Bundespatentgericht, Urteil vom 01.12.2021, Az. 1 Ni 16/19 (EP)

1. Senat | REWIS RS 2021, 724

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Kraftfahrzeug-Innenverkleidungsteil mit Metallstruktur (europäisches Patent)" – zur Frage der fehlenden Neuheit - Nichtigkeit


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

Klägerin,

gegen

Beklagte,

betreffend das europäische Patent 1 577 165

([X.] 50 2004 003 830)

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2021 unter Mitwirkung des Richters Heimen als Vorsitzenden sowie [X.] Himmelmann, Dipl.- Phys. Univ. Dr.- Ing. Geier, [X.] und der Richterin Dipl.-Ing. Univ. Peters für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent EP 1 577 165 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang der Ansprüche 1 bis 5 für nichtig erklärt.

I[X.] Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] am 15. März 2004 in der [X.] beim [X.] ([X.]) angemeldeten Patents EP 1 577 165, dessen Erteilung am 16. Mai 2007 veröffentlicht wurde und die Bezeichnung „Kraftfahrzeug-Innenverkleidungsteil mit Metallstruktur“ trägt. Das Streitpatent wird vom [X.] unter der Nummer 50 2004 003 830.1 geführt und umfasste zunächst einen selbstständigen Anspruch 1 und 17 auf diesen selbstständigen Anspruch zumindest mittelbar [X.]e [X.] ([X.]). Gegen die Patenterteilung wurde von drei Einsprechenden Einspruch erhoben. Gegen diesen Einspruch hat sich die Patentinhaberin mit 31 Hilfsanträgen verteidigt. Auf Basis des [X.] 26 wurde das Patent beschränkt aufrechterhalten. Gegen diese Entscheidung hat eine der Einsprechenden Beschwerde eingelegt. Am Ende des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdekammer des [X.] den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3, der als Hilfsantrag 30 im Verfahren vor der Einspruchsabteilung des [X.] genannt worden ist, als patentfähig angesehen. Mit Datum vom 9. August 2017 ist die geänderte Patentschrift [X.] ([X.]) erschienen, die 16 Ansprüche umfasst, einen Hauptanspruch und 15 auf diesen zumindest mittelbar [X.]e [X.] 2 bis 16.

2

Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung des [X.] Teils des Streitpatents im Umfang der Ansprüche 1 bis 5. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in vollem Umfang.

3

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet in der [X.] gemäß [X.] mit der Gliederung des Senates:

4

V0 Verfahren zum Herstellen eines Kfz-[X.],

5

M1 bei welchem Verfahren eine flächige Metallstruktur (9, 12, 15),

6

M1.1 die senkrecht zu ihrer Flächigkeit für Fluide durchlässig ist,

7

V1 mit einer Sperrschicht (8, 13, 17) verbunden wird

8

V2 und mit einer weiteren Schicht (7a, 14, 16, 19) verbunden wird,

9

M2 wobei die Sperrschicht (8, 13, 17) das Durchdringen der weiteren Schicht (7a, 14, 16, 19) durch die Metallstruktur (9, 12, 15) begrenzt,

dadurch gekennzeichnet, dass

M1.2 nach der Herstellung des [X.] die Metallstruktur (9, 12, 15) zumindest teilweise durchsichtig

M1.3 und eine unter der Metallstruktur (9, 12, 15) angeordnete Schicht (7, 14, 16, 17) durch die Metallstruktur (9, 12, 15) hindurch sichtbar ist.

Hieran schließen sich [X.] die ebenfalls angegriffenen Patentansprüche 2 bis 5 mit folgendem Wortlaut an:

„2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem die Metallstruktur (9, 12, 15) eine Drahtstruktur, insbesondere ein Drahtgewebe, ist.

3. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem die Metallstruktur (9, 12, 15) als solche nach Herstellung des [X.] zumindest teilweise als Dekorationsbestandteil sichtbar ist.

4. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, bei dem eine Trägerstruktur (14, 16, 18) des [X.] angespritzt oder angegossen wird.

5. Verfahren nach Anspruch 4, bei dem die Sperrschicht (13) das Durchdringen des [X.] (14, 16) durch die Metallstruktur (12, 15) begrenzt.“

Die Klägerin stützt ihre Klage auf den [X.] der mangelnden Patentfähigkeit wegen fehlender Neuheit und den [X.] der mangelnden Patentfähigkeit wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit.

Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin u. a. die folgenden Dokumente genannt:

NI5 [X.] (bereits im [X.] genannt als D1),

[X.] [X.]: Streckmetall, heruntergeladen am 6. August 2018,

[X.] [X.] 41 32 413 [X.] (bereits im [X.] genannt als [X.]),

[X.] [X.] 199 14 092 C2 (bereits im [X.] genannt als [X.]) und

NI10 [X.] 43 01 444 [X.].

Die Klägerin stellt den Antrag,

das [X.] Patent 1 577 165 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang der Ansprüche 1 bis 5 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin in allen wesentlichen Punkten entgegen und vertritt die Auffassung, dass die erteilten Ansprüche neu seien und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen würden.

Im [X.]n Einspruchsverfahren sind neben den [X.] (= D1), [X.] (= [X.]) und [X.] (= [X.]) noch folgende Druckschriften genannt worden:

D3 [X.] 101 26 703 [X.],

D4 [X.] 197 13 949 [X.],

D5 [X.] 198 01 985 [X.],

D6 [X.] 44 41 986 [X.],

D7 [X.] 203 06 670 U1,

D9 [X.] 195 46 551 C1,

D10 [X.] 698 04 676 T2,

[X.] [X.] 195 22 480 [X.],

D12 [X.] 278 162 A,

[X.] H10 128 921 A,

D14 [X.] 1 271 972 B,

D15 [X.] 228 994 B,

[X.] EP 1 219 401 A2,

D17 [X.] 199 48 664 [X.],

D18 [X.] 197 32 425 [X.],

[X.] [X.]: Netz (Textilie), heruntergeladen am 24. Juni 2013,

[X.]0 BOTTENBRUCH, [X.], [X.], [X.]: [X.], 1998, [X.]-446-16486-3,

[X.]1 [X.] 845 A5,

[X.]2 [X.] 30 22 017 C2 und

[X.]3 [X.] 2001 0 040 393 [X.] sowie

im [X.]n Prüfungsverfahren die Druckschriften:

PV1 GB 589 260A,

PV2 [X.] 41 28 683 A,

PV3 [X.] 096680 A und

PV4 [X.] 043336 A.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, mit der der [X.] der fehlenden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i.V.m. Art. 54 und 56 EPÜ wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig.

Sie hat auch Erfolg, denn das Streitpatent, soweit es im Umfang der Patentansprüche 1 bis 5 angegriffen worden ist, erweist sich in der geltenden Fassung als nicht rechtsbeständig.

I.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Kraftfahrzeug-[X.] (vgl. Abs. [0001] der Streitpatentschrift, im Folgenden mit [X.] kurzbezeichnet).

Gemäß [X.] sei es bekannt, in Kraftfahrzeugen [X.] mit verschiedenen dekorativen Oberflächen einzusetzen. Bei solchen [X.]n würden Materialoberflächen eingesetzt, die neben den eher funktionellen Gesichtspunkten der Lichtechtheit, Medienbeständigkeit, Abwaschbarkeit und dgl. auch besonderen ästhetischen Ansprüchen genügen müssen. Besonders weit verbreitet seien [X.] mit Aluminiumoberflächen und Holzoberflächen oder Holzimitatoberflächen. Ein solches Innenverkleidungsteil werde in der Druckschrift [X.] offenbart. Es sei ferner bekannt, solche [X.] in einer Mehrzahl von miteinander verbundenen Schichten herzustellen. In der Regel würden auf eine Trägerstruktur aus Metall oder Kunststoff, die im eingebauten Zustand auf der dem Innenraum des Kfz abgewandten Seite angeordnet sei und besonders ausgeformte Strukturelemente zur Befestigung aufweise, weitere Schichten aufgebracht. Insbesondere könnten Holz- oder Aluminiumschichten aufgeklebt sein. Diese könnten von weiteren Schutzschichten, beispielsweise Lackschichten, überzogen sein (vgl. die Abs. [0002] und [0003] der [X.]).

Dem Streitpatent liege das Problem zugrunde, den Gestaltungsspielraum bei Kfz-[X.]n zu erhöhen. (vgl. Abs. [0004] der [X.]).

2. Als maßgeblichen Fachmann definiert der Senat zum Verständnis des Streitgegenstandes und zur nachfolgenden Bewertung des Standes der Technik einen Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik oder einen Absolventen des Hochschul-Studiengangs Industrie- und Produktdesign, der auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von [X.] für Kraftfahrzeuge seit mehreren Jahren tätig ist. [X.] wird er einen auf dem Gebiet der Herstellungsverfahren von [X.] erfahrenen Fertigungstechnik-Ingenieur zu Rate ziehen.

