Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.12.2011, Az. 24 W (pat) 80/10

24. Senat | REWIS RS 2011, 28

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Innovative Patientensteuerung – IPS/IPSEN Innovation for patient care (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)" – Dienstleistungsidentität – zur Kennzeichnungskraft – Widerspruchsmarke wird mit charakteristischen Markenbestandteil benannt - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine mittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 12 510

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 16. August 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie des Richters [X.] und der Richterin Kortge

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke 307 12 510

2

Innovative [X.] - I[X.]

3

ist am 23. Februar 2007 angemeldet und am 23. April 2007 in das Register eingetragen worden für die folgenden Dienstleistungen:

4

"35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten;

5

42: wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten;

6

45: von [X.] erbrachte persönliche und [X.] Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse."

7

Gegen die Eintragung der vorgenannten Marke hat die Inhaberin der prioritätsälteren, international registrierten [X.] 817813

Abbildung

8

- zunächst unbeschränkten - Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke genießt in der [X.] unter anderem Schutz für die folgenden Dienstleistungen der [X.]:

9

"Scientific, medical and industrial research services and research and development services for new products in [X.], [X.]; research services in biology, [X.], [X.]; design services for chemical products, [X.], plants and pharmaceutical procedures in production of pharmacologically active substance and preparations, of cosmetics; [X.], [X.], [X.], [X.], biological and bacteriological analyses; design and development of computers and software".

Die Markenstelle für [X.] des [X.] hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. In beiden Entscheidungen ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass die Vergleichsmarken jedenfalls im Bereich der [X.] für identische Dienstleistungen Schutz genießen. Gleichwohl kämen sich die beiden Zeichen nicht i. S. v. § 42 Abs. 2 Nr. 1 a. F. i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verwechselbar nahe. Im Zusammenhang mit einer möglichen klanglichen Verwechslungsgefahr ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise bei einer mündlichen Verständigung über die Widerspruchsmarke auf deren Wortbestandteil "I[X.]EN" beschränken und dieses Wort entsprechend der [X.] Phonetik aussprechen würden. Zu klanglichen Verwechslungen mit diesem Wort könne es auch dann nicht kommen, wenn sich die angesprochenen Verkehrskreise bei einer mündlichen Verständigung über die angegriffene Marke auf die Buchstabenfolge "I[X.]" beschränken und diese Buchstabenfolge nicht als drei getrennte Buchstaben (phonetisch: "[X.]"), sondern als einsilbiges Wort (phonetisch: "[X.]") aussprechen würden. Nach Auffassung der Markenstelle in den angegriffenen Beschlüssen sind die klanglichen Unterschiede zwischen den deutsch ausgesprochenen Wörtern "[X.]en" und "[X.]" deutlich genug, um eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hat ihren Widerspruch in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2011 auf die Eintragung der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen der [X.] beschränkt.

Die Widersprechende ist der Auffassung, dass ihre Marke von dem Wortbestandteil "I[X.]EN", die angegriffene Marke von der Buchstabenfolge "I[X.]" geprägt werden, weil die weiteren Wortbestandteile "Innovative [X.]" in der angegriffenen Marke bzw. "Innovation for patient care" in der Widerspruchsmarke lediglich den Gegenstand der betreffenden Dienstleistungen beschrieben und damit ohne Kennzeichnungskraft seien. Anders als in dem Fall, der dem Beschluss des [X.] vom 13. Dezember 2007, [X.] - idw Informationsdienst Wissenschaft - GRUR 2008, 719 ff., zugrundelag, handele es sich bei dem Wortbestandteil "I[X.]" der angegriffenen Marke um eine Buchstabenfolge, die als das einsilbige Wort "[X.]" ausgesprochen werden könne. Das führe von der Annahme weg, dass der Verkehr in dieser Buchstabenfolge ausschließlich eine Abkürzung der vorangestellten Bestandteile sehe, zumal auch der Bestandteil "[X.]" nicht ohne Weiteres als Abkürzung des Wortes "[X.]" zu erkennen sei.

