Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.11.2011, Az. 7 ABR 28/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 1363

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Gegenstand

Berechtigung des Gesamtbetriebsrats zur Durchführung einer Informationsveranstaltung in betriebsratslosen Betrieben zum Zwecke der Bestellung eines Wahlvorstands


Leitsatz

Der Gesamtbetriebsrat ist nicht berechtigt, in betriebsratslosen Betrieben zum Zwecke der Bestellung eines Wahlvorstands für die Durchführung einer Betriebsratswahl Informationsveranstaltungen durchzuführen, die den Charakter von Belegschaftsversammlungen haben.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluss des [X.] vom 4. Februar 2010 - 9 [X.]/09 - teilweise aufgehoben.

Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 13. August 2009 - 3 [X.] - wird insgesamt zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des [X.], in Betrieben ohne Betriebsrat zur Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstands für die [X.] Informationsveranstaltungen durchzuführen.

2

Der Arbeitgeber betreibt bundesweit über 200 Nierenzentren, in denen insgesamt mehr als 6.500 Mitarbeiter beschäftigt sind. 169 dieser Zentren sind nach den Feststellungen des [X.]s „betriebsratsfähig“. In 80 Einrichtungen sind Betriebsräte gewählt. Der im Unternehmen errichtete Gesamtbetriebsrat lud in den vergangenen Jahren die Belegschaft in diversen Einrichtungen ohne Betriebsrat zu „Informationsveranstaltungen“ ein. Die hierzu ausgehängten Einladungen lauteten im Wesentlichen wie folgt:

        

„An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des [X.]s [...] hiermit laden wir Euch [...] zur Informationsveranstaltung des [X.] ins [X.] ... ein.

        

Themen dieser Informationsveranstaltung werden sein:

        

-       

allgemeine Informationen zu den Aufgaben eines Betriebsrates

        

-       

Informationen zur Tätigkeit des [X.] im K

        

-       

eventuell Bestellung eines Wahlvorstandes zur [X.]

        

Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen an der Veranstaltung teilnehmen. Die Teilnahme an der Veranstaltung (inklusive eventueller An- und Rückfahrtzeiten) wird als Arbeitszeit gewertet und dementsprechend vergütet.

        

…“    

3

Bis zum [X.] wurde auf solchen Veranstaltungen der Wahlvorstand vor Ort durch zwei Mitglieder des [X.] bestellt, später durch Beschluss des [X.] oder seines geschäftsführenden Ausschusses.

4

Nachdem der Arbeitgeber die Befugnis des [X.] zur Durchführung der Veranstaltungen in Abrede gestellt hat, hat dieser mit dem beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren geltend gemacht, seine entsprechende Berechtigung folge aus der Zuständigkeit für die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] sowie aus der allgemeinen Aufgabe zur Überwachung der Durchführung des [X.]es in den [X.] Betrieben.

5

Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass er berechtigt ist, in Betrieben des Arbeitgebers, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 [X.] erfüllen und in denen kein Betriebsrat besteht, Informationsveranstaltungen zur Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstands für eine [X.] gemäß § 17 Abs. 1 [X.] durchzuführen;

        

2.    

den Arbeitgeber zu verpflichten, es ihm zu gestatten, insbesondere durch den Aushang von Einladungsschreiben an geeigneter Stelle, die Belegschaft des jeweiligen Betriebs zu Informationsveranstaltungen im Sinne des Antrags zu 1. einzuladen;

        

3.    

den Arbeitgeber zu verpflichten, ihm zur Durchführung der jeweiligen Informationsveranstaltung entsprechend des Antrags zu 1. einen Raum im Betrieb vor Ort zur Verfügung zu stellen;

        

4.    

den Arbeitgeber zu verpflichten, mindestens drei Mitgliedern des [X.], insbesondere dessen Vorsitzenden und stellvertretende Vorsitzenden sowie Mitgliedern dessen geschäftsführenden Ausschusses, den Zutritt zu Betrieben, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 [X.] erfüllen und in denen kein Betriebsrat besteht, zum Zwecke der Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstands für eine [X.], insbesondere anlässlich einer Informationsveranstaltung, zu gestatten.

