Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.04.2023, Az. 4 CN 9/21

4. Senat | REWIS RS 2023, 4879

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Gegenstand

Anforderungen an die Bekanntmachung eines Satzungsbeschlusses zur Verlängerung einer Veränderungssperre


Leitsatz

Der Hinweiszweck (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 3 BauGB) der Bekanntmachung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB erfordert keine taggenaue Angabe der Geltungsdauer der Veränderungssperre oder ihrer Verlängerung.

Tenor

Die Revision der Antragstellerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2020 ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine - inzwischen außer [X.] getretene - Verlängerung einer Veränderungssperre.

2

Am 8. Juni 2016 beschloss der [X.]rat der Antragsgegnerin die Aufstellung eines Bebauungsplans Nr. 02-2016wo "Gewerbegebiet [X.]/[X.]". Der Plan sollte Festsetzungen für ein bisher unbeplantes Gebiet treffen und industrieverträgliche Nutzungen gewährleisten. Geplant war ein Gewerbegebiet, das als Pufferzone zwischen industriell genutzten Flächen im Süden und einer Wohnbebauung im Norden und Osten dient. Zur Sicherung der Planung beschloss der [X.]rat eine auf zwei Jahre befristete Veränderungssperre; diesen Beschluss machte die Antragsgegnerin am 18. Juni 2016 in ihrem [X.] bekannt. Nachdem sie einen zur Unwirksamkeit führenden Fehler bei der Bekanntmachung erkannt hatte, wiederholte die Antragsgegnerin die Bekanntmachung im [X.] vom 30. Juli 2016.

3

Am 30. Mai 2018 beschloss der [X.]rat eine Satzung, um die Veränderungssperre zu verlängern. Die Satzung bestimmt ihren räumlichen Geltungsbereich (§ 2) sowie - in Anlehnung an § 14 Abs. 1 BauGB - Inhalt und Reichweite (§ 3). Ihre Geltungsdauer regelt sie wie folgt:

§ 1

Anordnung der Verlängerung der Veränderungssperre

Der [X.]rat der [X.] [X.] hat am 08.06.2016 den Beschluss Nr. 070/2016 zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 02-2016wo "GE [X.]/[X.]" im Ortsteil [X.] [X.] gefasst. Zur Sicherung der Planung im Geltungsbereich des Bebauungsplanes hat der [X.]rat mit selbem Beschluss für das Bebauungsplangebiet eine Veränderungssperre erlassen. Die Veränderungssperre ist mit ihrer ortsüblichen Bekanntmachung im [X.] der [X.] [X.] am 18.06.2016 in [X.] getreten.

Zur weiteren Sicherung der Planung im Geltungsbereich des Bebauungsplanes [...] wird für das in § 2 bezeichnete Gebiet die Geltungsdauer der bestehenden Veränderungssperre um ein Jahr verlängert.

[...]

§ 4

In-[X.]-Treten und Geltungsdauer

Diese Satzung über die Verlängerung der Veränderungssperre tritt am Tage der Bekanntmachung im [X.] der [X.] [X.] in [X.]. Sie tritt nach Ablauf von einem Jahr, vom [X.] gerechnet, außer [X.]. Die Veränderungssperre tritt in jedem Fall außer [X.], sobald und soweit die Bauleitplanung für das in § 2 genannte Gebiet rechtsverbindlich abgeschlossen ist.

4

Den Beschluss der Satzung machte die Antragsgegnerin im [X.] vom 9. Juni 2016 mit folgendem Wortlaut bekannt:

Bekanntmachung des Beschlusses der Satzung über die Verlängerung der Veränderungssperre für den Bebauungsplan Nr. 02-2016wo "GE Thalheimer Straße/Damaschkestraße" der [X.] [X.] im Ortsteil [X.] [X.]

