Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.12.2022, Az. 25 W (pat) 58/21

25. Senat | REWIS RS 2022, 9323

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2020 224 252.2

hat der 25. Senat ([X.]) des Bundespatentgerichts am

14. Dezember 2022 unter Mitwirkung des

Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin [X.] und der Richterin [X.], LL.M.,

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

2

[X.]

3

ist am 23. Juni 2020 zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 1:

5

Biologische Mittel für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke; Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Chemische Erzeugnisse zur Herstellung von Kosmetika; Anorganische Chemikalien für gewerbliche Zwecke; Kolloidpräparate [chemische Erzeugnisse] zur Verwendung in Herstellungsverfahren; Alkohol; Chemikalien für die Herstellung von Pharmazeutika; Basen; Destilliertes Wasser; Antioxidantien zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln; Chemische Substanzen zur Herstellung von Arzneimitteln; Antioxidantien zur Verwendung bei der Herstellung von Nahrungsmitteln; Chemikalien für die Wasseraufbereitung; Chemische Erzeugnisse als Zutaten für Nahrungsmittel; Aromastoffe [Chemikalien]; Antioxidantien zur Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen; Antioxidantien zur Herstellung von Kosmetika; Dolomit;

6

Klasse 3:

7

Aromastoffe, pflanzliche [ätherische Öle]; Natürliche ätherische Öle; Natürliche Parfümeriewaren; Nicht medizinische Kosmetika und Mittel für Körper- und Schönheitspflege; Nicht medizinische Kosmetika; Waschmittel; Kosmetika; Nicht medizinische Mittel für Körper- und Schönheitspflege; Nicht medizinische Präparate zur Haarbehandlung für kosmetische Zwecke; Aromastoffe [ätherische Öle]; Parfümeriewaren und Duftstoffe; Nicht medizinische Präparate zur Linderung von Sonnenbrand; Deodorants [[X.]]; Nicht medizinische Zahnputzmittel; Ätherische Öle;

8

Klasse 5:

9

Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere; Nahrungsergänzungsmittel für Tiere; Medizinische Präparate; Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Mineralische Nahrungsergänzungsmittel; Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel; Salben [medizinische]; Arzneimittel; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Chemisch-pharmazeutische Präparate; Nahrungsmittel für Babys; Nahrungsergänzungsmittel für diätetische Zwecke; Diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für veterinärmedizinische Zwecke; Desinfektionsmittel; Medizinische Cremes; Kräuter für medizinische Zwecke; Biozide; Homöopathische Pharmazeutika; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen; Nahrungsergänzungsmittel für Nutztierfutter; Verbandmaterial; Chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen, nicht für medizinische Zwecke; Babykost; Nahrungsergänzungsstoffe; Homöopathische Arzneimittel; Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel für Sportler; Nahrungsergänzungsmittel für diätetische Zwecke zum modifizierten Fasten; Pharmazeutische Präparate; Pharmazeutische Erzeugnisse; Diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel; Funktionelle Nahrungsmittel zur Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel; Material für Verbände [Verbandmaterial]; Biologische Präparate für veterinärmedizinische Zwecke; Pflaster; Nahrungsergänzungsmittel aus Vitaminen; Pharmazeutische Arzneimittel; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Biologische Präparate für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel aus Enzymen; Chirurgisches und medizinisches Verbandmaterial; Nahrungsergänzungsmittel aus Aminosäuren Dermatologisch-pharmazeutische Erzeugnisse; Nahrungsergänzungsmittel aus Spurenelementen; Medizinische Pflaster; Probiotische Ergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von Mineralstoffen;

Klasse 10:

Gegenstände für die sexuelle Aktivität; Medizinische Apparate; Analysegeräte für medizinische Zwecke; Gegenstände zum Stillen von Säuglingen; Für Menschen mit Behinderung angepasste therapeutische und unterstützende Geräte; Medizinische Geräte; Geräte zur Überwachung der Körperwerte; Geräte für medizinische Diagnosen;

Klasse 30:

Manuka-Honig; Nahrungsmittel auf Getreidebasis für die menschliche Ernährung; Bonbons; Tee; Gewürze; Kaffee; Biologischer Honig für Speisezwecke; Kakao; Nicht medizinische Tees; Abgepackter Tee [nicht für medizinische Zwecke]; Honig;

[X.]:

Alkoholfreie Getränke; Quellwasser; Mit Vitaminen und Mineralsalzen angereicherte alkoholfreie Getränke; Nicht medizinische Mineralwasser; Mineralwässer [Getränke];

[X.]:

Tabak; Tabakfilter; Tabak und Tabakwaren, einschließlich Tabakersatzstoffe; Tabakerzeugnisse;

Klasse 35:

Werbung; Administrative Abwicklung von [X.] per Telefon oder Computer; Vermittlung und Vermietung von Werbeflächen im [X.]; Elektronische Datenverarbeitung [Büroarbeiten]; Datenverarbeitung [Büroarbeiten] im Bereich Gesundheitswesen; Werbedienste und Verkaufsförderung; Entwicklung und Umsetzung von Marketingstrategien für andere; Marketing über das [X.]; Büroarbeiten in Bezug auf die Annahme von Bestellungen; Marketing; Erteilen von Auskünften über Waren für Verbraucher mittels [X.]; [X.] [Büroarbeiten]; Elektronische Bearbeitung von Bestellungen; Versandwerbung; Bürodienstleistungen; Online-Bestelldienste; [X.]werbung; [X.] im Bereich Kosmetika; Verteilung von Werbematerial; Administrative Datenverarbeitung; Online-Werbung;

Klasse 39:

Verpacken von Artikeln zum Transport; Verpacken; Warenlagerung und -beförderung; Lagerung; Versand von Waren; Verpackung von Waren; Warenlagerung und -auslieferung; Verpackungsdienste;

[X.]:

Gesundheitsberatung; Beratungsdienste in Bezug auf die Schönheitspflege; Beratungen auf dem Gebiet der Schönheitspflege; Beratungsdienste in Bezug auf Gewichtsabnahme; Auskünfte zu pharmazeutischen Erzeugnissen; Beratungen hinsichtlich Ernährung; Auskünfte und Beratung in Bezug auf die Gesundheit; Beratungen in der Pharmazie; Beratungen auf dem Gebiet der medizinischen Gesundheitspflege; Beratungs- und Informationsdienste bezüglich pharmazeutischen Produkten über das [X.]; Beratungs- und Informationsdienste bezüglich pharmazeutischen Produkten; Auskünfte in Bezug auf Arzneimittel; Beratungen auf dem Gebiet der Medizin; Beratungen in Bezug auf die Ernährung; Beratungs- und Informationsdienstleistungen zu medizinischen Produkten; Auskünfte in Bezug auf das Abnehmen; Auskünfte in Bezug auf medizinische Dienstleistungen; [X.]; Zubereitung von Rezepturen in Apotheken; Auskünfte zu Arzneimitteln; Auskünfte über Gesundheitsfragen am Telefon; Zubereitung von Medikamenten nach Rezept in Apotheken; Beratungsdienste in Bezug auf medizinische Apparate und Instrumente; Zubereitung und Ausgabe von Medikamenten; Dienstleistungen im Gesundheitsbereich; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Alternativmedizin; Medizinische Beratung; Auskünfte zu Ernährungsinformationen über Lebensmittel; Beratungsdienste in Bezug auf die Ernährung; Auskünfte auf dem Gebiet der Medizin; Auskünfte über Schönheitspflege; Auskünfte in Bezug auf veterinärmedizinische Pharmazeutika; Zurverfügungstellen von Informationen in Bezug auf diätetische und Nahrungsergänzungsmittel; Auskünfte bezüglich medizinischer Probleme; Ausgabe von Pharmazeutika; Beratungen in Bezug auf die medizinischen Bedürfnisse älterer Menschen; Beratungsdienste in Bezug auf Arzneimittel; Auskünfte in Bezug auf gesundheitliche Probleme; [X.] im Zusammenhang mit der Behandlung von Menschen; Beratungen bezüglich Ernährung; Beratungsdienste in Bezug auf Gesundheit

Mit den Beschlüssen vom 25. Februar 2021 und 1. Juli 2021, Letzterer erlassen im Erinnerungsverfahren durch eine Beamtin des höheren Dienstes, hat die Markenstelle für Klasse 5 des [X.]es die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen.