6

Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat gemeint, aus der Kompetenz des [X.] zur Bestellung eines Wahlvorstands nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] folge keine Berechtigung zur Einladung und Durchführung der verfahrensgegenständlichen Veranstaltungen. Der Sache nach halte der Gesamtbetriebsrat Betriebsversammlungen ab, für deren Einberufung er nicht zuständig sei.

7

Das Arbeitsgericht hat die - ursprünglich noch ein weiteres Feststellungsbegehren sowie die Androhung von Zwangsmitteln umfassenden - Anträge abgewiesen. Auf die Beschwerde des [X.] hat das [X.] den in der Rechtsbeschwerde anhängigen Anträgen entsprochen und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Arbeitgeber die vollständige Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Gesamtbetriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

8

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist begründet. Zu Unrecht hat das [X.] den in der [X.] noch anhängigen Anträgen entsprochen. Dem Gesamtbetriebsrat steht kein Recht zu, zur Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstands für [X.]en in [X.] Betrieben Informationsveranstaltungen durchzuführen, die den Charakter von [X.] haben. Die für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag gestellten Verpflichtungsanträge fallen nicht zur Entscheidung an.

9

I. An dem Verfahren ist gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG neben dem antragstellenden Gesamtbetriebsrat nur der Arbeitgeber beteiligt. Die im Unternehmen bestehenden weiteren Betriebsräte sind keine Beteiligten. Die Entscheidung über die Anträge des [X.] berührt deren [X.]e Rechtsstellung nicht unmittelbar. Der Gesamtbetriebsrat macht keine Befugnisse geltend, deren Wahrnehmung von den (Zuständigkeits-)Kompetenzen der bestehenden Betriebsräte abzugrenzen wäre.

II. Das zulässige Feststellungsbegehren ist unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Er ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

aa) Nach der auch für das Beschlussverfahren geltenden Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO haben die Betriebsparteien diejenige Maßnahme oder denjenigen betrieblichen Vorgang, für die oder den eine Berechtigung - sei es als Mitbestimmungsrecht, sei es als Kompetenzregelung - in Anspruch genommen oder geleugnet wird, so genau zu bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag zweifelsfrei feststeht, für welche Maßnahme oder welchen Vorgang das Recht bejaht oder verneint worden ist. Nur so können der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis nach § 308 ZPO sowie Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft nach § 322 ZPO festgestellt werden (zur Reichweite eines Informationsrechts des Betriebsrats vgl. [X.] 9. März 2011 - 7 [X.] - Rn. 20 mwN, [X.] 2001 § 99 Einstellung Nr. 17; zur Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei Maßnahmen des Arbeitgebers oder betrieblichen Vorgängen vgl. [X.] 15. Januar 2002 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe mwN, [X.]E 100, 173).

[X.]) Diesem Erfordernis wird der Antrag nach der gebotenen Auslegung gerecht.

(1) Das Begehren des [X.] ist auf die Feststellung seiner Berechtigung gerichtet, zur Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstands für eine [X.] „Informationsveranstaltungen“ durchzuführen. Wie Antragswortlaut und Antragsbegründung verdeutlichen, geht es um Veranstaltungen, die „vor Ort“ in einer [X.], aber [X.] Einrichtung des Arbeitgebers stattfinden sollen. Um welche Einrichtungen es sich handelt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Veranstaltung soll sich - nach dem beschriebenen Lebenssachverhalt - an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem jeweiligen [X.] richten. Der Personenkreis der Veranstaltungsteilnehmer ist damit hinreichend klar umrissen.

