Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2016, Az. V ZB 24/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 11114

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:200516BVZB24.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

20. Mai 2016

in der Rücküberstellungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 2 Abs. 15 Satz 1, Abs. 14 Nr. 2; Dublin-III-Verordnung Art. 2 Buchstabe n, Art. 28; [X.] § 14 Abs. 3 Satz 1
Nr. 5
a) § 2 Abs. 15 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 14 Nr. 2 [X.] genügt den Anforderungen von Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung und kann daher Grundlage für die Anordnung von Haft zur Sicherung von Überstellungsverfahren nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung sein.
b) [X.]. § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] (= § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG) ist auch eine nach der Dublin-III-Verordnung angeordnete Haft.
[X.], Beschluss vom 20. Mai 2016 -
V [X.] -
LG Traunstein

AG [X.] a. Inn

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 20. Mai 2016
durch die
Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, [X.] und Dr.
Göbel
und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] -
4. Zivilkammer -
vom 29. Januar 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht
zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein [X.] St[X.]tsangehöriger, reiste am 24.
Dezember 2015 aus [X.] kommend in das [X.] ein. Bei der bundespolizeilichen Kontrolle konnte er sich mit keinen aufenthaltslegitimieren-den Dokumenten ausweisen. Bei der am selben Tag durchgeführten polizeili-chen Vernehmung gab er an, [X.] St[X.]tsangehöriger zu sein. Mit [X.] vom 25. Dezember 2015 ordnete das [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung die
vorläufige Freiheitsentziehung des Betroffenen 1
-
3
-
bis zum 7.
Januar 2016 an. Die beteiligte Behörde hatte in
ihrem Haftantrag darauf hingewiesen, dass der Betroffene ausweislich einer [X.]RODAC-Abfrage in der [X.] einen Asylantrag gestellt habe.
Auf weiteren Antrag der [X.] hat das nunmehr zuständige Amtsgericht [X.] am Inn am 5.
Januar 2016 gegen den Betroffenen zur Sicherung der Zurückschiebung Haft bis längstens
4.
Februar 2016 angeordnet. Im Beschwerdeverfahren hat
die beteiligte Behörde mitgeteilt, dass die [X.] das Aufnahmeersuchen des [X.] ([X.]) mit dem Verweis auf die Zuständigkeit [X.] abgelehnt habe und
dass nun [X.] um Übernahme ge-beten worden sei. Nach Ablauf der nach der Dublin-III-Verordnung vorgesehe-nen [X.] von zwei Wochen habe das [X.] mit Bescheid vom 25. [X.] 2016 die Abschiebung des Betroffenen nach [X.] angeordnet.

Das [X.] hat den Betroffenen erneut angehört und dessen
Be-schwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Betroffene, der zwischenzeitlich nach [X.] rücküberstellt worden ist,
die Feststellung er-reichen, durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt zu sein.

II.

Nach Ansicht des [X.] erfüllt der Haftantrag die Voraus-setzungen des § 417 Abs. 2 FamFG. Die bei einer Zurückschiebung nach der Dublin-III-Verordnung erforderlichen Angaben zur Durchführung der Zurück-schiebung seien in dem Antrag bzw. in den ergänzenden Stellungnahmen der beteiligten Behörde im Beschwerdeverfahren enthalten. Es bestehe
der [X.] der erheblichen Fluchtgefahr im Sinne von Art. 28 Abs.
2, Art. 2 Buchst. n der Dublin-III-Verordnung i.V.m. § 2 Abs.
15 Satz
1,
Abs.
14 Nr.
2
u.
3
[X.]. Der Betroffene habe durch die Angabe, [X.] St[X.]tsangehöriger 2
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-
zu sein, über seine Identität im Sinne von § 2 Abs. 14 Nr. 2 [X.] ge-täuscht. Zudem habe er sich in Bezug auf seine Ausweispapiere [X.] geäußert und
darüber hinaus im Rahmen seiner Asylanträge diverse Alias-personalien verwendet. Die verschiedenen Identitätsangaben begründeten ei-nen konkreten Anhaltspunkt gemäß § 2 Abs.
14 Nr. 3 [X.]. Der Betroffene habe bei seiner gerichtlichen Anhörung angegeben, dass er nicht nach [X.] gehen würde, wenn [X.] dort nicht für einen Platz zum Schlafen sorge. Auf weitere Nachfragen habe er wiederholt, nicht nach [X.] gehen zu wollen. Deshalb,
und weil er sich einem Asylverfahren in der [X.] nicht gestellt ha-be, liege eine erhebliche Fluchtgefahr vor. Es bestehe kein
Zweifel, dass sich der Betroffene im Falle seiner Entlassung aus der Haft der Zurückschiebung nach [X.] entziehen würde.