Zur weiteren Begründung hat sie ausgeführt, dass das Anmeldezeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als schlagwortartig verkürzte Sachangabe, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen aufgefasst werde. Den Begriff „[X.]“ werde der hier angesprochene Verkehr dahingehend verstehen, dass es sich bei den in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen um solche handele, die eine Apotheke mit dem Schwerpunkt auf Naturheilmittel bzw. Naturheilkunde anbiete oder erbringe. Die vorliegende Wortkombination sei [X.] aus der Kurzfassung „bio“ für etwas Biologisches oder Ökologisches sowie dem Kurzwort „[X.]“ für „Apotheke“ zusammengesetzt und somit dem hier angesprochenen Fachverkehr wie auch breiten Verkehrskreisen ohne weiteres verständlich. Dies könne auf alle in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen zutreffen. Eine solche Apotheke könne auch ihre Waren lagern, verpacken und transportieren. Im Zusammenhang mit den Waren der [X.] sei zu berücksichtigen, dass in einer Apotheke auch solche Produkte angeboten werden könnten, die dazu dienten, mit dem Rauchen aufzuhören, weniger schädlich seien oder eine Alternative zu den bisherigen Tabakwaren darstellten. Was diese biologische Apotheke alles leiste, müsse nicht genau definiert werden, da es naturgemäß sehr umfassend sein könne. Eine gewisse Unschärfe führe noch nicht zur Schutzfähigkeit eines Zeichens. In Verbindung mit den in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ergebe sich, worum es sich thematisch handele. Die Gesamtheit des [X.] vermittele keine über die Bedeutung der Einzelbestandteile hinausgehende schutzfähige Aussage. Es werde in dem angegebenen Sinn zudem bereits verwendet. Hierfür wurden dem Erinnerungsbeschluss weitere Nachweise beigefügt. Aufgrund der fehlenden Unterscheidungskraft - so die weitere Begründung der Markenstelle - könne dahingestellt bleiben, ob auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vorliege. Dass das Amt bereits vergleichbare Marken eingetragen habe, stelle die Schutzunfähigkeit nicht in Frage; da die Entscheidung über die [X.] keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage sei. Im Übrigen gebe es entsprechende Zeichen, deren Anmeldung ebenfalls zurückgewiesen worden sei (unter Verweis u. a. auf die Aktenzeichen 30 2014 030 681 - [X.]; 30 2008 045 577 - Bio Wasch; 30 2014 005 686 - Bio-Fresh).

In der vom Anmelder eingelegten Beschwerde wird ausgeführt, dass das Wort „bio“ eine Vielzahl von Bedeutungen aufweise. So könnten darunter biologisch hergestellte Produkte oder bestimmte Qualitätsmerkmale von Waren verstanden werden. Aufgrund seiner Mehrdeutigkeit diene es nicht allein der Beschreibung von Erzeugnissen, was bereits von verschiedenen Gerichten bestätigt worden sei. Der Bestandteil „[X.]“ stehe zudem nicht zwingend für den Begriff „Apotheke“. Beide [X.] seien im [X.] nicht genannt. Es bedürfe mehrerer gedanklicher Zwischenschritte für die Annahme des [X.]s. Weiterhin begründe nur das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis. Ergänzend macht der Anmelder geltend, dass die Wortzeichen „[X.]“ ([X.] 301 14 103) und „[X.]“ ([X.] 002 977 882) als Marken eingetragen seien.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse des [X.]s, Markenstelle für Klasse 5, vom 25. Februar 2021 und 1. Juli 2021 aufzuheben.