(2) Der im Antrag verwandte Begriff „Informationsveranstaltung zur Vorbereitung der Bestellung eines Wahlvorstandes für eine [X.] gemäß § 17 Abs. 1 [X.]“ verdeutlicht den thematischen Inhalt der durchzuführenden Veranstaltung nur unzulänglich. Aufgrund der Antragsbegründung und des festgestellten Sachverhalts ist aber klar, dass es um die Durchführung solcher Veranstaltungen geht, zu denen der Gesamtbetriebsrat in der Vergangenheit in den [X.] Einrichtungen die Belegschaft unter Angabe bestimmter Themen geladen hat. Diese Veranstaltungen bezeichnet der Gesamtbetriebsrat als Informationsveranstaltungen und (nur) auf solche erstreckt er sein Feststellungsbegehren. Unklarheiten über den Umfang der objektiven Rechtskraft einer dem Antrag stattgebenden oder ihn abweisenden gerichtlichen Sachentscheidung sind daher nicht zu besorgen.

b) Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Streit darüber, ob dem Gesamtbetriebsrat ein Recht zur Durchführung der vom Antrag umfassten Veranstaltungen zukommt, betrifft ein [X.]es Rechtsverhältnis der Betriebsparteien im Sinne einer durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandenen rechtlichen Beziehung einer Person zu einer anderen Person (für einen Streit über ein Mitbestimmungsrecht vgl. [X.] 4. Mai 2011 - 7 [X.] - Rn. 19 mwN, [X.], 1373). Der Gesamtbetriebsrat hat an der begehrten alsbaldigen Feststellung ein berechtigtes Interesse, da der Arbeitgeber eine entsprechende Berechtigung bestreitet.

2. Der Antrag ist unbegründet. Der Gesamtbetriebsrat ist nicht berechtigt, die bezeichneten Veranstaltungen durchzuführen.

a) Eine entsprechende Berechtigung folgt weder aus §§ 42 ff. [X.] noch aus § 17 Abs. 2 [X.]. Anderes behauptet der Gesamtbetriebsrat letztlich auch nicht.

aa) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht die Betriebsversammlung aus den Arbeitnehmern des Betriebs; sie wird vom Vorsitzenden des Betriebsrats geleitet. Die Themen der Betriebsversammlung sind in § 45 Satz 1 [X.] beschrieben. Bei den „Informationsveranstaltungen“ geht es nicht um solche Angelegenheiten. Ungeachtet dessen bestünde keine Berechtigung des [X.] zur Durchführung informativer [X.], selbst wenn diese als „Betriebsversammlungen“ iSv. §§ 42 ff. [X.] zu qualifizieren wären. Die Betriebsversammlung ist das Forum der Aussprache zwischen Betriebsrat und Belegschaft und der Unterrichtung der Arbeitnehmer über sie und den Betrieb unmittelbar betreffende Angelegenheiten iSv. § 45 [X.]. Zur Einberufung ist „der Betriebsrat“ berechtigt (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.]). In Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, können keine Betriebsversammlungen iSv. §§ 42 ff. [X.] stattfinden.

[X.]) Bei den verfahrensgegenständlichen Veranstaltungen handelt es sich auch nicht um „[X.]en iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 [X.]. Nach dieser Vorschrift wird - in näher beschriebenen Konstellationen - in Betrieben ohne Betriebsrat der Wahlvorstand für eine [X.] in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt. Solch einen Zuschnitt haben die Informationsveranstaltungen nicht. Es geht auf den Veranstaltungen nicht um die Wahl eines Wahlvorstands durch die Arbeitnehmer, sondern um die Vorbereitung der Wahlvorstandsbestellung durch den Gesamtbetriebsrat. Im Übrigen käme dem Gesamtbetriebsrat keine Kompetenz zur Einberufung einer „[X.] iSd. § 17 Abs. 2 [X.] zu. Nach § 17 Abs. 3 [X.] können zu dieser Versammlung (nur) drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs oder eine im Betrieb vertretene [X.] einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands machen.

