Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2004, Az. AnwZ (B) 43/03

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2004, 1134

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[X.][X.] ([X.]) 43/03
vom

18. Oktober 2004 in dem Verfahren

g e g e n

wegen Widerrufs der Zulassung zur Re[X.]htsanwalts[X.]haft - 2 -

Der [X.]undesgeri[X.]htshof, [X.], hat dur[X.]h die Vorsitzende Ri[X.]hterin [X.], den Ri[X.]hter [X.], die Ri[X.]hterin [X.] und den Ri[X.]hter [X.] sowie die Re[X.]htsanwälte Prof. [X.], [X.] und die Re[X.]htsanwältin [X.] na[X.]h mündli[X.]her Verhandlung am [X.] 2004 bes[X.]hlossen:
Auf die sofortige [X.]es[X.]hwerde des Antragstellers werden der [X.]es[X.]hluß des 1. [X.]s des [X.]s des [X.] vom 16. Mai 2003 und der [X.]es[X.]heid der An-tragsgegnerin vom 6. März 2003 aufgehoben.

Gebühren und Auslagen werden ni[X.]ht erhoben. [X.] Auslagen werden ni[X.]ht erstattet.

Der Ges[X.]häftswert für das Verfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe:
[X.] Der Antragsteller ist seit 1987 als Re[X.]htsanwalt und - na[X.]h [X.] - seit 1992 bei dem Amts- und [X.]und bei dem [X.]zugelassen. Mit Verfügung vom 6. März 2003 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Re[X.]htsanwalts[X.]haft we-gen Vermögensverfalls widerrufen. Der [X.] hat den Antrag auf - 3 -

geri[X.]htli[X.]he Ents[X.]heidung dur[X.]h den angefo[X.]htenen [X.]es[X.]hluß zurü[X.]kgewie-sen. Dagegen wendet si[X.]h der Antragsteller mit der sofortigen [X.]es[X.]hwerde.

I[X.] Das Re[X.]htsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 [X.]RAO) und hat au[X.]h Erfolg. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO lagen bei Erlaß des [X.] ni[X.]ht vor.

1. Wie in der Widerrufsverfügung der Antragsgegnerin und dem ange-fo[X.]htenen [X.]es[X.]hluß des [X.]s zutreffend ausgeführt worden ist, befand si[X.]h der Antragsteller bei Erlaß der Widerrufsverfügung allerdings in Vermögensverfall. Aufgrund eines Antrags des Finanzamts vom 2. Oktober 2002, das eine Steuerforderung in Höhe von 77.338,14 Euro geltend ma[X.]hte, und des Antrags des Antragstellers selbst wurde dur[X.]h [X.]es[X.]hluß des [X.]vom 5. Dezember 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] eröffnet. Damit trat die Vermutung des Vermögensverfalls na[X.]h § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO ein. Sie wurde bestätigt dur[X.]h die Feststellungen des [X.], na[X.]h denen der Antragsteller zahlungsunfähig ist. Seine Verbind-li[X.]hkeiten belaufen si[X.]h auf rund 557.000 Euro, denen eine freie Masse von rund 23.000 Euro gegenübersteht. Dies wird au[X.]h vom Antragsteller ni[X.]ht in Frage gestellt. Der [X.] hat au[X.]h bereits ents[X.]hieden, daß der Übergang der Verfügungsbefugnis des insolventen Re[X.]htsanwalts auf einen Insolvenzverwal-ter ni[X.]ht etwa dazu führt, daß seine Vermögensverhältnisse deshalb als "[X.]" anzusehen sind. Denn zu geordneten Vermögensverhältnissen gehört au[X.]h, daß die S[X.]hulden in absehbarer Zeit entfallen und der Re[X.]htsanwalt frei - 4 -

über sein Vermögen verfügen kann ([X.]GH, [X.]es[X.]hl. vom 13. März 2000 - [X.]([X.]) 28/99 = [X.], 1228).
2. Dur[X.]h den Vermögensverfall, in den der Antragsteller geraten ist, sind jedo[X.]h die Interessen der Re[X.]htsu[X.]henden ni[X.]ht gefährdet.