Mit schriftlichem Hinweis vom 27. September 2022 hat der Senat dem Anmelder mitgeteilt, dass das angemeldete Wortzeichen in Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen den Schutzhindernissen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] und § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterliege.

Hierauf hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 11. November 2022 mitgeteilt, dass der Verkehr das Zeichen „bio“ weiterhin verwenden könne und es nicht ersichtlich sei, warum die Kombination „[X.]“ freihaltebedürftig für Dritte sein solle. Es handele sich bei dem Zeichen um eine phantasievolle Kombination von Wörtern, die im DU[X.]N nicht auffindbar seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgenannten Beschlüsse der Markenstelle, auf die Schriftsätze des Anmelders, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 27. September 2022 nebst der ihm beigefügten Rechercheergebnisse und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens

[X.]

als Marke steht in Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen zumindest das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diese Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die ein Merkmal oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten bleiben (vgl. [X.] GRUR 2011, 1035 Rn. 37 - [X.] [X.]/[X.] [1000]; BGH GRUR 2021, 1195 Rn. 13 f. - [X.]; [X.], 186, Rn. 38 - Stadtwerke Bremen).

Ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verkehrskreise, die als Abnehmer oder Interessenten der betroffenen Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Rn. 29 - [X.]; BGH GRUR 2021, 1195, Rn. 14 - [X.]; [X.], 669, Rn. 16 - [X.]). Dabei ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen sowie verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt abzustellen (vgl. [X.] GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] [X.], 682 Rn. 23 bis 25 - [X.]; BGH [X.], 186 Rn. 38 - Stadtwerke Bremen).

Ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] setzt nicht voraus, dass ein als Marke angemeldetes Zeichen nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden Verkehrsverständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet wird. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, genügt es, dass es diesem Zweck dienen kann. Ein Freihaltebedürfnis liegt deshalb auch vor, wenn die Benutzung der angemeldeten Marke als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. [X.] GRUR 2010, 534 Rn. 52 - Prana Haus/[X.] [[X.]]; [X.], 146 Rn. 32 - [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 680 Rn. 38 - Campina Melkunie [[X.]]; BGH GRUR 2021, 1195 Rn. 19 - [X.]; [X.], 186 Rn. 42 - Stadtwerke Bremen).

a) Von den angemeldeten Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 3, 5, 10, 30, 32, 34, 35, 39 und 44 werden der Fachverkehr im Gesundheitswesen und die im Marketing sowie Vertrieb von in Apotheken verkauften Waren Tätigen wie auch der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher angesprochen.

b) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Wortbestandteilen „bio“ und „[X.]“ zusammen, die mit einem Bindestrich verknüpft sind.

(1) Bei „bio“ handelt es sich um ein geläufiges Präfix, das im Sinne von „lebens-, Lebens-“ in Wortbildungen mit Substantiven oder Adjektiven ausdrückt, dass jemand oder etwas mit Natürlichem oder [X.] zu tun hat bzw. in irgendeiner Weise mit der Natur, organischem Leben oder Lebewesen in Beziehung steht (vgl. „www.duden.de“, Suchbegriffe „bio-“ bzw.“ „Bio-“). Auf Grundlage dieser Bedeutung wird „Bio“ umfangreich verwendet, um auf einen biologischen oder natürlichen Ursprung, auf Naturbelassenheit oder eine natürliche Herstellungsweise ohne Zusatz schädlicher Stoffe oder auf eine natürliche, ökologische oder umweltfreundliche Wirkungsweise von Produkten hinzuweisen. „Bio“ ist ein Synonym für „ökologisch“ und stellt damit eine Verbindung zur Ökologie oder zur Umwelt her (vgl. BPatG 30 W (pat) 501/17 - [X.]; 26 W (pat) 563/19 - biovinyl; 29 W (pat) 26/09 - [X.]).