b) Entgegen seiner Ansicht berechtigen § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 iVm. § 51 Abs. 5 [X.] den Gesamtbetriebsrat nicht zur Durchführung der in Frage stehenden Informationsveranstaltungen. § 51 Abs. 5 [X.] regelt, wie sich aus der Gesetzessystematik ergibt, die Geschäftsführung des [X.] und begründet nicht selbständig besondere Rechte. Vielmehr wird der Gesamtbetriebsrat nur Träger der dem Betriebsrat zustehenden Rechte und Pflichten, wenn er nach § 50 [X.] oder nach anderen Vorschriften für die Behandlung der Angelegenheit zuständig ist. Träger des Überwachungsrechts nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist der Betriebsrat. Eine Zuständigkeit des [X.] nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 [X.] kommt insoweit grundsätzlich nicht in Betracht. Seine Zuständigkeit folgt auch nicht etwa aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.]. Die durch diese Bestimmung begründete Zuständigkeit des [X.] für betriebsratslose Betriebe setzt seine originäre Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 [X.] voraus. Im Übrigen folgt auch aus der Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.] kein Recht zur Durchführung gesonderter Informationsveranstaltungen. Gleiches gilt für § 80 Abs. 2 [X.]. Diese Bestimmung begründet Informationspflichten des Arbeitgebers.

c) Entgegen der Auffassung des [X.]s folgt die Berechtigung des [X.] zur Durchführung der Veranstaltungen nicht aus der ihm [X.] zugewiesenen Aufgabe, in [X.] und [X.] Betrieben einen Wahlvorstand zu bestellen.

aa) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings von einer Zuständigkeit des [X.] zur Bestellung des Wahlvorstands aus. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestellt in einem [X.] Betrieb ohne Betriebsrat der Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Konzernbetriebsrat einen Wahlvorstand für die Einleitung der [X.]. Hiernach ist eine Primärzuständigkeit von Gesamtbetriebsrat und (ersatzweise) Konzernbetriebsrat zur Wahlvorstandsbestellung begründet. Nur dann, wenn weder Gesamtbetriebsrat noch Konzernbetriebsrat bestehen oder wenn diese Gremien die Bestellung des Wahlvorstands unterlassen, wird nach § 17 Abs. 2 [X.] der Wahlvorstand in einer Betriebsversammlung gewählt. Findet eine solche nicht statt oder wählt sie keinen Wahlvorstand, bestellt ihn gemäß § 17 Abs. 4 [X.] das Arbeitsgericht.

[X.]) Die Zuständigkeit des [X.] für die Wahlvorstandsbestellung umfasst nicht die streitbefangene Durchführung von Informationsveranstaltungen.

(1) Aus der Kompetenznorm des § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] ergibt sich nicht unmittelbar ein Recht zur Durchführung von Informationsveranstaltungen, die die Vorbereitung einer Wahlvorstandsbestellung bezwecken. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] gelten für die Bestellung des Wahlvorstands die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 [X.] entsprechend. § 16 Abs. 1 [X.] regelt - für den Gesamtbetriebsrat relevant - die Größe und die Zusammensetzung des Wahlvorstands; Vorschriften über [X.] informativen Charakters finden sich nicht.

(2) Im Übrigen ist das Verfahren zur Bestellung des Wahlvorstands nicht gesondert festgelegt. Das für die Bestellung zuständige Gremium hat diese Kompetenz in eigener Verantwortung auszufüllen. Dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen für die Wahrnehmung der [X.] zugewiesenen Aufgabe.

(a) Hinsichtlich der die Bestellung des Wahlvorstands vorbereitenden Maßnahmen kommt dem bestellenden Gremium ein Beurteilungsspielraum zu. So hat der Gesamtbetriebsrat - wie auch die anderen zuständigen Gremien - etwa ein berechtigtes Interesse, vor der Bestellung zu erfahren, welcher Arbeitnehmer zur Übernahme des Amts im Wahlvorstand geeignet und bereit ist. Wie die hierfür erforderlichen Informationen eingeholt und ausgetauscht werden, obliegt grundsätzlich seiner Einschätzung. Er muss hierbei aber die im [X.] vorgegebene und zum Ausdruck kommende Konzeption beachten. Außerdem hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des [X.]amts und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen (für ein Sachmittelverlangen vgl. [X.] 17. Februar 2010 - 7 [X.] - Rn. 12 mwN, [X.] [X.] 1972 § 40 Nr. 100). Er überschreitet seinen Beurteilungsspielraum, wenn er einen kostenintensiven Weg wählt, der nach der gesetzlichen Konzeption nicht vorgesehen ist.