Der [X.]rat der [X.] [X.] hat in seiner Sitzung vom 08.06.2016 unter [X.] 070-2016 die Aufstellung des Bebauungsplanes 02-2016wo "GE [X.]/[X.]" im Ortsteil [X.] [X.] beschlossen.

Ziel des Bebauungsplanes ist [...]

Zur Sicherung der Planung hat der [X.]rat [...] für den Geltungsbereich des Bebauungsplans in derselben Sitzung unter der [X.]. 070-2016 eine Veränderungssperre als Satzung beschlossen. Die am 18.06.2016 in [X.] getretene Veränderungssperre wird gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB mit Beschluss 047-2018 vom 30.05.2018 um ein weiteres Jahr verlängert.

Der Geltungsbereich der Veränderungssperre wird wie folgt begrenzt:[...]

Die Bekanntmachung der Satzung zur Verlängerung der Veränderungssperre für den Bebauungsplan [...] erfolgt gem. § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB. Die Verlängerungssatzung wird am Tage nach dieser Bekanntmachung rechtsverbindlich.

[...]

5

Eine weitere Verlängerung der Veränderungssperre unterblieb. Am 25. September 2019 ließ der [X.]rat seine Planungsabsichten fallen, am 4. März 2020 hob er den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan auf.

6

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung [X.], Flur ..., Flurstück ... (postalisch D.straße ...), das im Geltungsbereich der Veränderungssperre und ihrer Verlängerung liegt. Sie beantragte am 6. Juni 2019 eine Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung, um das auf dem Grundstück errichtete Gebäude künftig zu Wohnzwecken zu nutzen. Das Landratsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Januar 2020 ab. Über den Widerspruch der Antragstellerin ist noch nicht entschieden.

7

Ihren im Juli 2018 gestellten Normenkontrollantrag hat das [X.] mit dem angegriffenen Urteil abgelehnt. Die Satzung sei formell und materiell rechtmäßig. Der [X.] der Bekanntmachung (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 3 BauGB) sei erfüllt. Die Geltungsdauer der Verlängerung gehöre nicht zu den bekannt zu machenden Umständen. In materiell-rechtlicher Hinsicht sei es gerechtfertigt anzunehmen, dass das Plangebiet sich in einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren zu einem Gewerbegebiet entwickeln werde. Wenngleich die Antragsgegnerin auch das Ziel verfolgt habe, die Nutzung eines bestimmten Gebäudes als Flüchtlingswohnheim zu verhindern, handele es sich nicht um eine unzulässige Verhinderungsplanung.

8

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, die Bekanntmachung habe den [X.] nicht erfüllt. Sie lasse die Dauer der Verlängerung nicht hinreichend klar erkennen und enthalte falsche sowie irreführende Zusätze. Die Satzung sei auch materiell rechtswidrig. Es könne nicht von der Verwirklichung der Planung in absehbarer Zeit ausgegangen werden. Zur Verhinderungsplanung habe sie, die Antragstellerin, Anhaltspunkte vorgetragen, die einer Gesamtbeurteilung bedurft hätten.

9

Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das angegriffene Urteil steht mit [X.] (§ 137 Abs. 1 VwGO) in Einklang.

1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Davon ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Insbesondere hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die inzwischen außer [X.] getretene Satzung über die Verlängerung der Veränderungssperre unwirksam war. Denn die begehrte Feststellung kann präjudizielle Wirkung für die von der Antragstellerin in Aussicht genommenen Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche haben (vgl. [X.], Beschluss vom 2. September 1983 - 4 N 1.83 - [X.]E 68, 12 <15>). Eine auf solche Ansprüche gestützte Klage wäre auch nicht offensichtlich aussichtslos. Zwar hat die Bauaufsichtsbehörde in ihrem Bescheid vom 27. Januar 2020 angenommen, dass eine Nutzung des klägerischen Grundstücks zu Wohnzwecken nach Maßgabe von § 34 BauGB unzulässig gewesen wäre. [X.] dies zu, hätte die Verlängerung der Veränderungssperre keine zuvor bestehende Nutzungsmöglichkeit beseitigt und etwaige Schäden der Klägerin nicht verursacht. Der Bescheid vom 27. Januar 2020 ist indes nicht bestandskräftig. Es ist daher nicht mit der notwendigen Sicherheit auszuschließen, dass die von der Antragstellerin angestrebten Nutzungsmöglichkeiten während des [X.] der Satzung eröffnet waren, wenn sich deren Unwirksamkeit im Normenkontrollverfahren erweist.

