Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.10.2016, Az. 29 W (pat) 35/15

29. Senat | REWIS RS 2016, 3718

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Immer eine Frische voraus" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 008 971.8

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters Dr. von Hartz

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 7. Mai 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Immer eine Frische voraus

3

ist am 15. Dezember 2014 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 31 und 35 angemeldet worden.

4

Mit Beschluss vom 7. Mai 2015 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung teilweise zurückgewiesen und zwar für nachfolgende Waren und Dienstleistungen:

5

Klasse 29 Fleisch; Wurstwaren; Aufschnitt; Schinken; Fisch, Meeresfrüchte und Weichtiere; Molkereiprodukte und deren Ersatzprodukte; Käse; Vogeleier und Eierprodukte; Öle und Fette; verarbeitetes Obst und Gemüse [einschließlich Nüsse, Hülsenfrüchte] sowie verarbeitete Pilze; Fertiggerichte, Snacks und Desserts [einschließlich Suppen und Brühen], nämlich [X.], Schmorgerichte und Aufläufe, kondensierte Tomaten, Dips, Fisch-Kräcker, Pollen, zubereitet für [X.], Snacks aus Schweinefleisch, Sojazubereitungen, Fertiggerichte vorwiegend aus Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten oder Gemüse, Snacks und Beilagen aus Kartoffeln, Suppen und Zubereitungen hierfür, Eintöpfe, Fonds und Brühen, Yucca-Chips

6

Klasse 31 landwirtschaftliche Erzeugnisse; gartenwirtschaftliche Erzeugnisse; forstwirtschaftliche Erzeugnisse; Erzeugnisse der Aquakultur; frisches Obst und Gemüse; Futtermittel; Tiernahrung; Streu- und Einstreumaterialien für Tiere

7

Klasse 35 Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Einzelhandelsdienstleistungen auch im Wege des e-commerce, in Bezug auf alle nachfolgenden Waren: chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, fotografische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, Düngemittel, chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln, Wasch- und Bleichmittel, Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, [X.], pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, Hygienepräparate für medizinische Zwecke, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost, Druckereierzeugnisse, Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate], Waren aus Kunststoffen [Halbfabrikate], Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial, Schläuche [nicht aus Metall], Fleisch, Wurstwaren, Aufschnitt, Schinken, Fisch, Meeresfrüchte und Weichtiere, Geflügel und Wild, Fleischextrakte, konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse, Gallerten [Gelees], Konfitüren, Kompotte, Eier, Vogeleier und Eierprodukte, Milch und Milchprodukte, Molkereiprodukte und deren Ersatzprodukte, Käse, Speiseöle und fette, verarbeitetes Obst und Gemüse [einschließlich Nüsse, Hülsenfrüchte] sowie verarbeitete Pilze, Fertiggerichte, Snacks und Desserts [einschließlich Suppen und Brühen], nämlich [X.], Schmorgerichte und Aufläufe, kondensierte Tomaten, Dips, Fisch-Kräcker, Pollen, zubereitet für [X.], Snacks aus Schweinefleisch, Sojazubereitungen, Fertiggerichte vorwiegend aus Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten oder Gemüse, Snacks und Beilagen aus Kartoffeln, Suppen und Zubereitungen hierfür, Eintöpfe, Fonds und Brühen, Yucca-Chips, Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, [X.], [X.], [X.], Kaffeeersatzmittel, Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis, Honig, Melassesirup, Hefe, Backpulver, Salz, Senf, Essig, Soßen [Würzmittel], Gewürze, land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Erzeugnisse der Aquakultur und Samenkörner, frisches Obst und Gemüse, Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen, Futtermittel und Tiernahrung, Streu- und Einstreumaterialien für Tiere, Malz, Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, [X.] und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zu-bereitung von Getränken, alkoholische Getränke [ausgenommen Biere], Tabak, Raucherartikel.

