Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.06.2012, Az. 4 BN 41/11

4. Senat | REWIS RS 2012, 5846

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Gegenstand

Zum Anerkenntnisurteil im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; gemeindliche Planungspflicht


Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Beschwerde macht (in Bezug auf den Hauptantrag) als Verfahrensfehler geltend, das Oberverwaltungsgericht hätte antragsgemäß ein Anerkenntnisurteil erlassen müssen und sei gehindert gewesen, durch [X.] zu entscheiden. Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht ist ohne Verstoß gegen [X.] Recht davon ausgegangen, dass in einem Normenkontrollverfahren (hier gegen eine Veränderungssperre) ein Anerkenntnisurteil bereits grundsätzlich und im vorliegenden Fall überdies unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten nicht in Betracht kommt.

3

Zwar ist ein Anerkenntnisurteil - wie bereits der Wortlaut in §§ 156 und 87a VwGO zeigt - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich möglich. Der [X.] hat dies für die Verpflichtungsklage bejaht (Gerichtsbescheid vom 7. Januar 1997 - BVerwG 4 A 20.95 - BVerwGE 104, 27). Voraussetzung ist jedoch, dass in dem entsprechenden Gerichtsverfahren über einen Anspruch zu befinden ist, der vom Beklagten anerkannt werden kann. Dies ist im Normenkontrollverfahren nicht der Fall.

4

Streitgegenstand im Normenkontrollverfahren ist die Gültigkeit einer Rechtsvorschrift gemäß § 47 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren dient neben der Gewährung von Individualrechtsschutz der objektiven Rechtskontrolle und soll eine über den Einzelfall hinausgehende Bündelung ermöglichen und damit im Grundsatz eine Vielzahl von inzidenten Überprüfungen der Gültigkeit der Norm entbehrlich machen (Beschluss vom 18. Juli 1989 - BVerwG 4 N 3.87 - BVerwGE 82, 225 <230>). Dem entspricht es, dass die Entscheidung, mit der eine Satzung etc. für unwirksam erklärt wird, allgemein verbindlich ist und daher die Entscheidungsformel ebenso zu veröffentlichen ist, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Bereits dieser besondere Charakter des [X.] verbietet die Übertragung von § 307 ZPO auf diese Verfahrensart.

5

Überdies scheitert die Möglichkeit des Erlasses eines [X.] an der fehlenden [X.] der Vertreter der Antragsgegnerin (einer [X.]) in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht. Die Veränderungssperre wird von der [X.] als Satzung beschlossen (§ 16 Abs. 1 BauGB). Dieser Beschluss wird vom - nach Landesrecht - zuständigen Gremium getroffen, vorliegend dem Stadtrat der Antragsgegnerin. Die Aufhebung erfordert ebenfalls eine (konstitutive) Entscheidung des Stadtrats; diese ist öffentlich bekanntzumachen, woran es hier fehlt. Diese Schritte können durch ein Anerkenntnis der unzuständigen Vertreter der [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht ([X.] nicht ersetzt werden (ebenso für die Satzung über die Festlegung von Schuleinzugsbereichen OVG Greifswald, Urteil vom 5. Januar 2005 - 4 K 1/04 - [X.] 2005, 270 <271>, juris Rn. 37).

6

Hinzu kommt vorliegend, dass der Antragsgegnerin insgesamt (unabhängig von der gemeindeinternen Zuständigkeit) die [X.] gefehlt hat. Diese materiellrechtliche, weitgehend auf der Auslegung des nicht revisiblen Kommunalrechts beruhende, Einordnung ist bei der Würdigung der Verfahrensrüge zugrunde zu legen.