II.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der geltenden Fassung erweist sich gegenüber der [X.] [X.] als nicht neu.

1. Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind ([X.], 1124 – [X.]). Dazu ist zu ermitteln, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei der Fachmann auch die Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen hat ([X.], 859 – Informationsübermittlungsverfahren I). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen ([X.], 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffe in den Patentansprüchen sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift und Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht.

Der zuständige Fachmann entnimmt der [X.] im Sinne des Merkmals V0 ein Verfahren zum Herstellen eines Kfz-[X.].

Mit Merkmal [X.] wird als ein explizit benanntes Teil des Kfz-[X.] eine flächige Metallstruktur beansprucht, die gemäß Merkmal [X.] senkrecht zu ihrer Flächigkeit für [X.] durchlässig ist, ohne dabei jedoch eine dafür notwendige Struktur zu konkretisieren. Für den Fachmann kommen als geeignete fluidische Strukturen u.a. Kanäle, Löcher, Durchbrechungen beispielsweise in Form von Schlitzen, Aussparungen oder Öffnungen (vgl. beispielhaft für die erste Ausführungsform Abs. [0033] der [X.]: „Maschenöffnungen“) in Frage. Eine derartige Metallstruktur, die komplizierter als ein einfaches flächiges Metallblech sei, soll die ästhetische Wirkung des [X.] steigern. Beispiele hierfür seien Drahtstrukturen, insbesondere Drahtgewebe, Streckmetallstrukturen oder auch andere perforierte Metallstrukturen (vgl. Patentanspruch 2 und Abs. [0007] der [X.]). Die Produktmerkmale [X.] und [X.] finden insoweit ihren Niederschlag in der beanspruchten Kategorie Verfahren, als dass als ein Verfahrensschritt eine Bereitstellung einer solchen Metallstruktur angesehen werden kann bzw. weitergehende, nicht genannte, dem Fachmann aber präsente Verfahrensschritte zum Einbringen geeigneter fluidischer Kanäle (wie z.B. das Schlitzen eines Bleches mit anschließendem Strecken des Blechs senkrecht zu den Schnitten zur Herstellung eines Streckmetalls) darunter verstanden werden müssen.

Als ein explizit genannter Verfahrensschritt [X.] wird eine Verbindung der Metallstruktur mit einer Sperrschicht gefordert, wobei diese ausweislich Abs. [0009] der [X.] verhindern soll, dass während der Herstellung Material einer weiteren mit der Metallstruktur zu verbindenden Schicht (Merkmal [X.]), das zumindest in bestimmten Phasen der Herstellung fließfähig ist, unkontrolliert durch die Metallstruktur hindurchtritt, im Sinne des Merkmals [X.], das der Sperrschicht die Aufgabe zuweist, das Durchdringen der weiteren Schicht durch die Metallstruktur zu begrenzen. In der Kategorie Verfahren – mit Blick auf die unterschiedlichen Ausführungsvarianten – werden insoweit implizit Verfahrensschritte gefordert, die unterschiedliche Anordnungen der drei vorgenannten Schichten – Metallstruktur, Sperrschicht, weitere Schicht – zueinander nach sich ziehen. Gemäß der ersten Ausführungsform, die mit den [X.]. 1 bis 3 der [X.] näher beschrieben ist, werden diese Schichten so zueinander bereitgestellt und miteinander verbunden, dass sich die Sperrschicht zwischen der Metallstruktur und der weiteren Schicht befindet, mit der Folge, dass die Metallstruktur gar nicht in Kontakt mit der weiteren Schicht kommt, gleichsam vollständig von der weiteren Schicht undurchdrungen bleibt. Das mit den [X.]. 4 bis 9 der [X.] beschriebene Verfahren lehrt eine von der als Trägerstruktur ausgeführten weiteren Schicht teilweise durchdrungene Metallstruktur und [X.]. 10 der [X.] eine von der dort als [X.] ausgeführten weiteren Schicht vollständig durchdrungene Metallstruktur. Für den Fachmann wird aus den unterschiedlichen Ausführungsformen deutlich, dass als Sperrschicht und als weitere Schicht zur Herstellung eines Kfz-[X.] sämtliche fachnotorisch bekannten, für [X.] technisch geeignete, sich nicht notwendigerweise über die gesamte Fläche des [X.] erstreckende (vgl. Abs. [0045] der [X.], hier beispielhaft ausgeführt zur Sperrschicht und zusätzlich auch noch zur Metallstruktur) Schichten, in beliebiger Reihenfolge (auch nur mittelbar) miteinander verbunden, zu verstehen sind. Dies steht im Übrigen im Einklang damit, dass diese Schichten selber und deren Zuordnung untereinander im Anspruch 1 auch nicht weitergehend konkretisiert sind.

