Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 12.11.2013, Az. VII R 13/13

7. Senat | REWIS RS 2013, 1280

ÖFFENTLICHES RECHT STEUERRECHT EUROPA- UND VÖLKERRECHT EBOOKS EU-KOMMISSION BUNDESFINANZHOF (BFH) ZOLL

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen: Einreihung eines E-Book-Readers mit Wörterbuchfunktion


Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Warenbeschreibung der Unterpos. 8543 7010 KN so zu verstehen, dass darunter nur solche Geräte einzureihen sind, die ausschließlich über Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen verfügen?

2. Falls die erste Frage zu verneinen ist:

Sind in die Unterpos. 8543 7010 KN auch Geräte einzureihen, bei welchen die Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktion gegenüber deren Hauptfunktion (hier Lesefunktion) nicht erheblich ist?

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führt Lesegeräte für elektronische Bücher (E-Book-Reader) ein. Die Geräte verfügen neben der für das Lesen elektronischer Bücher erforderlichen Hard- und Software, einer Sprachausgabeoption und einem Programm zur Wiedergabe von Audioformaten über eine Wörterbuchfunktion. Vorinstalliert sind die Wörterbücher "[X.]" und "Oxford dictionary of English". Zudem können weitere Wörterbücher heruntergeladen und installiert werden.

2

Für eine dem Streitfall vorausgegangene Einfuhr waren die Geräte zunächst unter Zugrundelegung der [X.] 8543 7090 der Verordnung ([X.]) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnung ([X.]) Nr. 861/2010 der [X.] vom 5. Oktober 2010 --KN-- ([X.] --ABl[X.]-- Nr. L 284/1) "Elektrische Maschinen, Apparate und Geräte, mit eigener Funktion, in diesem Kapitel anderweit weder genannt noch inbegriffen; andere" (Zollsatz 3,7 %), auf Einspruch dann in die [X.] 8543 7010 KN "Geräte mit Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen" (Zollsatz frei) eingereiht worden.

3

Daraufhin beantragte die Klägerin die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft ([X.]) und schlug die Einreihung in die [X.] 8543 7010 KN vor.

4

Mit der streitgegenständlichen [X.] reihte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) die E-Book-Reader in die [X.] 8543 7090 KN ein mit der Begründung, das Lesegerät für elektronische Bücher bestimme den Charakter des Ganzen.

5

Der zulässigen Sprungklage der Klägerin gab das Finanzgericht ([X.]) statt und verpflichtete das [X.], eine [X.] zu erteilen, mit der die streitigen E-Book-Reader in die [X.] 8543 7010 KN eingereiht werden.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

7

II. Der [X.] setzt das Verfahren aus (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem [X.] ([X.]) gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] die im Leitsatz bezeichneten Fragen zur Vorabentscheidung vor, weil die Auslegung der für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts Zweifelsfragen aufwirft.

8

1. Zur ersten Vorlagefrage:

9

Die Vorinstanz hat die Ansicht vertreten, die Einreihung der Geräte in die [X.] 8543 7010 [X.] ergebe sich in Anwendung der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 3a und des Wortlauts der [X.] 8543 7010 [X.]. Das Gerät verfüge über eine Übersetzungs- und Wörterbuchfunktion, weshalb die [X.] 8543 7010 [X.] die Position mit der im Verhältnis zur [X.] 8543 7090 [X.] genaueren Warenbezeichnung sei.

Gestützt werde diese Auffassung auch durch die Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 763/2011 ([X.] 763/2011) der [X.] vom 29. Juli 2011 (ABl[X.] Nr. L 200/6). Mit dieser Verordnung werde ein [X.] in die [X.] 8543 7090 [X.] eingereiht, der, worauf in Spalte 1 des Anhangs ausdrücklich hingewiesen werde, über keine Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen verfüge.

Auch die Rz 14.4 der Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur (Erl[X.]) zu [X.] 8543 7090 [X.] bestätige seine Auffassung. Danach gehörten kleine elektronische Geräte ohne Grundplatte (einschließlich so genannter "[X.]") mit ausschließlicher Übersetzungsfunktion in die [X.] 8543 7090 [X.]. Das spreche dafür, in die [X.] 8543 7010 [X.] Geräte einzureihen, bei welchen die Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen zusätzliche Funktionen seien, mit denen ein auch über andere Funktionen verfügendes Gerät ausgestattet sei.