7

Danach hat die zuständige [X.]sbehörde den Beschluss der Antragsgegnerin, mit dem die Veränderungssperre aufgehoben werden sollte, mit Sofortvollzug beanstandet und die Antragsgegnerin aufgefordert, den Beschluss aufzuheben. Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin nicht befugt war, dem Aufhebungsbeschluss in irgendeiner Weise zur Wirksamkeit zu verhelfen. Somit durfte sie den Beschluss auch nicht im Wege eines Anerkenntnisses vor Gericht wirksam werden lassen (UA S. 7).

8

Als weitere Begründung fügt das Oberverwaltungsgericht überdies an, die Erklärung der Anerkenntnis wäre auch deswegen nicht möglich, weil die Antragsgegnerin und die Antragstellerin versuchten, durch kollusives Zusammenwirken die kommunalaufsichtlichen Maßnahmen zu konterkarieren. Hierauf geht die Beschwerde nicht näher ein.

9

2. [X.] (zum Hilfsantrag) ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

2.1 Die Beschwerde wirft die Frage auf,

Kommt es für die endgültige Aufgabe einer planerischen Konzeption durch eine [X.], die zur ex-nunc Unwirksamkeit einer Veränderungssperre führt, auf einen wirksamen förmlichen Aufhebungsbeschluss an oder kann eine [X.] ihre planerische Konzeption auch ohne einen solchen Beschluss und unabhängig von Anordnungen der [X.]sbehörde aufgeben?.

Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Beschwerde knüpft an den Beschluss des [X.]s vom 10. Oktober 2007 - BVerwG 4 [X.] 36.07 - ([X.]) an, auf den auch das Oberverwaltungsgericht Bezug nimmt ([X.]). Danach sind Änderungen einzelner Planungsvorstellungen nach Erlass der Veränderungssperre für deren Rechtmäßigkeit ohne Bedeutung, solange die [X.] der [X.] nicht aufgegeben worden ist und die mit der Veränderungssperre verfolgte [X.] fortbesteht. Sind die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre während ihrer Geltungsdauer endgültig entfallen, wird die Veränderungssperre (zumindest ab diesem Zeitpunkt) unwirksam (unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 31. Mai 2005 - BVerwG 4 [X.] 25.05 - [X.]). Die Situation einer [X.], die ihre Planung - hier eine Beschränkung des Einzelhandels - aufgeben möchte, daran jedoch durch Maßnahmen der [X.] gehindert wird, wird in den genannten Entscheidungen indes nicht angesprochen. Bei einem derartigen Fall kann es nicht allein darauf ankommen, ob die [X.] ihre Planungsvorstellungen aufgeben möchte und folglich kein Bedürfnis für eine Sicherung der Planung durch eine Veränderungssperre sieht. Vielmehr ist zugleich in den Blick zu nehmen, dass (möglicherweise) eine Planungspflicht der [X.] aus § 1 Abs. 3 BauGB in Verbindung mit § 1 Abs. 4 BauGB (oder § 2 Abs. 2 BauGB) besteht, die der Sicherung bedarf. In der Rechtsprechung des [X.] ist hierzu bereits geklärt, dass § 1 Abs. 3 BauGB in Verbindung mit § 1 Abs. 4 BauGB eine derartige Planungspflicht begründen kann (Urteil vom 17. September 2003 - BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25). Ferner hat der [X.] entschieden, dass § 1 Abs. 3 BauGB verlangt und voraussetzt, dass gemeindliche [X.] - nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts - effektiv durchgesetzt werden können (Urteil vom 17. September 2003, a.a.[X.]). Hierzu kann auch die Anordnung gehören, eine Veränderungssperre zu erlassen bzw. nicht wieder aufzuheben. Es versteht sich von selbst, dass dies auch mit den Mitteln des Sofortvollzug verbunden werden kann und von der [X.] daher umgehend zu beachten ist.

