Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2022, Az. 35 W (pat) 11/20

35. Senat | REWIS RS 2022, 5022

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Gegenstand

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren - Kostenfestsetzungsverfahren – „Doppelvertretungskosten im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren“ – zur Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes im Verfahren


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster …

(hier: Kostenfestsetzungsverfahren)

hat der 35. Senat ([X.]) des [X.] am 29. Juni 2022 durch [X.] sowie [X.] [X.] und Eisenrauch

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des [X.] vom 6. Juli 2020 aufgehoben.

2. Die von den Antragsgegnerinnen der Antragstellerin zu erstattenden Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens werden auf

6.242,10 €

(in Worten: [X.] 10/100 [X.])

festgesetzt.

Dieser Betrag ist ab dem 14. Februar 2020 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

3. Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin 1/3 und die Antragsgegnerinnen 2/3 zu tragen.

Gründe

[X.]

1

Die Antragsgegnerinnen waren Inhaberinnen des am 14. Januar 1999 mit acht [X.]n eingetragenen Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „ …“ (Streitgebrauchsmuster). Nachdem die Antragstellerin und die [X.] im Jahr 2007 von der Antragsgegnerin zu 1 vor dem [X.] wegen Verletzung des Streitgebrauchsmusters verklagt worden waren, hatte die Antragstellerin am 20. Juni 2008 durch einen patentanwaltlichen Vertreter beim [X.] ([X.]) die Teillöschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang des [X.] beantragt; später hat sie ihren Antrag zusätzlich gegen den Schutzanspruch 4 gerichtet. Bereits bei Antragstellung hatte die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass für sie der vor dem [X.] im Verletzungsstreit tätige Rechtsanwalt am Löschungsverfahren mitwirke. Mit Beschluss vom 1. Juli 2008 hatte das [X.] aufgrund des vorliegende Löschungsverfahren den Verletzungsstreit ausge-setzt ([X.]).

2

Vor der Gebrauchsmusterabteilung hatten am 29. Oktober 2015 und - nachdem Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten ergebnislos verlaufen waren - nochmals am 11. Mai 2017 mündliche Verhandlungen stattgefunden. Schließlich hatte die Gebrauchsmusterabteilung mit Beschluss vom 11. Mai 2017 festgestellt, dass das zwischenzeitlich (nach Erreichen der maximalen Schutzdauer) erloschene Streitgebrauchsmuster im Umfang der [X.] 1 und 4, letzterer soweit dieser auf Anspruch 1 rückbezogen war, von Anfang an unwirksam war. Mit dem Beschluss waren den Antragsgegnerinnen zugleich die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahren auferlegt worden. Nach rechtskräftigem Abschluss eines sich anschließenden Beschwerdeverfahrens (Az. 35 W (pat) 426/17), ist die Kostengrundentscheidung am 17. Dezember 2019 in Bestandskraft erwachsen.

3

Mit ihrem am 14. Februar 2020 beim [X.] eingegangenen [X.] hatte die Antragstellerin beantragt, auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 125.000 € die von den Antragsgegnerinnen für das patentamtliche Löschungsverfahren ihr zu erstattenden Kosten in Höhe von insgesamt 8.601,20 € festzusetzen. Die Antragstellerin machte hierbei u. a. neben den [X.] auch die Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt geltend - nämlich jeweils eine 2,5-fache Geschäftsgebühr nach Tatbestand Nr. 2300 VV [X.]. Außerdem hat die Antragstellerin die Verzinsung des [X.] mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Antragstellung beantragt.