Demgegenüber ist das [X.] der Auffassung, der Wortlaut der [X.] 8543 7010 [X.] könne nur dahingehend ausgelegt werden, dass dort ausschließlich elektrische Übersetzungsgeräte oder Wörterbücher erfasst werden. Die [X.]en 8543 7030 [X.] bis 8543 7060 [X.] stellten entsprechend dem Wortlaut der Position 8543 [X.] ausschließlich auf Geräte mit einer genau benannten eigenen Funktion ("Antennenverstärker", "Sonnenbänke, [X.] und ähnliche Bräunungsgeräte", "[X.]") ab. Dieser Systematik folgend seien bei den "Geräten mit Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen" diese Funktionen als die einzigen des jeweiligen Gerätes zu verstehen. Nach einer Auskunft der Europäischen [X.] sei es nicht gerechtfertigt, der [X.] 763/2011 den Umkehrschluss zu entnehmen, alle [X.] mit einer Wörterbuch- oder Übersetzungsfunktion könnten nicht in die [X.] 8543 7090 [X.] eingereiht werden (Hinweis auf den Erlass vom 23. Januar 2012 III B 5 - ZT 0270-XVI/10/10011: 001 [X.]/0052322). Auch die [X.] und die [X.] Zollverwaltung hätten [X.] in [X.] der [X.] 8543 7090 [X.] zugewiesen (GB 122370510 vom 16. November 2012 und [X.]-000377 vom 16. März 2010 bzw. [X.]-000764 vom 26. April 2010).

Der erkennende [X.] hat Zweifel, ob bei der gebotenen Anwendung der [X.] und 6 eine andere als die Einreihung der [X.] in die [X.] 8543 7010 [X.] in Betracht kommt.

a) Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der im Streitfall zu tarifierenden Waren entsprechen dem Wortlaut der [X.] 8543 7010 [X.], in welche Geräte mit Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen einzureihen sind. Die [X.] verfügen nach den unbestrittenen Feststellungen des [X.] über diese Funktionen.

b) Nach der [X.]. der [X.] hat der Wortlaut der [X.] Vorrang vor jeder anderen Erwägung (vgl. Erläuterungen zum Harmonisierten System zu [X.] Rz 07.0). Der Wortlaut der [X.] 8543 7010 [X.] erscheint nicht auslegungsbedürftig. Damit dürfte die Einreihung der streitgegenständlichen Waren festgelegt sein.

Dass die Geräte neben der Wörterbuchfunktion eine weitere ([X.] haben, spielt dabei keine Rolle. Zwar geht nach der [X.], die gemäß [X.] sinngemäß auch auf die Ermittlung der [X.] anzuwenden ist, die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Allerdings scheint es dem [X.] offensichtlich, dass die [X.] 8543 7010 [X.] die genauere Warenbezeichnung gegenüber der [X.] 8543 7090 [X.] "andere" enthält. Darüber hinaus fehlt es schon an der im Eingangssatz der [X.] genannten Voraussetzung für deren Anwendung: Für die Einreihung der [X.] kommen nicht zwei (oder mehr) [X.]en in Betracht. Die [X.] 8543 7090 [X.], in der "andere" Geräte genannt sind, ist --anders als das [X.] meint-- keine weitere Einreihungsmöglichkeit im Sinne der [X.]. Als Auffangposition kommt sie nur zur Anwendung, wenn die Einreihung in eine der vorstehenden [X.]en nicht möglich ist. So verhält es sich bei den Geräten des Streitfalls aber gerade nicht.

c) Die Gründe, die das [X.] für die von ihm vorgenommene Auslegung anführt, überzeugen nicht. Eine Systematik der Position 8543 [X.] im Zusammenhang mit den [X.]en 8543 7030 [X.] bis 8543 7060 [X.], aus welcher sich zwingend ergeben soll, dass in die [X.] 8543 7010 [X.] nur Geräte fallen, die ausschließlich Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen haben, kann der [X.] nicht erkennen. Allein die Benennung ganz bestimmter Apparate und Geräte in den weiteren [X.]en unter 8543 70 [X.] begründet noch keine Systematik dergestalt, dass nur die Hauptfunktion einer Ware die Einreihung in diese [X.] entscheidet.