8

Zur Begründung führt die Markenstelle aus, das angemeldete Zeichen sei hinsichtlich der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen glatt beschreibend. Deshalb sei es nicht geeignet, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Der Verkehr werde den Begriff „Immer eine Frische voraus“ als werbemäßigen Hinweis darauf verstehen, dass es sich bei den in Frage stehenden Waren um besonders frische handele, frischer als die der Mitbewerber, und die Dienstleistungen dem Vertrieb dieser besonders frischen Waren dienten oder deren Frischhaltung. Die Wortkombination sei [X.] gebildet aus Begriffen der [X.] Alltagssprache. Sie werde daher von den ebenfalls angesprochenen breiten [X.]en unmittelbar im oben genannten Sinne verstanden werden. Es komme auch nicht darauf an, ob der Begriff lexikalisch nachweisbar sei oder in dem Zusammenhang häufig verwendet werde. Alle zurückgewiesenen Waren könnten besonders frisch sein und die Dienstleistungen dem Vertrieb der außergewöhnlich frischen Waren dienen oder sich damit beschäftigen, wie Waren optimal frisch gehalten werden. Was alles unter besonders frischen Produkten zu verstehen sei, müsse nicht genau definiert werden, da dies naturgemäß sehr umfassend sein könne. Der Begriff könne bewusst weit gefasst sein, um ein möglichst breites Feld abzudecken.

9

Die Gesamtheit des angemeldeten Markenbegriffs enthalte keine über die Bedeutung der Einzelbestandteile hinausgehende schutzfähige Aussage. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei ebenfalls nicht ersichtlich, da der Verkehr stets von der für ihn naheliegenden Bedeutung ausgehe. Es reiche aus, wenn eine der denkbaren Bedeutungen beschreibend sei. Die Bedeutungen von Frische im Sinne von Rüstigkeit oder körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit seien hier in dem Zusammenhang eher abwegig. Dem Verkehr sei auch bekannt, dass Frische selbst nicht „voraus“ sein könne, sondern nur der Anbieter von frischen Produkten seiner Konkurrenz.

Die Markenstelle führt ferner aus, dass die vergleichbaren Begriffe „Immer eine Idee voraus“, „Immer eine Innovation voraus“, „Immer einen Bogen voraus“ (für Dienstleistungen einer Druckerei), „Immer eine Pfote voraus“ (für Hundesport), „Stets frische Fahrt voraus“ (für [X.] frischer Lebensmittel) und „Immer eine frische Idee voraus“ (für gefrorene Backwaren) bereits im oben genannten Sinn verwendet würden. Die angesprochenen [X.]e gingen deshalb auch nicht davon aus, dass es nur ein Unternehmen geben könne, das besonders frische Waren anbiete. Die um Schutz nachsuchende Bezeichnung weise daher nicht zwingend auf die Anmelderin hin.

Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen den teilzurückweisenden Beschluss des [X.].

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin auf einen Teil der in dem Anmeldeverzeichnis enthaltenen und im Beschwerdeverfahren noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen verzichtet. Sie verfolgt ihr [X.] nur noch in Bezug auf folgende Waren und Dienstleistungen:

Sie beantragt nunmehr,

den Beschluss des [X.]s vom 7. Mai 2015 aufzuheben.

Sie ist der Auffassung, die Wortfolge des angemeldeten Zeichens sei mehrdeutig und interpretationsbedürftig und durch das Wortspiel mit dem Begriff „voraus“ insbesondere auch einprägsam und originell – mithin insgesamt schutzfähig. Durch das Adverb „Voraus" werde der Verkehr sein Augenmerk auf eine unbestimmte Zeit- oder Längenangabe, und zwar in räumlicher und zeitlicher Hinsicht, richten. Dies rufe bei ihm eine Unklarheit hervor, wie denn „Frische“ voraus sein könne. Da der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnähme, wie es ihm entgegentrete, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen, sei der angemeldeten Wortfolge daher in Bezug auf die nach dem Verzicht noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 31 und 35 kein eindeutiger Begriffsinhalt zu entnehmen, da ihnen jeglicher beschreibende oder anpreisende Bezug fehle. Sie wiesen insbesondere keine Eigenschaft von „Frische“ auf. Es bedürfe mithin mehrerer gedanklicher Zwischenschritte, um auf den von der Markenstelle unterstellten Sinngehalt zu kommen.

Ohne weitere interpretatorische Gedankenschritte nicht nachvollziehbar und außerdem willkürlich sei die Feststellung der Markenstelle, der Verbraucher schließe vom Anmeldezeichen auf den Inhaber, der als Anbieter frischer Waren seiner Konkurrenz voraus sei. Der Verkehr müsse dazu zunächst die Wortfolge „Immer eine Frische voraus" gedanklich mit den Redewendungen „Immer einen Schritt voraus" oder „Immer eine Nasenlänge voraus" und der üblichen Verwendung des Wortes „voraus" in Verbindung bringen. Sodann müsse er sich den Sinngehalt dieser Redewendungen ins Gedächtnis rufen und ihn auf die angemeldete Wortfolge mit ihrem ungewöhnlichen Bezugspunkt der Frische übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 [X.] zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Beschwerde der Anmelderin ist nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses begründet. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens „Immer eine Frische voraus“ steht für die im Beschwerdeverfahren nunmehr noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen kein Schutzrechtshindernis gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 [X.] entgegen.