4

Die Antragsgegnerinnen sind dem [X.] mit Eingaben vom 18. März 2020 und 5. Juni 2020 entgegengetreten. Sie sind der Auffassung, dass die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig seien. Die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten sei nur dann gegeben, wenn ein Abstimmungsbedarf vorgelegen habe. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Der vor dem [X.] anhängige Verletzungsstreit sei bereits unmittelbar nach Stellung des Löschungsantrags ausgesetzt worden. Im Übrigen erscheine eine 2,5-fache Geschäftsgebühr nach Tatbestand Nr. 2300 VV [X.] sowohl bezogen auf den Patentanwalt als auch auf den Rechtsanwalt unangemessen hoch. Das Löschungsverfahren sei weder durch besondere technische noch durch besondere rechtliche Schwierigkeiten gekennzeichnet gewesen; auch habe an den mündlichen Verhandlungen, die am 29. Oktober 2015 und am 11. Mai 2017 vor der Gebrauchsmusterabteilung stattgefunden hätten, kein Rechtsanwalt mitgewirkt.

5

[X.] der Gebrauchsmusterabteilung des [X.] hat auf der Grundlage der bis zum 31. Juli 2013 gültig gewesenen Gebührentabelle (§ 13 [X.]) mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Juli 2020 die erstattungsfähigen Kosten in Höhe von 3.932,50 € festgesetzt. Ferner hat sie auf der Grundlage von § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO antragsgemäß die Verzinsung des zugesprochenen Betrages mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 14. Februar 2020 ausgesprochen.

6

[X.] hat die Kosten für den Patentanwalt nur in Höhe einer 2,3-fachen Geschäftsgebühr nach Tatbestand Nr. 2300 VV [X.] als erstattungsfähig angesehen. Der Umstand, dass zwei mündliche Verhandlungen durchgeführt worden seien, habe das Verfahren besonders umfangreich gemacht; der Maximalwert einer 2,5-fache Geschäftsgebühr sei hierdurch aber nicht verdient worden. Überhaupt nicht zu erstatten seien dagegen die Kosten des Rechtsanwalts. Grund hierfür sei, dass das [X.] bereits kurz nach Einreichung des Löschungsantrags ausgesetzt und auch während des laufenden Verfahrens nicht wieder aufgenommen worden sei. Da die [X.] nur am [X.], nicht aber am vorliegenden [X.] beteiligt gewesen sei, könnten „[X.]“ nicht auf einen insoweit vermehrten Abstimmungsbedarf im Zusammenhang mit der [X.] gestützt werden. Die Erstattung von Kosten eines Patent- und einen Rechtsanwalt seien auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil Anstrengungen zu einer vergleichsweisen Streitbeilegung unternommen worden seien. Diese gehörten zum „normalen Geschäftsaufwand“ eines Anwalts.

7

Der gewährte Erstattungsbetrag setzt sich im Einzelnen - wie folgt - zusammen:

8
        

Gebührentatbestand
(Gegenstandswert gemäß
 §§ 2 Abs. 1, 33 [X.]: 125.000 €)

[X.]
VV Nr.

Satz   

Betrag
§ 13 [X.]

 [X.] Kosten des Patentanwalts

1.    

Geschäftsgebühr

2300   

2,3     

3.291,30 €

2.    

Entgeltpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen

7002   

        

20,00 €

3.    

a) Fahrtkosten

7003   

        

105,60 €

        

b) Fahrtkosten

        

105,60 €

4.    

a) Tage- und Abwesenheitsgeld

7005   

        

40,00 €

        

b) Tage- und Abwesenheitsgeld

        

70,00 €

 I[X.] Kosten des Rechtsanwalts

                 

0,00 €

 II[X.] Vorverauslagte Kosten

        

Löschungsantragsgebühr

300,00 €

9

Summe von [X.], I[X.] und II[X.]:

3.932,50 €
=========

Gegen diesen Beschluss, der der Antragstellerin am 9. Juli 2020 zugestellt worden war, hat diese am 20. Juli 2020 Beschwerde beim [X.] eingelegt und die tarifmäßige [X.] entrichtet.

