Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.06.2017, Az. 8 B 64/16

8. Senat | REWIS RS 2017, 9091

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erbengemeinschaft; Zeitpunkt der Enteignung; Kreisverweisung


Gründe

1

Der Kläger ist Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach [X.]. Er begehrt die Rücknahme des [X.]escheids vom 28. September 2010, in dem der [X.]eklagte Ausgleichsleistungen zugunsten dieser Erbengemeinschaft festgesetzt hat, sowie dessen Verpflichtung, die gekürzte [X.]emessungsgrundlage für jedes Mitglied der Erbengemeinschaft gesondert festzustellen, soweit die Ausgleichsleistungen den Vermögenswert [X.] betreffen. Der [X.]eklagte hat diesen Antrag abgelehnt, das Verwaltungsgericht die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Der [X.]escheid vom 28. September 2010 sei rechtmäßig. Ihm liege die zutreffende Feststellung zugrunde, dass Geschädigter der Maßnahmen nach § 1 Abs. 8 [X.]uchst. [X.] ([X.]) nicht die Erbengemeinschaft nach [X.]., sondern der am 28. Dezember 1945 verstorbene Erblasser selbst gewesen sei.

2

Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

3

Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu. Die Revision ist wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen, wenn die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerde nicht.

4

Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage:

"Ist die Vertreibung des Geschädigten von Haus und Hof ein staatlicher Eingriff in das Eigentum des Vertriebenen, d.h. eine faktische Maßnahme im Sinne der [X.]odenreform oder nur eine Verwaltungsentscheidung, die nicht zu einem Eingriff in Vermögenswerte führt?".

5

Die [X.]eschwerde legt schon nicht dar, inwiefern die Frage für das angegriffene Urteil des [X.] entscheidungserheblich gewesen sein soll und sich deshalb im Revisionsverfahren stellen würde. Sie geht von Annahmen aus, die dem Urteil der Vorinstanz nicht zugrunde liegen.

6

Ausgangspunkt des [X.] war im [X.] an die Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 8. Oktober 2003 - 8 C 28.02 - juris Rn. 32) die Erwägung, dass für die [X.]estimmung des Zeitpunkts der Enteignung auch im Falle des [X.] für Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage nach § 1 Abs. 8 [X.]uchst. a [X.] faktische Kriterien heranzuziehen seien. Entscheidend sei, wann die Enteignung des jeweiligen Vermögenswertes in der Rechtswirklichkeit erstmals greifbar zum Ausdruck gekommen sei. Die endgültige Verdrängung des geschädigten [X.]., so das Verwaltungsgericht, sei mit der [X.]estellung des [X.] zum Treuhänder für das "[X.] der [X.]" durch Verfügung des Landratsamtes - Abt. [X.]odenreform - vom 22. September 1945 in der Rechtswirklichkeit erstmals greifbar zum Ausdruck gekommen. Mit der Einsetzung des Treuhänders sei für den [X.]etroffenen der Verlust der Verfügungsgewalt über die Vermögenswerte einhergegangen. Zudem lasse das Schreiben des [X.]. vom 22. September 1945 an den Vorsitzenden der Kreisbodenkommission für die Durchführung der [X.]odenreform erkennen, dass er sich dem Zugriff auf seine Vermögenswerte ausgesetzt gesehen habe. Schließlich sei der Erblasser mit Verfügung der [X.] vom 3. Oktober 1945 aufgefordert worden, das Gebiet des [X.] binnen 24 Stunden zu verlassen. Mit der Übersiedlung nach [X.] [X.] sei der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten vollständig aus seiner Position als Eigentümer verdrängt worden und habe keine Möglichkeit mehr gehabt, über seine Vermögenswerte in [X.] zu verfügen.