2. Ohne Verstoß gegen [X.] hat das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag als unbegründet angesehen.

a) Die Satzung zur Verlängerung der Veränderungssperre genügte den formellen Anforderungen, insbesondere wurde ihr Beschluss wirksam bekanntgemacht.

aa) Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn - wie hier - ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB tritt die Veränderungssperre nach Ablauf von zwei Jahren außer [X.]. Die Gemeinde kann die Frist nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB um ein Jahr verlängern. Die Verlängerung bedarf eines [X.] nach § 16 Abs. 1 BauGB ([X.], Urteil vom 19. Februar 2004 - 4 [X.]N 16.03 - [X.]E 120, 138 <140>).

(1) Die angegriffene Satzung über die Verlängerung der Veränderungssperre trat nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB mit der Vollendung der Bekanntmachung durch Veröffentlichung im [X.] - und damit am 9. Juni 2018 - in [X.] ([X.], Beschluss vom 30. Juni 1994 - [X.] - NVwZ 1995, 101 <102>; vgl. auch [X.], Urteil vom 10. August 2000 - 4 [X.]N 2.99 - [X.] 406.11 § 215a BauGB Nr. 7 S. 20). Ohne weitere Bestimmung der Geltungsdauer wäre die Jahresfrist des § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB nach § 190 BGB vom Ablauf der vorigen Frist an zu berechnen gewesen (Stock, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BauGB, Stand Oktober 2022, § 17 Rn. 28). Vorliegend bestimmte die Satzung über die Verlängerung der Veränderungssperre das Datum des [X.] aber abweichend. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 4 Satz 2 der Satzung trat sie nach Ablauf "von einem Jahr, vom [X.] gerechnet", und damit mit Ablauf des 9. Juni 2019 außer [X.].

Ob die Bekanntmachung des [X.] einen abweichenden Geltungszeitraum angibt oder nahelegt, ist insoweit ohne Bedeutung. Fehlen höherrangige Bestimmungen, darf ein Normgeber selbst bestimmen, wann eine Norm in und außer [X.] tritt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631, 1728/90 - [X.]E 87, 48 <69>). Dies gilt auch für kommunale Satzungen. Kommt es insoweit zu Ungenauigkeiten oder Fehlern bei der Bekanntmachung eines [X.], verändern diese nicht den Geltungszeitraum, sondern führen allenfalls zur Unwirksamkeit der Bekanntmachung.

Die Antragsgegnerin durfte den Geltungszeitraum wie geschehen begrenzen. Zwar schöpfte sie damit nicht die Möglichkeiten des § 17 Abs. 1 Satz 1 und 3 BauGB aus, der für eine [X.] und ihre erstmalige Verlängerung einen Zeitraum von insgesamt drei Jahren erlaubt. Zu einer solchen Ausschöpfung war die Antragsgegnerin aber nicht verpflichtet, sondern befugt, eine insgesamt kürzere Geltungsdauer anzuordnen (vgl. [X.], Urteil vom 10. September 1976 - 4 [X.] 39.74 - [X.] 406.11 § 11 BBauG Nr. 7 S. 18; Stock, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BauGB, Stand Oktober 2022, § 17 Rn. 28; [X.], in: [X.], BauGB, Stand Januar 2023, § 17 Rn. 46).

