Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.11.2022, Az. 7 VR 3/22

7. Senat | REWIS RS 2022, 9679

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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3 750 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin, eine kreisangehörige Gemeinde, wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer mit Bescheid des [X.] vom 25. August 2022 erlassenen Anordnung, die sie zur Duldung der Befahrung des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks [X.] 2577 der Gemarkung S. verpflichtet.

2

Die Befahrung des [X.] ist Voraussetzung für die Durchführung geplanter Baugrunduntersuchungen (Erkundungsbohrungen sowie Errichtung und Betrieb einer Grundwassermessstelle) auf dem benachbarten, landwirtschaftlich genutzten Grundstück [X.] 2572 der Gemarkung S.

3

Die Baugrunduntersuchungen dienen der Vorbereitung der Planung für die Eisenbahnneu- und -ausbaustrecke München-Rosenheim-Kiefersfelden-Grenze [X.]A (Brenner-Nordzulauf), die als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs in den Bedarfsplan für die [X.] aufgenommen ist. Einen Antrag auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für das Vorhaben hat die Beigeladene bislang nicht gestellt.

4

Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Bescheid vom 25. August 2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2022 erhobenen Klage ([X.] 7 A 11.22). Sie rügt die fehlende Anhörung vor Erlass der [X.] und macht eine Verletzung ihres Eigentums geltend. Zudem verweist sie auf eine Gefährdung der örtlichen Trinkwasserversorgung durch das geplante [X.].

II

5

1. Das [X.] ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Die [X.] dient der Vorbereitung der Planfeststellung eines nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO in Verbindung mit Anlage 1 Nr. 22 zu § 18e Abs. 1 [X.] in die erstinstanzliche Zuständigkeit des [X.]s fallenden Vorhabens (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2022 - 7 VR 1.22 - juris Rn. 4 m. w. N.).

6

2. Der Antrag ist unbegründet.

7

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im Interesse der Beigeladenen angeordnet und in Übereinstimmung mit § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründet.

8

Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden summarischen Prüfung erweist sich die [X.] als rechtmäßig. Es besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.

9

a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung eines Vorhabens oder von Unterhaltungsmaßnahmen notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von [X.] und sonstige Vorarbeiten durch den Träger des Vorhabens oder von ihm Beauftragte zu dulden.

Dieser im Gesetz angeordneten Duldungspflicht gegenüber planvorbereitenden Maßnahmen kann die Antragstellerin nicht entgegenhalten, das Vorhaben gefährde die örtliche Trinkwasserversorgung. Dies ergibt sich schon daraus, dass ein Antragsteller mit einer auf das Vorhaben selbst bezogenen Kritik im Verfahren um eine [X.] hinsichtlich planvorbereitender Maßnahmen nicht gehört werden kann, weil dies auf eine - unzulässige - vorbeugende Unterlassungsklage bzw. einen - unzulässigen - vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz gegen ein sich noch im Stadium der Planung befindliches Vorhaben hinausliefe. Solche Einwendungen können nur Gegenstand eines gegen den auf das Vorhaben bezogenen Planfeststellungsbeschluss gerichteten [X.] sein (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2022 - 7 VR 1.22 - juris Rn. 10 m. w. N.).

Die hier in Rede stehende Befahrung steht mit Arbeiten in Zusammenhang, die hinsichtlich des Vorhabens des Streckenneu- bzw. -ausbaus lediglich planungsvorbereitenden Charakter haben und insoweit keinerlei vollendete Tatsachen schaffen, die ein die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes rechtfertigendes qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis begründeten (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2022 - 7 VR 1.22 - juris Rn. 11 m. w. N.).

b) Der [X.] vom 25. August 2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2022 ist formell rechtmäßig. Die zunächst unterbliebene Berücksichtigung einer am Tag des Bescheiderlasses bei der Antragsgegnerin fristgerecht eingegangenen Stellungnahme der Antragstellerin wurde im Widerspruchsverfahren nachgeholt (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG).

c) Die [X.] ist auch materiell rechtmäßig. Die zu duldenden Befahrungen des [X.] der Antragstellerin mit Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von maximal 21 t gehen in ihrer Eingriffsintensität ersichtlich nicht über das Maß dessen hinaus, was einem Grundstückseigentümer auf der Grundlage des § 17 [X.] zuzumuten ist. Im gerichtlichen Verfahren trägt die Antragstellerin auf die Beeinträchtigung des [X.] bezogene Gesichtspunkte auch selbst nicht vor. Soweit sie im Widerspruchsverfahren unter anderem wegen der Gefahr des [X.] einer unter dem Weg befindlichen Verrohrung Bedenken hinsichtlich der Befahrbarkeit geltend gemacht hat, ist nicht zuletzt auf die im Widerspruchsbescheid verfügte zusätzliche Auflage zu verweisen, mit der die Beigeladene verpflichtet wird, auf der Grundlage näherer Informationen seitens der Antragstellerin den Durchlass des Rohres gegen Beschädigungen zu sichern. Für etwaige entstehende Vermögensnachteile hätte die Beigeladene der Antragstellerin zudem Entschädigung zu leisten (§ 17 Abs. 3 Satz 1 [X.]).

d) Es besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Dieses wird bereits dadurch indiziert, dass es sich bei der Eisenbahnneu- und -ausbaustrecke München-Rosenheim-Kiefersfelden-Grenze [X.]A (Brenner-Nordzulauf) um ein Projekt des vordringlichen Bedarfs handelt, für das der Gesetzgeber in § 18e Abs. 2 Satz 1 [X.] die sofortige Vollziehbarkeit der Planfeststellung als Grundentscheidung angeordnet hat. Diese Grundentscheidung ist auch bei den der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens dienenden Vorarbeiten zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2022 - 7 VR 1.22 - juris Rn. 15 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Orientierung an Nr. 1.5 und 34.2.6 analog des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Meta

7 VR 3/22

21.11.2022

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: VR

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.11.2022, Az. 7 VR 3/22 (REWIS RS 2022, 9679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9679

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