III.

Die mit dem Feststellungsantrag analog
§ 62 FamFG statthafte (§ 70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3 FamFG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Erwägungen des [X.] halten einer rechtli-chen Prüfung nicht in vollem Umfang stand.

1. Von Rechts wegen nicht zu beanstanden sind seine
Ausführungen zu dem Vorliegen eines zulässigen Haftantrages gemäß § 417 Abs.
2 FamFG. In-soweit erhebt der Betroffene auch keine Einwendungen.

2. Ohne Rechtsfehler bejaht das Beschwerdegericht
ferner einen [X.].

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5
-
a) Wie es zutreffend sieht, handelt es sich hier um eine Haftanordnung zur
Sicherung der Zurückschiebung im Anwendungsbereich der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 (fortan: Dublin-III-Verordnung).
Gemäß Art. 28 Abs.
2 i.V.m. Art.
2 Buchst.
n dieser Verordnung kommt insoweit nur der Haftgrund einer erhebli-chen Fluchtgefahr in Betracht. Fluchtgefahr ist nach Art. 2 Buchst. n der Dublin-III-Verordnung das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven ge-setzlich festgelegten Kriterien beruhen und zur der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittst[X.]tsangehöriger oder St[X.]tenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, dem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Da § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] aF diesen An-forderungen nicht genügte ([X.], Beschluss vom 26. Juni 2014 -
V [X.], NVwZ 2014, 1397 Rn. 20 ff.), hat der [X.] Gesetzgeber in § 2 Abs.
15
[X.] die Kriterien für die Annahme
einer Fluchtgefahr festgelegt.

b) Bereits entschieden hat der [X.], dass § 2 Abs. 15 Satz 2 [X.] den Anforderungen von Art. 2 Buchst. n der Dublin-III-Verordnung genügt und Grundlage für die Anordnung von Haft zur Sicherung von [X.] nach Art. 28 Dublin-III-Verordnung sein kann ([X.], Beschluss vom 25.
Februar 2016 -
V [X.], juris Rn.
15 ff.). Entsprechendes gilt für § 2 Abs. 14 Nr. 2 [X.], auf die das Amtsgericht und das Beschwerdegericht die Haft gestützt haben.

[X.]) Gemäß § 2 Abs.
15 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs.
14 Nr. 2 [X.] können konkrete Anhaltspunkte für die Annahme
einer Fluchtgefahr vorliegen, wenn der Ausländer über seine Identität täuscht, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts-
oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität. Hiermit hat der Gesetzgeber einen Umstand ausdrücklich 7
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6
-
aufgeführt, der schon nach der bisherigen Rechtsprechung den Verdacht einer Entziehungsabsicht begründen konnte. Entsprechende [X.] können einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass sich der Ausländer der [X.] durch Flucht entziehen wird ([X.], Beschluss vom 29.
April 2010 -
V
ZB 202/09, juris Rn.
12; Beschluss vom 22.
Juli 2010

-
V
ZB 29/10, [X.] 2011, 27 Rn. 15; siehe auch [X.], Beschluss vom 26.
Juni 2014 -
V [X.], NVwZ 2014, 1397 Rn. 26).

[X.]) Dass die [X.] sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift (
-Drs. 18/4097, [X.]) lediglich ein Indiz dafür darstellen, dass im konkreten Fall eine Fluchtgefahr besteht, eine Prüfung im Einzelfall aber nicht ersetzen können
(vgl. auch [X.], NJW 2015, 2541, 2545), widerspricht den Anfor-derungen des Art. 2 Buchst. n der Dublin-III-Verordnung nicht. Zu einer weite-ren Präzisierung des in § 2 Abs. 14 Nr. 2 [X.] aufgeführten Kriteriums war der Gesetzgeber nicht verpflichtet (a. [X.], [X.] 2015, 341, 342). [X.] der Begründung des Entwurfs der Verordnung durch die [X.] soll das Erfordernis der Festlegung der Tatbestände durch den nationalen

l-bewerbern auf der Grundlage des [X.]. [X.]. 965/08 S. 6). Dies wird aber auch dann gewährleistet, wenn nicht -
gleichsam automatisch -
bei jeder Identitätstäuschung des Ausländers zwin-gend auf eine Entziehungsabsicht geschlossen wird (vgl. zu dem Erfordernis der Einzelfallprüfung trotz Vorliegens
eines Anhaltspunkts i.S.d. § 2 Abs. 15 Satz 2 [X.] [X.], Beschluss vom 25.
Februar 2016 -
V [X.], juris Rn.
18).