(2) Hiervon abweichend hat die Vorinstanz angenommen, die Satzung über die Verlängerung der Veränderungssperre sei erst mit Ablauf des 30. Juli 2019 außer [X.] getreten. Dieses Verständnis ist nicht nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgeblich. § 4 der Verlängerungssatzung gehört zwar dem irrevisiblen Ortsrecht an. Das Oberverwaltungsgericht hat sich mit dieser Vorschrift aber nicht befasst (vgl. [X.], Urteile vom 6. Juni 2002 - 4 [X.]N 4.01 - [X.]E 116, 296 <300> und vom 3. Juni 2014 - 4 [X.]N 6.12 - [X.]E 149, 373 Rn. 25). Es hat sich offenbar allein von der gesetzlichen Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB leiten lassen, wonach die Gemeinde die Frist "um ein Jahr verlängern" kann (vgl. [X.] f.). Damit fehlt eine Auslegung des Ortsrechts durch die Vorinstanz, an die der Senat gebunden sein könnte.

bb) Die Bekanntmachung des [X.] im [X.] vom 9. Juni 2018 ist damit in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft oder jedenfalls missverständlich:

Der Text der Bekanntmachung gab das Inkrafttreten der ursprünglichen Veränderungssperre mit einem unzutreffenden Datum an, weil diese wegen der Unwirksamkeit der Bekanntmachung vom 18. Juni 2016 erst mit der erneuten Bekanntmachung im [X.] am 30. Juli 2016 nach § 16 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB in [X.] getreten war. Die Satzung über die Verlängerung wurde nicht am Tage nach der Bekanntmachung rechtsverbindlich, sondern trat bereits an diesem Tag in [X.]. Die Formulierung, die Veränderungssperre werde "um ein weiteres Jahr verlängert", konnte auf eine Geltung bis zum 10. Juni 2019 oder bis zum 18. Juni 2019 schließen lassen.

cc) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht die Bekanntmachung trotz der unzutreffenden Angaben als ausreichend angesehen hat (vgl. [X.] ff.). Die Ersatzverkündung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 2 bis 5 BauGB hat ihren [X.] (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 3 BauGB) erfüllt.

(1) Für die nach § 16 Abs. 2 BauGB erforderliche öffentliche Bekanntmachung einer Veränderungssperre oder ihrer Verlängerung sieht das Gesetz zwei Möglichkeiten vor: Die Gemeinde kann entweder die Satzung bekannt machen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB) oder im Wege der Ersatzverkündung bekannt machen, dass eine Veränderungssperre oder ihre Verlängerung beschlossen wurde (§ 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Die Antragsgegnerin hat von der zweiten Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Die Ersatzverkündung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB verlangt die Bekanntmachung der Tatsache, dass die Satzung beschlossen wurde. Sie soll nicht über den genauen Inhalt der Norm oder den Ablauf des zu ihr führenden Verfahrens unterrichten, sondern auf sie hinweisen. Nach dem von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 3 BauGB vorausgesetzten [X.] bemisst sich, welche notwendigen ([X.] die Bekanntmachung enthalten muss und wie detailliert diese sein müssen: Die Bekanntmachung des [X.] muss - erstens - geeignet sein, dem Normadressaten das Inkrafttreten des neuen Rechts in einem näheren Bereich des Gemeindegebiets bewusst zu machen und - zweitens - denjenigen, der sich über den genauen räumlichen und gegenständlichen sowie den zeitlichen Regelungsinhalt der Satzung unterrichten will, ohne weitere Schwierigkeiten zu der richtigen, bei der Gemeinde ausliegenden Satzung führen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 2022 - 4 [X.]N 1.22 - NVwZ 2023, 667 Rn. 22). Um dem Normadressaten das Inkrafttreten neuen Rechts bewusst zu machen, genügt es für den räumlichen Geltungsbereich, wenn das Plangebiet in der Bekanntmachung schlagwortartig gekennzeichnet ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 [X.] 22.80 - [X.]E 69, 344 <349 f.>).