Auch im Bereich der pharmazeutischen Produkte stellt das Kürzel „bio“ bzw. „Bio“ ein mittlerweile vielfach verwendetes [X.] dar. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang die Begriffe „[X.]“, „[X.]ls“, „[X.]“, „Biologika“ oder „Biologics“ zu nennen (vgl. „[X.]“, Suchbegriff „Biopharmazeutikum“, als Anlage 1 zum Hinweis vom 27. September 2022). Es handelt sich hierbei um Arzneistoffe, die mit Mitteln der Biotechnologie und gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden.

(2) Der [X.] „[X.]“ ist als Abkürzung des Wortes „Apotheke“ gebräuchlich (vgl. [X.] ([X.]) 527/19 - [X.]; 25 W (pat) 510/17 - web[X.]; 30 W (pat) 539/16 - [X.]-grün). So stehen „[X.]“ und „[X.]Bank“ für die Wortverbindungen „[X.]“ bzw. „[X.]“. Im [X.] findet sich eine Vielzahl von Apotheken, deren Seiten bereits vor dem Anmeldezeitpunkt über die [X.] „[X.]“ aufrufbar waren (vgl. [X.], Suchbegriff „[X.]“, als Anlage 2 zum Hinweis vom 27. September 2022).

(3) Die Wortfolge „[X.]“ brachte schon vor ihrer Anmeldung am 23. Juni 2020 in für alle Verkehrskreise erkennbarer Weise zum Ausdruck, dass eine Apotheke biologisch bzw. ökologisch ausgerichtet ist. Dieses Verständnis wird durch die [X.]seiten des Anmelders bestätigt, wo folgende Aussagen zu finden sind:

„Mittlerweile ist die ‚[X.]‘ eine der großen Versand[X.]theken mit Schwerpunkt Naturheilmittel mit über 500.000 Kunden. Unser oberstes Ziel ist es, einen jeden davon rundum zufrieden zu machen. Um das zu erreichen, streben wir fortwährend nach … einem ständig optimierten naturheilkundlichen und biologischen Sortiment“ (vgl. „www.[X.].de.“ als Anlage 3 zum Hinweis vom 27. September 2022).

c) In diesem Sinne war die Wortkombination „[X.]“ bereits zum Anmeldezeitpunkt geeignet, die Beschaffenheit oder die Bestimmung sowie die Herstellungs-, Vertriebs- oder Erbringungsstätte der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen unmittelbar zu beschreiben. Eines lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe damals bekannt war oder verwendet wurde, bedarf es nicht (vgl. u. a. [X.] GRUR 1999, 723 Rn. 30 - [X.]; [X.], 146 Rn. 32 - [X.]):

Die in Apotheken erhältlichen Waren der Klasse 1 und 3 können rein biologischer Natur sein (z. B. „Biologische Mittel für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke“) bzw. ökologischen Standards entsprechen (z. B. „Waschmittel“) oder zur Herstellung von Bio-Produkten dienen (z. B. „Chemische Erzeugnisse“).

Des Weiteren ist es möglich, dass die der Ernährung (z. B. „Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere“) und der Heilung oder Vorsorge (z. B. „Medizinische Präparate“) dienenden Waren der Klasse 5 unter biologischen Gesichtspunkten erzeugt wurden oder Eigenschaften aufweisen, die der Biologie des Menschen oder Tieres angepasst sind. Auch in diesem Zusammenhang benennt der [X.] „[X.]“ nur den Ort ihres Vertriebs, ihrer Prüfung oder Herstellung.

Entsprechendes gilt für die angemeldeten Waren der Klasse 10. So können sie aus biologisch-basierten Materialien hergestellt werden (z. [X.] aus [X.]) und damit als auch in Apotheken vertriebene „Gegenstände zum Stillen von Säuglingen“ besonderen Qualitätsansprüchen genügen. Ebenso ist es denkbar, dass „Medizinische Apparate“ oder „Medizinische Geräte“ so konstruiert sind, dass sie möglichst wenig Strahlung abgeben und damit der Gesundheit sehr förderlich sind.