1.

Die Anmelderin hat gemäß § 39 Abs. 1 2. [X.]. [X.] das in der Anmeldung enthaltene Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wirksam eingeschränkt, indem sie in der mündlichen Verhandlung vorbehaltlos erklärt hat, in Bezug auf welche konkreten Waren und Dienstleistungen sie ihr [X.] auf Aufhebung des Beschlusses des [X.], mithin die Eintragung des angemeldeten Zeichens, weiter verfolgen möchte. Diese Erklärung kann auch noch im Beschwerdeverfahren abgegeben werden.

2.

Dem Anmeldezeichen fehlt insoweit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a)

Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.], 228 Rn. 33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 1109 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 569 Rn. 10 - [X.]; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 640 Rn. 10 – hey!). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] 2012, 270 Rn. 8 - Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 - Willkommen im Leben).

Ebenso ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer – unzulässigen – analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.] [Henkel]; [X.] 2014, 564 Rn. 24 - smartbook; a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 11 – [X.]). Allerdings schließt der Grundsatz der Gesamtbetrachtung es nicht aus, dass die einzelnen Markenbestandteile zunächst getrennt geprüft werden ([X.] [X.], 534 Rn. 43 Prana Haus GmbH/[X.] [[X.]]; [X.] in: [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 8 Rn. 186).

Der beschreibende Charakter einer [X.] kann insbesondere bei einem aus mehreren beschreibenden Wörtern zusammengesetzten Zeichen dann entfallen, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der [X.] wegführt ([X.] [X.], 931 Rn. 61 ff. – [X.]/[X.] [COLOR EDITION]; GRUR 2004, 674 Rn. 99 – [X.]/[X.] [Postkantoor]; [X.] 2014, 1204 – Rn. 18 – [X.]; [X.], 949 Rn. 13 – My World).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen [X.]e, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord AG/[X.] SA [Matratzen Concord/[X.]]; [X.] a. a. [X.] Rn. 11 - [X.]; a. a. [X.] Rn. 8 - Link economy).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn das Zeichenwort eine für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehende Sachaussage darstellt, es sich um ein gebräuchliches Wort der [X.] Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom angesprochenen Publikum stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird oder das Zeichen, sich auf Umstände bezieht, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – [X.] [X.]/[X.] [Postkantoor]; [X.] a. a. [X.] Rn. 21 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 11 – Link economy; a. a. [X.], Rn. 14 – [X.]; [X.], 1100 Rn. 23 – [X.]!; GRUR 2006, 850 Rn. 28 f. – [X.] 2006).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.] [X.] 2012, 304 Rn. 25 - Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.], a. a. [X.] Rn. 14 - [X.]; a. a. [X.] Rn. 14 - smartbook). Gleichwohl werden Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der angesprochene [X.] aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen schließt ([X.] a. a. [X.] Rn. 26 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]). Werbesprüche werden in aller Regel weniger konkret beschreibende Aussagen, sondern eher allgemeine Anpreisungen enthalten (vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 13 – hey!; [X.], Beschluss vom 29.03.2011, 27 W (pat) 574/10). Wortfolgen, die nach Art eines Slogans gebildet sind, wird der Verkehr daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. [X.] GRUR 2004, 1027 Rn. 35 - [X.]/[X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]). Demgegenüber können Indizien für die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis - auch wenn sie keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Unterscheidungskraft darstellen - die Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Wortfolge kann einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten (vgl. [X.] 2000, 321, 322 - Radio von hier; [X.], 323, 324 - Partner with the Best; [X.], 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Was jedoch im Verkehr ausschließlich als Werbung verstanden wird, stellt keine eintragungsfähige Marke dar ([X.] GRUR Int. 2011, 255 Rn. 52 – [X.]/[X.] [BEST BUY]; [X.], Beschluss vom 19.03.2014, 26 W (pat) 534/12).

b)

Gemessen an diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „Immer eine Frische voraus“ für die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. „Frische“ ist weder eine Produkteigenschaft noch stellt sie ein Qualitäts- oder Gütemerkmal dar, das der angesprochene [X.] erwarten würde.

aa)

Die um Schutz nachsuchende Angabe „Immer eine Frische voraus“ setzt sich aus einfachen Wörtern der [X.] Sprache zusammen.