a) Wie der [X.]estimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber allerdings grundsätzli[X.]h von einer Gefährdung der Interessen der Re[X.]htsu[X.]henden aus, wenn si[X.]h der Re[X.]htsanwalt in [X.] befindet. Dies ist au[X.]h in aller Regel der Fall, insbesondere im [X.] auf den Umgang des Re[X.]htsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf mögli[X.]hen Zugriff von Gläubigern. Diese Gefährdung ist grundsätzli[X.]h ni[X.]ht dur[X.]h die Insolvenzeröffnung mit der damit verbundenen [X.] des Insolvenzs[X.]huldners weggefallen ([X.]GH, [X.]es[X.]hl. vom 13. März 2000 - [X.] ([X.]) 28/99 aaO). Die Interessen der Mandanten sind regelmäßig s[X.]hon deshalb gefährdet, weil diese - vorbehaltli[X.]h ihres guten Glaubens - das [X.] ni[X.]ht befreiend an den Auftragnehmer zahlen können. Daran hat si[X.]h dur[X.]h das Inkrafttreten der Insolvenzordnung ni[X.]hts geändert. Au[X.]h die Aufgabe der eigenen Praxis und die Aufnahme einer Tätigkeit als angestellter Re[X.]htsanwalt s[X.]hließen na[X.]h der [X.]sre[X.]htspre[X.]hung die Gefährdung der Re[X.]htsu[X.]henden ni[X.]ht aus (vgl. [X.]GH, [X.]es[X.]hl. vom 25. Juni 1984 - [X.]([X.]) 7/84 = [X.]RAK-Mitt. 1984, 194; [X.]GH, [X.]es[X.]hl. vom 23. Februar 1987 - [X.]([X.]) 52/86 = [X.]RAK-Mitt. 1987, 208). Der angestellte Re[X.]htsanwalt kann weiterhin [X.] in Empfang nehmen; zudem hat er bei [X.] seiner Erlaubnis jederzeit die Mögli[X.]hkeit, wieder selbständig in eige-ner Praxis oder nebenher auf eigene Re[X.]hnung tätig zu werden, ohne daß dies - 5 -

von der Re[X.]htsanwaltskammer oder von seinem Arbeitgeber ohne weiteres kontrolliert werden kann.
b) Au[X.]h wenn die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO, na[X.]h der der Vermögensverfall die Gefährdung der Interessen der Re[X.]htsu[X.]henden indiziert, ni[X.]ht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher ni[X.]ht zwangsläufig und ausnahmslos s[X.]hon aus dem Vorliegen des [X.]s folgt, wird sie im - na[X.]h der gesetzli[X.]hen Wertung - vorrangigen Interesse der Re[X.]htsu[X.]henden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint wer-den können ([X.]GH, [X.]es[X.]hl. vom 14. Juli 2003 - [X.] 61/02 m.w.N.; [X.]GH, [X.]es[X.]hl. vom 12. Januar 2004 - [X.]([X.]) 17/03 vom 12. Januar 2004).

[X.]) Ein sol[X.]her Ausnahmefall liegt hier indessen vor. Eine Gesamtwürdi-gung der Person des Antragstellers, der Umstände des eröffneten [X.] und der weitgehenden [X.]es[X.]hränkungen, denen si[X.]h der [X.] arbeitsvertragli[X.]h unterworfen hat, läßt hier ausnahmsweise den S[X.]hluß zu, daß dur[X.]h seinen Vermögensverfall die Gefährdung der Interessen der Re[X.]ht-su[X.]henden ni[X.]ht gegeben ist.
Der Antragsteller hat - anders als in dem dem [X.]sbes[X.]hluß vom 23. Februar 1987 (aaO) zugrunde liegenden Sa[X.]hverhalt - seinen anwaltli[X.]hen [X.]eruf bisher ohne jede [X.]eanstandung ausgeübt. Den Insolvenzantrag hat er selbst gestellt. Na[X.]h der Auskunft des Insolvenzverwalters liegen keine Anmel-dungen von Insolvenzgläubigern vor, die aus Mandaten des Antragstellers her-rühren. Seit Anfang 2003 ist der Antragsteller als angestellter Anwalt in einer größeren Anwaltskanzlei tätig. Im Arbeitsvertrag hat er si[X.]h im Hinbli[X.]k auf die - 6 -

dur[X.]h § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO ges[X.]hützten [X.]elange der Re[X.]htsu[X.]henden er-hebli[X.]hen [X.]es[X.]hränkungen unterworfen. So ist vereinbart, daß sein Name ([X.] als in dem im [X.]sbes[X.]hluß vom 25. Juni 1984, aaO, ents[X.]hiedenen Fall) weder auf dem [X.]riefkopf no[X.]h auf dem Praxiss[X.]hild ers[X.]heint. Die [X.] werden im Auftrag und für Re[X.]hnung der Sozietät abges[X.]hlossen, eigene Mandate darf der Antragsteller ni[X.]ht annehmen. Zahlungen an die Sozietät darf er ni[X.]ht entgegennehmen. Wenn es in Ausnahmefällen zu [X.]arzahlungen [X.] sollte, hat der Antragsteller entspre[X.]hend der Übung in der Sozietät einen Sozius und die [X.]ürovorsteherin bzw. deren Vertreterin hinzuzuziehen. Die Re[X.]htsanwälte, die den Arbeitsvertrag mit dem Antragsteller ges[X.]hlossen ha-ben, haben si[X.]h vertragli[X.]h verpfli[X.]htet, den pfändbaren Teil des Arbeitsein-kommens des Antragstellers an den Insolvenzverwalter bzw. an einen vom In-solvenzgeri[X.]ht zu bestellenden Treuhänder abzuführen. Der Antragsteller und sie haben si[X.]h ferner dur[X.]h s[X.]hriftli[X.]he Erklärung der Antragsgegnerin gegen-über verpfli[X.]htet, jede Änderung des ges[X.]hlossenen Anstellungsvertrags und ein etwaiges Ende des Anstellungsverhältnisses unverzügli[X.]h mitzuteilen.
Zwar ist ni[X.]ht zu verkennen, daß die von dem Antragsteller und den So-zien der Kanzlei übernommenen Verpfli[X.]htungen, dur[X.]h die eine Gefährdung der Interessen der Re[X.]htsu[X.]henden ausges[X.]hlossen werden soll, ihren Zwe[X.]k nur dann erfüllen, wenn sie sowohl von dem Antragsteller als au[X.]h von seinen Arbeitgebern eingehalten werden. Anhaltspunkte dafür, daß sie si[X.]h über ihre Verpfli[X.]htungen hinwegsetzen könnten, bestehen jedo[X.]h ni[X.]ht. Das gilt ni[X.]ht nur - wie ausgeführt - für den Antragsteller, der si[X.]h bisher berufsre[X.]htli[X.]h un-tadelig verhalten hat. [X.]ei der Sozietät, in der der Antragsteller angestellt ist, handelt es si[X.]h, wie die Antragsgegnerin auf [X.]efragen des [X.]s erklärt hat, um eine angesehene Kanzlei, die bisher in keiner Weise zu [X.]eanstandungen - 7 -