Die Antragstellerin ist der Meinung, dass ihr ein Erstattungsanspruch sehr wohl auch für die Kosten ihres Rechtsanwalts zustehe. Die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten zu [X.] sei in den Fällen, in denen ein paralleler Verletzungsstreit geführt worden sei, gefestigte Rechtsprechung. Im vorliegenden Fall sei für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in analoger Weise wie beim Patentanwalt eine Geschäftsgebühr in Höhe eines 2,3-fachen Satzes nach Tatbestand Nr. 2300 VV [X.] zu erstatten. Die Antragstellerin sei nicht nur vor dem [X.] wegen Verletzung des Streitgebrauchsmusters verklagt worden, sondern habe ihrerseits - was unstreitig ist - die [X.] auf Zahlung einer Werklohnforderung verklagt, da diese gegenüber der Antragstellerin mit Verweis auf die angebliche Verletzung des Streitgebrauchsmusters Zahlungen verweigert habe. Damit seien sogar zwei parallele Zivilprozesse, in denen der rechtsanwaltliche Vertreter für die Antragstellerin jeweils tätig gewesen sei, vom Ausgang des vorliegenden [X.]s abhängig gewesen. Die wiederholten Vergleichsverhandlungen hätten nur in enger Abstimmung mit dem Rechtsanwalt erfolgen können. Dessen Mitwirkung habe sich [X.] konkret darin geäußert, dass der Löschungsantrag nachträglich auch gegen den Schutzanspruch 4 gerichtet worden sei.

Die Antragstellerin begehrt nunmehr insgesamt folgende Kostenerstattung:

        

Gebührentatbestand
(Gegenstandswert gemäß
 §§ 2 Abs. 1, 33 [X.]: 125.000 €)

[X.]
VV Nr.

Satz   

Betrag
§ 13 [X.]

 [X.] Kosten des Patentanwalts

1.    

Geschäftsgebühr

2300   

2,3     

3.291,30 €

2.    

Entgeltpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen

7002   

        

20,00 €

3.    

a) Fahrtkosten

7003   

        

105,60 €

        

b) Fahrtkosten

        

105,60 €

4.    

a) Tage- und Abwesenheitsgeld

7005   

        

40,00 €

        

b) Tage- und Abwesenheitsgeld

        

70,00 €

 I[X.] Kosten des Rechtsanwalts

1.    

Geschäftsgebühr

2300   

2,3     

3.291,30 €

2.    

Entgeltpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen

7002   

        

20,00 €

 II[X.] Vorverauslagte Kosten

        

Löschungsantragsgebühr

300,00 €

Summe von [X.], I[X.] und II[X.]:

7.243,80 €
========

Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des [X.]s vom 6. Juli 2020 aufzuheben und bei den ihr von den Antragsgegnerinnen zu erstattenden Kosten zusätzlich eine 2,3-fache Geschäftsgebühr nach Tatbestand Nr. 2300 VV [X.] nebst einer Post- und Telekommunikationspauschale für den mitwirkenden Rechtsanwalt mitanzusetzen sowie die Verzinsung des neu festgesetzten Betrages in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 14. Februar 2020 auszusprechen.

Der Antragsgegnerinnen haben sinngemäß beantragt,

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerinnen sind nach wie vor der Ansicht, dass eine Erstattung von Kosten für den hinzugezogenen Rechtanwalt nicht in Frage komme. Die von der Antragstellerin genannte Rechtsprechung, nach der „[X.]“ unter gewissen Umständen als erstattungsfähig anzusehen seien, könne nicht auf den vorliegenden Fall angewandt werden, bei dem das parallele [X.] ausgesetzt worden sei. Um dieses Ziel zu erreichen, habe es ersichtlich keiner Abstimmung mit dem Rechtsanwalt bedurft. Die Antragstellerin habe es unterlassen, hinreichend konkret darzulegen, in welcher Weise und in welchem Umfang der Rechtsanwalt am Verfahren tatsächlich mitgewirkt habe. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Rechtsanwalt an der Erweiterung des Löschungsantrags in Richtung auf Schutzanspruch 4 oder an der Stellung der späteren Hilfsanträge mitgewirkt habe. Die neuen Hilfsanträge hätten im Übrigen für das [X.] keine Relevanz gehabt, da dieses Verfahren ausgesetzt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

I[X.]

