Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.03.2019, Az. 6 AV 10/19

6. Senat | REWIS RS 2019, 9206

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Befangenheit des Richters; Rechtsauffassung


Gründe

1

Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden [X.]s am [X.] wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit, über den gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ohne die Mitwirkung des abgelehnten [X.]s zu entscheiden ist, hat keinen Erfolg. Dabei lässt es der Senat dahinstehen, ob das Ablehnungsgesuch dem sogenannten Anwaltszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO unterliegt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. Dezember 2012 - 8 [X.] 58.12 - [X.]uchholz 310 § 54 VwGO Nr. 74 Rn. 11 f.).

2

1. Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines [X.]s wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des [X.]s zu rechtfertigen. Die Ablehnung wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit verlangt dagegen nicht, dass der [X.] tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt der [X.]eteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Allein die subjektive [X.]esorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (stRspr, vgl. etwa [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 18. Juni 2003 - 2 [X.]vR 383/03 - [X.]VerfGE 108, 122 <126>).

3

2. [X.]ei Anwendung dieses Maßstabs ist die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit des abgelehnten Vorsitzenden [X.]s am [X.] nicht begründet.

4

Der Antragsteller bringt vor, das Hinweisschreiben des [X.]s vom 13. Februar 2019 zeige eine Vorfestlegung auf eine vermeintliche Unzulässigkeit seines [X.], die keine unbefangene Entscheidung mehr erwarten lasse. Der [X.] mache sich ohne nähere [X.]efassung mit dem klägerischen Vorbringen die dem Gesetz eindeutig widersprechende Rechtsauffassung des [X.]undestages zu § 40 VwGO und § 49 des [X.]undeswahlgesetzes zu Eigen und ergreife damit unzulässig [X.]. Er solidarisiere sich mit dem Klagegegner. Dies solle den Kläger offenkundig demotivieren und so eine Entscheidung durch das Gericht verhindern. Mit dieser fragwürdigen [X.]egründung habe der [X.] auch eine Eintragung ins Prozessregister unterlassen. Diese Indizien rechtfertigten in der Zusammenschau erhebliche Zweifel an der Unbefangenheit des [X.]s. Die dienstliche Stellungnahme des [X.]s vom 25. Februar 2019 spreche für sich.

5

Das richterliche Hinweisschreiben vom 13. Februar 2019 verneint das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das [X.]undesverwaltungsgericht in einem Verfahren nach § 53 VwGO und begründet dies mit dem Umstand, dass eine örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts [X.]erlin gemäß § 52 Nr. 5 VwGO bestehen dürfte. Gleichzeitig tritt es dem Argument des Antragstellers, § 52 VwGO dürfe aus verfassungs- und völkerrechtlichen Gründen nicht angewandt werden, mit dem Argument entgegen, für diese Erwägungen sei im Rahmen des vom Antragsteller angestrebten Verfahrens kein Raum. Die Ausführungen zur Frage der Rechtswegeröffnung zu den Verwaltungsgerichten erläutern ergänzend, dass diese Prüfung erst im Nachgang zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit erfolgen kann. Die in der Wortwahl unmissverständlichen, aber durchwegs mit sachlichen Argumenten unterlegten Ausführungen zur Rechtslage lassen den Schluss zu, dass der abgelehnte [X.] das [X.]egehren des Antragstellers auf Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 53 VwGO für unzulässig erachtet, weil diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Sie sind aber nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des [X.]s zu wecken. Solche Hinweise, in denen der [X.] eine bestimmte Rechtsauffassung äußert, gehören zu den richterlichen Aufgaben. Sie sollen den [X.]eteiligten Gelegenheit geben, sich bei ihrer Prozessführung auf diese Auffassung einzustellen und gegebenenfalls durch Gegenargumente auf eine Änderung hinzuwirken. Daher rechtfertigt die Mitteilung einer Rechtsauffassung als solche in der Regel keine [X.]esorgnis der [X.]efangenheit ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 8. September 2010 - 8 [X.] 54.10 - juris Rn. 4; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 54 Rn. 72). Die Sorge des Antragstellers, der [X.] habe sich durch seine schriftlich geäußerte Rechtsmeinung für die nachfolgende Entscheidung bereits abschließend festgelegt, ist bei vernünftiger Würdigung nicht berechtigt. Das geltende Verfahrensrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein [X.] grundsätzlich auch dann unvoreingenommen an die [X.]eurteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat ([X.]VerfG, [X.] vom 4. Juli 2001 - 1 [X.]vR 730/01 - NJW 2001, 3533).

6

Dagegen lässt das Schreiben des [X.]s die vom Antragsteller vermutete Absicht, ihn zu entmutigen und eine Entscheidung zu verhindern, bei vernünftiger Würdigung der in Wortwahl und Gedankenführung sachlichen Hinweise zur Rechtslage nicht erkennen. Auch die zunächst unterlassene Eintragung in das Prozessregister lässt den Schluss auf eine solche Intention nicht zu. Es entspricht vielmehr der im Senat geübten Praxis, insbesondere anwaltlich nicht vertretene Antragsteller nach Möglichkeit umgehend auf denkbare Zulässigkeitshürden hinzuweisen und gegebenenfalls vorläufig von einer Eintragung ins Prozessregister abzusehen. Dies geschieht nicht zuletzt im Interesse der [X.]etroffenen, soweit damit Kosten vermieden werden können.

Meta

6 AV 10/19

19.03.2019

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AV

nachgehend BVerfG, 27. Januar 2020, Az: 2 BvR 1763/19, Nichtannahmebeschluss

§ 54 Abs 1 VwGO, § 42 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.03.2019, Az. 6 AV 10/19 (REWIS RS 2019, 9206)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9206


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 AV 10/19

Bundesverwaltungsgericht, 6 AV 10/19, 24.06.2019.

Bundesverwaltungsgericht, 6 AV 10/19, 19.03.2019.


Az. 2 BvR 1763/19

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1763/19, 27.01.2020.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 B 47/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Besorgnis der Befangenheit; Melderegisterauskunft


8 B 54/10, 8 B 54/10 (8 PKH 4/10) (Bundesverwaltungsgericht)

Richterlicher Hinweis und Befangenheitsablehnung


9 B 82/11, 9 B 82/11 (9 B 48/11) (Bundesverwaltungsgericht)

Richterablehnung; Besorgnis der Befangenheit wegen abweichender Beurteilung der Rechtslage


1 C 1/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Terminankündigung und Besorgnis der Befangenheit


8 PKH 3/17, 8 PKH 3/17 (8 PKH 1/17) (Bundesverwaltungsgericht)

Besorgnis der Befangenheit; Zustellung des Urteils; Unterschriften der Richter


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 96/10

1 BvR 501/18

1 BvR 2853/11

2 BvR 383/03

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.