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7
-
cc) Der [X.] ist nicht verpflichtet, die Sache dem Gerichtshof der Euro-päischen [X.] nach Art. 267 A[X.]V vorzulegen, da die zitierten Vorschriften der Verordnung klar und eindeutig sind. Bei solchen Vorschriften besteht eine unionsrechtliche Pflicht zur Vorlage nicht ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1982
-
Rs. 283/81 -
C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 Rn. 16).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Schluss des [X.] von der -
rechtsfehlerfrei festgestellten -
Identitätstäuschung i.S.d. § 2 Abs. 14 Nr. 2 [X.] auf eine erhebliche
Fluchtgefahr des Betroffe-nen von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

[X.]) Hinweise darauf, dass der Betroffene mit den Täuschungshandlun-gen nicht beabsichtigte, im [X.] zu
verbleiben und eine Rückführung nach [X.] gegebenenfalls auch durch eine Entziehung zu vereiteln, sondern andere Motive verfolgte, lagen nicht vor. Auch in der Rechtsbeschwerde wer-den dahingehende Anhaltspunkte, denen das Beschwerdegericht hätte [X.] müssen (§ 26 FamFG), nicht aufgezeigt. Insbesondere ist nicht ersicht-lich, dass der Betroffene von dritter Seite
unter Druck gesetzt worden ist und deshalb seine wahre Identität nicht preisgeben wollte (vgl. zur Relevanz dieses Gesichtspunkts
im Rahmen
der Einzelfallprüfung auch [X.]. 18/4097, [X.]).

[X.])
Die Vorinstanzen haben vielmehr weitere Umstände festgestellt, die die Indizwirkung der Identitätstäuschung für eine Entziehungsabsicht des Be-troffenen noch verstärken und ihre Annahme, es liege
eine erhebliche Fluchtge-fahr (Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung) vor, rechtfertigen. Zum einen hat sich der Betroffene einem Asylverfahren in der [X.] nicht gestellt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts in der polizeilichen Vernehmung hat er statt dessen zu verstehen gegeben, keinesfalls dorthin zurück zu wollen. Zum ande-11
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-
8
-
ren hat er im Rahmen der Anhörung vor dem Beschwerdegericht auf [X.] wiederholt geäußert,
nicht freiwillig nach [X.] zu gehen. Zwar lässt die Weigerung als solche, das [X.] freiwillig zu verlassen, keinen zwin-genden Rückschluss darauf zu, dass die Abschiebung ohne die Anordnung von Haft nicht durchgeführt werden kann. In der wertenden Zusammenschau mit den Täuschungen über die Identität war aber die Annahme, dass
sich der Be-troffene der Aufenthaltsbeendigung durch Flucht entziehen werde, rechtsfehler-frei.

3. Rechtsfehlerhaft ist die Entscheidung des [X.], weil es nicht geprüft
hat, ob der Anordnung der Haft § 55 Abs. 1 Satz 3 [X.] (= § 55 Abs. 1
Satz 3 AsylVfG) entgegenstand. Die hierzu notwendigen Feststellungen hat es verfahrenswidrig (§ 26 FamFG) nicht getroffen.

a)
[X.]) Nach § 55 Abs. 1 Satz 3 [X.] erwirbt ein Ausländer bei einer [X.] aus einem Mitgliedsst[X.]t der Europäischen [X.] oder aus einem ande-ren sicheren Drittst[X.]t mit der Stellung eines Asylantrags eine Aufenthaltsge-stattung. Eine solche Gestattung begründet ein von Amts wegen zu [X.] ([X.], Beschluss vom 25.
Februar 2010 -
V
ZB 172/09, [X.] 2010, 150 Rn. 20; Beschluss vom 14.
Oktober 2010 -
V
[X.], [X.] 2011, 39 Rn. 18).

[X.]) Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] (= 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG) steht allerdings die Asylantragstellung der Anordnung oder Aufrecht-erhaltung von Abschiebungshaft
unter anderem dann nicht entgegen, wenn sich der Ausländer im Zeitpunkt der Antragstellung in [X.] nach § 62 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1a bis 5 Aufenthaltsgesetzes befand. Der bloße Polizeige-15
16
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9
-
wahrsam genügt hierfür nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 1.
März 2012
-
V [X.], [X.] 2012, 133 Rn.
11).