Das [X.] [X.] fordert zwar nur eine weitere (auch mittelbare) Verbindung der Metallstruktur mit einer weiteren Schicht, jedoch darf dies im Lichte der Gesamtoffenbarung des Streitpatents nicht abschließend verstanden werden. Denn das herzustellende Erzeugnis kann durchaus auch zusätzliche weitere Schichten umfassen, wie beispielsweise eine zusätzliche transparente Schicht (vgl. Patentanspruch 14 der [X.]), wodurch weitere Verfahrensschritte notwendig werden. Auch das mögliche Ablösen der Sperrschicht und Anbringen einer weiteren Schicht (vgl. Patentanspruch 13 der [X.]) bedingen weitere Verfahrensschritte.

Darüberhinausgehende weitere Verfahrensschritte sind indes explizit nicht beansprucht. Jedoch wird mit dem Erzeugnismerkmal [X.].2 das Erzeugnis noch weitergehend dahingehend konkretisiert, dass die Metallstruktur teilweise durchsichtig ist nach der Herstellung des Kfz-[X.], insoweit hierfür nur partielle Bereiche, also Teilbereiche, vorgesehen sein müssen. Damit muss die bereitzustellende Metallstruktur Löcher, Durchbrechungen, Aussparungen oder Öffnungen o.ä. in dem mithilfe des beanspruchten Verfahrens fertig hergestellten Kfz-Innenverkleidungsteil aufweisen, die zwingend [X.] durchgängig senkrecht zur Flächigkeit der Metallstruktur ausgerichtet sein müssen. Das beanspruchte Verfahren mitumfasst dabei insoweit die explizit genannten Verfahrensschritte (Merkmale [X.] und [X.]), die aus den weiteren vorstehend genannten Erzeugnismerkmalen (Merkmale [X.], [X.] und [X.]) abgeleiteten Verfahrensschritte oder/und weitere nicht genannte, dem Können des Fachmanns zugeschriebenen weiteren notwendigen Verfahrensschritte. Merkmal [X.] alleine fordert eine solche Sichtachse durch die Öffnungen nicht zwangsläufig, da sich Flüssigkeiten auch durch blickdichte labyrinthähnliche Spalten zwängen können, insoweit müssen diese Öffnungen gemäß den Implikationen der Merkmale [X.] und [X.].2 auch nicht zwingend identisch sein. Welche Verfahrensschritte zum Vorsehen der (zusätzlichen) Öffnungen notwendig sind, die einen Blick auf eine darunterliegende beliebige Schicht ermöglicht, wie mit Merkmal [X.].3 gefordert, überlässt die [X.] ebenfalls dem zuständigen Fachmann. Bei dieser sichtbaren Schicht kann es sich beispielsweise um eine bisher nicht genannte zusätzliche weitere Schicht, wie eine zusätzliche Holzschicht oder Metallschicht handeln (vgl. Abs. [0010] der [X.]), der Anspruch indes schreibt dies nicht vor.

2. Die Druckschrift [X.] offenbart ein dort als Verzierungselement bezeichnetes Kfz-Innenverkleidungsteil (vgl. S. 1, Abs. 1 i.V.m. [X.], Abs. 3) und insoweit auch ein Verfahren, das seine Herstellung ermöglicht (Merkmal V0). Für die Herstellung des Verzierungselements wird eine Fasermateriallage 20 verwendet (vgl. S. 14, Abs. 3), deren Fasern beispielsweise aus Metall bestehen können (vgl. [X.], Abs. 3). Das Verzierungselement weist eine [X.] 12 auf, die bei Auftragen auf die flächige Metallstruktur derart flüssig ist, dass es die Metallstruktur in einer Ausgestaltung vollständig durchdringen und die strukturierte Oberfläche der Metallstruktur vollständig ausfüllen kann (vgl. S. 15, Abs. 2 i.V.m. [X.]. 1) oder in einer anderen Ausgestaltung nur teilweise durchdringen kann (vgl. S. 16, Abs. 4 i.V.m. [X.]. 3), womit der zuständige Fachmann der [X.] die Funktion einer Sperrschicht zuschreibt, die das Durchdringen möglicher weiterer Schichten begrenzt. Mithin sind die für die Kategorie des beanspruchten Verfahrensanspruchs 1 relevanten Forderungen der Produktmerkmale [X.], [X.] und [X.] nach Bereitstellungen einer Sperrschicht und einer flächigen, für [X.] senkrecht zu ihrer Flächigkeit durchlässigen Metallstruktur 20 bzw. eines zusätzlichen, dem Fachmann geläufigen Verfahrens zur Herstellung einer solchen, erfüllt. Gleiches gilt für das [X.] [X.], wonach die beiden Schichten, die Metallstruktur 20 und die Sperrschicht 12, miteinander verbunden werden.