Entsprechendes gilt für die Geltungsdauer einer Veränderungssperre oder ihrer Verlängerung: Es genügt, wenn sie dem Leser eine grundsätzliche Vorstellung vermittelt. Dafür kann bereits die Bekanntgabe des Beschlusses der Satzung ausreichen, wenn sich hinreichend klar erkennen lässt, dass die Gemeinde dem von § 17 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 BauGB angenommenen Zeitschema folgt. Eine taggenaue Angabe ist nicht erforderlich. Zwar mag die Dauer einer Veränderungssperre oder ihrer Verlängerung einige Bedeutung haben, weil diese Satzungen - für Normen eher atypisch - nur befristet erlassen werden dürfen. Der taggenaue Geltungszeitraum hat dennoch oft lediglich nachrangige Bedeutung. Anträge auf Baugenehmigungen haben einen erheblichen zeitlichen Vorlauf und können gegebenenfalls zeitlich an den Ablauf der Veränderungssperre angepasst werden. Sollte es im Einzelfall auf einen konkreten Tag ankommen, ist es dem Betroffenen zuzumuten, die Satzung einzusehen und sich über die tatsächliche Geltungsdauer und den sonstigen Regelungsinhalt Klarheit zu verschaffen. Dazu besteht angesichts des finanziellen und organisatorischen Aufwands eines Bauvorhabens ohnehin regelmäßig Anlass.

Nach dem [X.] der Bekanntmachung sind auch missverständliche oder unzutreffende Zusätze zu beurteilen. Diese führen zur Unwirksamkeit der Bekanntmachung, wenn sie den [X.] vereiteln. Sie dürfen nicht geeignet erscheinen, den Normadressaten davon abzuhalten, sich über den zutreffenden Regelungsinhalt der Satzung zu unterrichten, oder auf sonstige Weise den Zugang zur bei der Gemeinde ausliegenden Satzung unzumutbar erschweren. Weitergehende Anforderungen sind auch dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu entnehmen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 2022 - 4 [X.]N 1.22 - NVwZ 2023, 667 Rn. 16 m. w. N.).

(2) Hieran gemessen hat die Bekanntmachung vom 9. Juni 2018 den [X.] erreicht.

Die ursprüngliche Veränderungssperre war anhand des angegebenen [X.] und der [X.] zu identifizieren, auch wenn die Bekanntmachung das Datum des Inkrafttretens falsch angab. Diese tatrichterliche Würdigung (vgl. [X.]) ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ebenso wird der [X.] nicht dadurch verfehlt, dass die Bekanntmachung den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verlängerung fehlerhaft - einen Tag zu spät - angegeben hatte (vgl. [X.], Urteil vom 7. Mai 1971 - 4 [X.] 76.68 - [X.] 406.11 § 2 BBauG Nr. 7 S. 12 f.).

Der [X.] der Bekanntmachung ist auch in Bezug auf die Geltungsdauer der Satzung erfüllt. Das Oberverwaltungsgericht hat eine unzumutbare Erschwerung der Möglichkeit der Kenntnisnahme des Inhalts trotz der unklaren Angaben über die Dauer der Verlängerung der Veränderungssperre verneint. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

Aus der Bekanntmachung ging hervor, dass die Veränderungssperre um ein weiteres Jahr verlängert wurde. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 und 3 BauGB, wonach die Veränderungssperre nach Ablauf von zwei Jahren außer [X.] tritt und die Gemeinde die Frist um ein Jahr verlängern kann, ergibt sich daraus eine ungefähre zeitliche Größenordnung. Einer genaueren Darstellung des [X.] in der Bekanntmachung bedurfte es bei der erkennbaren Orientierung an der aus § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB hervorgehenden üblichen Dauer nicht.

