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Haftanordnung bei vollziehbarer Abschiebungsandrohung
1. Wenn die Behörde das Dublin-III-Verfahren als beendet ansieht und die Entscheidung trifft, die Abschiebung des Betroffenen nach § 58 AufenthG in einen EU-Mitgliedstaat auf der Grundlage einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nach § 34a AsylG zu betreiben, unterliegt die Haftanordnung nicht der Dublin-III-Verordnung, sondern kann unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 AufenthG angeordnet werden. Ob die Behörde das richtige Verfahren gewählt hat, hat der Haftrichter grundsätzlich nicht zu prüfen.
2. Ein Zweitantrag (§ 71a Abs. 1 AsylG) unterbricht die Ursächlichkeit der unerlaubten Einreise für die für den Haftgrund des § 61 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche vollziehbare Ausreisepflicht nur dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bejaht und ein weiteres Asylverfahren durchführt (Fortführung von Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - V ZB 41/17, InfAuslR 2018, 93 Rn. 20).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des [X.] vom 1. März 2017 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
I.
Der Betroffene, ein eritreis[X.]her Staatsangehöriger, wurde im November 2013 unter Anordnung eines bis zum 2. Dezember 2015 befristeten Einreiseverbots na[X.]h [X.] abges[X.]hoben. Dort war ihm im August 2013 subsidiärer S[X.]hutz gewährt worden. Er reiste am 27. Dezember 2013 erneut in das [X.] ein und stellte am 13. Januar 2014 einen Asylantrag. Das [X.] stellte mit Bes[X.]heid vom 31. Juli 2014 fest, dass dem Betroffenen kein Asylre[X.]ht zusteht, und ordnete dessen Abs[X.]hiebung na[X.]h [X.] an. Eine für den 16. Juli 2015 geplante Abs[X.]hiebung konnte wegen einer Erkrankung des Betroffenen ni[X.]ht dur[X.]hgeführt werden.
Auf den Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgeri[X.]ht mit Bes[X.]hluss vom 4. September 2015 Haft zur Si[X.]herung der Abs[X.]hiebung na[X.]h [X.] bis längstens 25. September 2015 angeordnet. Dagegen hat der Betroffene Bes[X.]hwerde eingelegt, die er na[X.]h seiner Abs[X.]hiebung am 24. September 2015 mit dem Antrag auf Feststellung der Re[X.]htswidrigkeit der Haftanordnung weiterverfolgt hat. Das [X.] hat die Bes[X.]hwerde zurü[X.]kgewiesen. Dagegen ri[X.]htet si[X.]h die Re[X.]htsbes[X.]hwerde des Betroffenen.
II.
Das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht meint, es liege der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] vor. Der Betroffene sei unerlaubt eingereist. Ob die weiteren vom Amtsgeri[X.]ht angenommenen Haftgründe gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 [X.] vorlägen, könne dahinstehen.
III.
Die mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthafte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG) und au[X.]h im Übrigen na[X.]h § 71 FamFG zulässige Re[X.]htsbes[X.]hwerde ist unbegründet. Das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht hat re[X.]htsfehlerfrei den für die Si[X.]herung der Abs[X.]hiebung geltenden Haftgrund der unerlaubten Einreise gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] bejaht.
1. Zwar wurde die Haft ni[X.]ht zur Si[X.]herung der Abs[X.]hiebung des Betroffenen in sein Heimatland, sondern na[X.]h [X.] als dem [X.] angeordnet. Die Anordnung der Haft ri[X.]htete si[X.]h aber glei[X.]hwohl ni[X.]ht na[X.]h den Vors[X.]hriften über Rü[X.]küberstellung in einen anderen [X.] na[X.]h Art. 28 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 (fortan: Dublin-III-Verordnung), sondern na[X.]h § 62 Abs. 3 Satz 1 [X.].
a) Allerdings ist umstritten, ob das [X.] mit der Gewährung subsidiären S[X.]hutzes beendet ist. Na[X.]h einer Auffassung gilt für den Asylantrag, mit dem ein subsidiär S[X.]hutzbere[X.]htigter die Zuerkennung der Flü[X.]htlingseigens[X.]haft begehrt (sog. Aufsto[X.]kung), weiterhin die Dublin-III-Verordnung. Die Verpfli[X.]htung aus Art. 18 Abs. 1 Bu[X.]hst. d Dublin-III-Verordnung, einen Antragsteller, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen, erfasse au[X.]h diese Personengruppe, weil mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären S[X.]hutzes glei[X.]hzeitig eine Ablehnung der Flü[X.]htlingsanerkennung verbunden sei (vgl. [X.], Urteil vom 22. September 2016 - 13 A 2448.15.A, juris Rn. 51 ff.; [X.], Urteil vom 22. November 2016 - OVG 3 B 2.16, juris Rn. 21 ff.). Die Gegenauffassung (vgl. [X.]/[X.]/[X.], Ausländere[X.]ht, 12. Aufl., § 29 [X.] Rn. 25; [X.], Ausländerre[X.]ht [Dezember 2016], § 29 [X.] Rn. 132 f.; Koehler, Praxiskommentar zum Europäis[X.]hen Asylzuständigkeitsre[X.]ht, [X.] Art. 3 Rn. 25) verneint die Anwendbarkeit der Dublin-III-Verordnung und verweist auf die [X.] in Art. 2 Bu[X.]hst. [X.] und f Dublin-III-Verordnung, die zwis[X.]hen dem „Antragsteller“ und dem „Begünstigten internationalen S[X.]hutzes“ unters[X.]heiden. Für den Fall eines positiven Abs[X.]hlusses des Asylverfahrens sei in der Dublin-III-Verordnung keine dem Art. 18 Abs. 1 Bu[X.]hst. d Dublin-III-Verordnung entspre[X.]hende Wiederaufnahmeverpfli[X.]htung normiert. Das Bundesverwaltungsgeri[X.]ht hat die Frage dem Europäis[X.]hen Geri[X.]htshof vorgelegt (Vorlagebes[X.]hlüsse vom 23. März 2017 - 1 [X.] 17.16, BVerwGE 158, 271 Rn. 41, und 1 [X.] 18.16, 1 [X.] 20.16, juris Rn. 41 ff.; jeweils mwN; vgl. dazu Mantel, [X.] 2017, 297, 298).
