Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2012, Az. NotSt (Brfg) 5/11

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2012, 4379

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Gegenstand

Disziplinarverfahren gegen Notar: Abänderung einer angefochtenen Disziplinarverfügung zu Gunsten des Klägers


Leitsatz

Das Gericht kann aufgrund eigenen Ermessens nach § 60 Abs. 3 BDG eine angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten des Klägers abändern und innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze an Stelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats für Notarsachen des [X.] vom 6. September 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Ein Zulassungsgrund (§ 96 Abs. 1 Satz 1, § 105 [X.], § 64 Abs. 2 [X.] i.V.m. §§ 124, 124a VwGO) ist nicht gegeben. Insbesondere bestehen nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch ist ein Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) gegeben, weil der Ermessensentscheidung des [X.] gemäß § 60 Abs. 3 [X.] eine unvollständige Aufklärung des Sachverhalts zugrunde liegen würde. Insoweit hat das [X.] nicht gehörswidrig Vorbringen des Beklagten übergangen.

2

Sowohl in der Disziplinarverfügung vom 15. September 2010 als auch im Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2010 ist der Sachverhalt - als Ergebnis der abgeschlossenen Ermittlungen - festgestellt, wie ihn das [X.] seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat. Konkrete Tatsachen, die belegen würden, dass die Aktiengesellschaft oder der von ihr beauftragte Rechtsanwalt kurzfristig einen anderen, in [X.] ansässigen Notar für die Protokollierung der Hauptversammlung hätte finden können und dass die Aktiengesellschaft im Falle einer Verschiebung der Hauptversammlung nicht in ernste finanzielle Schwierigkeiten geraten wäre, werden im Zulassungsantrag nicht aufgezeigt. Das [X.] hat eine Gefahr im Verzug bei Unterlassen der Beurkundung verneint und den Vorwurf eines Dienstvergehens und den Verweis gegenüber dem Kläger aufrechterhalten. Auf die Verhängung einer Geldbuße durfte es gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 60 Abs. 3 [X.] verzichten.

3

Nach § 60 Abs. 3 [X.] hat das Gericht bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung zu überprüfen. Es ist nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die dem Kläger zum Vorwurf gemachte Verhaltensweise (Lebenssachverhalt) tatsächlich gegeben und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat - [X.] - unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (vgl. § 3 [X.] i.V.m. § 88 VwGO) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung (§ 4 [X.]) auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft in Anwendung der in § 13 Abs. 1 [X.] niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze vielmehr eine eigene "Ermessensentscheidung" (vgl. BT-Drucks. 14/4659 S. 49 zu § 60 [X.]). Es kann die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten des Klägers abändern und an Stelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen (vgl. dazu Gansen, [X.], Stand 2005, § 60 Rn. 18; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., 2003, § 60 Rn. 21; [X.]/[X.], [X.] (2011), § 60 Rn. 21; [X.], NVwZ-RR 2006, 485, Rn. 23). Von dieser Möglichkeit hat das [X.] in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

4

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.], §§ 3, 77 Abs. 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO. Die [X.] erfolgt gemäß § 111g Abs. 1 [X.] i.V.m. § 52 Abs. 2 und 3 GKG.

Galke                                             [X.]                                                        von Pentz

                          Doyé                                                        Müller-Eising

Meta

NotSt (Brfg) 5/11

23.07.2012

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Frankfurt, 6. September 2011, Az: 1 Not 2/11

§ 60 Abs 3 BDG, § 96 Abs 1 S 1 BNotO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2012, Az. NotSt (Brfg) 5/11 (REWIS RS 2012, 4379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4379

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