Abbildung

Abb. 1: [X.]. 1 und 3 der Druckschrift [X.]

Der Fachmann identifiziert bei den beiden Ausführungsbeispielen als eine weitere Schicht, Merkmal [X.] folgend, eine mit der Metallstruktur verbundene Klebeschicht 26 (vgl. ergänzend die vorstehend eingeblendete Abb. 1)

Aufgrund der Breite der Formulierung des Anspruchs 1 – insbesondere hinsichtlich der in die Gestaltungsfreiheit des Fachmanns gelegten Schichten –, der wie vorstehend unter Ziffer II.1 zumindest die drei unterschiedlichen Ausführungsformen mitinkludiert, sind nach Überzeugung des Senates die vorstehend genannten gattungsbildenden Merkmale aus der Druckschrift [X.] auch bekannt, wenn der [X.] die Funktion der weiteren Schicht und der Klebeschicht die Funktion der Sperrschicht zugewiesen werden. Denn dem sich mit der [X.]. 3 (vgl. vorstehend eingeblendete Abb. 1 untere Ausführungsform) auseinandersetzenden Abs. 4 auf Seite 16, lässt sich keine Reihenfolge des Verbindens der beiden Schichten an die Metallstruktur entnehmen. Insoweit liegt es im Belieben des Fachmanns in welcher Reihenfolge er dies vorsieht – vor dem Hintergrund, dass eine Sperrschicht zuerst mit der Metallschicht verbunden werden muss, um als eine solche eine weitere Schicht sperren zu können – um im Sinne vorstehender Auslegung zu einer von der weiteren Schicht teildurchdrungenen Metallstruktur zu gelangen.

Mit den kennzeichnenden Produktmerkmalen [X.].2 und [X.].3 ist definiert, dass nach der Herstellung des [X.] die Metallstruktur zumindest teilweise durchsichtig und (dadurch) eine unter der Metallstruktur angeordnete Schicht durch die Metallstruktur hindurch sichtbar sein soll.

Die Klägerin erläutert hierzu, dass es zwei Argumentationsstränge gebe.

Der erste Strang repräsentiert [X.] die im [X.] Verfahren verfolgte Auffassung, dass die Öffnungen in der Metallstruktur, die den Blick auf eine beliebige darunterliegende Schicht ermöglichen, den fluidischen Kanälen gemäß Merkmal [X.] entsprächen, wie sie beispielsweise in einem Streckmetall oder in einem grobmaschigen Drahtgewebe vorliegen könnten. Eine solche enge Auslegung greift nach Überzeugung des Senates zu kurz, denn der Anspruch selber lehrt keinen solchen direkten Bezug (vgl. vorstehende Auslegung). Ganz im Gegenteil, es wird vielmehr durch die Konkretisierung in Merkmal [X.].2, dass die Metallstruktur auch nur teilweise durchsichtig sein muss, also nur partiell Bereiche aufweisen muss, die einen Blick durch die Metallstruktur hindurch ermöglichen, eine Unterscheidung zwischen den fluidischen, im Sinne der verwendeten Metallstrukturen über die gesamte Fläche [X.] gleichmäßig verteilten Kanälen und den den Blick durch die Metallstruktur ermöglichenden Teilbereichen explizit herausgestellt. Insoweit erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die im europäischen Verfahren vorgetragenen Argumente und den daraus resultierenden Ergebnissen.

