Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.02.2010, Az. XII ZB 177/09

12. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9772

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Gegenstand

Rechtsanwaltsvergütung: Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens in Altfällen


Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 10. September 2009 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des [X.] vom 5. August 2009 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die auf Grund des Versäumnisurteils des [X.] vom 2. Juni 2009 - 5 [X.]/09 - von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 1.962,17 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 17. Juli 2009.

Der weiter gehende Kostenfestsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

3. Beschwerdewert: bis 600 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Beklagten den Ansatz der ungeminderten Verfahrensgebühr.

2

Rechtspfleger und [X.] haben die von der Klägerin für ihre erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV [X.]) nicht in voller Höhe berücksichtigt. Denn gemäß Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 [im Folgenden: Vorbemerkung 3] Abs. 4 VV [X.] sei hier auf die Verfahrensgebühr die halbe vorgerichtlich entstandene 1,0-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV [X.]) anzurechnen. Mangels Anwendbarkeit auf Altfälle habe an dieser Rechtslage auch die zwischenzeitlich erfolgte Einführung des § 15 a [X.] nichts geändert.

3

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Das Beschwerdegericht hat sie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechungzugelassen. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

III.

5

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, denn das [X.] hat die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV [X.]) zu Unrecht nicht in voller Höhe berücksichtigt.

6

1. Allerdings kann sich das Beschwerdegericht auf die Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.] stützen. Danach sei Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV [X.] so zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen sei. Es verringere sich die erst später nach Nr. 3100 VV [X.] angefallene Verfahrensgebühr, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr unangetastet bleibe (vgl. [X.] vom 7. März 2007 - [X.] ZR 86/06 - NJW 2007, 2049, 2050; vom 14. März 2007 - [X.] ZR 184/06 - NJW 2007, 2050, 2052 und vom 11. Juli 2007 - [X.] ZR 310/06 - NJW 2007, 3500 f. sowie [X.] Beschluss vom 22. Januar 2008 - [X.] ZB 57/07 - [X.], 878, 879; zustimmend [X.] NJW 2007, 2298, 2299; [X.] 2007, 929, 930 f.; a.A. noch [X.] Beschlüsse vom 20. Oktober 2005 - [X.] - NJW-RR 2006, 501, 502; vom 27. April 2006 - [X.]/05 - FamRZ 2006, 1114 und vom 30. Januar 2007 - [X.] - [X.], 1102).

7

Dieser Auffassung des [X.]. Zivilsenats, die in [X.] und Literatur auf Kritik gestoßen ist (vgl. KG ([X.]) [X.], 1427; KG ([X.]) [X.] 2008, 304, 305 f.; OLG Karlsruhe [X.] 2007, 494, 495; [X.] MDR 2007, 1401, 1402 ff.; [X.] 2007, 284 f.;Hansens [X.] 2008, 121 f., 127), haben sich zwischenzeitlich mehrere Senate des [X.] angeschlossen (vgl. [X.] Beschlüsse vom 30. April 2008 - [X.]/08 - [X.], 1346; vom 14. August 2008 - [X.] 103/07 - [X.] 2008, 574; vom 24. September 2008 - [X.] - juris, [X.]. 6 f. und vom 25. September 2008 - VI[X.] 93/07 - juris, [X.]. 5).

8

2. Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung in der Rechtsprechung einiger Senate des [X.] sowie die dagegen geäußerte Kritik reagiert und in dem mit Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des am 4. August 2009 verkündeten Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 ([X.]) eingeführten § 15 a Abs. 2 [X.] geregelt, dass ein Dritter sich auf eine im Gesetz vorgesehene Gebührenanrechnung nur berufen kann, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in denselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. § 15 a [X.] ist gemäß Art. 10 des vorgenannten [X.] nach der Verkündung in [X.] getreten.

9

Eine ausdrückliche Übergangsregelung hat der Gesetzgeber nicht angeordnet. Infolgedessen ist streitig geworden, ob § 15 a [X.] auch auf sog. Altfälle Anwendung findet (offen gelassen in den [X.] Beschlüssen vom 9. September 2009 - [X.]/09 - FamRZ 2009, 2082 [X.]. 7 und vom 29. September 2009 - [X.] - [X.], 1554, 1556 f.).

3. Der erkennende Senat hat hierzu in Übereinstimmung mit dem II. Zivilsenat (vgl. [X.] Beschluss vom 2. September 2009 - I[X.] 35/07 - [X.], 1927, 1928) nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden, dass § 15 a [X.] eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellt und somit auch Anwendung findet, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 erfolgt war (vgl. Senatsbeschluss vom9. Dezember 2009 - XI[X.] 175/07 - zur Veröffentlichung bestimmt m.w.N.).

4. Der vorliegende Sachverhalt gibt dem Senat keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.

a) Mit den vom Beschwerdegericht für seine gegenteilige Rechtsauffassung angeführten Argumenten hat sich der Senat im Wesentlichen bereits im Beschluss vom 9. Dezember 2009 (XI[X.] 175/07 - zur Veröffentlichung bestimmt) ausführlich befasst.

b) Auch der Verweis auf die fehlende Übergangsregelung und § 60 Abs. 1 [X.] verfängt nicht. Denn mangels Änderung der Rechtslage bedurfte es weder einer Übergangsvorschrift noch ist der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 [X.] eröffnet. Aus diesem Grund liegt ebenfalls keine (unechte) Rückwirkung vor.

Nichts anderes folgt schließlich aus der Pressemitteilung des [X.] vom 5. August 2009, in der es heißt, dass mit dem neuen § 15 a [X.] eine für Rechtsanwälte und Gerichte bedeutsame Änderung des anwaltlichen Vergütungsrechts in [X.] getreten sei. Denn zum einen dürfte die Presseerklärung des zuständigen Ministeriums keine tragfähigen Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers im Sinne der historischen Auslegungsmethode zulassen (vgl. [X.] Beschluss vom 29. September 2009 - [X.] - [X.], 1554, 1556 f.) und zum anderen ist auch in der Pressemitteilung sodann die Rede von einer Klarstellung, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu [X.] grundsätzlich nicht auswirke.

5. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15 a Abs. 2 [X.] ersichtlich ist, ist die Verfahrensgebühr in voller Höhe zu berücksichtigen. Die vom Beklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten sind somit antragsgemäß auf insgesamt 1.962,17 € nebst Zinsen festzusetzen. Die im Rechtsmittelverfahren nicht mehr begehrte, jedoch im Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin noch geltend gemachte vorprozessuale Geschäftsgebühr zählt nicht zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und kann daher nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] festgesetzt werden.

[X.]                                            Wagenitz                                    Dose

                      Klinkhammer                                        Schilling

Meta

XII ZB 177/09

03.02.2010

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Celle, 10. September 2009, Az: 2 W 253/09, Beschluss

§ 15a RVG vom 30.07.2009, Teil 3 Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV, Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.02.2010, Az. XII ZB 177/09 (REWIS RS 2010, 9772)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9772

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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