Auch soweit die Bekanntmachung eine Geltung der Verlängerungssatzung bis zum 10. Juni 2019 - statt richtig: bis zum 9. Juni 2019 - nahelegt, vereitelt dies weder für sich genommen noch in der Zusammenschau mit der unzutreffenden Angabe zum Inkrafttreten der ursprünglichen Veränderungssperre ihren [X.]. Die Andeutung einer um einen Tag zu langen Geltungsdauer erscheint angesichts der Schwierigkeiten der Fristberechnung (vgl. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 190 BGB; [X.], in: [X.], BauGB, Stand Januar 2023, § 17 Rn. 8; Stock, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BauGB, Stand Oktober 2022, § 17 Rn. 28 i. V. m. Rn. 11) nicht geeignet, eine grundsätzlich falsche Annahme über den zutreffenden Geltungszeitraum hervorzurufen und Normbetroffene davon abzuhalten, sich durch Einsichtnahme in die Satzung über deren tatsächliche Geltungsdauer sowie den sonstigen Regelungsinhalt Klarheit zu verschaffen. Selbst wenn die Bekanntmachung so zu verstehen wäre, dass sie eine Geltung der Satzung bis zum 18. Juni 2019 andeutete (vgl. insoweit [X.]), wäre eine solche Unrichtigkeit unschädlich.

b) Im Einklang mit [X.] hat das Oberverwaltungsgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Satzung bejaht.

aa) Eine Veränderungssperre darf nur erlassen - und: verlängert - werden (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Januar 1993 - 4 B 258.92 - [X.] 406.11 § 17 BauGB Nr. 8 S. 16), wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 9. August 2016 - 4 [X.] 5.15 - [X.]E 156, 1 Rn. 19 m. w. N.). Eine Veränderungssperre - und damit auch ihre Verlängerung - scheidet ferner aus, wenn sich das aus dem Aufstellungsbeschluss ersichtliche Planungsziel im Wege planerischer Festsetzung nicht erreichen lässt, d. h. wenn rechtliche Mängel schlechterdings nicht behebbar sind oder sonst eindeutig ist, dass sich die [X.] nicht verwirklichen lässt ([X.], Beschlüsse vom 21. Dezember 1993 - 4 NB 40.93 - NVwZ 1994, 685 <686>, vom 21. Dezember 2005 - 4 [X.] 61.05 - juris Rn. 3, vom 19. Februar 2014 - 4 [X.] 6.14 - [X.] 82 Nr. 120 S. 658 und vom 8. September 2016 - 4 [X.] 22.16 - [X.] 84 Nr. 52 S. 318).

bb) Das Oberverwaltungsgericht hat sich von diesen Maßstäben leiten lassen und festgestellt, dass die Antragsgegnerin eine positive Vorstellung über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat ([X.]), für die zu sichernde Planung eine hinreichende Aussicht auf Verwirklichung besteht ([X.] ff., 41 ff.) und keine unzulässige Verhinderungsplanung vorliegt ([X.] ff., 47 ff.).

(1) Hinsichtlich der Verwirklichungsaussicht der Planung hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass sich binnen eines Zeitraums von 15 bis 20 Jahren ein Gebiet entwickeln lässt, welches den [X.]harakter eines Gewerbegebiets trägt. Die Revision hält die zugrunde gelegten tatsächlichen Maßnahmen für nicht mehr aktuell sowie für fehlerhaft gewichtet und sieht auch immissionsschutzrechtliche Beschränkungen nicht hinreichend beachtet. Einen revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsverstoß bei der tatrichterlichen Würdigung zeigt sie damit indessen nicht auf, insbesondere nicht, dass diese gegen allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze verstößt, zu denen die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 [X.] 5.14 - [X.]E 152, 275 Rn. 16). Auch die zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen sind nicht mit erfolgreichen Verfahrensrügen angegriffen. Die Antragstellerin rügt, das Oberverwaltungsgericht habe gegen seine Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, indem es das vom Ingenieurbüro [X.] erstellte Lärmgutachten in der Fassung des [X.] der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Februar 2019 nicht beigezogen habe. Sie hat aber weder einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt, noch zeigt sie auf, dass sich dem Oberverwaltungsgericht die Beiziehung hätte aufdrängen müssen.