Weiter geht die Widersprechende von einer komplexen unmittelbaren Verwechslungsgefahr aus. Die - von der Widersprechende als gegeben angesehene - klangliche Nähe zwischen den Vergleichsmarken werde dadurch verstärkt, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der [X.] Wortfolge aus der angegriffenen Marke "Innovative [X.]” am ehesten die Übersetzung der [X.] Wortfolge "Innovation for patient care” aus der Widerspruchsmarke vermuten würden. Das würde aus der Sicht dieser Verkehrskreise die beiden Vergleichsmarken einander auch begrifflich nahebringen.

Sofern der [X.] den vorstehenden Überlegungen nicht folgen könne, hält die Widersprechende eine mittelbare Verwechslungsgefahr für gegeben. Beide Marken wiesen im Bereich identischer Dienstleistungen der [X.] auf patientenbezogene Innovationen hin. Angesichts der hohen klanglichen Ähnlichkeit zwischen den [X.] würden die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen, dass es sich um Marken desselben Unternehmens bzw. von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen handele, zumal die weiteren Bestandteile beider Marken auf übereinstimmende bzw. hochgradig ähnliche Tätigkeitsbereiche schließen ließen. Das gelte um so mehr, als der Markenbestandteil "I[X.]EN” in der Widerspruchsmarke mit dem Firmennamen der Widersprechenden übereinstimme, was die Gefahr, dass beide Marken gedanklich in Verbindung gebracht werden, noch verstärke.

Die Widersprechende hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,

1. die Beschlüsse der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 20. Oktober 2008 und vom 5. Februar 2010 aufzuheben und

wegen des Widerspruchs aus der international registrierten Marke 817813 die Löschung der Marke 307 12 510 für die Dienstleistungen der [X.] anzuordnen;

2. der Widersprechenden [X.] für eine weitere Stellungnahme zu den in der mündlichen Verhandlung von Seiten des [X.]s überreichten Internetausdrucken und zu den in der Verhandlung erörterten Rechtsfragen zu gewähren.

Die Markeninhaberin war nach ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten. Im Beschwerdeverfahren hat sie weder Anträge gestellt, noch sich sonst zur Sache geäußert. Im Verfahren vor dem [X.] hat sie die Auffassung vertreten, dass zwischen den Vergleichsmarken keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr bestehe.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2011 hat der [X.] beschlossen und verkündet, eine Entscheidung an [X.] Statt zuzustellen. Zugleich wurde der Widersprechenden [X.] bis zum 17. Oktober 2011 gewährt. Ein Schriftsatz der Widersprechenden vom 12. Oktober 2011 ist am 13. Oktober 2011 bei Gericht eingegangen.

II.

Die Widersprechende hat in der mündlichen Verhandlung ihren Widerspruch insoweit zurückgenommen, als er sich auch gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für die Klassen 35 und 45 gerichtet hatte. Für diese Klassen hat das Beschwerdeverfahren seine Erledigung gefunden. Jetzt richtet sich der Widerspruch nur noch gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen "wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten" der [X.].

Die Entscheidung des [X.]s berücksichtigt auch den für die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung nachgelassenen Schriftsatz vom 12. Oktober 2011, der rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist.

Die angegriffene Marke ist am 23. Juli 2007 angemeldet worden, also vor dem 1. Oktober 2009. Daher ist gemäß der Übergangsvorschrift in § 165 Abs. 2 [X.] für dieses Widerspruchsverfahren § 42 [X.] in der bis zum 1. Oktober 2009 geltenden Fassung maßgebend.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Denn zwischen den Vergleichsmarken besteht keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.] a. F. i. V. m §§ 107, 112 bzw. 119, 124 [X.]; insbesondere kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke weder unmittelbar klanglich noch mittelbar verwechselbar nahe.

Für die Frage, ob zwischen zwei Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht, sind zunächst Feststellungen zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, zur Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und zur Identität oder Ähnlichkeit der Zeichen zu treffen. Diese drei Faktoren können in ihrem Zusammenwirken eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr begründen. Dabei stehen sie in einem Verhältnis der gegenseitigen Wechselwirkung zu einander, so dass ein geringerer Grad des einen Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (std. Rspr., vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, § 9 [X.]. 30 ff., 40 mit breit angelegten Nachweisen mit Stand vom 1. Juli 2011).