b) Vor diesem gesetzlichen Hintergrund verweist die
Rechtsbeschwerde darauf, dass der Betroffene am 24. Dezember 2015 einen Asylantrag gestellt
habe. Dieser Antrag
stehe der Anordnung der Haft entgegen,
weil sich der Be-troffene zu diesem Zeitpunkt noch nicht in [X.], sondern nur im Poli-zeigewahrsam befunden habe.
Wegen des Zeitpunkts der Antragstellung wird Bezug genommen auf den Bescheid des [X.] und Flücht-linge ([X.]) vom 25. Januar 2016, den die beteiligte Behörde ihrer an das Be-schwerdegericht übersandten Stellungnahme vom 27. Januar 2016 als Anlage beigefügt hatte. Ausweislich des Bescheids
des [X.] hat
der
Betroffene

am

gestellt.

c) Die
Angaben
in dem Bescheid des [X.] führen entgegen der [X.] des Betroffenen zwar nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft. Sie hätten dem Beschwerdegericht aber Anlass zu weiteren Ermittlungen geben müssen.

[X.]) Auf den Zeitpunkt der Antragstellung kommt es entscheidend an, weil [X.]. § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] (= § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG) auch eine nach der Dublin-III-Verordnung angeordnete Haft
ist.
Wäre der Asylantrag aus der Haft gestellt worden, stünde er der Haftanordnung [X.] nicht entgegen.
Andernfalls wäre die Haftanordnung rechtswidrig.

(1) Unter der Geltung der Verordnung ([X.]) Nr. 343/2003 ([X.]) war anerkannt, dass § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG auch die Haft zur Sicherung der
Zurückschiebung eines Ausländers als eine Form der 18
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-
10
-
Abschiebungshaft i.S.d. § 62 Abs. 3 [X.] erfasst ([X.], Beschluss vom 6.
Mai 2010 -
V
ZB 213/09,
NVwZ 2010, 1510 Rn. 13). Dies ist verfassungs-rechtlich unbedenklich ([X.], NVwZ-RR 2009, 616, 617). Nach dem gesetz-geberischen Anliegen sollte die
Vorschrift auch sicherstellen, dass Ausländer, die im Rahmen des [X.] möglichst rasch in den für das Asylver-fahren zuständigen St[X.]t verbracht werden sollten, nicht vorzeitig aus der Haft entlassen werden und untertauchen (vgl. [X.]. 16/5065 S. 215; [X.],
Beschluss vom 6.
Mai 2010 -
V
ZB 213/09,
NVwZ 2010, 1510 Rn.
13;
Beschluss vom 26. Juni 2014 -
V [X.], NVwZ 2014, 1397 Rn. 30).

(2) An dieser Funktion des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG (jetzt: [X.]) hat sich mit dem [X.] der Dublin-III-Verordnung nichts geändert. Der entscheidende Unterschied zur [X.] besteht vielmehr da-rin, dass das Gemeinschaftsrecht nunmehr selbst Vorschriften für die Inhaft-nahme von Ausländern zum Zweck der Überstellung enthält
(Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung: erhebliche Fluchtgefahr) und die nationalen Gesetzgeber gemäß Art. 2 Buchstabe n der Verordnung gehalten sind, durch Gesetz die Kri-terien für die Annahme
einer Fluchtgefahr
zu regeln. Diesen Anforderungen genügte die bisherige Fassung des § 62 Abs. 3 Nr. 5 [X.], wie dargelegt, nicht ([X.], Beschluss vom 26. Juni 2014 -
V [X.], NVwZ 2014, 1397 Rn.
20 ff). (Nur) aus diesem Grunde kam auch eine Anwendung des § 14 Abs.
3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG nicht in Betracht, wenn die Haft zur Sicherung ei-nes Überstellungsverfahrens auf den Haftgrund des § 62 Abs. 3 Nr. 5 [X.] gestützt wurde.

(3) Nachdem
der Gesetzgeber die Kriterien für die Annahme einer Fluchtgefahr festgelegt
hat und die Haft nach der Dublin-III-Verordnung somit angeordnet werden kann, stehen auch der Anwendung des § 14 Abs. 3 Satz 1 22
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11
-
Nr. 5 [X.] keine Gründe mehr entgegen. Dass in der neuen Fassung des von § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] in Bezug genommenen § 62 Abs.
3 Nr.
5
[X.] die Haftanordnung nach der Dublin-III-Verordnung nicht ausdrücklich erwähnt ist, sondern in § 2 Abs. 15 [X.] nF eine eigenständige Regelung erfahren hat, ändert hieran nichts. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (vgl. [X.]. 18/4097, S. 31 f.), zielte die Neufassung (nur) auf die
Festlegung der objektiven Kriterien für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Art. 2 Buchstabe n der Dublin-III-Verordnung. Dass nunmehr entgegen der früheren Rechtslage die Stellung eines
Asylantrags aus der Haft heraus die sofortige Freilassung des Betroffenen zur
Folge haben sollte, war erkennbar nicht ge-wollt.

