Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.09.2011, Az. 3 B 33/11

3. Senat | REWIS RS 2011, 3622

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Gegenstand

Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage; Bodenreform; keine Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes


Gründe

1

Der Kläger begehrt das Wiederaufgreifen eines Verfahrens nach dem [X.] (VwRehaG), mit dem er die Rehabilitierung seines [X.] wegen der Enteignung zweier in [X.] gelegener Güter von jeweils mehr als 100 ha Größe beantragt hatte. Von diesen war der Vater des [X.] vertrieben worden bzw. wegen bevorstehender Deportation geflohen. Anschließend waren die Güter von einem Treuhänder verwaltet und Mitte 1946 neu aufgesiedelt worden. Die Rehabilitierung war mit [X.]escheid vom 29. April 2003 abgelehnt, das Verfahren Ende 2006 rechtskräftig abgeschlossen worden (vgl. [X.]eschluss vom 13. Dezember 2006 - [X.]VerwG 3 [X.] 41.06 - juris). Das Wiederaufgreifen des Verfahrens und die Rücknahme des ablehnenden [X.]escheides beantragte der Kläger im Juli 2008 sowie erneut im Oktober und Dezember 2008. Zur [X.]egründung berief er sich unter anderem auf eine nachträglich aufgefundene [X.] seines [X.]. Aus ihr ergebe sich, dass die Vertreibung nicht auf besatzungshoheitlicher Grundlage, sondern nach [X.] Recht erfolgt sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die [X.] ein neues [X.]eweismittel sei; jedenfalls sei der Antrag unbegründet, weil die Karte nicht geeignet sei, die tragende Rechtsauffassung des bestandskräftigen [X.]escheides infrage zu stellen, dass die Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sei. Die [X.] treffe über die Vertreibung oder Enteignung des Karteninhabers keine Aussage und lasse nicht auf dessen weiteres Schicksal schließen. Für die gegenteilige Auffassung des [X.] fehle es an tatsächlichen Anhaltspunkten. Der [X.]eklagte habe auch zu Recht abgelehnt, seinen [X.]escheid vom 29. April 2003 zurückzunehmen. Der [X.]escheid sei rechtmäßig, da nicht zu erkennen sei, dass der Vater des [X.] nicht im Zuge der [X.]odenreform enteignet worden sei; dies dränge sich vielmehr auf. Es hänge von den Umständen des Einzelfalls ab, ob mit der Vertreibung aus der sowjetischen [X.]esatzungszone auch bereits eine Enteignung zum Ausdruck komme. Hier spreche der Umstand, dass ein Treuhänder eingesetzt worden sei, eher gegen einen [X.] durch Vertreibung. Auch sei dem Vater längst mitgeteilt worden, dass er von der [X.]odenreform betroffen sein würde. [X.]ei Gütern von mehr als 100 ha habe die [X.] [X.]odenreformverordnung keinerlei Ausnahmen vorgesehen. Selbst wenn der Vermögensverlust bereits mit der Vertreibung eingetreten wäre und diese nicht dem Willen der [X.]esatzungsmacht entsprochen hätte, würde sich am besatzungshoheitlichen [X.]harakter der Enteignung nichts ändern.

2

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat keinen Erfolg.