Die Widerspruchsmarke verfügt jedenfalls im Bereich der hier in Rede stehenden Dienstleistungen der [X.] über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Für diese Feststellung kommt es allein auf die registrierte Form der Widerspruchsmarke an; denn die Inhaberin der angegriffenen Marke hat keine Nichtbenutzungseinrede erhoben. Bei der Widerspruchsmarke handelt es sich um eine Wort-Bild-Marke, in deren graphischer Gestaltung das Wort "I[X.]EN" den Mittelpunkt bildet und im Vordergrund steht. Dieser Wortbestandteil tritt für die angesprochenen Verkehrskreise entweder als Phantasiewort oder als der Firmenname der Widersprechenden in Erscheinung und enthält daneben - in Bezug auf die Dienstleistungen der [X.] - weder eine beschreibende Begrifflichkeit noch beschreibende Anklänge. Dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Wege der Benutzung über ein durchschnittliches Maß gesteigert worden wäre, ist nicht ersichtlich und wurde von der Widersprechenden auch nicht behauptet.

Im Bereich der [X.] genießen die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke in der [X.] Schutz für dieselben Dienstleistungen.

Bei dieser Ausgangslage muß die angegriffene Marke von der prioritätsälteren Widerspruchsmarke einen deutlichen Abstand halten. Die Gestaltung der angegriffenen Marke erfüllt diese Anforderung.

Zwischen den Vergleichsmarken besteht keine unmittelbare Verwechslungsgefahr.

Die angegriffene Marke kommt der Widerspruchsmarke klanglich nicht verwechselbar nahe. Bei der Prüfung der klanglichen Verwechslungsgefahr muß zunächst eine Prognose darüber gemacht werden, mit welchem Wort - oder mit welchen Wörtern - die angesprochenen Verkehrskreise die Vergleichsmarken bei einer nur mündlichen Verständigung bezeichnen werden. Bei der Widerspruchsmarke handelt es sich um eine Wort-Bild-Marke. Insoweit ist von dem allgemein anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass sich der Verkehr [X.] für das Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform entscheidet. Das für die Widerspruchsmarke charakteristische Wort ist der in Großbuchstaben geschriebene Wortbestandteil "I[X.]EN", weil er in der graphischen Gestaltung der Marke den Mittelpunkt bildet und im Vordergrund steht. Diesem Wort ist die [X.] Wortfolge "Innovation for patient care" bereits graphisch deutlich nachgeordnet, weil sie in einer deutlich kleineren Type gesetzt ist und unter dem Wort "I[X.]EN" steht. Im übrigen werden die angesprochenen Verkehrskreise die [X.] Wortfolge "Innovation for patient care" ohne weiteres mit "Innovation für die Pflege/Versorgung von Patienten" ins [X.] übersetzen und darin nicht das markenrechtliche Herkunftszeichen sehen, sondern lediglich einen werbenden Hinweis auf einen der Zwecke, die sich mit den angebotenen Dienstleistungen verfolgen lassen. Die Widerspruchsmarke ist für wissenschaftliche Dienstleistungen der [X.] eingetragen, die in erster Linie in Forschung und Entwicklung im Bereich der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt auf Medizin, Pharmazie und Kosmetik bestehen und deren Ergebnisse der wirtschaftlichen Produktion und dem Handel dienen sollen. Auch die angegriffene Marke ist für Dienstleistungen der [X.] eingetragen, nämlich für "wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten". Die hier in Rede stehenden Dienstleistungen beider Vergleichsmarken werden in der Regel gut ausgebildeten Verkehrskreisen angeboten, die mit der [X.] Sprache als Handels- und/oder Wissenschaftssprache vertraut sind.

Anders als die Widerspruchsmarke werden die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Marke bei einer mündlichen Verständigung vollständig mit allen Wort-Bestandteilen benennen. Denn diese Marke besteht - auf den ersten Blick erkennbar - aus einer Kombination sich gegenseitig erläuternder Angaben bzw. Abkürzungen, die jeweils denselben Begriff zum Ausdruck bringen, mit der Folge, dass eine Abspaltung einzelner Markenbestandteile, sei es der Wortfolge "Innovative [X.]", sei es der Buchstabenfolge "I[X.]", zur Bezeichnung der Marke auch bei einer nur mündlichen Verständigung nicht nahegelegt wird.