b) Diese Re[X.]htsfrage bedarf im Haftverfahren keiner Ents[X.]heidung. Wenn die Behörde das [X.] als beendet ansieht und die Ents[X.]heidung trifft, die Abs[X.]hiebung des Betroffenen na[X.]h § 58 [X.] in einen [X.] auf der Grundlage einer vollziehbaren Abs[X.]hiebungsandrohung des [X.] für Migration und Flü[X.]htlinge na[X.]h § 34a [X.] zu betreiben, unterliegt au[X.]h die Haftanordnung ni[X.]ht der Dublin-III-Verordnung, sondern kann unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 [X.] angeordnet werden. Ob die Behörde das ri[X.]htige Verfahren gewählt hat, hat der Haftri[X.]hter grundsätzli[X.]h ni[X.]ht zu prüfen. Die Tätigkeit der Ausländerbehörde und des [X.] unterliegt insoweit der Kontrolle dur[X.]h die Verwaltungsgeri[X.]htsbarkeit (vgl. au[X.]h Senat, Bes[X.]hluss vom 16. Dezember 2009 - [X.] 148/09, [X.] 2010, 50 Rn. 7 mwN; Bes[X.]hluss vom 6. Mai 2010 - [X.] 193/09, [X.] 2010, 361 Rn. 19; Bes[X.]hluss vom 11. Oktober 2017 - [X.] 417/17, [X.] 2018, 41 Rn. 22).
[X.]) Hier hat die beteiligte Behörde das [X.] als abges[X.]hlossen angesehen und ents[X.]hieden, den Betroffenen na[X.]h [X.] als [X.] abzus[X.]hieben. Grundlage dafür war die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (heute: [X.]) in der Fassung der Bekanntma[X.]hung vom 2. September 2008 ([X.]) gestützte vollziehbare Abs[X.]hiebungsanordnung in dem Bes[X.]heid des [X.] für Migration und Flü[X.]htlinge vom 31. Juli 2014. An der von der beteiligten Behörde daraufhin getroffenen Ents[X.]heidung, die Abs[X.]hiebung des Betroffenen na[X.]h [X.] als si[X.]heren Drittstaat (§ 26a AsylVfG = § 26a [X.]) und ni[X.]ht dessen Rü[X.]küberstellung aufgrund der Dublin-III-Verordnung zu betreiben, waren das Amtsgeri[X.]ht und das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht - entspre[X.]hendes gilt für den Senat als Re[X.]htsbes[X.]hwerdegeri[X.]ht - gebunden. Zur Si[X.]herung einer sol[X.]hen Abs[X.]hiebung konnte die Haft unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 [X.] angeordnet werden (vgl. Senat, Bes[X.]hluss vom 22. Oktober 2015 - [X.] 79/15, [X.] 2016, 108 Rn. 9).
2. Der Haftgrund na[X.]h § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] lag vor. Der Betroffene ist unter Verstoß gegen das bis zum 2. Dezember 2015 befristete Einreiseverbot und deshalb unerlaubt eingereist (vgl. § 11 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 3 [X.]). Dass der Betroffene am 13. Januar 2014 einen Asylantrag gestellt hat, lässt die Ursä[X.]hli[X.]hkeit der unerlaubten Einreise für die vollziehbare Ausreisepfli[X.]ht ni[X.]ht entfallen.
