Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2003, Az. V ZR 431/02

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2209

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILV ZR 431/02Verkündet am:18. Juli 2003K a n i k,Justizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ:neinBGHR: jaBeurkG § 13a Abs. 1a) Wird in der Niederschrift auf eine andere notarielle Niederschrift verwiesen, dienach den Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen errichtetworden ist, so liegt, wenn diese Niederschrift nicht verlesen worden ist, eine wirk-same Beurkundung nur vor, wenn die Beteiligten erklärt haben, daß ihnen der In-halt der anderen Niederschrift bekannt ist und daß sie auf das Verlesen verzich-ten. Fehlt entgegen § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG in der Niederschrift die Feststel-lung, daß diese Erklärungen abgegeben wurden, so steht dies der Wirksamkeitnicht entgegen.b) Fehlt in der Niederschrift die Feststellung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG, sohat dies auf die allgemeinen Grundsätze über die Darlegungs- und Beweislast ineinem Rechtsstreit zwischen den beteiligten Vertragsparteien keinen Einfluß.BGH, Urt. v. 18. Juli 2003 - V ZR 431/02 - OLG Stuttgart LG Ulm- 2 -Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlungvom 18. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des BundesgerichtshofesDr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier undDr. Schmidt- Räntschfür Recht erkannt:Auf die Revision des Streithelfers der Beklagten wird das Urteildes 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom2. Dezember 2002 aufgehoben.Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.Von Rechts wegenTatbestand:Mit Vertrag vom 18. August 1999, der von dem Streithelfer der Beklagtenbeurkundet wurde, kauften die Klägerin und ihr Ehemann von der Beklagteneine Teileigentumseinheit in einem Geschäftshaus in U. zum Preis von575.000 DM. Das Geschäftshaus bedurfte zunächst der Sanierung und teilwei-sen Neuerrichtung. Die Beklagte verpflichtete sich, die dazu erforderlichen Ar-beiten gemäß einer von dem Streithelfer zuvor anderweit beurkundeten Bau-beschreibung zu erstellen. Die Begründung von Wohn- und Teileigentum sollte- 3 -auf der Grundlage einer ebenfalls bereits beurkundeten Teilungserklärungnebst Nachträgen erfolgen.In dem Kaufvertrag heißt es u.a.:"Auf Baubeschreibung und Teilungserklärung samt Nachträgenhierzu wird unter Verzicht auf nochmaliges Vorlesen und Beifügenzur heutigen Niederschrift verwiesen. Diese Urkunden werden al-so zum Inhalt der heutigen Niederschrift gemacht."Die Klägerin, die sich etwaige Ansprüche ihres Ehemannes hat abtretenlassen, verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Sie hat dazu u.a. be-hauptet, daß sie und ihr Mann bei der Beurkundung nicht erklärt hätten, daßihnen der Inhalt der in Bezug genommenen notariellen Urkunden über dieBaubeschreibung und die Teilungserklärungen bekannt seien. Infolgedessenfehle es an einer wirksamen Beurkundung. Ferner hat sie Mängel des Kaufge-genstands geltend gemacht. Ihrer auf Rückzahlung des Teilkaufpreises von512.047,41 DM nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Erteilung von Löschungsbe-willigungen hinsichtlich Auflassungsvormerkung und eingetragener Grund-schuld, gerichteten Klage haben Land- und Oberlandesgericht stattgegeben.Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Streithelfer der Beklagten wei-terhin die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung desRechtsmittels.- 4 -Entscheidungsgründe:I.Das Berufungsgericht hält den notariellen Vertrag für formunwirksam, daer nicht entsprechend den Vorschriften des Beurkundungsgesetzes beurkundetworden sei. Die schlichte Bezugnahme auf die Baubeschreibung und die Tei-lungserklärung genügten nicht den Anforderungen des § 13a Abs. 1 BeurkG.Eine, im konkreten Fall unterbliebene, Verlesung dieser früheren notariellenUrkunden sei nur entbehrlich gewesen, wenn die Beteiligten erklärt hätten, daßihnen deren Inhalt bekannt sei und sie auf das Vorlesen verzichteten. Ob einesolche Erklärung abgegeben worden sei, sei nicht festzustellen. Dies gehe zuLasten der Beklagten. Zwar müsse an