Bei der angegriffenen Marke handelt es sich um eine reine Wortmarke. Sie ist mehrteilig und beginnt mit der Wortfolge "Innovative [X.]". Darauf folgen die drei im Zusammenschluß geschriebenen Buchstaben "I[X.]", die mit der vorangegangenen Wortfolge mit einem Bindestrich verbunden sind. Die angesprochenen [X.] Verkehrskreise werden in der Buchstabenfolge "I[X.]" ohne weiteres eine Abkürzung der beiden vorangegangenen Wörter "Innovative [X.]" erkennen. Abkürzungen, die aus den Anfangsbuchstaben der abgekürzten Wörter bestehen, sind in der [X.] in vielen Wirtschaftsbereichen weit verbreitet und weitesten Verkehrskreisen allgemein bekannt. Bei dieser Sachlage ist für die angesprochenen Verkehrskreise eine Interpretation der Buchstabenfolge "I[X.]" als Abkürzung für die vorangegangenen beiden Wörter "Innovative [X.]" das Nächstliegende, zumal diese Buchstabenfolge mit den vorangehenden beiden Wörtern durch einen Bindestrich verbunden ist. Mithin umfasst der Gesamteindruck, den die angegriffene Marke erweckt, die Gesamtheit der Marke.

Eine markenrechtliche Prägung der angegriffenen Marke allein durch die Buchstabenfolge "I[X.]" findet nicht statt. Denn die vorangestellte Wortfolge "Innovative [X.]" und die mit einem Bindestrich angeschlossene Buchstabenfolge " - I[X.]" haben kennzeichnungsrechtlich dasselbe Gewicht, weil sie denselben Begriff zum Ausdruck bringen und das für die angesprochenen Verkehrskreise auf den ersten Blick erkennbar ist. Auf die Frage, ob der Begriff "Innovative [X.]" in der angegriffenen Marke womöglich nicht schutzfähig ist für die Dienstleistungen der [X.], für die die Marke eingetragen ist, kommt es im Widerspruchsverfahren nicht an. Hier ist von der Eintragung der angegriffenen Marke auszugehen und einem damit verbundenen markenrechtlichen Mindestschutz.

Es besteht im übrigen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine begriffliche Übereinstimmung, wie sie bei der angegriffenen Marke zwischen Wortfolge und Abkürzung besteht, einer Neigung des Verkehrs entgegensteht, die Marke bei Benennungen auf die Buchstabenfolge zu verkürzen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Buchstabenfolge dem Verkehr als Abkürzung nicht allgemein bekannt ist und auch keine Schwierigkeiten bestehen, sich die längeren Wortbestandteile einzuprägen ([X.], 719, 722 (Nr. 37) -

Die beiden längeren Wortbestandteile der angegriffenen Marke lauten "Innovative [X.]" und sind für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres erinnerlich. Die Wortfolge ist sprachregelmäßig gebildet und aus sich heraus verständlich, denn sie betrifft den in der Werbung häufig verwandten Begriff "innovativ" und das strategische Anliegen der [X.], das für viele Krankenversicherungen und für viele Anbieter medizinischer Dienstleistungen von Bedeutung sein kann. Umstände, aus denen heraus - entgegen den vorstehenden Feststellungen - für die angesprochenen Verkehrskreise Schwierigkeiten bestehen könnten, sich die Wortfolge "Innovative [X.]" einzuprägen, sind für den [X.] nicht erkennbar und wurden von der Widersprechenden nicht vorgetragen.

Für die Frage der klanglichen Verwechslungsgefahr ist daher davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Marke auch bei einer nur mündlichen Verständigung vollständig mit "Innovative [X.] - I[X.]" benennen und keine Verkürzung dieser Wortfolge vornehmen werden. Für diese Feststellung hat der Umstand keine Bedeutung, dass die Abkürzung "I[X.]" eine aussprechbare Abkürzung ist, dass sie also nicht nur als Folge einzelner Buchstaben - phonetisch: "[X.]" - ausgesprochen werden kann, sondern auch als ein einziges einsilbiges Wort - phonetisch: "[X.]". Denn die hier maßgebliche vom [X.] angestellte Vermutung über das Verhalten der angesprochenen Verkehrskreise bei der nur mündlichen Verständigung über eine Marke gilt nicht nur für nicht aussprechbare Abkürzungen ([X.], 719 ff. -

Die Wortfolge "Innovative [X.] - I[X.]" ist mit dem Wort "I[X.]EN" klanglich nicht verwechselbar.