7

Das Verwaltungsgericht hat danach die faktische Verdrängung des Erblassers aus seinem Eigentum maßgeblich schon aufgrund der Einsetzung des Treuhänders sowie der eigenen Einschätzung des Erblassers, aus seinem Eigentum verdrängt worden zu sein, bejaht. Die an den Erblasser ergangene Aufforderung vom 3. Oktober 1945, den [X.] zu verlassen (sogenannte Kreisverweisung) in Verbindung mit seiner anschließenden Übersiedlung nach [X.] hat es lediglich als einen weiteren zusätzlichen Aspekt gewürdigt, aus dem sich die Endgültigkeit der - vorherigen - Verdrängung des Erblassers aus seiner Position als Eigentümer noch vor dessen Ableben ergebe. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Ausweisung aus dem Landkreis für sich genommen ein Eingriff in das Vermögen des [X.]etroffenen gewesen sei, stellte sich für das Verwaltungsgericht daher nicht.

8

Abgesehen davon bedarf die Frage nach der rechtlichen Einordnung der Kreisverweisung nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Rechtsprechung des [X.] ist für den [X.]ereich des [X.] ([X.]) bereits geklärt, dass die Kreisverweisung eine eigenständige behördliche Maßnahme darstellt, die grundsätzlich einer Rehabilitierung gemäß § 1a [X.] zugänglich ist ([X.]VerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 - 3 C 25.08 - [X.] § 1a [X.] Nr. 1 = juris Rn. 17 m.w.N.). Es handelt sich dabei um einen nichtvermögensrechtlichen Vorgang, der nicht vom [X.] erfasst wird ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. Mai 2016 - 3 [X.] 18.16 - juris Rn. 3). In diesem Kontext stehen auch die von der [X.]eschwerde zitierten Ausführungen des [X.]eklagten in einem Schreiben an die Enkelin des Erblassers vom 13. April 1999 (vgl. S. 5 f. der [X.]eschwerdebegründung vom 2. November 2016). Darin führte der [X.]eklagte in [X.]ezug auf die als rechtsstaatswidrig erklärte Ausweisung aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Ausweisung des Erblassers und der Enteignung der Anteile der Zuckerfabrik nicht erkennbar sei, weil es sich bei der Ausweisung um eine Verwaltungsentscheidung gehandelt habe, die nicht zu einem Eingriff in Vermögenswerte geführt habe.

9

Die übrigen Ausführungen der [X.]eschwerde wenden sich nach Art einer [X.]erufungsbegründung gegen die - vom Kläger beanstandete - [X.]ewertung einzelner Dokumente durch das Verwaltungsgericht im Einzelfall, ohne dass eine Frage von grundsätzlicher [X.]edeutung aufgeworfen oder weitere Zulassungsgründe dargetan würden. Das gilt sowohl für die Würdigung des Schreibens des Erblassers an den Vorsitzenden der Kreisbodenkommission für die [X.]odenreform vom 22. September 1945 als auch für die [X.]ewertung der Aufnahme der Güter des Erblassers in die Listen der im [X.] aufgeteilten Rittergüter.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

8 B 64/16

26.06.2017

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Magdeburg, 24. August 2016, Az: 5 A 397/15 MD, Urteil

§ 2 Abs 1 AusglLeistG, § 7 EntschG, § 1 Abs 8 Buchst a VermG, § 1a VwRehaG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.06.2017, Az. 8 B 64/16 (REWIS RS 2017, 9091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9091

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 B 22/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung; Antragsberechtigung; Bodenreformeigentum; Rechtsstaatswidrigkeit der Enteignung


3 B 33/11 (Bundesverwaltungsgericht)

Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage; Bodenreform; keine Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes


3 B 4/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage; Ausschluss der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung


8 B 15/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Vermögensrechtliche Berechtigung einer Erbengemeinschaft; bewirtschaftete Flächen eines Unternehmens; besatzungshoheitliches Enteignungsverbot


8 C 10/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Faktischer Enteignungsbegriff im Vermögensrecht


Referenzen
Wird zitiert von

10 L 1019/23

6 K 939/23

10 K 2170/22

10 L 306/22

11 ZB 22.1662

11 CS 22.1813

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.