(b) Vorliegend hat der Gesamtbetriebsrat seinen Beurteilungsspielraum überschritten. Er beansprucht die Durchführung von Veranstaltungen, die sich an alle Arbeitnehmer des Betriebs richten und diese versammeln. Damit begehrt er für den die Bestellung eines Wahlvorstands vorbereitenden Informationsaustausch eine Plattform, die gleichsam einer Betriebsversammlung entspricht. Das steht mit der gesetzlichen Konzeption nicht in Einklang. Eine „[X.]“ ist im Zusammenhang mit der Einleitung einer [X.] bei einem Tätigwerden des [X.] gerade nicht vorgesehen. Das belegt die Entstehungsgeschichte des § 17 Abs. 1 [X.]. Die Primärzuständigkeit des [X.] (ersatzweise: des Konzernbetriebsrats) zur Bestellung des Wahlvorstands nach § 17 Abs. 1 [X.] ist mit Art. 1 Nr. 15 Buchst. b des Gesetzes zur Reform des [X.]es vom 23. Juli 2001 (BetrVerf-Reformgesetz, BGBl. I S. 1852) eingeführt worden. Nach § 17 Abs. 1 [X.] in der bis zum 27. Juli 2001 geltenden Fassung (aF) war in Betrieben ohne Betriebsrat der Wahlvorstand „in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer“ zu wählen. Nur wenn eine solche Betriebsversammlung nicht stattfand oder sie keinen Wahlvorstand wählte, bestellte ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen [X.] (vgl. § 17 Abs. 3 [X.] aF). Mit der Übertragung der Aufgabe einer Wahlvorstandsbestellung vorrangig auf den Gesamt- (bzw. [X.] sollten „die Bestellung von [X.] erleichtert“ sowie „das Wahlverfahren vereinfacht und die Kosten einer [X.] verringert“ werden (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des BetrVerf-Reformgesetzes vom 2. April 2001 BT-Drucks. 14/5741 S. 38; hierzu auch [X.]/[X.]/Löhr-Steinhaus [X.] 2001, 532, 535). Insbesondere der erklärte Gesetzeszweck der Kostenverringerung würde konterkariert, wenn die Zuständigkeit des [X.] zur Wahlvorstandsbestellung zur Durchführung von die Belegschaft versammelnden Veranstaltungen berechtigte. Die Kosten hierfür hätte der Arbeitgeber zwar nicht nach § 44 Abs. 1 iVm. § 17 [X.] zu tragen, weil die informativen Veranstaltungen keine Betriebsversammlungen nach § 17 Abs. 2 [X.] sind. Seine Kostentragungspflicht folgte aber aus § 20 Abs. 3 Satz 1 [X.]; es würde sich um „Kosten der Wahl“ im Sinne dieser Vorschrift handeln.

(3) Eine Berechtigung des [X.] zur Durchführung der Veranstaltungen kann auch nicht kraft Sachzusammenhangs oder [X.] angenommen werden.

(a) Die - im [X.] entwickelten (vgl. bereits [X.] 16. Juni 1954 - 1 [X.] - [X.]E 3, 407) Rechtsbegriffe „Annexkompetenz“ und „Befugnis kraft Sachzusammenhangs“ drücken die Erweiterung einer ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz durch die Einbeziehung von Regelungs- und Durchführungsbefugnissen aus. Dabei müssen die „Anhang-Regelung“ oder die „[X.]“ funktional mit dem ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzbereich zusammenhängen. Es muss ein enger, „unlösbarer“ Zusammenhang der Sachbereiche bestehen. Dieser kann zB angenommen werden, wenn eine „[X.]“ unerlässliche Voraussetzung für die sachgerechte Erledigung der gesetzlich zugewiesenen Aufgabe ist (für eine Verwaltungs-Annexkompetenz des Bundes vgl. [X.] 25. Februar 1999 - III ZR 155/97 - zu [X.] der Gründe, [X.]Z 141, 48). Im Zusammenhang mit den Mitbestimmungstatbeständen des § 87 Abs. 1 [X.] kommt eine Annexkompetenz des Betriebsrats nach der Rechtsprechung des [X.] in Betracht, wenn die zu regelnde mitbestimmte Angelegenheit ohne die ergänzende Regelung nicht sinnvoll ausgestaltet werden kann (vgl. [X.] 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 17 mwN, [X.]E 121, 147; 6. Dezember 1983 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe [„die eine Regelung kann nicht ohne die andere getroffen werden“], [X.]E 44, 285; 8. März 1977 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 29, 40; vgl. auch 2. April 1996 - 1 [X.] - zu [X.] 4 a der Gründe, [X.]E 82, 349).

