Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2006, Az. XII ZB 224/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5566

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[X.][X.]/04 vom 18. Januar 2006 in der Familiensache

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 18. Januar 2006 durch [X.], die Richterin [X.], [X.] Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] als [X.] vom 29. September 2004 wird auf Kosten des [X.] [X.]. [X.]: 2.000 • Gründe: [X.] Das Urteil des [X.], mit dem die Vaterschaftsan-fechtungsklage des [X.] abgewiesen wurde, ist diesem am 15. Juli 2004 zugestellt worden. Dagegen legte der Kläger mit auf den 12. August 2004 [X.] [X.] Berufung ein, der beim [X.] am Dienstag, dem 17. August 2004, einging. 1 Nach telefonischem Hinweis der Geschäftsstelle des [X.] auf den verspäteten Eingang versicherte der Prozessbevollmächtigte des [X.] mit Fax vom 18. August 2004, die Berufungsschrift am 13. August 2004 persönlich zur [X.] gegeben zu haben, so dass der verspätete Eingang am 2 - 3 - 17. August 2004 nicht erklärbar sei und dem Kläger nicht zum Verschulden ge-reiche. Ein ausdrückliches Wiedereinsetzungsgesuch enthält dieser [X.] nicht. 3 Mit erneutem Hinweis vom 16. September 2004 teilte das Oberlandesge-richt mit, es beabsichtige, die Berufung unabhängig davon zu verwerfen, ob dem Kläger Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren sei, weil inzwischen auch die Berufungsbegründungsfrist (Ablauf 15. September 2004) versäumt sei. Mit vorab per Fax übermitteltem [X.] vom 24. September 2004, der wiederum keinen ausdrücklichen Antrag auf Wiedereinsetzung enthält, er-klärte der Prozessbevollmächtigte des [X.], diesen Hinweis am 23. Sep-tember 2004 erhalten zu haben, und versicherte wiederum an Eides statt, die Berufungsbegründung am 13. September 2004 gefertigt und zur [X.] gegeben zu haben. Er beantrage deshalb, die Berufung nicht als unzulässig zu verwer-fen. 4 Das Berufungsgericht wies den Antrag des [X.] auf Wiedereinset-zung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zurück und verwarf die Beru-fung des [X.] als unzulässig. 5 Zur Begründung führte es aus, der Prozessbevollmächtigte des [X.] habe Wiedereinsetzung rechtfertigende Tatsachen trotz eidesstattlicher Versi-cherung nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Der Senat sei von der Richtigkeit dieser Angaben nicht überzeugt, weil der Prozessbevollmächtigte des [X.] die beiden als [X.] anzusehenden Schriftsätze jeweils per Fax übermittelt habe, obwohl insoweit kein naher Fristablauf gedroht habe, nicht aber die jeweils erst relativ kurz vor Fristablauf gefertigte Berufungsschrift und [X.]. Hier hätte es aber um so näher gelegen, 6 - 4 - zumindest die [X.] per Fax zu übermitteln, nachdem sich herausgestellt habe, dass die Berufungsschrift nicht innerhalb der üblichen [X.]laufzeit eingegangen sei. Es erscheine auch ganz unwahrscheinlich, dass die [X.]beförderung der Berufungsschrift sieben Tage gedauert haben solle, es sei denn, der [X.] sei nicht ordnungsgemäß adressiert worden, in [X.] mangelhaft, oder nicht ordnungsgemäß aufgegeben worden, wozu im Übrigen näherer Vortrag fehle. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.], mit der er die Aufhebung des [X.] erstrebt und seine Wiedereinset-zungsgesuche gegen die Versäumung beider Fristen weiterverfolgt. 7 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie hat jedoch mangels Vorliegen von [X.] Erfolg, denn das [X.] hat die Berufung im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen. 8 1. Das Berufungsgericht hat die Berufung letztlich wegen verschuldeter Versäumnis der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Ob die hierfür gegebene Begründung der rechtlichen Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht standhält, bedarf hier keiner Entscheidung. Zwar vermag der Senat der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu folgen, bereits die einmalige Überschreitung der üblichen [X.]laufzeit bei der Beförderung der Berufungsschrift hätte den Anwalt veranlassen müssen, die Berufungsbegründung per Fax zu übermitteln, statt erneut auf die Zuverlässigkeit der [X.]beförderung zu vertrauen. Darauf und 9 - 5 - auf die insoweit von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen weiteren Rechtsfra-gen kommt es aber nicht an, weil der Kläger bereits die Berufungsfrist versäumt hatte und in seinem als Wiedereinsetzungsgesuch auszulegenden [X.] vom 18. August 2004 die Möglichkeit, dass dies auf ein dem Kläger zuzurech-nendes Verschulden (§ 85 Abs. 2 ZPO) zurückzuführen ist, nicht ausgeräumt hat. 2. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hat in diesem [X.] le-diglich an Eides statt versichert, die Berufungsschrift am 13. August 2004 ([X.]) persönlich zur [X.] gegeben und darauf vertraut zu haben, er werde [X.] am 16. August 2004 (Montag) bei dem Berufungsgericht eingehen. 10 a) Grundsätzlich darf eine [X.] eine einzuhaltende Frist zwar bis zum letztmöglichen Tag ausnutzen und darauf vertrauen, dass die mit der Beförde-rung eines fristwahrenden [X.]es betraute [X.] die von ihr nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgeleg-ten [X.]laufzeiten auch einhalten werde (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2003 - [X.] - NJW-RR 2003, 1000 f.). 11 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist kann aber nicht gewährt werden, wenn die Überschreitung der üblichen [X.]-laufzeit auf Umständen beruht, die der [X.] oder ihrem Prozessbevollmächtig-ten zum Verschulden gereichen, oder wenn dies zumindest möglich erscheint und in der Begründung des [X.] nicht ausgeräumt ist. 12 b) Dies gilt insbesondere, wenn bei der Adressierung eines fristwahren-den [X.]es der Anschrift des Rechtsmittelgerichts keine oder eine unzu-treffende [X.]leitzahl vorangestellt ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Januar 2003 aaO, vom 10. März 1993 - [X.] - [X.], 75 und vom 15. Oktober 1999 - [X.] - NJW 2000, 82). Das ist hier der Fall. Die [X.] - 6 - ge [X.]leitzahl des [X.] Zweibrücken lautet - bei Verwendung der Anschrift [X.] 7 - 66482 und - bei Verwendung der [X.]fachan-schrift - 66464. In der Berufungsschrift ist hingegen die unzutreffende sechsstel-lige [X.]leitzahl 193394 angegeben. Es liegt auf der Hand, dass der verzögerte Eingang dieses [X.]es auch darauf zurückzuführen sein kann. 14 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Prozessbevoll-mächtigte des [X.] mit [X.] vom 15. Oktober 2004 (nach Erlass des angefochtenen Beschlusses) vorgetragen hat, er habe nachträglich "unter der Hand" erfahren, dass bei der [X.]filiale seines Kanzleisitzes die [X.] auch das [X.] über das Wochenende liegen bleibe. Es kann [X.], ob dieses Vorbringen noch hätte berücksichtigt werden können, weil es ohnehin nicht geeignet ist, die Möglichkeit auszuräumen, dass der verspätete Eingang der Berufungsschrift auf der Angabe einer unzutreffenden [X.]leitzahl beruhte. Die Kausalität dieses Umstandes wäre nur ausgeräumt, wenn der Klä-ger hinreichend glaubhaft gemacht hätte, dass die [X.]sendung auch bei [X.] Angabe der [X.]leitzahl erst nach Fristablauf eingegangen wäre. Hierfür reicht es - entgegen der von der Rechtsbeschwerde mit Schrift-satz vom 31. August 2005 vertretenen Auffassung - nicht aus, auf die [X.] hinzuweisen, dass die falsche [X.]leitzahl hier angesichts der vorgetrage-nen Missstände im [X.]amt [X.] ausnahmsweise zu einer Beschleunigung statt zu einer Verzögerung geführt haben könnte, da die falsch adressierte Berufungsschrift immerhin nach fünf Tagen, die richtig adressierte Berufungsbegründung hingegen erst nach sieben Tagen zugestellt worden sei. Dass diese Möglichkeit nicht ganz fern liegen mag, bedeutet nämlich noch nicht, dass die falsche [X.]leitzahlangabe als Ursache der eingetretenen [X.] auszuschließen ist oder zumindest höchst unwahrscheinlich wäre. Etwas anderes könnte gelten, wenn der Kläger glaubhaft gemacht hätte, dass 15 - 7 - in der fraglichen [X.] bei diesem [X.]amt eingelieferte Briefe stets mehrere Ta-ge unbearbeitet liegen blieben. Mit [X.] vom 15. Oktober 2004 hatte er aber nur vortragen lassen, diese [X.]filiale lasse Briefsendungen "über das Wochenende auch das [X.]" liegen. 