Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2004, Az. XII ZB 12/03

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2470

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[X.][X.]/03
vom 7. Juli 2004 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 B, [X.], 234 Abs. 3 [X.], 517 2. Halbs. (= § 516 2. Halbs. [X.]) a) Auch wenn einer Prozeßpartei eine vom verkündeten [X.] abweichende [X.] zugestellt worden ist, läuft die fünfmonatige Berufungsfrist des § 517 2. Halbs. ZPO (= § 516 2. Halbs. [X.]). b) Eine Prozeßpartei hat die Berufungsfrist schuldlos versäumt, wenn ihr eine fehler-hafte, für sie günstigere [X.] zugestellt worden ist und sie gegen das erst später bekannt gewordene, für sie ungünstigere [X.] vorgehen will. Dann steht auch die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO einer Wiedereinset-zung in den vorigen Stand nicht entgegen. [X.], Beschluß vom 7. Juli 2004 - [X.] 12/03 - [X.] /Höchst - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 7. Juli 2004 durch die Vorsitzende [X.]in [X.] und die [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des An[X.]s wird der Beschluß des 3. Senats für Familiensachen des [X.] vom 17. Dezember 2002 aufgehoben. Das Verfahren wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe: [X.] Die [X.]en streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt. Mit [X.] vom 31. Oktober 1996 wurde die Ehe der [X.]en geschieden und der An[X.] verurteilt, an die Antragsgegnerin nachehelichen Ehegattenun-terhalt in Höhe von monatlich insgesamt 5.977 DM (4.500 DM Elementarunter-halt und 1.477 [X.]) zu zahlen. Im Tenor der den [X.] zugestellten [X.]en war der vom An[X.] geschuldete nacheheliche Ehegattenunterhalt allerdings fehlerhaft mit insgesamt monatlich 4.700 DM (3.700 [X.] und 1.000 [X.]) angegeben. Seine gegen die Verpflichtung zum nachehelichen [X.] - unterhalt eingelegte Berufung nahm der An[X.] - in Unkenntnis der tat-sächlich höheren Verurteilung - zurück. Mit Urteil des [X.] vom 20. September 2001 (402 [X.]) wurde das Verbundurteil dahingehend abgeändert, daß der An[X.] der Antragsgegnerin ab dem 1. Juni 1999 lediglich noch nachehe-lichen Ehegattenunterhalt in Höhe von insgesamt monatlich 3.834 DM (3.018,25 [X.] und 815,75 [X.]) zu zahlen hat. Die Berufung gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin zurück-genommen. Zuvor wurden die [X.]en im Verhandlungstermin vom 19. Juni 2002 vor dem [X.] darauf hingewiesen, daß der Tenor des [X.] zum nachehelichen Ehegattenunterhalt von dem Te-nor der im Abänderungsverfahren eingereichten [X.] abweicht. Darauf hat der An[X.] am 3. Juli 2002 Berufung gegen das Verbundurteil eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die [X.] der Berufungsfrist beantragt. Nach Zustellung der Berufungsbegrün-dung hat sich die Antragsgegnerin der Berufung angeschlossen und begehrt einen höheren nachehelichen Ehegattenunterhalt. Das Berufungsgericht hat dem An[X.] die begehrte Wiedereinset-zung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des An[X.]s.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und begründet. - 4 - 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des [X.] sowohl in Fällen einer Divergenz als auch dann geboten, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nach-haltig berühren. Das ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdege-richt Verfahrensgrundsätze verletzt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten es die [X.] auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör, den Zugang zu den Gerichten und den in den [X.] eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Demgemäß dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlaßt haben muß, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannt werden ([X.] 151, 221, 226 f.). Gegen diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht verstoßen. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. a) Entgegen der Rechtsbeschwerde erweist sich der angefochtene Be-schluß des [X.]s allerdings nicht schon deshalb als fehlerhaft, weil er dem An[X.] nicht wirksam am 8. Januar 2003 zugestellt worden sei. Dabei kommt es nicht auf die Rechtsfrage an, ob ein verkündeter Beschluß zu seiner Wirksamkeit die Unterschriften aller beteiligten [X.] enthalten muß - 5 - (vgl. insoweit [X.] Beschluß vom 10. Mai 1994 - [X.] - NJW-RR 1994, 1406). Denn der angefochtene Beschluß ist ausweislich eines Vermerks des Vorsitzenden [X.]s vom 23. Januar 2003 am 17. Dezember 2002 durch den Senat als Kollegialgericht gefaßt und entsprechend von allen [X.]n [X.] worden. Die Zustellung eines allein vom Berichterstatter unterschrie-benen Beschlusses —vom 20. Dezember 2002fi ist lediglich auf ein Kanzleiver-sehen zurückzuführen, das mit der (erneuten) Zustellung des [X.] vom 17. Dezember 2002 geheilt worden ist. b) Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß der An[X.] die Berufungsfrist des § 516 2. Alt. ZPO a.F. versäumt hat, weil das angefochtene Verbundurteil am 31. Oktober 1996 verkündet und die Beru-fung nicht innerhalb von fünf Monaten eingegangen ist. Nach § 165 Satz 1 ZPO kann die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Proto[X.] bewiesen werden. Zu diesen Förmlich-keiten gehört gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO auch die Verkündung des Urteils. Diese erfolgt nach § 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch die Verlesung der Urteilsfor-mel, die - bei der Verkündung in einem besonderen Verkündungstermin in Ab-wesenheit der [X.]en - gemäß § 311 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch eine [X.] auf die Urteilsformel ersetzt werden kann. Diesen Anforderungen genügt das Verkündungsproto[X.] vom 31. Oktober 1996. Danach wurde in [X.] persönlich erschienenen Antragsgegnerin das aus der Anlage ersichtli-che Urteil durch "Verlesen des entscheidenden Teils" verkündet. Damit ist dem Erfordernis des § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO genügt, auch wenn die Formulierung des [X.] zu Zweifeln veranlassen könnte, ob der gesamte [X.] verlesen worden ist ([X.] 10, 327, 329; [X.] Urteil vom 16. Oktober 1984 - [X.] - NJW 1985, 1782). Somit ist gemäß § 165 Satz 1 ZPO die Verkündung des in Bezug genommenen Verbundurteils vom 31. Oktober 1996 bewiesen. Da der Bezug zwischen dem [X.] - [X.] und dem verkündeten Urteil eindeutig ist, muss das Verkündungsproto[X.] nicht fest mit dem verkündeten Urteil verbunden sein. Aus dem Verkündungs-proto[X.] vom 31. Oktober 1996 geht hervor, daß an diesem Tag und in dieser Sache das anliegende Urteil, also das Urteil vom 31. Oktober 1996, verkündet worden ist. Entsprechend ist das in den Akten befindliche Verbundurteil aus-weislich der darauf angebrachten Vermerke der Geschäftsstelle am 31. Oktober 1996 zur Geschäftsstelle gelangt und auch an diesem Tag verkündet worden. Damit ist eine zweifelsfreie Zuordnung zwischen Verkündungsproto[X.] und ver-kündetem Urteil möglich, ohne daß es auf eine körperliche Verbindung dieser Schriftstücke ankäme. c) Trotz der späteren Zustellung einer von der Originalfassung [X.] [X.] hatte die fünfmonatige Ausschlußfrist des § 516 2. Alt. ZPO a.F. schon mit der Verkündung des angefochtenen Urteils begon-nen. Die Vorschrift des § 516 2. Alt. ZPO a.F. beruht im wesentlichen auf Grün-den der Rechtssicherheit. Nach Ablauf dieser Frist soll sich auch der [X.] auf die Rechtskraft des Urteils verlassen dürfen. Dabei liegt der Vor-schrift der Gedanke zugrunde, daß eine [X.], die vor Gericht streitig verhan-delt hat, mit dem Erlaß einer Entscheidung rechnen muß und daß es ihr [X.] zugemutet werden kann, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine Entscheidung ergangen ist. Nur wenn dieser Grundgedanke im Ein-zelfall nicht zutrifft, beginnt ausnahmsweise die Fünfmonatsfrist nicht zu laufen, was etwa dann der Fall ist, wenn die [X.] im Verhandlungstermin nicht vertreten und zu diesem Termin auch nicht ordnungsgemäß geladen war ([X.] Beschluß vom 29. September 1998 - KZB 11/98 - NJW 1999, 143, 144 m.w.N.). Die Zustellung einer fehlerhaften Ausfertigung hat demnach keine Auswirkung auf den Beginn der Frist des § 516 2. Alt. ZPO a.F., sondern ist im Rahmen der Verschuldensprüfung bei einer beantragten Wiedereinsetzung zu berücksichtigen. - 7 - Wegen der abgelaufenen Fünfmonatsfrist kommt es letztlich nicht darauf an, ob die Zustellung der fehlerhaften [X.] die Berufungsfrist schon nach § 516 1. Alt. ZPO a.F. in Gang gesetzt hatte (vgl. insoweit [X.] vom 30. September 1981 - [X.] - [X.], 70). d) Das Berufungsgericht hat dem An[X.] aber zu Unrecht die bean-tragte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung ver-sagt. Allerdings geht es auch insoweit zu Recht davon aus, daß sich die [X.] ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurech-nen lassen muß und es diesem grundsätzlich obliegt, ein zugestelltes Urteil in-nerhalb der Berufungsfrist inhaltlich zu überprüfen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der An[X.] nach Überprüfung der ihm zuge-stellten [X.] allerdings nicht gehalten, eine Diskrepanz zwischen [X.] und Entscheidungsgründen durch Einsicht in das bei den Akten befindliche [X.] aufzuklären. Dabei kann dahin stehen, ob den Prozessbevollmächtigten auch dann eine solche Prüfungspflicht trifft, wenn der zugestellte [X.] im Gegen-satz zu den Entscheidungsgründen für seinen Mandanten günstiger ist und sich ein Rechtsmittel sogar zu dessen Lasten auswirken würde. Denn aus der Er-kenntnis, daß der Tenor und die Gründe der zugestellten [X.] nicht eindeutig aufeinander abgestimmt waren, musste er hier nicht den Schluß auf eine von dem in den Akten befindlichen [X.] abweichende, fehler-hafte [X.] ziehen. Positive Kenntnis von dem abweichenden Ori-ginalurteil hat der An[X.] erst im Rahmen des Abänderungsverfahrens in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2002 erhalten. Der An[X.] hat deswegen die Berufungsfrist in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der tatsäch-- 8 - lich höheren Verurteilung und somit schuldlos versäumt. Mit dem am 3. Juli 2002 eingegangen Wiedereinsetzungsantrag hat er auch die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt. Eine Wiedereinsetzung ist auch nicht wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen, obwohl diese Vorschrift nach ihrer Entste-hungsgeschichte absoluten [X.]harakter hat. Sie verfolgt den Zweck, eine unan-gemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten. Demgemäß hat die Rechtsprechung Ausnahmen davon in Fällen abgelehnt, in denen ein die Prozeßkostenhilfe verweigernder Beschluß vor Ablauf der Frist eingegangen ist, der [X.] von ihrem Anwalt [X.] erst nach Ablauf dieser Frist bekannt gegeben werden konnte ([X.] Be-schluß vom 19. Februar 1976 - [X.] - [X.], 728) oder in denen die Ursache für die Verspätung und die weitere Behandlung durch das Gericht entscheidend in der Sphäre der [X.] lag, welche die Frist versäumt hatte ([X.] Beschluß vom 18. Mai 1971 - [X.] - RzW 1971, 564; Urteil vom 20. Januar 1983 - [X.] - [X.], 376, 377). Hingegen ist die An-wendung der Vorschrift dann ausgeschlossen worden, wenn bei Ablauf der Ausschlußfrist über ein innerhalb der Rechtsmittelfrist gestelltes Gesuch um Gewährung von Prozeßkostenhilfe noch nicht entschieden war ([X.] Beschluß vom 12. Juni 1973 - [X.]/73 - [X.], 851) oder das Gericht sonst aus allein in seiner Sphäre liegenden Gründen nicht innerhalb eines Jahres von dem Ende der versäumten Frist an darüber entschieden hat, ob eine Revision form- und fristgerecht eingelegt worden ist und beide [X.]en aufgrund gericht-licher Verfügung der Auffassung sein konnten, der Rechtsstreit werde [X.] materiell-rechtlich entschieden ([X.] NJW 1982, 1664). Entsprechendes muß auch hier gelten, weil es allein der Sphäre des Gerichts zuzurechnen ist, daß der An[X.] erst Jahre später von einer höheren Verurteilung erfahren hat, als es aus der ihm zugestellten [X.] hervorgeht. Der [X.] - [X.] war deswegen ohne eigenes Verschulden gehindert, einen sicheren Weg zu gehen und Wiedereinsetzung innerhalb der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO zu beantragen. 3. Weil das Berufungsgericht dem An[X.] zu Unrecht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt hat, wird es erneut auch über die Zulässigkeit der Berufung zu befinden haben. Hahne [X.] [X.]

Wagenitz [X.]

Meta

XII ZB 12/03

07.07.2004

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2004, Az. XII ZB 12/03 (REWIS RS 2004, 2470)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2470

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