sich die Klägerin die Tatbestandsvor-aussetzungen für den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch, mit-hin auch das Fehlen des Rechtsgrundes, darlegen und beweisen. Bei einemhier vorliegenden Verstoß gegen die Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2BeurkG komme der Klägerin aber eine Beweislastumkehr zugute. Wegen derSchutzfunktion des Beurkundungsverfahrens könne aus dem Schweigen derNiederschrift darüber, ob die Parteien erklärt haben, den Inhalt der in Bezuggenommenen notariellen Urkunden zu kennen, darauf geschlossen werden,daß solche Erklärungen auch nicht abgegeben worden seien. Das Gegenteilmüsse der beweisen, der behaupte, die Erklärungen seien gleichwohl erfolgt.II.Dies hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.- 5 -Der auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützte Rückzahlungsanspruch istnicht begründet, da die Klägerin nicht den ihr obliegenden Beweis dafür er-bracht hat, daß der Zahlung auf den Kaufpreis der Rechtsgrund fehlt, weil derVertrag vom 18. August 1999 formunwirksam und damit nichtig ist.1. Bei Grundstücksgeschäften wie hier unterliegen dem Beurkundungs-erfordernis nach § 313 Satz 1 BGB a.F. alle Vereinbarungen, aus denen sichnach dem Willen der Vertragsparteien das schuldrechtliche Veräußerungsge-schäft zusammensetzt (Senat, BGHZ 63, 359; BGH, Urt. v. 12. Februar 1981,VII ZR 230/80, WM 1981, 491; st. Rspr.). Da die Parteien im vorliegenden Falldie Baubeschreibung und die Teilungserklärungen zum Inhalt ihrer vertragli-chen Vereinbarungen gemacht haben, ist das Berufungsgericht daher zu Rechtdavon ausgegangen, daß diese Bestandteile des Rechtsgeschäfts mitzubeur-kunden waren.2. Zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, daß von ei-ner wirksamen Beurkundung dieser Vertragsbestandteile nur ausgegangenwerden kann, wenn die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG er-füllt sind, wenn also die bereits vorher beurkundeten Erklärungen, nämlich dieBaubeschreibung und die Teilungserklärung mit Nachträgen, zwar nicht vor-gelesen worden sind, die Beteiligten aber erklärt haben, daß ihnen der Inhaltder anderen Niederschriften bekannt sei und daß sie auf das Vorlesen ver-zichteten. Daß die Urkunde entgegen § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG keine Fest-stellungen hinsichtlich der nach Satz 1 der Norm erforderlichen Erklärungenenthält, stünde einer wirksamen Beurkundung nicht entgegen. Es handelt sichinsoweit um eine Sollvorschrift. Entscheidend ist, ob die Parteien die Erklärun-gen abgegeben haben (Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 13a Rdn. 48, 75 m.w.N.).- 6 -Haben sie dies nicht, so ist die Beurkundung unwirksam, und der Vertrag man-gelt der vorgeschriebenen Form mit der Nichtigkeitsfolge des § 125 BGB (BGH,Beschl. v. 29. Januar 1992, VIII ZR 95/91, WM 1992, 670).3. Nach dem von dem Revisionsgericht zugrundezulegenden Beweiser-gebnis steht weder fest, daß die Parteien die nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkGerforderlichen Erklärungen abgegeben haben, noch daß sie sie nicht abgege-ben haben. Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber meint, es sei imLaufe des Prozesses unstreitig geworden, daß jedenfalls die Klägerin im Beur-kundungstermin nicht erklärt hat, die in Bezug genommenen Urkunden zu ken-nen, stehen dem die für den Senat bindenden tatbestandlichen Feststellungendes Berufungsgerichts entgegen (§§ 559 Abs. 1, 314 ZPO). Die Entscheidungdes Rechtsstreits hängt daher hinsichtlich des geltend gemachten Bereiche-rungsanspruchs davon ab, wer die Beweislast für das Vorliegen bzw. Nichtvor-liegen der Erklärungen trägt. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungs-gerichts nicht die Beklagte, sondern die Klägerin.a) Das Berufungsgericht verkennt an sich nicht, daß grundsätzlich derKläger, der eine Leistung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Be-reicherung zurückfordert, den Beweis dafür zu führen hat, daß der Rechtsgrundfehlt (BGHZ 128, 167, 171; BGH, Urt. v. 9. Juni 1992, VI ZR 215/91, BGHRBGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Beweislast 3 m.w.N.). Danach obliegt vorliegend derKlägerin der Beweis dafür, daß der Kaufvertrag der erforderlichen Form man-gelt, weil er nicht ordnungsgemäß beurkundet worden ist.An diesem Grundsatz sind - entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts - auch nicht deswegen Zweifel angebracht, weil diese Beweislastvertei-- 7 -lung zu unterschiedlichen Ergebnissen führe, je nachdem, ob die eine er-brachte Leistung zurückfordernde Partei die Unwirksamkeit des Vertrages gel-tend mache oder die die Leistung fordernde Partei die Wirksamkeit. Denn diesist keine Besonderheit, die sich nur im Zusammenhang mit der Frage stellt, obeine Beurkundung den Anforderungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG genügt.Vielmehr ergeben sich diese Unterschiede bei der Beweislast stets, wenn umdie Wirksamkeit eines Vertrages gestritten wird und die eine Seite eine bereitserbrachte Leistung zurückfordert und die andere Seite den noch ausstehendenTeil einklagt. Es ist unbestritten und sachlich auch gerechtfertigt, daß die Be-reicherungsklage nur Erfolg hat, wenn der Kläger das Fehlen des Rechts-grunds, also die Unwirksamkeit des Vertrags, beweist, und der Vertragserfül-lungsklage nur stattgegeben werden kann, wenn das Bestehen des Vertragserwiesen ist.b) Für die Klägerin streitet auch nicht die Vermutung der Vollständigkeitund Richtigkeit einer über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen notariellen Ur-kunde. Diese Vermutung steht im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Beur-kundungserfordernis und dessen Reichweite (Senat, Urt. v. 1. Februar 1985,V ZR 180/83, WM 1985, 699). Sie erstreckt sich auf alle Vereinbarungen, ausdenen sich nach dem Willen der Vertragspartner das schuldrechtliche Veräu-ßerungsgeschäft zusammensetzt und die daher auch dem Beurkundungserfor-dernis unterliegen. Sie erfaßt damit nicht solche Erklärungen der Parteien, dienicht zu den Vereinbarungen zählen und folglich auch nicht der Beurkundungbedürfen (Senat, aaO). So verhält es sich hier. Die Erklärung der Parteien, denInhalt in Bezug genommener Urkunden zu kennen und auf deren Vorlesung zuverzichten, ist nicht Bestandteil der Einigung im Sinne des Veräußerungsge-schäftes. Sie bedurfte daher nicht der Beurkundung nach § 313 Satz 1 BGB- 8 -a.F. Auch das Beurkundungsgesetz hat den Vermerk über die Abgabe dieserErklärungen nicht zum Wirksamkeitserfordernis erhoben und die Aufnahme indie Niederschrift nur als Sollvorschrift ausgestaltet (§ 13a Abs. 1 Satz 2BeurkG).c) Nicht weiterführend für den konkreten Fall sind auch die Überlegun-gen, die das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Rechtsprechung desBundesgerichtshofs zu Beweiserleichterungen bei unvollständiger ärztlicherDokumentation angestellt hat. Es mag sein, daß die hinter dieser Rechtspre-chung stehenden Erwägungen in gleicher Weise für einen Prozeß gegen einenNotar gelten, der wegen nicht wirksamer Beurkundung (Fehlen der Erklärungennach § 13a Abs. 1 BeurkG) in Anspruch genommen wird. Macht der Notardemgegenüber geltend, die Erklärungen seien abgegeben worden, er habedies nur entgegen § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG nicht in die Niederschrift aufge-nommen, so kann es gerechtfertigt sein, ihm im Hinblick auf die ihm als Amts-pflicht obliegende (Winkler, aaO, § 13a Rdn. 75; Senat, Urt. v. 25. Mai 1984,V ZR 13/83, NJW 1985, 2077), von ihm aber unterlassene Dokumentation dieBeweislast für das Vorliegen der beurkundungsrechtlichen Wirksamkeitsvor-aussetzungen aufzuerlegen (so im Ergebnis Winkler, aaO § 13a Rdn. 75).Solche Erwägungen tragen aber entgegen der Auffassung des Beru-fungsgerichts keine Umkehrung der Beweislast auch im Verhältnis zu der ansich nicht beweisbelasteten Partei. Diese hat auf die Beachtung der Wirksam-keitserfordernisse und deren Niederlegung in der Urkunde nicht mehr Einflußals die andere Vertragspartei. Es liegt daher fern, sie deswegen mit beweis-rechtlichen Nachteilen zu belasten, weil der Notar Sollvorschriften verletzt hat,bei deren Beachtung der Nachweis der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der- 9 -Beurkundung ohne Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Etwas anderesfolgt auch nicht aus der von dem Berufungsgericht für seine Auffassung heran-gezogenen