Der Bestandteil „eine Frische“ beziehungsweise die „Frische“ weist im allgemeinen Sprachgebrauch eine Mehrzahl an Bedeutungen auf. So kann „Frische“ als frische Beschaffenheit eines verderblichen Gegenstands, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, Regsamkeit, Rüstigkeit, als ein Frischsein, ein subjektives Gefühl der Sauberkeit, als ein gesundes, blühendes Aussehen sowie eine Lebhaftigkeit, Leuchtkraft verstanden werden ([X.], Das große Wörterbuch der [X.] Sprache, 3. Aufl., Stichwort: Frische; [X.], Beschluss vom 09.10.2012, 24 W (pat) 502/11 - [X.]). Mit dem Begriff „Frische“ ist allgemein ein Werteversprechen verbunden (vgl. Wörterbuch der Werbesprache, [X.] 1991, Stichwort: Frische). Insbesondere für Nahrungs- und Reinigungsmittel bezeichnet „Frische“ eine Beschaffenheit, die für den Kunden als Käufer der Ware einen (vorteilhaften) Gütezustand bedeutet, der u. a. in optischer, geschmacklicher, olfaktorischer oder gesundheitsfördernder Hinsicht als besonders positiv wahrgenommen wird.

nicht ausschließlich, eine Distanz- bzw. Längenangabe in räumlicher oder zeitlicher Hinsicht im Sinne von „voraus sein" bzw. einen Vorsprung in zeitlicher Hinsicht bedeuten.

In seiner Gesamtheit hat das Anmeldezeichen den Charakter einer Werbeaussage und dient lediglich dazu, die Aufmerksamkeit auf Produkte zu lenken, bei denen die Frische eine positive Gütevorstellung erzeugt.

Auch wenn der um Schutz nachsuchenden Angabe kein einzig konkreter Sinngehalt zu entnehmen ist, da „Immer eine Frische voraus“ keine in sich inhaltlich abgeschlossene Aussage über konkrete Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen aufweist, bleibt die Werbebotschaft zu Produkten und Dienstleistungen erhalten. Die Wortfolge vermittelt dem angesprochenen [X.] auf der Grundlage des durch den Begriff „Frische“ erzeugten [X.], dass die vertriebenen Produkte eine besondere Güte und Qualität zu vergleichbaren Produkten anderer Personen oder Unternehmen aufweisen (vgl. [X.] 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Bei den angesprochenen [X.]en – je nach konkreter Ware und Dienstleistung der Endverbraucher, der Unternehmer sowie leitende Angestellte oder auch der Fachverkehr – löst die Wortfolge gerade keinen Denkprozess aus, um den Sinngehalt zu erfassen. Dem angesprochenen [X.] erschließt sich die Gesamtbedeutung des um Schutz nachsuchenden Zeichens ohne weiteres aus dem Zusammenwirken der Worte.

bb)

Die beanspruchten Waren „

Gleiches gilt für die noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 „

Nichts anderes gilt für die noch verfahrensgegenständlichen Einzelhandelsdienstleistungen („

3.

Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist wegen fehlender Eignung, die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen zu beschreiben, ebenfalls nicht gegeben. Denn die um Schutz nachsuchende Angabe „Immer eine Frische voraus“ hat aus den oben dargelegten Gründen keine sich sofort und ohne weiteres unmittelbar ergebende beschreibende Bedeutung.

Zwar ist bei der Prüfung dieses Schutzhindernisses auch ein aktuell noch nicht bestehendes, jedoch aufgrund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit prognostizierbares zukünftiges Freihaltebedürfnis zu berücksichtigen ([X.] [X.], 723 - [X.]; [X.] 2009, 994, Nr. 15 - [X.]; GRUR 2003, 882, 883 - [X.]; [X.], 771 - [X.] HOME DEPOT; [X.], 988 - [X.] [X.]). Ein solches kann jedoch aufgrund fehlender Anhaltspunkte nicht angenommen werden.

Meta

29 W (pat) 35/15

19.10.2016

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.10.2016, Az. 29 W (pat) 35/15 (REWIS RS 2016, 3718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3718

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