Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.09.2017, Az. VII R 17/16

7. Senat | REWIS RS 2017, 4792

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Gegenstand

Adventskalender mit Elektronikbauteilen als Baukastenspielzeug


Leitsatz

NV: Bei zwei oder mehr sinnvoll aufeinander abgestimmten und alleine nicht zum Spielen geeigneten Leuchtdioden, Kabeln und anderen Elektronikbauteilen, die zusammen in einer Verkaufspackung gestellt werden, kann es sich um Baukastenspielzeug (aus anderen Stoffen als aus Kunststoff) handeln, wenn sich aus den der Ware innewohnenden Eigenschaften ergibt, dass sie dem Spiel oder der Unterhaltung von Erwachsenen dient und die Freude am (Zusammen- und Um-)Bauen, am Konstruieren und am Erlernen der hierzu erforderlichen Fähigkeiten sowie das Verständnis der Funktionsweise der Bauteile und der fertigen Objekte fördert .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 10. Februar 2015  4 K 123/14 sowie die verbindliche Zolltarifauskunft vom ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... aufgehoben und das Hauptzollamt verpflichtet, der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft zu erteilen, mit der die streitgegenständliche Ware als Baukastenspielzeug in die [X.] 9503 00 39 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht wird.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Hauptzollamt zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich gegen die Einreihung des "[X.]" in einer verbindlichen Zolltarifauskunft ([X.]) des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --[X.]--) als "anderes Spielzeug" in die [X.]. 9503 00 70 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]).

2

Bei der Ware handelt es sich um einen für den Einzelverkauf aufgemachten Pappkarton ohne weihnachtliche Symbole mit 24 nummerierten Türchen, hinter denen sich in kleinere Pappkartons verpackte Elektronikbauteile befinden, die auf eine im Kalender enthaltene Platine --das sog. "...[X.] gesteckt und jederzeit wieder umgesteckt werden können. In einem mitgelieferten Anleitungsheft werden unter Hinweis auf mögliche Varianten Vorschläge für die Montage gemacht. Durch den Zusammenbau verschiedener Bauteile wird mit jedem Schritt ein anderer Effekt erzielt. Mit den ersten Teilen, einer lichtemittierenden Diode (LED) und einem Widerstand (sowie einer Batterie), lässt sich ein einfacher Versuch durchführen. In der Folge kommen weitere Bauteile hinzu. Die Schaltungen werden komplexer und bauen aufeinander auf. Im Prinzip ist der Versuchsaufbau jedoch stets ein anderer. Die Platine wird auch nicht jeweils um ein weiteres Teilchen ergänzt. So werden etwa (bei einer am 1. Dezember beginnenden Nutzung) am 22. Dezember vier LED, am 23. Dezember drei LED und am 24. Dezember sechs LED verbaut.

3

Das Finanzgericht (FG) urteilte, das "Experimentieren" mit den in der Ware enthaltenen Bauteilen sei unterhaltsam und vermittle spielerisch Wissen über elektrotechnische Zusammenhänge. Entsprechend gingen auch die Beteiligten davon aus, dass die streitgegenständliche Ware als (Lern-)Spielzeug in die [X.]. 9503 [X.] einzureihen sei. Die Frage sei lediglich, ob es sich um einen "Bausatz" oder ein "Baukastenspielzeug" "aus anderen Stoffen" (als Kunststoff) der [X.]. 9503 00 39 [X.] oder um ein "anderes Spielzeug, aufgemacht in Zusammenstellungen oder Aufmachungen" der [X.]. 9503 00 70 [X.] handele.

4

Nach "allgemeinem Verständnis", auf das angesichts der allgemein gehaltenen [X.]itionswortlaute und der nicht eindeutigen Erläuterungen zum Harmonisierten System ([X.]) zurückzugreifen sei, sei nur dann von einem Bausatz auszugehen, wenn mit den Teilen allenfalls einige wenige Modelle (Geräte oder Varianten) zusammengebaut werden könnten. Mit den [X.], die der Nutzer zur Verfügung gestellt bekomme, könnten dagegen viele ganz unterschiedliche Schaltungen aufgebaut werden. Bei der Ware handele es sich auch nicht um ein "Baukastenspielzeug", da die Elektronikteile kein "variantenreiches freies Spiel" ermöglichten. Die Ware sei somit als "anderes Spielzeug" der [X.]. 9503 00 70 [X.] einzureihen.