1. Die am 20. Juli 2020 von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde ist zulässig. Die Antragstellerin hat ihre Beschwerde innerhalb der 2-wöchigen Frist nach § 17 Abs. 4 Satz 2 [X.] [X.] m. §§ 62 Abs. 2 Satz 4, 73 [X.] beim [X.] erhoben. Innerhalb dieser Frist hat sie auch die [X.] in Höhe von 50 € (Nr. 401 200 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) ordnungsgemäß einbezahlt.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin hat teilweise Erfolg. Im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 17 Abs. 4 [X.] [X.] m. § 62 Abs. 2 Sätze 2 f. und § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] m. §§ 91 Abs. 2, 104 ZPO sind die der Antragstellerin entstandenen Kosten insoweit als erstattungsfähig zu berücksichtigen, als sie zur zweckentsprechenden Wahrung ihrer Ansprüche und Rechte notwendig waren. Hiernach erweist sich der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss insoweit als fehlerhaft, als die Gebrauchsmusterabteilung der Antragstellerin die Erstattung von „[X.]“ insgesamt verweigert hat.

a) [X.] ist in zutreffender Weise davon ausgegangen, dass die Gebühren für eine patentanwaltliche Tätigkeit nach den für Rechtsanwälte gültigen Vorschriften des [X.] angesetzt werden können (vgl. B[X.]E 49, 29, 30 ff.) und dass im Falle eines [X.]s der Gebührentatbestand Nr. 2300 VV [X.] (Geschäftsgebühr) einschlägig ist. Zwar tragen die Löschungsverfahren vor den Abteilungen des [X.] Züge eines justizförmigen Verfahrens (vgl. [X.], 231, 233 - „Legostein“ und [X.] 2015, 112, 113 - „[X.]/[X.]“), gebührenrechtlich sind sie aber als Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde anzusehen (vgl. [X.]/Rudloff-Schäffer, [X.], 11. Aufl., § 26 Rn. 4).

[X.] hat bei der Kostenfestsetzung in zutreffender Weise auch jene Gebührentabelle zum [X.] herangezogen, die bis zum 31. Juli 2013 in [X.] war. Gemäß §60 Abs.1 [X.] [X.] richten sich die erstattungsfähigen Kosten nach jener Gebührentabelle, die bei Auftragserteilung an den anwaltlichen Vertreter Gültigkeit besaß. Wie sich anhand des am 20. Juni 2008 beim [X.] eingegangenen Löschungsantrags ergibt, hatten sowohl der Rechtsanwalt als auch der Patentanwalt noch deutlich vor dem 31. Juli 2013 ihr Mandat erhalten.

b) Im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 17 Abs. 4 [X.] [X.] m. § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] und § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO sind die einer Verfahrensbeteiligten erwachsenen Kosten insoweit berücksichtigungsfähig, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (§ 17 Abs. 4 [X.] [X.] m. § 62 Abs. 2 [X.]).

b1) Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist zwischen den Beteiligten nur noch in Streit geblieben, ob auf Seiten der Antragstellerin Kosten für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in Höhe von 3.291,30 € im Rahmen der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen sind. Die weiteren Posten des [X.]s einschließlich der zugrunde zu legende Gegenstandswert sind nicht streitgegenständlich.

b2) Die zusätzliche Beauftragung des Rechtsanwalts gehört hier dem Grunde nach zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weshalb die insoweit entstandenen Aufwendungen als notwendige Kosten erstattungsfähig sind.

b2a) Der erkennende Senat erachtet die Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung des [X.] ([X.]), die dieser bei der Erstattungsfähigkeit von „[X.]“ im patentrechtlichen [X.] anwendet ([X.] GRUR 2013, 427 ff.), auch bei einem [X.] für geboten (vgl. B[X.] BlPMZ 2017, 373 ff. = B[X.]E 56, 28 ff - „[X.] im [X.]“). Dies rechtfertigt sich daraus, dass der [X.] dem Abstimmungsaspekt in seiner neueren, oben zitierten Rechtsprechung erkennbar eine wesentliche Bedeutung beimisst und dieser Aspekt wegen der vergleichbaren Sach- und Interessenlage im [X.] auch dort eine große Bedeutung hat.