Zwischen den Vergleichsmarken besteht auch keine schriftbildliche Verwechslungsgefahr. Wie bereits festgestellt, ist hier davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise auch bei einer nur mündlichen Verständigung über die Vergleichsmarken die angegriffene Wortmarke vollständig wiedergeben, weil sie diese Marke als eine Kombination sich gegenseitig erläuternder Angaben bzw. Abkürzungen begreifen werden, die denselben Begriff zum Ausdruck bringen. Dann wird dieser klar erkannte innere sachliche Zusammenhang für dieselben Verkehrskreise auch bei einem Vergleich der visuellen Erscheinung beider Marken bestimmend sein, auch dann, wenn den Verkehrskreisen im Zeitpunkt des Vergleichs die angegriffene Marke physisch nicht vor Augen steht. Bei einem bildlichen Vergleich steht daher die angegriffene Marke mit ihrem vollständigen Wortlaut "Innovative [X.] - I[X.]" dem vollständigen Bild der Widerspruchsmarke gegenüber. Verwechslungen kommen insoweit nicht in Betracht.

Auch in ihrer Begrifflichkeit kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke nicht unmittelbar verwechselbar nahe. Für die hier angesprochenen Verkehrskreise, bei denen eine gründliche Kenntnis des [X.] vorausgesetzt werden muß, sind die begrifflichen Unterscheide zwischen "patient care" - zu [X.]: "[X.], "Versorgung von Patienten", "Sorge für Patienten" - einerseits und andererseits "[X.]" ohne weiteres erkennbar. Der Wortbestandteil "I[X.]EN" in der Widerspruchsmarke enthält keinen konkreten Begriff, so dass es auch insoweit zu keiner begrifflichen Nähe zum vollständigen Wortlaut der angegriffenen Marke kommen kann.

Da nach der Überzeugung des [X.]s weder für eine Anwendung des markenrechtlichen Rechtsbegriffs von der klanglichen Verwechslungsgefahr noch für eine Anwendung des markenrechtlichen Rechtsbegriffs von einer begrifflichen Verwechslungsgefahr Anknüpfungspunkte bestehen, kommt auch keine komplexe unmittelbare Verwechslungsgefahr in Betracht.

Schließlich hat der [X.] keine mittelbare markenrechtliche Verwechslungsgefahr festgestellt. Als Anknüpfungspunkt für eine mittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr kommt in der Widerspruchsmarke nur die [X.] Wortfolge "Innovation for patient care" in Betracht. Hierbei handelt es sich lediglich um eine - für sich genommen schutzunfähige - Bestimmungsangabe, die neben dem in den Mittelpunkt der Widerspruchsmarke gestellten Wort "I[X.]EN" keine herkunftshinweisende Assoziation auslösen kann, um so weniger als "I[X.]EN" der Firmenname der Widersprechenden ist. Es kann - unter markenrechtlichen Gesichtspunkten - auch nicht angenommen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Marke derart mit der Widerspruchsmarke gedanklich in Verbindung bringen, dass sie den Wortbestandteil "I[X.]EN" der Widerspruchsmarke als eine Ableitung aus der Buchstabenfolge "I[X.]" auffassen. Denn - wie bereits bei der Prüfung einer unmittelbaren klanglichen und unmittelbaren schriftbildlichen Verwechslungsgefahr festgestellt - die angesprochenen Verkehrskreise werden für jeden Vergleich mit der Widerspruchsmarke von der Gesamtheit der angegriffenen Marke ausgehen. Für eine Beschränkung der angegriffenen Marke auf die Buchstabenfolge "I[X.]" besteht unter markenrechtlichen Gesichtspunkten kein Anlass.

Für eine einseitige Kostenauferlegung sind für den [X.] keine [X.] (§ 71 Abs. 1 und 4 [X.]) erkennbar. Auch die Verfahrensbeteiligten haben keine solchen Gründe geltend gemacht.

Meta

24 W (pat) 80/10

27.12.2011

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.12.2011, Az. 24 W (pat) 80/10 (REWIS RS 2011, 28)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 28

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