(2) Eine unzulässige Verhinderungsplanung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass das Gebiet in dem seit 2012 geltenden Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet dargestellt ist ([X.] ff.) und als dessen Teil die Funktion einer "Pufferzone" zwischen der südlich vorhandenen industriellen Nutzung und der Wohnbebauung entlang der [X.] und der [X.] im Norden haben sollte (vgl. [X.] f.). Die Revision beschränkt sich auch insoweit auf eine Kritik an der tatrichterlichen Würdigung, zeigt aber keinen Fehler auf, der die aus § 137 Abs. 2 VwGO folgende Bindung des [X.] entfallen lassen könnte.

Die gegen die zugrunde liegenden Feststellungen gerichteten Verfahrensrügen bleiben ebenfalls ohne Erfolg. Die Antragstellerin rügt einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 und § 108 Abs. 1 VwGO, weil das Oberverwaltungsgericht ihren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 1.3 abgelehnt hat. Das bleibt erfolglos. Die Ablehnung eines unbedingten Beweisantrags verstößt nur dann gegen die Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen (§ 86 Abs. 1 und 2 VwGO) und dem Antragsteller Gehör zu gewähren, wenn die Ablehnung - auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Sicht des Tatsachengerichts - im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. April 2014 - 3 B 62.13 - juris Rn. 3 und vom 12. Juli 2018 - 7 [X.] - [X.] 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 23). Das ist bei dem Beweisantrag zu 1.3 nicht der Fall.

Die Antragstellerin hatte in der mündlichen Verhandlung beantragt, durch Vernehmung von Zeugen (überwiegend vom [X.]) Beweis zu der Tatsache zu erheben, dass bei einer Unterredung im Mai 2016 im einzelnen benannte Kommunalpolitiker und Verwaltungsmitarbeiter nach einer Lösung gesucht hätten, ein Flüchtlingsheim zu verhindern, die "ausschließlich in der Veränderungssperre" gesehen worden sei. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag als nicht entscheidungserheblich abgelehnt. Denn die unter Beweis gestellte Tatsache schließe es nicht aus, dass das Ziel, das Flüchtlingsheim zu verhindern, auch darin begründet gewesen sei, die Planung einer Pufferzone durch die Entstehung einer weiteren wohnähnlichen Nutzung nicht zu gefährden ([X.]). Das ist nicht zu beanstanden. Anders als die Revision geltend macht, war mit dem Antrag keine Behauptung zum Ziel der Planung (ausschließliche Verhinderung eines Flüchtlingsheims) unter Beweis gestellt, sondern eine Behauptung zu den zur Verfolgung des Ziels angenommen Möglichkeiten (ausschließlich durch eine Veränderungssperre).

Die Rüge eines Verstoßes gegen § 86 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf die internen Entscheidungsabläufe bei der Antragsgegnerin ist schon nicht ordnungsgemäß dargelegt im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Es fehlt eine substantiierte Darstellung, auf welchem Weg eine solche Aufklärung durchzuführen gewesen wäre und welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 2009 - 1 [X.] 6.08 - NVwZ 2009, 1162 Rn. 14).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

4 CN 9/21

25.04.2023

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: CN

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 18. November 2020, Az: 2 K 68/18, Urteil

§ 10 Abs 3 BauGB, § 14 Abs 1 Nr 1 BauGB, § 16 Abs 2 S 2 BauGB, § 17 Abs 1 S 1 BauGB, § 17 Abs 1 S 3 BauGB, § 214 Abs 1 S 1 Nr 4 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.04.2023, Az. 4 CN 9/21 (REWIS RS 2023, 4879)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4879

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