d) Auch die Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI [X.] klärt die Zweifelsfrage nicht. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die dort angeordnete Einreihung mehrfunktionaler Maschinen nach der das Ganze kennzeichnenden Hauptfunktion nur greift, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Die [X.] 8543 7010 [X.] ist eine solche andere Bestimmung.

e) Die Einreihungsverordnung Nr. 763/2011 kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Sie betrifft nach ihrem Wortlaut ausdrücklich [X.] ohne Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen. Nur diese reiht sie in die [X.] 8543 7090 [X.] ein. Daran kann auch eine abweichende Interpretation der Europäischen [X.] nichts ändern.

f) Aus der Erl[X.] zu [X.] 8543 7090 Rz 14.4 lässt sich für die hier zu beantwortende Frage nichts herleiten. Denn abgesehen davon, dass die von der Europäischen [X.] für die [X.] ausgearbeiteten Erläuterungen kein verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind, bleibt unerfindlich, weshalb sich die [X.] zur Einreihung dieser --dem Wortlaut der [X.] 8543 7010 [X.] offensichtlich unterfallenden-- Minicomputer mit (hauptsächlicher, wenn nicht ausschließlicher) Übersetzungsfunktion in die [X.] 8543 7090 [X.] veranlasst sah.

Gleichwohl sieht der erkennende [X.] --nicht zuletzt aufgrund der vorgenannten, möglicherweise nicht hinlänglich begründeten Einreihungsverordnung, der dazu von der [X.] erlassenen Verfügung und der dieser und der Erl[X.] zu [X.] 8543 7090 Rz 14.4 offensichtlich zugrunde liegenden Auslegung der [X.] 8543 7010 [X.]-- ausreichende Gründe, den [X.] um Vorabentscheidung über die oben formulierte Frage zu ersuchen.

2. Zur zweiten Vorlagefrage:

Für den Fall, dass in die [X.] 8543 7010 [X.] nicht nur Geräte einzureihen sind, deren einzige Funktionen Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen sind, ist klärungsbedürftig, ob auch Geräte, bei welchen die Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktion gegenüber deren Hauptfunktion (hier Lesefunktion) unbedeutend ist, gleichwohl in diese [X.] fallen.

Zwar kann nach dem Urteil des [X.] vom 4. März 2004 C-130/02 --Krings GmbH--, Slg. 2004, [X.]) eine Einreihungsverordnung bei lediglich geringfügigen Abweichungen der zu tarifierenden von der durch die Verordnung eingereihten Ware entsprechend anzuwenden sein. Voraussetzung für die entsprechende Anwendung der [X.] 763/2011 auf die hier zu tarifierenden [X.] wäre danach, dass die Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktion der streitigen Geräte eine nur geringfügige Abweichung gegenüber dem mit der [X.] 763/2011 eingereihten Gerät ist, welches nach der Warenbeschreibung gerade über keine dieser Funktionen verfügte. Der [X.] hat daran aber --unbeschadet der tatsächlichen Bedeutung dieser Funktionen für den Charakter eines [X.]s-- aus tarifrechtlicher Sicht Zweifel. Denn eine durch Aufnahme in eine eigene [X.] für die Einreihung als maßgeblich hervorgehobene Funktion kann nicht gleichzeitig wegen Geringfügigkeit im Verhältnis zu anderen Funktionen tarifrechtlich unerheblich sein. Dementsprechend erscheint das Argument der Klägerin, die [X.] 763/2011 hätte für [X.] mit Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktionen wegen Verstoßes gegen die [X.] 8543 7010 [X.] auch gar nicht ergehen dürfen, durchaus nachvollziehbar.

Meta

VII R 13/13

12.11.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend FG Hamburg, 14. Februar 2013, Az: 4 K 78/12, Urteil

Pos 8543 UPos 7010 KN, Pos 8543 UPos 7090 KN, EUV 763/2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 12.11.2013, Az. VII R 13/13 (REWIS RS 2013, 1280)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1280

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