Anlaß gegeben hat. Den verantwortli[X.]hen Re[X.]htsanwälten drohen bei einer Verletzung der von ihnen der Antragsgegnerin gegenüber eingegangenen Ver-pfli[X.]htungen berufsre[X.]htli[X.]he Konsequenzen (§ 43 [X.]RAO). Zudem bietet eine Sozietät - anders als etwa eine [X.] - die Gewähr, daß au[X.]h während der Urlaubszeit oder bei einer etwaigen Erkrankung eines Sozius die Einhal-tung der vertragli[X.]hen Verpfli[X.]htungen des Antragstellers überwa[X.]ht werden kann.
[X.]ei Würdigung aller Umstände und unter [X.]erü[X.]ksi[X.]htigung des dem [X.] zustehenden Grundre[X.]hts auf [X.]erufsfreiheit (Art. 12 GG) ers[X.]heint es ni[X.]ht gere[X.]htfertigt, ihm im Hinbli[X.]k auf die allenfalls no[X.]h theoretis[X.]h gege-bene Mögli[X.]hkeit einer Gefährdung der Interessen der Re[X.]htsu[X.]henden die Zulassung als Re[X.]htsanwalt zu entziehen.
3. Allerdings könnten gegen die vertragli[X.]he Ausgestaltung des [X.] aus anderen Gründen [X.]edenken bestehen. Die weitgehenden arbeitsvertragli[X.]hen [X.]es[X.]hränkungen, denen si[X.]h der Antragsteller zum S[X.]hutz der Re[X.]htsu[X.]henden unterworfen hat und die hier mit den weiteren aus dem Insolvenzverfahren folgenden [X.]es[X.]hränkungen zusammentreffen, sind nur s[X.]hwer mit dem [X.]erufsbild des Re[X.]htsanwalts, wie es §§ 1 bis 3 [X.]RAO zugrunde liegt, in Einklang zu bringen. Sie ers[X.]heinen jedo[X.]h angesi[X.]hts ihrer nur vorübergehenden Natur no[X.]h hinnehmbar. Der Antragsteller hat zuglei[X.]h mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Antrag auf Rest-s[X.]huldbefreiung gestellt. Mit der [X.]eendigung des Insolvenzverfahrens und der Ankündigung der Rests[X.]huldbefreiung dur[X.]h [X.]es[X.]hluß des Insolvenzgeri[X.]hts kann der Antragsteller davon ausgehen, daß er am Ende der [X.] -

phase die Rests[X.]huldbefreiung erlangen wird. Damit würden au[X.]h die Gründe entfallen, die den arbeitsvertragli[X.]hen Regelungen zugrunde liegen.
4. Da der Antragsteller die von ihm und seinen Arbeitgebern der An-tragsgegnerin gegenüber abgegebene s[X.]hriftli[X.]he Erklärung mit der Verpfli[X.]h-tung, Änderungen des Anstellungsverhältnisses unverzügli[X.]h anzuzeigen, erst im Laufe des [X.]es[X.]hwerdeverfahrens vorgelegt hat, entspri[X.]ht es ni[X.]ht der [X.]il-ligkeit, eine Erstattung seiner außergeri[X.]htli[X.]hen Auslagen anzuordnen (§ 40 Abs. 4 [X.]RAO i.V.m. § 13 a Abs. 1 Satz 1 [X.]). Deppert Ganter

Otten Ernemann

Salditt Kieserling [X.]

Meta

AnwZ (B) 43/03

18.10.2004

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2004, Az. AnwZ (B) 43/03 (REWIS RS 2004, 1134)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1134

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