5

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

6

Sie beantragt, die Vorentscheidung sowie die [X.] in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, ihr eine [X.] zu erteilen, mit der die streitgegenständliche Ware als anderer Bausatz und Baukastenspielzeug in die [X.]. 9503 00 39 [X.], hilfsweise als Weihnachtsartikel in die [X.]. 9505 10 90 [X.] eingereiht wird.

7

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Vorentscheidung verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Sie und der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind aufzuheben und das [X.] ist zu verpflichten, die begehrte [X.] zu erteilen.

9

1. Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der [X.]itionen und [X.]itionen der [X.] und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind, und nach den [X.] (AV) für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es Erläuterungen und Einreihungsavise, die ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (vgl. etwa Senatsurteil vom 7. Juli 2015 VII R 65/13, [X.], 1605; Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union [X.] vom 5. März 2015 [X.], [X.]:C:2015:152; [X.] vom 27. November 2008 [X.]/07, [X.]:[X.], Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2009, 15, 16). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (Senatsurteil vom 8. November 2016 VII R 9/15, [X.], 286, [X.], 103). Entscheidend ist dabei, ob sich der Verwendungszweck in den objektiven Eigenschaften und Merkmalen der Ware niedergeschlagen hat (vgl. auch Senatsurteil vom 31. Mai 2005 VII R 49/04, [X.] 2005, 2067, [X.], 262).

2. Im Streitfall hat das [X.] in nicht zu beanstandender Weise als Spielzeug der [X.]. 9503 [X.] behandelt.

Es hat festgestellt, dass die Warenzusammenstellung nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften unter Berücksichtigung ihrer Aufmachung, des [X.] und der beim Zusammenbau zu erzielenden Ergebnisse im Wesentlichen zum Spielen bestimmt ist. Hiergegen wurden keine revisionsrechtlich beachtlichen [X.] erhoben, weshalb diese Feststellung für den Senat bindend ist (§ 118 Abs. 2 [X.]O; vgl. auch Senatsurteil in [X.] 2005, 2067, [X.], 262).

Umstände, die einer Einreihung in die [X.]. 9503 [X.] entgegenstehen könnten, hat das [X.] nicht festgestellt. Insbesondere dient die Ware nach den Feststellungen des [X.] nicht zur Herstellung eines Gegenstands, sondern dem spielerischen "Experimentieren", dem immer wieder unterschiedlichen Zusammenbauen von Teilen.

3. Die Warenzusammenstellung erfüllt die Merkmale eines Baukastenspielzeugs der [X.]. 9503 00 39 [X.] und kann damit --entgegen der [X.] nicht als "anderes Spielzeug" in die [X.]. 9503 00 70 [X.] eingereiht werden.

a) Die gegenüber der [X.]. 9503 00 70 [X.] ("anderes Spielzeug, aufgemacht in Zusammenstellungen oder Aufmachungen") vorrangige [X.]. 9503 00 39 [X.] benennt andere Bausätze (als elektrische Eisenbahnen und maßstabsgetreu verkleinerte Modelle zum Zusammenbauen) und Baukastenspielzeug (aus anderen Stoffen als aus Kunststoff). Solche Waren bestehen aus zwei oder mehr sinnvoll aufeinander abgestimmten und alleine nicht zum Spielen geeigneten Einzelteilen, die zusammen in einer Verkaufsverpackung gestellt werden; es kann ein Bauplan beigefügt sein (Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur --Erl[X.]-- zu [X.]. 9503 Rz 34.0). Ein Baukastenspielzeug ist dabei eine Zusammenstellung einzelner, einfach zusammenzusetzender und wieder auseinanderzunehmender Bauelemente oder sonstiger Teile, die auf relativ einfache und überschaubare Weise die Konstruktion von Objekten und deren Umgestaltung ermöglicht. Dabei wird nicht zuletzt durch das einfache Vorgehen die Freude am (Zusammen- und Um-)Bauen, am Konstruieren und am Erlernen der hierzu erforderlichen Fähigkeiten sowie das Verständnis der Funktionsweise der Bauteile und der fertigen Objekte gefördert. Bestimmte "Modelle" müssen bei einem Baukastenspielzeug nicht hervorgebracht werden; dieser Begriff wird bei dieser [X.]ition in der [X.] nicht genannt.