2.2 Auch die Frage:

Darf sich ein zur Normenkontrolle durch einen [X.] Bürger [X.] darauf zurückziehen, einer wirksamen kommunalaufsichtlichen Weisung komme [X.] zu, ohne dass es für den Erfolg des Rechtsmittels auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Weisung ankommt?,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Soweit die Fragestellung auf die Rechtsfigur der [X.] abstellt, ist klarzustellen, dass das Oberverwaltungsgericht sich darauf im Zusammenhang mit der Frage, ob im Normenkontrollverfahren über die Gültigkeit der Veränderungssperre die Rechtmäßigkeit der kommunalaufsichtlichen Beanstandungsverfügungen zu überprüfen ist ([X.], anders im Zusammenhang mit der Zulässigkeit eines [X.]), nicht bezogen hat und schon deswegen eine Klärung rechtsgrundsätzlicher Fragen nicht erkennbar und nicht dargelegt ist.

Unabhängig davon bedarf die Beantwortung der Frage, ob es für den Erfolg eines die Gültigkeit einer Veränderungssperre betreffenden [X.] auf die Frage der Rechtmäßigkeit einer Weisung, mit der die Aufhebung dieser Veränderungssperre verhindert werden soll, ankommt, keiner grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn Gegenstand des eine Veränderungssperre betreffenden [X.] ist deren Gültigkeit. Hierzu ist in der Rechtsprechung des [X.] beispielsweise geklärt, dass eine Veränderungssperre erst erlassen werden darf, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (vgl. Beschluss vom 21. Oktober 2010 - BVerwG 4 [X.] 26.10 - [X.] Nr. 108 m.w.N.; hierzu [X.]. Das [X.] kann auch dann zu bejahen sein, wenn eine [X.] im Rahmen der [X.] angehalten wird, einen Bebauungsplan zu beschließen und/oder eine Veränderungssperre zu erlassen (Urteil vom 17. September 2003 a.a.[X.] f.). Ferner ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine Veränderungssperre als Sicherungsmittel ausscheidet, wenn das angestrebte [X.] nicht erreichbar ist, wenn keine positive [X.] besteht oder wenn nicht heilbare Mängel vorliegen (Beschluss vom 21. Dezember 2005 - BVerwG 4 [X.] 61.05 - juris). Ein nicht heilbarer Mangel liegt namentlich vor, wenn eindeutig ist, dass sich die [X.] nicht verwirklichen lässt. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Die im Hinblick auf entgegenstehende Anordnungen der Rechtsaufsichtsbehörde nicht wirksam gewordene Absicht der [X.], eine Veränderungssperre wieder aufzuheben, ist dagegen grundsätzlich nicht Prüfungsgegenstand der Normenkontrolle. Dass sich vorliegend aus der Absicht der Antragsgegnerin, die Planung aufzugeben, Hinweise darauf ergäben, die Planung sei nicht verwirklichungsfähig, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor.

Demgegenüber betrifft die Frage, ob Maßnahmen der [X.] als solche rechtmäßig sind, die rechtlichen Beziehungen zwischen der [X.] und der staatlichen Aufsichtsbehörde. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob im Einzelfall eine Planungspflicht der [X.] besteht oder nicht ([X.]). Diese Thematik ist im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu behandeln, die die Anordnungen der [X.]sbehörde betreffen; dies ist vorliegend ersichtlich auch erfolgt ([X.]; [X.], Urteil vom 18. August 2011 - 1 K 265/11.KO - juris, O[X.], Urteil vom 23. März 2012 - 2 A 11176/11 - juris).

Die in der Beschwerde angesprochene Frage nach den [X.] bei einer Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheids oder einer Baugenehmigung (Beschwerdebegründung S. 8) könnte im vorliegenden Verfahren ohnehin nicht geklärt werden, da es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt.

Von einer weiteren Begründung sieht der [X.] nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Meta

4 BN 41/11

05.06.2012

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 28. September 2011, Az: 1 C 10216/11, Urteil

§ 87a VwGO, § 156 VwGO, § 1 Abs 3 BauGB, § 1 Abs 4 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.06.2012, Az. 4 BN 41/11 (REWIS RS 2012, 5846)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5846

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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