Im Zuge der bereits seit Jahren geführten Diskussion zur Reduzierung der Umweltbelastung werden auch die Nahrungsmittel der Klasse 30 immer stärker nachgefragt, die aus [X.] Anbau stammen. Honig, Getreide, Zucker, Tee, Gewürze oder Kaffee werden demzufolge auch ohne Einsatz von Herbiziden, Insektiziden oder Fungiziden produziert. Das Anmeldezeichen macht dies in Form des Bestandteils „bio“ deutlich und weist zugleich durch den Bestandteil „[X.]“ darauf hin, wo die besagten Erzeugnisse erhältlich sind.

Die Waren der [X.] lassen sich aus Quellen gewinnen, die biologisch-ökologischen Anforderungen in besonderer Weise genügen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang beispielsweise an „Mineralwässer“ mit sehr geringer Nitratbelastung. In Betracht kommt auch, dass „Mit Vitaminen und Mineralsalzen angereicherte alkoholfreie Getränke“ unter Verwendung von Bio-Früchten hergestellt werden. Damit handelt es sich bei dem Anmeldezeichen auch insoweit nur um eine Eigenschafts- und Vertriebsstättenangabe.

Auch in Verbindung mit den Waren der [X.] kommt ihm diese Funktion zu, indem es auf die biologische Gesichtspunkte berücksichtigende Produktion der Grundstoffe, wie des Tabaks, hinweist. Dadurch werden weitere Belastungen des menschlichen Körpers, beispielsweise durch Rückstände von Bioziden, vermieden.

Die weiterhin angemeldeten Dienstleistungen

„Werbung; Vermittlung und Vermietung von Werbeflächen im [X.]; Werbedienste und Verkaufsförderung; Entwicklung und Umsetzung von Marketingstrategien für andere; Marketing über das [X.]; Marketing; Versandwerbung; [X.]werbung; Verteilung von Werbematerial; Online-Werbung“

der Klasse 35 können dafür bestimmt sein, für biologisch-ökologisch ausgerichtete Apotheken zu werben oder ihren Umsatz zu steigern. Zwar sind [X.] in der Regel unabhängig von dem konkreten einzelnen Gegenstand, für den geworben wird. Vorliegend weist das in Rede stehende Zeichen jedoch auf die Branche der Apotheken im Allgemeinen und der [X.] im Besonderen hin. Es handelt sich hierbei für das Publikum um ein bedeutsames Auswahlkriterium, so dass die Wortfolge „[X.]“ auch in Verbindung mit Werbung nicht als Unterscheidungsmittel, sondern als Gegenstandsangabe aufgefasst wird (vgl. zur vergleichbaren Fragestellung im Zusammenhang mit der Unterscheidungskraft [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 8 Rn. 125).

Die übrigen Dienstleistungen der Klasse 35

„Administrative Abwicklung von [X.] per Telefon oder Computer; Elektronische Datenverarbeitung [Büroarbeiten]; Datenverarbeitung [Büroarbeiten] im Bereich Gesundheitswesen; Büroarbeiten in Bezug auf die Annahme von Bestellungen; Erteilen von Auskünften über Waren für Verbraucher mittels [X.]; [X.] [Büroarbeiten]; Elektronische Bearbeitung von Bestellungen; Bürodienstleistungen; Online-Bestelldienste; [X.] im Bereich Kosmetika; Administrative Datenverarbeitung“

werden durch das Anmeldezeichen dahingehend unmittelbar beschrieben, dass sie dem Betrieb einer auf biologische Produkte und Beratung spezialisierten Apotheke dienen.

Eine entsprechende Aussage vermittelt es im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 39. Mit ihrer Hilfe lassen sich auch von [X.] vertriebene oder hergestellte Produkte verpacken, einlagern, befördern, versenden oder ausliefern.