b2b) Nach der genannten Rechtsprechung bildet eine typisierende Betrachtungsweise die Grundlage, weshalb die Antragstellerin - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen - keine Obliegenheit dadurch verletzt hat, dass sie nicht im Einzelnen dargelegt hat, in welcher Weise ein konkreter Abstimmungsbedarf zwischen den Verfahren entstanden und hierdurch die Mitwirkung des Rechtsanwalts am [X.] stattgefunden hat. Eine derartige Darlegungslast will die genannte Rechtsprechung für das Kostenfestsetzungsverfahren - auch vor dem Hintergrund des § 104 Abs. 2 ZPO - gerade vermeiden. Nicht zuletzt deshalb, weil die Antragstellerin bereits mit Stellung des Löschungsantrags ausdrücklich angezeigt hatte, dass der Rechtsanwalt des [X.]s am [X.] mitwirken werde, steht dessen Hinzuziehung vorliegend außer Zweifel. Der prozessuale Erstattungsanspruch gründet sich sodann alleine darauf, dass die vorliegenden Beteiligten neben dem hier in Rede stehenden patentamtlichen Löschungsverfahren auch einen Verletzungsstreit vor dem [X.] geführt haben, in welchem eine der beiden Antragsgegnerinnen wegen Verletzung des Streitgebrauchsmusters gegen die Antragstellerin vorgegangen war. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass, selbst wenn nur eine einfachere Verteidigungsstrategie verfolgt wird, eine konsistente, die wechselseitigen Auswirkungen von Löschungsverfahren und Verletzungsrechtsstreit berücksichtigende Verfahrensführung erforderlich ist und somit eine Mitwirkungsnotwendigkeit des Rechtsanwalts gegeben ist. Darüber hinaus ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch das von der Antragstellerin vor dem [X.] Würzburg gegen die [X.] geführte, parallele Klageverfahren, bei dem sich die Antragstellerin durch denselben Rechtsanwalt vertreten ließ, dessen Mitwirkung am vorliegenden [X.] sinnvoll machte.

b2c) Der Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung, die Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts seien deshalb nicht zu erstatten, weil das vor dem [X.] anhängig gewesene [X.] kurz nach Einreichung des Löschungsantrags ausgesetzt und auch während des laufenden [X.] nicht wieder aufgenommen worden sei, ist nicht zu folgen. Gleiches trifft auf den ergänzenden Einwand der Antragstellerinnen zu, wonach die Aussetzung des [X.]s zum Wegfall eines [X.] geführt hätte, da hierdurch die Erweiterung des Löschungsantrags auf [X.] oder die Formulierung von [X.] irrelevant geworden wären.

Es trifft zwar zu, dass in Fällen, in denen ein Verletzung- oder Verfügungsverfahren und ein [X.] sich nur kurz zeitlich überschneiden, die Hinzuziehung des Rechtsanwalts als im Sinne von in § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig erachtet werden kann (vgl. B[X.]E 53, 173, 176 - „[X.] im [X.] VIII“); diese Sichtweise kann aber nicht auf den vorliegenden Fall einer Aussetzung des [X.]s übertragen werden. Das Gebot, für eine konsistente, die wechselseitigen Auswirkungen von Löschungsverfahren und Verletzungsrechtsstreit berücksichtigende Verfahrensführung zu sorgen, fällt erst dann weg, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag oder eine Verletzungsklage abschließend erledigt sind. Eine Aussetzung stellt in diesem Sinne keinen Fall einer Erledigung dar. Bei einer Aussetzung muss stets Sorge dafür getragen werden, dass das parallele [X.] wieder aufgenommen wird; dies führt dazu, dass bei der weiteren Führung des [X.] in vorausschauender Weise Handlungen vorbereitet werden müssen. Auch diese bedürfen der Abstimmung und erfordern damit das Zusammenwirken von Patentanwalt und Rechtsanwalt. Dies gilt vorliegend umso mehr, als im Aussetzungszeitraum zwischen den Beteiligten Vergleichsverhandlungen stattgefunden hatten, die auch den Verletzungsrechtsstreit betrafen (s. u. unter Abschnitt [X.])).