16 c) Zwar darf der Rechtsanwalt die erforderliche Überprüfung der An-schrift des Rechtsmittelgerichts einschließlich der zugehörigen [X.]leitzahl zu-mindest dann, wenn es sich - anders als hier - um ein ortsansässiges Gericht handelt (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2003 aaO), seinem zuverlässigen und gut geschulten Büropersonal überlassen, ohne das Ergebnis dann selbst noch einmal überprüfen zu müssen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. März 1993 aaO und vom 15. Oktober 1999 aaO). Hier hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] aber weder vorgetragen, diese Aufgabe durch geeignete organisatori-sche Maßnahmen seinem Büropersonal übertragen zu haben, noch hat er [X.] ausreichende Schulung und Zuverlässigkeit dargelegt. d) Dies kann in der [X.] auch nicht mehr nachge-holt werden, da es sich insoweit nicht lediglich um eine Erläuterung oder Ver-vollständigung innerhalb der [X.] gemachter unklarer oder ungenauer Angaben handelt (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2004 - [X.]/03 - FamRZ 2004, 1552), sondern neuen Vortrag darstellen würde (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juni 2002 - [X.] - [X.]Report 2002, 1114 f.). Alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, müssen nämlich innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist der §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO vorgetragen werden. Beruft der Antragsteller sich insoweit auf eine unge-wöhnlich lange [X.]laufzeit, braucht er zwar nicht ausdrücklich vorzutragen, den fristwahrenden [X.] vollständig und richtig adressiert zu haben, wenn und soweit sich dies ohne weiteres aus dem [X.] selbst ergibt. Ist aller-dings - wie hier - das Gegenteil der Fall, muss innerhalb der [X.] - 8 - zungsfrist auch dargelegt werden, warum dies ausnahmsweise nicht auf einem der [X.] zuzurechnenden Verschulden beruhe. 18 3. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, diese Präklusion neuen Wiedereinsetzungsvorbringens führe jedenfalls dann, wenn das [X.] auf einen vom Berufungsgericht nicht gewürdigten und auch nicht zum Gegenstand eines Hinweises nach § 139 ZPO gemachten Umstand (hier: falsche [X.]leitzahl) abstelle, im Ergebnis zu einer Verletzung des An-spruchs des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Da die Wiedereinsetzung zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit der Berufung gehört, ist das Rechtsbeschwerdegericht zu einer uneingeschränkten Prüfung von Amts wegen berufen; bindend ist nur eine bereits gewährte [X.] (§ 238 Abs. 3 ZPO). Dabei ist es abweichend von § 561 Abs. 2 ZPO an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gebun-den, sondern insbesondere dazu berufen, die Beweislage selbständig zu würdi-gen (vgl. Senatsurteil vom 2. November 1988 - [X.] - [X.]-DAT und [X.] unter 1. m.N., insoweit in [X.], 373 f. nicht abgedruckt). 19 Hier ergab sich die Angabe einer falschen [X.]leitzahl bereits aus der bei den Akten befindlichen Berufungsschrift, deren Adressierung das [X.] bei der Beurteilung möglicher Ursachen der verzögerten Wei-terleitung von Amts wegen zu überprüfen hatte. 20 Zu einem entsprechenden Hinweis nach § 139 ZPO war das Berufungs-gericht auch dann, wenn es die falsche [X.]leitzahl bemerkt hätte, schon [X.] nicht verpflichtet, weil es darauf nach seiner Rechtsauffassung - wegen auch verspäteter Berufungsbegründung - nicht ankam. 21 - 9 - Eine Verletzung rechtlichen Gehörs wegen der Präklusion nachträglichen Wiedereinsetzungsvorbringens liegt nicht vor, weil der Kläger - wie dargelegt - nicht nur Gelegenheit hatte, sondern es zu seinen Obliegenheiten gehörte, in-nerhalb der [X.] alle Umstände vorzutragen, die für die [X.] von Bedeutung sein konnten. Hierzu gehörte auch die Darlegung der Gründe, die einerseits zu der Angabe einer falschen [X.]leitzahl geführt haben, diese andererseits aber nicht der [X.] zum Verschulden gereichen lassen. Dem nachzugehen und dies vorzutragen bestand hier konkreter Anlass, weil die [X.] bei einer auf verzögertem [X.]lauf beruhenden Versäumung ei-ner Rechtsmittelfrist in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch alle ihr zuzurechnen-den möglichen Ursachen der Verzögerung auszuräumen hat (siehe oben 2 d), was stets auch eine Prüfung der Adressierung als der naheliegendsten [X.] voraussetzt. 22 [X.] [X.] [X.] Vézina Dose Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.07.2004 - 5 F 342/04 - [X.], Entscheidung vom 29.09.2004 - 5 UF 131/04 -

Meta

XII ZB 224/04

18.01.2006

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2006, Az. XII ZB 224/04 (REWIS RS 2006, 5566)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5566

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