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1. Die [X.]eschwerde meint, das angefochtene Urteil weiche im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ab, und beruft sich dabei auf - von ihr zum Teil frei formulierte - Rechtssätze, die sie den Urteilen vom 28. Februar 2007 - [X.]VerwG 3 [X.] 18.06 - ([X.]uchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 9 = [X.] 2007, 67), vom 21. Februar 2002 - [X.]VerwG 3 [X.] 16.01 - ([X.]VerwGE 116, 42 = [X.]uchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 4) und vom 23. August 2001 - [X.]VerwG 3 [X.] 39.00 - ([X.] 2001, 427 = [X.]uchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 3) sowie vom 13. Februar 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 50.95 - ([X.]VerwGE 104, 84 = [X.]uchholz 428 § 1 [X.] Nr. 104) entnehmen will. Diese Ausführungen verfehlen die Anforderungen an die [X.]ezeichnung einer Divergenz nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Divergenz liegt vor, wenn sich das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz, der in einer Entscheidung eines divergenzfähigen Gerichts aufgestellt worden ist, in Widerspruch gesetzt hat und das Urteil auf dieser Abweichung beruht (stRspr, z.[X.]. [X.]eschluss vom 11. August 1999 - [X.]VerwG 11 [X.] 61.98 - [X.]uchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 m.w.N.). Die [X.]eschwerde stellt zwar den Entscheidungen vermeintlich zugrunde liegende Rechtssätze gegenüber, die eine ähnliche Problematik aus dem [X.]ereich der [X.]odenreform in der ehemaligen sowjetischen [X.]esatzungszone betreffen; sie macht aber nicht deutlich, dass diese zu derselben Rechtsvorschrift ergangen sind. Abgesehen davon, dass den zitierten Entscheidungen des [X.]undesverwaltungsgerichts unterschiedliches Landesrecht zugrunde lag, sind sie teils zu § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG (Maßnahmen, die vom [X.] erfasst werden), teils zu § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 [X.]uchst. a) [X.] oder unmittelbar zu § 1 Abs. 8 [X.]uchst. a) [X.] (Enteignungen von Vermögenswerten auf [X.] oder besatzungshoheitlicher Grundlage) ergangen.

4

Vor allem aber besteht der behauptete Widerspruch nicht; denn dem angefochtenen Urteil ist der von der [X.]eschwerde formulierte - ausdrücklich nicht wörtlich zitierte - abstrakte Rechtssatz nicht zu entnehmen. In der bezeichneten Passage des Urteils ([X.]) begründet das Verwaltungsgericht, dass "nicht zu erkennen ist, dass der Rechtsvorgänger des [X.] nicht im Zuge der Durchführung der [X.]odenreform enteignet worden ist" ([X.]). Es geht dabei - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats ([X.]eschluss vom 13. Dezember 2006 - [X.]VerwG 3 [X.] 41.06 - ) - von dem [X.] aus, dass es von den Umständen des Einzelfalles abhänge, ob mit der Vertreibung eines Grundeigentümers aus der sowjetischen [X.]esatzungszone bereits dessen Enteignung zum Ausdruck gekommen sei ([X.]). Mit diesem individualisierenden Ansatz verträgt sich die vom Kläger behauptete generalisierende Leitlinie von vornherein nicht, der [X.] landwirtschaftlicher Güter sei unabhängig von der rechtlichen Qualität der Vertreibungsmaßnahme ohne Ausnahme als besatzungshoheitlich zu qualifizieren. Im Übrigen führt die Argumentation des [X.] auch auf den Ausschlussgrund des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG, für den es auf den besatzungshoheitlichen [X.]harakter der Vermögensentziehung nicht ankommt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ist bei [X.] auf anderer als besatzungshoheitlicher Grundlage, wie sie der Kläger für seinen Fall annimmt, nach Zweck und Ziel der Maßnahme zu unterscheiden, die zum Verlust des Vermögensgegenstandes geführt hat. Die Rückgängigmachung richtet sich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG nach dem [X.], wenn die Maßnahme zielgerichtet den Entzug des zurückverlangten Gegenstandes bezweckt hat, und sie unterfällt dem [X.], wenn sie primär auf andere Zwecke zielte und durch grob rechtsstaatswidrige Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten gekennzeichnet war (Urteil vom 21. Februar 2002, a.a.O., [X.]VerwGE 116, 42 <44 f.>). Dieser Unterscheidung in der Sache folgend hat sich das Verwaltungsgericht mit Art. II Nr. 3 der Verordnung Nr. 19 über die [X.]odenreform im Lande [X.]-Vorpommern vom 5. September 1945 ([X.] 1946, Nr. 1, [X.], [X.]. bei [X.]/[X.], [X.], Enteignung und Offene Vermögensfragen in der ehemaligen [X.], [X.]d. I, 2.7.1) befasst ([X.]). Es stimmt mit der Rechtsprechung des Senats überein, dass Maßnahmen gegen Großgrundbesitzer auf dieser Grundlage in erster Linie der [X.]odenordnung und nicht der Sanktion für bestimmte Verhaltensweisen dienten und daher, weil allein dem [X.] unterfallend, nicht rehabilitierungsfähig sind (Urteil vom 28. Februar 2007, a.a.O.).