b3) Die Antragstellerin kann in der Sache mit ihrer Beschwerde auch insoweit durchdringen, als die Tätigkeit des mitwirkenden [X.] als umfangreich und/oder schwierig bewertet werden muss. Allerdings hat es hierbei mit einer 1,6-fachen Gebühr nach Tatbestand Nr. 2300 VV [X.] sein Bewenden, da nur in diesem Umfang eine Vergütung im Sinne von § 14 Abs. 1 [X.] als angemessen anerkannt werden kann.

[X.]) [X.] ist beim Patentanwalt in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass dieser eine 2,3-fache Geschäftsgebühr nach Tatbestand Nr. 2300 VV [X.] verdient hat, da das patentamtlichen Löschungsverfahren jedenfalls wegen der zwei durchgeführten mündliche Verhandlungen besonders umfangreich war. In Bezug auf den Rechtsanwalt trifft dies aber nicht zu. Dieser hat - worauf die Antragsgegnerinnen bereits erstinstanzlich hingewiesen hatten - an keiner der beiden mündlichen Verhandlungen vor der Gebrauchsmusterabteilung teilgenommen, also weder an der vom 29. Oktober 2015 noch an der vom 11. Mai 2017. Dieser Einwand ist insoweit beachtlich, als nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats bei Gebrauchsmustersachen, die ohne mündliche Verhandlung erledigt werden (und die weder in technischer noch in rechtlicher Hinsicht schwierig waren), gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] regelmäßig nur eine Geschäftsgebühr in Höhe eines 1,3-fachen Satzes verdient wird (vgl. auch: [X.] GRUR 2014, 206, 208 - „Einkaufskühltasche“) und mit diesem 1,3-fachen Satz einer Verfahrens- bzw. Geschäftsgebühr grundsätzlich auch der Vorbereitungsaufwand eines anwaltlichen Vertreters für eine (später nicht stattgefundene) mündliche Verhandlung abgegolten ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 17 Rn. 173).

[X.]) Zugunsten der Antragstellerin muss allerdings berücksichtigt werden, dass es im Zeitraum zwischen dem 29. Oktober 2015 und dem 30. Juni 2016 wiederholt zu Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien gekommen war und diese - gemäß dem Vortrag der Antragstellerin - stets in enger Abstimmung mit dem Rechtsanwalt geführt worden waren. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass derartige Verhandlungen regelmäßig auf die gleichzeitige Erledigung von Löschungs- und parallelem [X.] gerichtet sind und daher stets unter Mitwirkung des anwaltlichen Vertreters aus dem [X.] erfolgen. Die Antragsgegnerinnen haben dem Vortrag nicht widersprochen, sondern lediglich eine konkrete Darlegung der einzelnen Mitwirkungshandlungen für erforderlich gehalten, weshalb die Mitwirkung des Rechtsanwalts an den Vergleichsverhandlungen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Auf die Frage, ob der Rechtsanwalt an der Erweiterung des Löschungsantrags mitgewirkt hat, kommt es nicht entscheidungserheblich an.