b) Das [X.] hat festgestellt, dass die streitgegenständliche Ware aus zwei oder mehr sinnvoll aufeinander abgestimmten, alleine nicht zum Spielen geeigneten Einzelteilen besteht, die verbunden, wieder voneinander gelöst sowie immer wieder zu zahlreichen neuen Objekten verbunden werden können, die zusammen in einer Verkaufsverpackung gestellt werden und denen in Gestalt des [X.] Aufbaupläne beigefügt sind. Es hat außerdem festgestellt, dass nach Aufmachung und Zusammenstellung und unter Berücksichtigung der Aufbauanleitung die streitgegenständliche Ware in erster Linie den Zweck hat, sich durch spielerisches Auf- und Umbauen und Beobachten der erzielten Effekte sowie Variieren der Aufbauten zu unterhalten, wie es für ein Baukastenspielzeug typisch ist.

Für den Tatbestand der [X.]. 9503 00 39 [X.] ist es ohne Bedeutung, dass der Baukasteninhalt auf 24 Fächer aufgeteilt ist, zumal der Nutzer die "Türchen" schneller --ggf. an einem Tag-- öffnen und gleich alle vorgegebenen und weitere Varianten durchprobieren oder --wenn der "Zeitplan" eingehalten wird-- mit bereits ausgepackten Teilen frühere Aufbauten noch einmal errichten und neue Varianten ausprobieren kann.

Das "Tatbestandsmerkmal" des "variantenreichen freien Spielens", das das [X.] als nicht erfüllt angesehen hat, findet sich in der [X.] nicht. Es kann deshalb auch kein Kriterium zur Abgrenzung der [X.]. 9503 00 39 [X.] von der [X.]. 9503 00 70 [X.] sein (vgl. AV 6).

c) Weder aus der Erl[X.] zu [X.]. 9503 Rz 36.1, Rz 36.7 noch aus der [X.] zu [X.]. 9503 Rz 50.0, in der [X.] oder Spielzeugnähkasten genannt werden, folgt, dass die Ware aus der [X.]. 9503 00 39 [X.] auszuweisen bzw. dass sie der [X.]. 9503 00 70 [X.] zuzuweisen ist.

Die [X.] zu [X.]. 9503 Rz 50.0 betrifft nicht die Abgrenzung von Bausätzen und Baukastenspielzeug zu "anderem Spielzeug", sondern die Frage, welche Waren unter die [X.]. 9503 [X.] fallen. In den Erl[X.] zu [X.]. 9503 Rz 36.1, Rz 36.7 wird nicht "anderes Spielzeug" der [X.]. 9503 00 70 [X.] definiert, sondern der Begriff der "Aufmachung". Abgesehen davon könnten bloße Beispiele in den unverbindlichen Erläuterungen die [X.] ohnehin nicht ändern (Senatsurteile vom 20. Juni 2017 VII R 24/15; vom 21. Februar 2017 VII R 2/15, [X.] 2017, 1066). Schon deshalb kann auch die Nennung von "Baukästen (mechanische, Steinbaukästen usw.)" in den [X.] zu [X.]. 9503 Rz 23.0 unter der Überschrift "D. Anderes Spielzeug." in den [X.] zu [X.]. 9503 Rz 19.0 nicht dazu führen, dass Baukästen entgegen dem Wortlaut der [X.]. 9503 00 35 und 9503 00 39 [X.] in die [X.]. 9503 00 70 [X.] einzureihen sind. Im Übrigen beziehen sich die [X.] allein auf den [X.]itionswortlaut, nicht aber auf die [X.]itionen, da die [X.]itionen ausschließlich solche der [X.] sind. Für die Abgrenzung der [X.]. 9503 00 39 [X.] von der [X.]. 9503 00 70 [X.] sind die [X.] daher ohne Bedeutung.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VII R 17/16

26.09.2017

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 10. Februar 2015, Az: 4 K 123/14, Urteil

Pos 9503 UPos 0039 KN, Pos 9503 UPos 0070 KN, Pos 9405 KN, Pos 9505 KN

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.09.2017, Az. VII R 17/16 (REWIS RS 2017, 4792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4792

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