Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.05.2019, Az. B 9 SB 6/19 B

9. Senat | REWIS RS 2019, 6852

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - Berücksichtigung von schriftsätzlichem Vortrag vor Zustellung des Urteils - Übergabe des Urteilstenors an die Geschäftsstelle - willentliche Verlautbarung des Gerichts auf Anfrage eines Beteiligten - Selbstbindung des Gerichts


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 16. November 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen die Herabsetzung seines Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 20 bzw 30. Mit Urteil vom 16.11.2018, das ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das [X.] entschieden, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten für den [X.]raum 30.4.2015 bis 7.5.2015 vollständig und entsprechend dem Anerkenntnis der Beklagten vom 12.11.2018 für die [X.] ab dem 8.5.2015 insoweit aufgehoben werden, als der GdB auf weniger als 30 herabgesetzt wird. Im Übrigen hat es die Berufung des [X.] zurückgewiesen.

2

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Berufungsgericht habe sich mit seinen Ausführungen im Schreiben vom 25.11.2018 zur Rechtsprechung des [X.] Berlin-Brandenburg und dem Bestimmtheitsgebot des § 33 [X.] nicht auseinander gesetzt. Schriftsätze, die vor der Verkündung des Urteils eingehen, seien aber vom Gericht zu berücksichtigen. Vorliegend sei die Verkündung gemäß § 133 [X.] [X.] durch die Zustellung des Urteils ersetzt worden, die am 15.12.2018 erfolgt sei.

3

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig. Der Kläger hat in seiner allein fristgerechten Beschwerdebegründung vom [X.] den von ihm allein gerügten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]) nicht in der nach § 160a Abs 2 [X.] [X.] erforderlichen Weise bezeichnet.

4

Der Kläger trägt vor, das [X.] habe in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass sein Schreiben vom 25.11.2018 nicht mehr zu berücksichtigen sei, nachdem ihm auf telefonische Nachfrage auf Veranlassung des Berichterstatters in Rücksprache mit dem Vorsitzenden durch die Geschäftsstelle der Tenor mitgeteilt worden sei. Dies sei jedoch nicht zutreffend. Das Schreiben vom 25.11.2018 hätte vom [X.] berücksichtigt werden müssen, weil ihm das ohne mündliche Verhandlung ergangene Urteil des [X.] erst am 15.12.2018 zugestellt worden sei. Zwar ist es zutreffend, dass nach § 133 [X.] [X.] bei Urteilen, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, die Verkündung durch Zustellung ersetzt wird. Der Kläger verkennt jedoch, dass ein Urteil schon vor der in § 133 [X.] [X.] vorgeschriebenen Zustellung wirksam und damit für das Gericht nach § 202 [X.] [X.] iVm § 318 ZPO unabänderbar sein kann. Das kann dann der Fall sein, wenn die Urteilsformel schriftlich niedergelegt und von den beteiligten Richtern unterschrieben worden ist und sich das Gericht durch Verlautbarung gebunden, dh sich des Urteils entäußert hat, in dem dieses mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbetrieb hinausgetreten ist (vgl [X.] Beschluss vom 12.7.2012 - [X.] 270/11 - Juris RdNr 8; [X.] Urteil vom 1.4.2004 - IX ZR 117/03 - Juris RdNr 8; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 125 RdNr 4b). Eine solche Verlautbarung liegt auch dann vor, wenn der [X.] der Geschäftsstelle übergeben wurde und ein Beteiligter auf Anfrage über die Entscheidung unterrichtet wird, etwa - wie vorliegend der Kläger am 23.11.2018 - von der Geschäftsstelle im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden (vgl [X.] vom 14.12.1978 - 2 RU 23/77 - [X.] 1500 § 124 [X.] f; BVerwG Beschluss vom 11.5.2015 - 7 [X.]/14 - Juris RdNr 7; [X.] Beschluss vom 8.3.2011 - IV [X.]4/10 - Juris RdNr 9; [X.], aaO, [X.] in [X.]/Fichte, [X.], 2. Aufl 2014, § 133 RdNr 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2014, § 133 RdNr 7, jeweils mwN). Warum trotz der hiernach bereits am 23.11.2018 eingetretenen Bindungswirkung des angefochtenen Urteils das Schreiben des [X.] vom 25.11.2018 - und insbesondere dort enthaltener etwaiger neuer Vortrag - vom Berufungsgericht bei der Entscheidungsfindung noch hätte berücksichtigt werden müssen, zeigt der Kläger nicht auf.

5

Im Übrigen trägt er selbst vor, dass sich das [X.] gleichwohl ("Ungeachtet dessen …") in den Entscheidungsgründen von sich aus mit den von ihm in diesem Schreiben (und in dem als dessen Anlage beigefügten Schreiben vom 23.11.2018) vorgetragenen Argumenten sowohl hinsichtlich der dort zitierten Rechtsprechung des [X.] Berlin-Brandenburg als auch zum Bestimmtheitsgebot des § 33 [X.] sowie der Problematik einer rückwirkenden Aufhebung auseinander gesetzt habe. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet jedoch nur, dass das Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (stRspr, [X.] Beschluss vom 29.10.2018 - [X.] R 4/18 BH - Juris RdNr 6 mwN). Genau dies hat das [X.] aber getan, indem es ausgeführt hat, dass dem klägerischen Schreiben vom 25.11.2018 kein neuer - dh aus früheren Schreiben des [X.] nicht bereits bekannter - Vortrag zu entnehmen sei, der zu einer anderen Beurteilung hätte führen können. Das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör gibt einem Beteiligten keinen Anspruch darauf, mit seinem Vorbringen auch in der Sache Erfolg zu haben, letztlich also "erhört" zu werden. Dass das [X.] der Rechtsansicht des [X.] nicht gefolgt ist und er das Berufungsurteil inhaltlich für unzutreffend hält, eröffnet die Revisionsinstanz nicht (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 28.9.2018 - [X.] V 21/18 B - Juris RdNr 11 mwN).

6

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

7

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 9 SB 6/19 B

27.05.2019

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Dortmund, 28. Juni 2017, Az: S 20 SB 1974/15, Urteil

§ 160a SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 133 S 1 SGG, § 134 SGG, § 202 S 1 SGG, § 318 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.05.2019, Az. B 9 SB 6/19 B (REWIS RS 2019, 6852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6852

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IX ZB 270/11

7 B 18/14

IV S 14/10

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