Unzutreffend ist die Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung auch insoweit, als sie außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zum „normalen Geschäftsaufwand“ eines Anwalts zählt und sich derartige Verhandlungen gebührenrechtlich nicht auswirkten könnten. Wie sich aus der Vorbemerkung zu Teil 3, Absatz 3, des VV [X.] ergibt, sieht das [X.] dann die Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen von Parteien als gebührenrechtlich relevant an, wenn diese auf eine vergleichsweise Erledigung eines Verfahrens gerichtet sind. Diese Rechtslage hat auch Auswirkungen auf die Höhe einer Geschäftsgebühr nach Tatbestand Nr. 2300 VV [X.]: Haben im Rahmen eines Verwaltungsverfahren mehrfach außergerichtliche, auf Streitbeilegung abzielende Besprechungen stattgefunden, die der Angelegenheit einen umfangreichen und/oder schwierigen Charakter verleihen, so soll diesem Umstand durch eine Erhöhung der nach Nr. 2300 VV [X.] bei 1,3 liegenden Regelgebühr Rechnung getragen werden (vgl. Gerold/Schmidt/[X.], [X.], 25. Aufl., Rn. 20 und 37 zu [X.]; Göttlich/Mümmler/Dörndorfer, [X.], 7. Aufl., Stichwort: „Geschäftsgebühr“, S. 537). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, wobei der erkennende Senat auch keine Bedenken hat, den gesteigerten Umfang der Sache für den hier in Rede stehenden Rechtsanwalt sowohl auf den Umstand zu stützen, dass dieser die Antragstellerin im Verletzungsprozess vor dem [X.] vertrat als auch im [X.] gegen die [X.].

d) Hiernach errechnen sich die erstattungsfähigen Kosten der Antragstellerin auf der Grundlage der bis zum 31. Juli 2013 gültig gewesenen Gebührentabelle des [X.] (vgl. oben) wie folgt:

        

Gebührentatbestand
(Gegenstandswert gemäß
 §§ 2 Abs. 1, 33 [X.]: 125.000 €)

[X.]
VV Nr.

Satz   

Betrag
§ 13 [X.]

 [X.] Kosten des Patentanwalts

1.    

Geschäftsgebühr

2300   

2,3     

3.291,30 €

2.    

Entgeltpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen

7002   

        

20,00 €

3.    

a) Fahrtkosten

7003   

        

105,60 €

        

b) Fahrtkosten

        

105,60 €

4.    

a) Tage- und Abwesenheitsgeld

7005   

        

40,00 €

        

b) Tage- und Abwesenheitsgeld

        

70,00 €

 I[X.] Kosten des Rechtsanwalts

1.    

Geschäftsgebühr

2300   

1,6     

2.289,60 €

2.    

Entgeltpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen

7002   

        

20,00 €

 II[X.] Vorverauslagte Kosten

        

Löschungsantragsgebühr

300,00 €

Summe von [X.], I[X.] und II[X.]:

6.242,10 €
========

3. Die Verzinsung des festgesetzten Betrages war gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO - wie zuvor im angefochtenen Beschluss ausgesprochen - wieder beginnend mit dem 14. Februar 2020 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auszusprechen.

4. Der Senat hat im schriftlichen Verfahren entschieden, da gemäß §§ 18 Abs. 2 [X.], 84 Abs. 2 Satz 2, 99 Abs. 1 [X.] [X.] m. §128 Abs. 4 ZPO die Durchführung einer mündlichen Verhandlung weder vorgeschrieben ist noch angezeigt erschien. Vorliegend war es zudem nicht erforderlich, weitere Ermittlungen anzustellen oder auf ergänzenden Vortrag hinzuwirken. Die beiden Verfahrensbeteiligten hatten umfassend Gelegenheit, sich zum Vorbringen der jeweiligen Gegenseite zu äußern.

5. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] m. § 84 Abs. 2 [X.] und § 92 Abs. 1 ZPO, die auch bei [X.] in Löschungsverfahren anwendbar sind (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 18 Rn. 151). Da die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde in deutlich überwiegendem Umfang durchgedrungen ist, waren die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zwischen den Beteiligten (wie im Tenor ausgesprochen) zugunsten der Antragstellerin im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zu verteilen. Gründe, die billigerweise eine andere Kostenentscheidung geboten erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.

Meta

35 W (pat) 11/20

29.06.2022

Bundespatentgericht 35. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 17 Abs 4 GebrMG, § 62 Abs 2 PatG, § 84 Abs 2 S 2 PatG, § 91 Abs 2 ZPO, § 104 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2022, Az. 35 W (pat) 11/20 (REWIS RS 2022, 5022)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5022

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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