(b) Hiernach käme eine mit der Aufgabe des [X.] zur Bestellung eines Wahlvorstands nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] korrespondierende „Annex-Kompetenz“ zur Durchführung von Informationsveranstaltungen, die den Charakter von [X.] haben, nur in Betracht, wenn derartige Veranstaltungen für die Erfüllung der Aufgabe der Wahlvorstandsbestellung unerlässlich wären. Das ist entgegen der Auffassung des [X.]s nicht der Fall.

(aa) Das [X.] hat ausgeführt, der Gesamtbetriebsrat könne seine Aufgabe, einen Wahlvorstand zu bestellen, nur ordnungsgemäß durchführen, wenn sich hierfür motivierte und geeignete Betriebsangehörige zur Verfügung stellten. Diese Arbeitnehmer müssten ein gewisses Verständnis für die Anwendung der Vorschriften der Wahlordnung mitbringen und auch bereit sein, sich ggf. entsprechend schulen zu lassen. Immerhin handele es sich um betriebsratslose Betriebe und es könne nicht auf im Betrieb vorhandene Kenntnisse und Erfahrungen zurückgegriffen werden. Das Gelingen einer [X.] stehe in Frage, wenn dem Betrieb ein Wahlvorstand vom Gesamtbetriebsrat als einer den Arbeitnehmern bis dahin eher unbekannten Institution übergestülpt werde. Der Gesamtbetriebsrat müsse daher die Gelegenheit haben, sich mit zwei oder drei seiner Mitglieder vorzustellen, den Betriebsangehörigen die Gründe seines Vorgehens zu erläutern und für die Mitgliedschaft im Wahlvorstand zu werben.

([X.]) Hierbei verkennt das [X.], dass eine solche werbende und informierende Tätigkeit des [X.] nicht notwendig im Wege von Informationsveranstaltungen erfolgen muss. Zwar ist dem Gesamtbetriebsrat - mit dem [X.] ausgedrückt - nicht anzusinnen, von [X.] zu [X.] zu gehen und jeden Mitarbeiter zu befragen oder die Mitglieder des Wahlvorstands nach einer alphabetischen Liste per Ferndiagnose oder einer Zufallsauswahl zu bestimmen. Er kann sich aber anderer Wege der Informationsbeschaffung bedienen und insbesondere die im Unternehmen vorhandene Kommunikationstechnik nutzen (zum Anspruch des [X.] auf Freischaltung von Telefonen vgl. [X.] 9. Dezember 2009 - 7 [X.] - [X.]E 132, 357). Die Informationsveranstaltung mag die Akzeptanz in der Belegschaft für eine Bestellung des Wahlvorstands erhöhen und dem Gelingen der [X.] dienlich sein; sie ist für die Installation des Wahlvorstands aber nicht unerlässlich.

III. Wie der Gesamtbetriebsrat in der Anhörung vor dem Senat bestätigt hat, sind die Verpflichtungsanträge zu 2. bis 4. nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Als unechte Hilfsanträge fallen sie daher nicht zur Entscheidung an.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    [X.]    

        

        

        

    Coulin    

        

    M. Zwisler    

                 

Meta

7 ABR 28/10

16.11.2011

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Offenbach, 13. August 2009, Az: 3 BV 2/09, Beschluss

§ 17 Abs 1 BetrVG, § 17 Abs 2 BetrVG, § 42 BetrVG, § 51 Abs 5 BetrVG, § 80 Abs 1 Nr 1 BetrVG, § 50 Abs 1 S 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.11.2011, Az. 7 ABR 28/10 (REWIS RS 2011, 1363)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1363

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3 BV 106/12

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