dienstrechtlichen Gesichtspunkte weitgehend
zurücktreten, weil
es nicht um die militärische Aus-
und Weiterbildung, sondern um
das "sportliche Training/Wettkampf"
der Sportsoldaten
geht, für das die Bundestrainer oder die von den [X.] beauftragten Trainer
verantwortlich
sind
(vgl. Nr.
13, 16 und 17 der Rege-lung für die Förderung von Spitzensportlern bei der [X.]
vom 17.
Mai 1991 -
VMBl. 1992, 257). Dieser Bereich ist im System der Sportförderung durch das [X.]" von dem soldatenrechtlichen [X.] der [X.] weitgehend getrennt. Die Ausgestaltung des [X.] obliegt den zuständigen Sportverbänden und dem Sportler selbst. Das Training findet in der Regel nicht in der Kaserne, sondern in den Olympiastütz-punkten bzw. Leistungszentren der Spitzenverbände im In-
und Ausland statt (vgl. Nr.
18 Abs.
1 Satz
1 der vorgenannten Regelung).
c) Ein überwiegendes Schutzinteresse der [X.] könnte nur bejaht werden, wenn durch die Tolerierung der Tätigkeit des [X.] als Trainer von Sportsoldaten
rechtlich erhebliche Interessen, insbesondere
das Ansehen der [X.] in nennenswerter Weise beeinträchtigt sein könnte. Die Behinde-rung der Berufsausübung
des [X.] in dem der [X.] fern liegenden Bereich des sportlichen Trainings
müsste
aus in der Person des [X.] lie-genden, die rechtlich geschützten Interessen der [X.] gefährdenden
Gründen als gerechtfertigt erscheinen. Dies ist indes nicht der Fall.
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aa) Die Tätigkeit des [X.] für das [X.] der ehemaligen [X.] und die falschen Angaben anlässlich seiner Einstellung als Sportsoldat dürfen keineswegs bagatellisiert werden. Doch liegt
dieses Verhal-ten
Jahre zurück. Das Gewicht
derartiger Verfehlungen für die heutige Beurtei-lung der Persönlichkeit nimmt
mit zunehmendem Abstand von dem System der [X.]
ab; Haltung und
Leistung
nach der [X.]
können mehr und mehr in den Vordergrund treten.
bb) Der Kläger wurde in das System der [X.] in jungen Jahren ver-strickt. [X.] Schaden hat er nach den Feststellungen des [X.] nicht
angerichtet.
cc) Nach der [X.] war der Kläger zwölf Jahre als Sportsol-dat für die Beklagte tätig. Er ist für treue Dienste und überdurchschnittliche Leis-tungen mehrfach von der [X.] ausgezeichnet worden. Er hat für die Bundesrepublik
[X.] als Sportler und
Trainer bedeutende internationale Erfolge erzielt und dadurch für das Ansehen der [X.] Erhebliches geleistet.
dd) Die für den Eislaufsport zuständigen [X.] Spitzenverbände ha-ben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Einwände mehr da-gegen, dass der Kläger Spitzensportler trainiert. Die [X.]kommission des [X.] hat die Teilnahme des [X.] an den [X.] in [X.] befürwortet. Deren damaliger Vorsitzender hat
bereits einige Jahre zuvor die Weiterbeschäftigung des [X.] als Trainer befürwortet.
ee) Unter diesen Umständen ist die Beklagte nicht berechtigt, den Kläger vom Training ihrer Sportsoldaten auszuschließen. Eine rechtlich
beachtliche Beeinträchtigung des Ansehens der [X.] dadurch, dass der Kläger als 32
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15

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freier Trainer Sportsoldaten trainiert, ist bei unvoreingenommener,
vernünftiger Betrachtung nicht ersichtlich
und liegt auch angesichts des Werdegangs des [X.] nach der [X.] und der für ihn sprechenden positiven Umstände fern.
Galke
Zoll
Wellner

Stöhr
von Pentz
Vorinstanzen:
LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 10.06.2010 -
13 [X.]/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.03.2011 -
6 [X.] -

Meta

VI ZR 117/11

15.05.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. VI ZR 117/11 (REWIS RS 2012, 6423)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6423

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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