Senatsentscheidung BGHZ 142, 84, die - worauf die Revision zuRecht hinweist - zu dem vorliegenden Sachproblem keine Aussage enthält.d) Soweit das Beurkundungsgesetz in § 13 Abs. 1 Satz 3 selbst eineVermutung aufstellt, wonach aus der eigenhändigen Unterschrift der Beteiligtender Schluß darauf gerechtfertigt ist, daß die Niederschrift ordnungsgemäß vor-gelesen, gegebenenfalls zur Durchsicht vorgelegt und genehmigt wurde, solassen sich daraus für den vorliegenden Fall ebenfalls keine Folgerungen her-leiten. Die Norm ist auf ihren unmittelbaren Anwendungsbereich beschränkt(zur erweiternden Auslegung vgl. Senat, Urt. v. 28. Januar 1994, V ZR 131/92,NJW 1994, 1288) und scheidet als Grundlage für eine Vermutung dahin, daßeine nicht vermerkte Erklärung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG auch nichtabgegeben wurde, aus, läßt im übrigen auch nicht den gegenteiligen Schlußzu, daß die Bezugsurkunde vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt wurde(Winkler, aaO § 13a Rdn. 51).e) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung rechtfertigt das"Regel-Ausnahme-Prinzip" keine Umkehr der Beweislast.Zweifelhaft ist schon, ob die Vorlesungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1BeurkG inhaltlich die Regel und das Absehen hiervon unter den Voraussetzun-gen des § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG die Ausnahme darstellt (so allerdingsEylmann/Vaasen/Limmer, BNotO/BeurkG, § 13a BeurkG Rdn. 1). Zwar ist esgrundsätzlich so, daß die Niederschrift über das Vereinbarte zu verlesen istund daß dies - bis zu der Einfügung des § 13a BeurkG durch das Beurkun-- 10 -dungs-Änderungsgesetz vom 20. Februar 1980 (BGBl. I S. 157) - nach der sei-nerzeit geänderten Rechtsprechung des Senats auch für in Bezug genommenenotarielle Urkunden galt (Urt. v. 23. Februar 1979, V ZR 99/77, NJW 1979,1495; Urt. v. 27. April 1979, V ZR 175/77, NJW 1979, 1498). Daher könnte§ 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG als Ausnahme von diesem Grundsatz begriffenwerden. Andererseits kann die Vorschrift auch als eigenständige Regelungaufgefaßt werden, die den Besonderheiten des typisierten Grundstücksver-kehrs mit seinen aufeinander aufbauenden Vertragswerken (Bauträgerverträge,WEG-Teilungserklärungen, Hausverwalterverträge u.a.) Rechnung trägt undeine Verweisung auf andere notarielle Urkunden unter bestimmten Vorausset-zungen gerade auch im Interesse der Vertragsparteien zuläßt, die durch eineansonsten die Grenzen der Aufnahmefähigkeit überschreitende und vom We-sentlichen ablenkende langandauernde Verlesung überfordert werden könnten(vgl. Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 13a Rdn. 2).Jedenfalls kann aber von einem die Beweislast verteilenden Regel-Ausnahme-Verhältnis nur ausgegangen werden, wenn dies im Gesetz, aus-drücklich oder durch Auslegung gewonnen (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald,Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., S. 671), zum Ausdruck gekommen ist, wenn - wiezum Teil auch formuliert wird - die beiden Tatbestände als Norm und Gegen-norm erscheinen (vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 119 ff., 124 ff.;Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, 1966, S. 53 ff.;MünchKomm-ZPO/Prütting, 2. Aufl., § 286 Rdn. 112, 113). Daran fehlt es imvorliegenden Fall. Die sprachliche Fassung des § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkGläßt nicht erkennen, daß der Gesetzgeber diese Regelung als Ausnahme vonder in § 13 Abs. 1 BeurkG statuierten Vorlesungspflicht verstanden wissenwollte. Es fehlen die hierfür typischen Wendungen wie "dies gilt nicht", "dieVorschrift ist nicht anzuwenden, wenn", "es sei denn" oder ähnl. (vgl. Münch-- 11 -Komm-ZPO/Prütting, aaO Rdn. 112). Ein solches Verständnis drängt sich auchnicht aus Sachgründen auf. Die Norm regelt, wie zu verfahren ist, wenn aufnotarielle Urkunden verwiesen wird und deren Verlesung erspart werden soll.Dabei gibt es keine Sachgründe, unabhängig von Anspruchsnormen, bei denenes auf die Wirksamkeit der Beurkundung ankommt, die Beweislast zu verteilen.Weder spricht die Wahrscheinlichkeit als Grundlage für ein Regel-Ausnahme-Verhältnis (vgl. Leipold aaO S. 56) dafür, daß alles zu verlesen ist, die Bezug-nahme demgegenüber der Ausnahmefall ist, noch steht einer der Beteiligtender zu beweisenden Tatsache näher. Daß der Notar die Förmlichkeiten be-achtet hat, ist für beide Vertragspartner gleich wahrscheinlich oder zufällig undvon dem einen nicht eher beeinflußbar als von dem anderen.Soweit das Berufungsgericht auf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis hin-sichtlich der Beachtung der Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkGdurch den Notar abstellt, verkennt es, daß der Gesetzgeber hier kein Verhält-nis von Regel und Ausnahme begründet hat, sondern lediglich dem Notar auf-gegeben hat, in jedem Fall in der Niederschrift festzuhalten, daß die Parteiendie Erklärungen nach Abs. 1 Satz 1 der Norm abgegeben haben. Was demBerufungsgericht möglicherweise vorgeschwebt hat und worauf auch die Revi-sionserwiderung die Entscheidung stützen möchte, ist die Überlegung, daß derNotar im Regelfall die Sollvorschrift beachten wird, so daß bei einem Fehlendes Vermerks angenommen werden könne, die Parteien hätten auch nichtserklärt. Dieser Schluß ist aber ebenfalls nicht gerechtfertigt. Da der Gesichts-punkt der Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde nicht trägt(s.o.), ließe er sich nur auf einen Lebenserfahrungssatz stützen, daß nämlichNotare im allgemeinen die ihnen auferlegten Pflichten beachten. Abgesehendavon, daß dies nicht zu einer Umkehr der Beweislast, sondern nur zu einem- 12 -im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigenden Anscheinsbeweisführte (vgl. nur MünchKomm-ZPO/Prütting aaO Rdn. 51 ff.), gibt es aber auchkeinen Erfahrungssatz dieses Inhalts, wie wiederum das Berufungsgerichtselbst nicht verkannt hat. Es ist wahrscheinlicher, daß ein Notar das Gesetzbeachtet, als daß er dagegen verstößt. Es besteht aber nicht ein solcher Gradder Wahrscheinlichkeit, daß hierauf eine richterliche Überzeugung gegründetwerden könnte.f) Schließlich lassen sich entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts auch aus der Schutzfunktion des Beurkundungsverfahrens keine Gründefür eine Beweislastumkehr herleiten. Die Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2BeurkG bezweckt den Schutz aller am Beurkundungsverfahren Beteiligten. Ausdem Schweigen der Niederschrift über eine Abgabe der Erklärungen nachAbs. 1 Satz 1 der Vorschrift können vor dem Hintergrund des Schutzgedankenskeine Schlußfolgerungen für die Beweislast gezogen werden. Es ist nicht ge-rechtfertigt, wegen des Schutzzwecks, den Beteiligten die Bedeutung der Be-zugnahme vor Augen zu führen, demjenigen eine Umkehr der Beweislast zu-gute kommen zu lassen, der sich auf das Fehlen der nach § 13a Abs. 1 Satz 1BeurkG erforderlichen Erklärung beruft. Er ist nicht schutzwürdiger als seinVertragspartner, der behauptet, die Erklärung sei abgegeben worden. Eine an-gemessene Beweislastverteilung ist nur unter Berücksichtigung des jeweilsgeltend gemachten Anspruchs oder Gegenrechts möglich. Nur als Tatbe-standsvoraussetzung für den Anspruch oder den ihm entgegengesetzten Ein-wand gewinnt die Behauptung, das Wirksamkeitserfordernis für die Inbezu-gnahme einer fremden notariellen Urkunde fehle, Konturen, an denen sich Be-weislastregeln orientieren können. Danach trägt die Klägerin als diejenige, diedas Fehlen des Rechtsgrundes für die erbrachte Leistung zu beweisen hat, die- 13 -Nachteile des non liquet im Hinblick auf die Frage, ob der Vertrag ordnungs-gemäß beurkundet worden ist oder nicht.- 14 -III.Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif, da sich das Berufungs-gericht mit dem von der Klägerin im übrigen vorgebrachten Klagegrund derRückabwicklung des Kaufvertrages unter dem Gesichtspunkt der Mängelhaf-tung oder des Rücktritts nicht auseinandergesetzt und dazu keine Feststellun-gen getroffen hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen (§ 563 ZPO).Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

Meta

V ZR 431/02

18.07.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2003, Az. V ZR 431/02 (REWIS RS 2003, 2209)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2209

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