Im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen der [X.] weist das angemeldete Zeichen darauf hin, dass diese durch eine Apotheke erbracht werden, die im Rahmen der Beratung, der Zubereitung von Rezepturen oder Medikamenten und der Erbringung von [X.] biologisch-ökologische Ansätze verfolgt. In Betracht kommt hierbei vor allem die Vermittlung von Informationen zur Verwendung von Öko-Produkten auf der Basis des Fachwissens eines Apothekers oder die Herstellung von nicht umweltschädlichen bzw. der Biologie des Körpers eines Menschen oder Tieres entsprechenden Arzneimitteln.

d) Entgegen der Ansicht des Anmelders wird das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Zeichenkomponente „bio“ verschiedene beschreibende Aussagen vermittelt. Zum einen ergibt sich, wie bereits dargestellt wurde, die jeweilige Bedeutung in Verbindung mit den jeweiligen Waren oder Dienstleistungen. Zum anderen beseitigt selbst die Mehrdeutigkeit eines Zeichens das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht, denn nach seinem Wortlaut sind unmittelbar beschreibende Angaben schlechthin vom Schutz ausgeschlossen. (vgl. zum vergleichbaren Eintragungshindernis gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der Markenrechtsrichtlinie: [X.] [X.], 146 Rn. 33 ff. - [X.]; [X.], 680 Rn. 38 ff. - [X.]) Dies ergibt sich zudem aus dem Gesetzeszweck, nach dem die freie Verwendbarkeit aller beschreibenden Zeichen und Angaben – ohne Rücksicht darauf, ob es Alternativen gibt oder nicht – für jedermann zu gewährleisten ist. Die vom Anmelder zitierte Rechtsprechung u. a. des [X.] zum UWG ist hier nicht einschlägig.

Da das angemeldete Zeichen „[X.]“ die angemeldeten Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibt, muss es in seiner Gesamtheit frei verwendet werden können. Es reicht entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht aus, dass die Bestandteile alleine von der Allgemeinheit genutzt werden können.

2. Wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] kann dahingestellt bleiben, ob dem Anmeldezeichen darüber hinaus die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen fehlt.

3. Die von dem Anmelder angeführten [X.] der Marke „[X.]“ (Registernummern [X.] 301 14 103 und [X.] 002 977 882) rechtfertigen keine andere Entscheidung. Nach der umfangreichen und gefestigten Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], 667 Rn. 13 ff. - Bild.[X.] u. [X.] unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen [X.] GRUR 2006, 229 Rn. 47 bis 51 - BioID; [X.], 674 Rn. 42 bis 44 - Postkantoor), des [X.] (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 - [X.]) und des [X.] (vgl. z. B. [X.], 1175 - [X.]; GRUR 2010, 425 - [X.] und die Senatsentscheidung [X.] 2010, 145 - Linuxwerkstatt) kommt [X.] weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung zu. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische [X.] nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es auch im Rahmen der Auslegung von unbestimmten Rechtbegriffen wie der Unterscheidungskraft keine Selbstbindung der Markenstellen des [X.]s und erst recht keine irgendwie geartete Bindung für das [X.]. Es muss vielmehr in jedem Einzelfall eigenständig geprüft und entschieden werden.

Abgesehen davon stehen den angeführten [X.] eine ganze Reihe von Zurückweisungen des [X.]s (vgl. Aktenzeichen 30 2014 030 681.6 - [X.]; 30 2014 005 686.0 - Bio-Fresh; 30 2010 002 666.9 - klassisch bio), aber auch des [X.] (vgl. BPatG 30 W (pat) 501/17 - [X.]; 26 W (pat) 563/19 - biovinyl; 29 W (pat) 26/09 - [X.]; 25 W (pat) 527/19 - [X.]; 30 W (pat) 539/16 - [X.]-grün) gegenüber, so dass nicht geltend gemacht werden kann, die vorliegende Beurteilung widerspreche einer gefestigten Spruchpraxis.

Meta

25 W (pat) 58/21

14.12.2022

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.12.2022, Az. 25 W (pat) 58/21 (REWIS RS 2022, 9323)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9323

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