(4) Dass § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] auf die Haft nach der Dublin-III-Verordnung anwendbar ist, ergibt sich mittelbar auch aus der Regelung in § 14 Abs. 3 Satz 3 [X.]. Nach dieser Vorschrift endet die Abschiebungshaft mit der Zustellung der Entscheidung des [X.], spätestens jedoch vier Wochen nach Eingang des Asylantrags beim [X.], es sei denn, es wurde auf Grund von Rechtsvorschriften der [X.] oder eines völ-kerrechtlichen Vertrages über die Zuständigkeit für die Durchführung von [X.] ein Auf-
oder Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen St[X.]t ge-richtet oder der Asylantrag wurde als
unbeachtlich oder offensichtlich unbe-gründet abgelehnt. Die in dem zweiten Halbsatz der Vorschrift enthaltene Aus-nahme bezieht sich unter anderem auf Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung. Einer solchen Ausnahme bedürfte es aber nicht, wenn diese
Fälle
von
§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]
nicht erfasst würden.

24
-
12
-
[X.]) Ob der Betroffene
den Asylantrag aus der Haft gestellt
hat, so dass §
14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] eingreift und ein Hafthindernis gemäß § 55 Abs.
1 Satz 1 [X.] nicht besteht, bedarf weiterer Feststellungen.

(1) Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, zu dem der förmliche Asylan-trag (§ 14 [X.]) bei dem zuständigen [X.] eingegangen ist. [X.] genügt ein Asylgesuch nach § 13 Abs.
1 [X.] gegenüber der Grenz-behörde noch nicht, um eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 [X.] zu erwerben (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Oktober 2010 -
V [X.], [X.] 2011, 39 Rn. 19; Beschluss vom 1. März 2012 -
V
[X.], [X.] 2012, 133 Rn. 10; Beschluss vom 25. Februar 2016 -
V
ZB
171/13, juris Rn.
10).

(2) Entscheidend ist deshalb, ob der Asylantrag -
wie der Betroffene gel-tend macht -
bereits am 24. Dezember 2015 bei dem [X.] eingegangen war und damit zu einem Zeitpunkt, als sich der Betroffene lediglich im [X.] befand. Wäre der Antrag erst am 25. Dezember 2015 oder später eingegangen, läge ein Hafthindernis gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 [X.] nicht vor, da
sich der Betroffene ab dem 25. Dezember 2015 aufgrund der einstweiligen Anordnung des [X.] in [X.] befand. Der Be-scheid des [X.] vom 25. Januar 2016 ist hinsichtlich dieser Frage nicht hin-reichend aussagekräftig. Es bleibt offen, ob es sich bei der Angabe, der [X.] oder um das Datum des Eingangs beim [X.] handelt. Diese Frage hätte das Beschwerdegericht, dem der Bescheid des [X.] im Beschwerdever-fahren vorgelegt worden ist, im Rahmen der ihm gemäß § 26 FamFG obliegen-den Amtsermittlungspflicht klären müssen.

25
26
27
-
13
-
IV.

1. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben (§ 74 Abs. 5
FamFG). Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da die Beurtei-lung, ob der Asylantrag des Betroffenen der Haftanordnung entgegen steht, weitere Sachverhaltsermittlungen erfordert, die der
[X.] als Rechtsbeschwer-degericht nicht selbst treffen kann (§ 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG i.V.m. § 559 ZPO). Die Sache ist daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).

28
-
14
-
2. Der Zurückverweisung steht nicht
entgegen, dass der Betroffene zwi-schenzeitlich nach [X.] abgeschoben wurde. Die gebotene Gewährung recht-lichen Gehörs zu der
von dem Beschwerdegericht allein noch
zu treffenden Feststellung des Zeitpunkts des Eingangs des Asylantrages bei dem [X.] kann
hier dadurch erfolgen, dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Be-troffenen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird. Einer persönlichen Anhörung des Betroffenen (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 17. März 2016
-
V [X.], juris Rn. 10; Beschluss vom 6. Dezember 2012 -
V
ZB 218/11,
[X.] 2013, 154, Rn. 16) zu dieser Frage bedarf es nicht.

[X.]Kazele

Göbel Haberkamp

Vorinstanzen:
AG [X.] a. Inn, Entscheidung vom 05.01.2016 -
1 [X.] (B) -

LG Traunstein, Entscheidung vom 29.01.2016 -
4 [X.] -

29

Meta

V ZB 24/16

20.05.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2016, Az. V ZB 24/16 (REWIS RS 2016, 11114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11114

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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