Mit dem zweiten [X.] wird hinsichtlich des kennzeichnenden Merkmals [X.].2 auf eine auf [X.], Abs. 3 bis [X.], Abs. 1 beschriebene diskontinuierliche Fasermateriallage mit mehreren einander benachbarten, getrennten Zonen verwiesen:

„… Individuelle Elemente einer diskontinuierlichen Fasermateriallage, die in [X.] angeordnet sind, sind vorzugsweise auf einem Träger - z.B. einem [X.] - angeordnet, und die [X.] wird sowohl auf das Fasermaterial als auch auf die freien Bereiche des Trägers aufgetragen. Die Elemente der Fasermateriallage können jede beliebige Form, insbesondere die Form von Schriftzeichen, Zahlen, Symbolen oder Piktogrammen aufweisen. …“

Eine solche Ausgestaltung des Kfz-[X.] beschreibt demnach eine weitere, nicht bildlich im Dokument [X.] vorliegende Ausführungsform, mit einer in bestimmten Teilbereichen gegenüber denjenigen der [X.]. 1 und 3 geänderten Struktur.

Die individuellen Elemente der diskontinuierlichen Fasermateriallage, die in [X.] auf einem beispielsweise aus einem Polyesterfilm bestehenden Träger angeordnet sein können, können jede beliebige Form annehmen (insbesondere Schriftzeichen, Zahlen, Symbole oder Piktogramme). Die [X.] wird entsprechend den Implikationen der kategoriefremden Merkmale [X.].2 und [X.].3 sowohl auf das Fasermaterial als auch durch die die Schriftzeichen o.ä. kennzeichnenden Öffnungen in der Metallstruktur hindurch auf die dadurch in einer Sichtachse zum Betrachter hin freien Bereiche des Trägers aufgetragen, mit dem Erfolg, das der mit der Metallstruktur 20 verbundene Polyesterfilm, der Träger, als eine unter der Metallstruktur durch die mit der [X.] durchsetzten Öffnungen in besagter Metallstruktur – und nicht nur in Randbereichen, wie die Beklagte die Ausführungen zur vorstehend dargelegten Ausführungsform verstanden haben möchte – angeordnete Schicht sichtbar ist. Dieser Polyesterfilm kann insoweit als eine zusätzliche weitere sichtbare Schicht verstanden werden.

Mithin ist die Gesamtheit der im geltenden Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale entsprechend deren beizumessenden Sinngehalt bei dem in der Druckschrift [X.] beschriebenen Verfahren verwirklicht.

Auf weitere Unterargumentationsstränge im Rahmen des zum Erfolg der Klägerin führenden zweiten [X.]s (wie z.B. eine Auslegung dahingehend, dass der Polyesterfilm auch als Sperrschicht für die als weitere Schicht ausgebildete [X.] angesehen werden könnte) kam es insoweit nicht mehr an. Auch nicht auf Ausführungen der Beklagten in der Verhandlung zu den [X.] 2 bis 5, die sie lediglich zu Verdeutlichung ihres engeren Verständnisses des beanspruchten Gegenstandes nach Anspruch 1 herangezogen hatte. Eine hilfsweise Verteidigung auf Basis der dortigen Merkmale hat sie nicht geltend gemacht, eine solche war auch implizit nicht erkennbar. Sie wären nach Überzeugung des Senates auch nicht zielführend gewesen. Denn die die Metallstruktur weiter konkretisierenden Merkmale der Ansprüche 2 und 3 sind ebenfalls durch die Druckschrift [X.] vorbekannt (vgl. insbesondere [X.], Abs. 3 und [X.], Abs. 1) und infolgedessen fehlt auch solchen Gegenständen die Neuheit. Die Gegenstände der Ansprüche 4 und 5 sind für den Fachmann naheliegend, da derartig angespritzte Trägerstrukturen dem einschlägigen Fachmann als weitere mögliche Befestigungseinrichtungen bekannt sind, wobei die Autoren der Druckschrift [X.] im Übrigen im Vergleich zu den bevorzugten Klebeverbindungen auch ganz allgemein auf weitere Befestigungsmöglichkeiten verwiesen haben (vgl. [X.], Abs. 1, letzter Satz). Als Beleg für dieses Fachwissen sei lediglich beispielhaft auf die Druckschrift [X.] und dort insbesondere auf die [X.], [X.] 14-23 und 51-58 verwiesen.

Nach alledem ist die Klage begründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Meta

1 Ni 16/19 (EP)

01.12.2021

Bundespatentgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Art II § 6 Abs 1 IntPatÜbkG, Art 54 EuPatÜbk, Art 56 EuPatÜbk, Art 138 Abs 1 Buchst a EuPatÜbk, § 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 01.12.2021, Az. 1 Ni 16/19 (EP) (REWIS RS 2021, 724)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 724

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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