a) Bei dem Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] muss die vollziehbare Ausreisepfli[X.]ht auf der unerlaubten Einreise beruhen. An der Ursä[X.]hli[X.]hkeit der unerlaubten Einreise für die vollziehbare Ausreisepfli[X.]ht fehlt es, wenn der Betroffene na[X.]h seiner Einreise einen Asylantrag gestellt hat und ihm deshalb na[X.]h § 55 Abs. 1 und 3 [X.] der Aufenthalt im [X.] zur Dur[X.]hführung des Asylverfahrens gestattet ist. Eine sol[X.]he zwis[X.]henzeitli[X.]he Aufenthaltsgestattung lässt die Ursä[X.]hli[X.]hkeit der unerlaubten Einreise für die vollziehbare Ausreisepfli[X.]ht entfallen (Senat, Bes[X.]hluss vom 9. November 2017 - [X.] 15/17, juris Rn. 4; Bes[X.]hluss vom 16. Februar 2017 - [X.] 10/16, juris Rn. 6; Bes[X.]hluss vom 28. Oktober 2010 - [X.] 210/10, [X.] 2011, 71 Rn. 19; vgl. au[X.]h Bes[X.]hluss vom 18. August 2010 - [X.] 119/10, juris Rn. 21).
b) Der Betroffene hat dur[X.]h den Asylantrag vom 13. Januar 2014 keine Aufenthaltsgestattung erlangt.
aa) Bei dem Antrag handelte es si[X.]h um einen [X.] na[X.]h § 71a AsylVfG, weil der Betroffene ihn na[X.]h erfolglosem Abs[X.]hluss eines Asylverfahrens in [X.] als einem si[X.]heren Drittstaat (§ 26a [X.]) gestellt hat. Der vor dem 1. Januar 2014 in [X.] gestellte Antrag auf internationalen S[X.]hutz bezog si[X.]h nämli[X.]h na[X.]h Art. 2 Bu[X.]hst. [X.] der [X.] - na[X.]h der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung ist die Dublin-III-Verordnung erst auf Anträge auf internationalen S[X.]hutz anwendbar, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden - nur auf die Zuerkennung der Flü[X.]htlingseigens[X.]haft, ohne den subsidiären S[X.]hutz zu erfassen. Erhält der Antragsteller, wie hier, auf einen sol[X.]hen Antrag ni[X.]ht die Anerkennung als Flü[X.]htling, sondern nur subsidiären S[X.]hutz, liegt darin eine Antragsablehnung (vgl. BVerwGE 158, 271 Rn. 40; vgl. au[X.]h [X.], Bes[X.]hluss vom 1. April 2014 - 33 K 548.13 A, juris Rn. 21; VG Mün[X.]hen, Bes[X.]hluss vom 20. November 2011 - [X.] 17.48158, juris Rn. 23, 28).
bb) Gemäß § 71a Abs. 3 Satz 1 [X.] gilt der Aufenthalt des Ausländers, der einen [X.] stellt, zwar als geduldet. Eine sol[X.]he Duldung begründet aber keine Aufenthaltsgestattung im Sinne des § 55 Abs. 1 [X.], wie si[X.]h aus § 71a Abs. 3 Satz 2 [X.] ergibt. Hierna[X.]h gelten die §§ 56 bis 67 [X.] entspre[X.]hend, auf § 55 [X.] wird ni[X.]ht verwiesen. Der Ausländer erlangt eine Aufenthaltsgestattung vielmehr nur und erst dann, wenn das [X.] die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bejaht und ein weiteres Asylverfahren dur[X.]hführt. Dem entspri[X.]ht es, dass ein [X.] einer Haftanordnung ni[X.]ht entgegensteht, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren dur[X.]hgeführt (§ 71a Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 71 Abs. 8 [X.]; vgl. Senat, Bes[X.]hluss vom 11. Oktober 2017 - [X.] 41/17, [X.] 2018, 93 Rn. 20 mwN). Ein [X.] unterbri[X.]ht die Ursä[X.]hli[X.]hkeit der unerlaubten Einreise für die für den Haftgrund des § 61 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] erforderli[X.]he vollziehbare Ausreisepfli[X.]ht deshalb nur dann, wenn das [X.] die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bejaht und ein weiteres Asylverfahren dur[X.]hführt.
IV.
Die Kostenents[X.]heidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des [X.] auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
[X.] |
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S[X.]hmidt-Ränts[X.]h |
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Kazele |
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Haberkamp |
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[X.] |
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Meta
20.12.2018
Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend LG Frankfurt, 1. März 2017, Az: 2-29 T 202/15
Art 28 Abs 2 EUV 640/2013, § 58 AufenthG, § 62 Abs 3 S 1 Nr 1 AufenthG, § 34a AsylVfG, § 55 Abs 1 AsylVfG, § 71a Abs 1 AsylVfG, § 51 Abs 1 VwVfG, § 51 Abs 2 VwVfG, § 51 Abs 3 VwVfG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2018, Az. V ZB 80/17 (REWIS RS 2018, 93)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 93
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
V ZB 159/17 (Bundesgerichtshof)
Haftanordnung bei vollziehbarer Abschiebungsandrohung
V ZB 41/17 (Bundesgerichtshof)
Zurückweisungshaftsache: Erforderlichkeit des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft bei der Zurückweisung
V ZB 10/16 (Bundesgerichtshof)
V ZB 41/17 (Bundesgerichtshof)
XIII ZB 21/20 (Bundesgerichtshof)
Abschiebungshaftsache: Prüfung des Vorliegens eines Asylantrags durch das Haftgericht