5

2. Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache ebenfalls nicht zu. Die vom Kläger pauschal angesprochenen Probleme der "Anwendung und Wirkungen des faktischen Enteignungsbegriffs" und der "Abgrenzung von Anwendungsfällen des Anspruchs auf Rehabilitierung in den [X.]ereichen des § 1 Abs. 1, des § 1a VwRehaG und des [X.]" sind in den vom Kläger zitierten Entscheidungen des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt. Für die Notwendigkeit erneuter [X.]eschäftigung mit diesen Fragen oder weitergehender Klärung lässt sich der [X.]eschwerde nichts entnehmen.

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3. Ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), liegt nicht vor. Der Kläger rügt insofern, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit seiner Argumentation auseinandergesetzt, dass sein Vater nach dem Willen der [X.] ([X.]) [X.] nicht verlassen und ihm ein Resthof belassen werden sollte. Es habe fehlerhaft angenommen, Ausnahmen von der Enteignung nach der [X.]odenreformverordnung seien nicht vorgesehen gewesen. Tatsächlich aber habe die 1. Ausführungsbestimmung zu dieser Verordnung in besonderen Fällen eine solche Möglichkeit vorgesehen. Dieser Vortrag zeigt den geltend gemachten Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht auf. Zum einen hat sich das Verwaltungsgericht sehr wohl mit dem bezeichneten Vortrag des [X.] befasst, unter anderem im Zusammenhang mit der Aussagekraft der vom Kläger beigebrachten [X.] ([X.]). Ob es den Schlussfolgerungen des [X.] zu Recht nicht gefolgt ist, ist eine Frage der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung, die revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zugeordnet ist (stRspr, [X.]eschluss vom 2. November 1995 - [X.]VerwG 9 [X.] 710.94 - [X.]uchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Für eine Ausnahme wegen einer von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung (vgl. [X.]eschluss vom 12. Februar 2008 - [X.]VerwG 9 [X.] 70.07 - juris Rn. 2 m.w.N.) legt die [X.]eschwerde nichts dar. Das gilt auch dann, wenn das Verwaltungsgericht fälschlicherweise ausgeschlossen hätte, dass in [X.] Möglichkeiten vorgesehen waren, im Rahmen der [X.]odenreform von der Enteignung abzusehen. Nach den Feststellungen des [X.], die vom Kläger nicht entkräftet worden sind, erfüllte der Vater des [X.] die vom Kläger behaupteten Voraussetzungen für eine solche Ausnahme nicht. Gegenteiliges behauptet auch der Kläger nicht. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt aber auch deshalb nicht vor, weil der Kläger nicht darlegt, dass eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung in [X.]etracht kommt, wenn der Vortrag in seinem Sinne gewürdigt worden wäre. Auch dann setzte die Rehabilitierung nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats voraus, dass die Enteignung primär auf andere Zwecke als die Landbeschaffung zielte und durch grob rechtsstaatswidrige Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten gekennzeichnet war. Zu den Hintergründen der angeblich dem Willen der [X.]esatzungsmacht widersprechenden Enteignung sagt die [X.]eschwerde aber nichts.

Meta

3 B 33/11

01.09.2011

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Greifswald, 24. Januar 2011, Az: 5 A 1433/08, Urteil

§ 1 Abs 1 S 2 VwRehaG, § 1 Abs 1 S 3 VwRehaG, § 1 Abs 8 VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.09.2011, Az. 3 B 33/11 (REWIS RS 2011, 3622)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3622

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