Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.06.2016, Az. 4 AZR 485/14

4. Senat | REWIS RS 2016, 9917

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Gegenstand

Entgeltansprüche - Auslegung einer Bezugnahmeklausel - anderweitige Rechtshängigkeit - Berufungsrücknahme - Rechtskraft - präjudizielle Wirkung


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. November 2013 - 6 [X.]/13 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über [X.] für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2012.

2

Die Beklagte ist Trägerin eines Zwei-Sparten-Theaters in [X.] und [X.] Sie ist Mitglied im [X.], Bundesverband der Theater und Orchester.

3

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1982 als Beleuchter/Stellwerksbeleuchter beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 27. April 1994 heißt es ua.:

        

„§ 2   

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften (BMT-G-O vom 10. Dezember 1990) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.]) jeweils geltenden [X.]assung.

        

Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

        

…       

        

§ 4     

        

Die Eingruppierung und die Vergütung richten sich nach der Vergütungsordnung zum BMT-G-O für den Bereich der [X.].

        

BMT-G-O L 4

Tätigkeit: Beleuchter

        

plus [X.]“

4

Am 28. [X.]ebruar 1996 änderten die Parteien den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Eingruppierung.

5

Ab 1996 schloss die Beklagte für die Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des [X.] und BMT-G-O fielen, [X.], ua. den „[X.] entsprechend § 15c Abs. 2 [X.]/§ 14c BMT-G-O ‚Besondere regelmäßige Arbeitszeit‘“ ([X.]) ab, mit dem die wöchentliche Arbeitszeit zeitlich befristet auf 37 Stunden herabgesetzt wurde.

6

Am 18. Januar 2005 vereinbarte die Beklagte mit der [X.] ([X.]) einen Haustarifvertrag ([X.]), in dem es ua. heißt:

        

„…    

        

§ 1 Tarifanwendung

        

Die Tarifparteien vereinbaren die Anwendung des [X.]/BMT-G-O einschließlich der sie ergänzenden, ändernden oder an ihre Stelle tretenden Tarifverträge in der jeweils gültigen [X.]assung. Der NV Bühne kommt für die Mitglieder der [X.] nicht zur Anwendung.

        

…       

        

§ 3 Besondere Regelungen zur Arbeitszeit / Blockfreizeit

        

1.    

[X.]ür den Zeitraum vom 1. August 2005 bis zum 31. Juli 2008 wird die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit der Beschäftigten … auf durchschnittlich 37 Stunden verkürzt. …

        

§ 6 Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

        

1.    

Der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen ist erstmals ab 1.8.2008 zulässig.

        

…       

        

§ 7 Vergütung

        

…       

        

3.    

Die linearen Tarifsteigerungen und strukturellen Angleichungen im [X.]/BMT-G-O bleiben von diesem Tarifvertrag unberührt.

        

…       

        

§ 9 Inkrafttreten / Geltungsdauer

        

1.    

Dieser Tarifvertrag tritt am [X.] in [X.]. Er kann unter Einhaltung einer [X.]rist von einem halben Jahr erstmals zum 31.7.2008 gekündigt werden.

        

2.    

Die §§ 3 und 7 treten automatisch zum 31.7.2008 ohne Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 des Tarifvertragsgesetzes außer [X.].

        

…“    

7

Die Beklagte kündigte am 4. März 2008 den [X.] zum 5. September 2008.

8

Im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2012 zahlte die Beklagte an den Kläger ein regelmäßiges monatliches Entgelt in Höhe von 2.474,80 Euro brutto. Der Betrag entspricht dem Tabellenentgelt der [X.] 6 Stufe 6 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.]/[X.]) im Kalenderjahr 2009.

9

Mit Schreiben vom 27. Mai 2010 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Tarifentgelterhöhungen für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 geltend, die die Beklagte zurückwies. Mit seiner der Beklagten am 13. Januar 2011 zugestellten Klage ([X.] - 10 Ca 41/11 -) machte er bezifferte [X.] für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010 geltend und beantragte zuletzt,

        

„…    

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Mai 2011 ein um 1,8 % erhöhtes monatliches Tabellenentgelt gemäß dem TVöD-[X.]-O auf Grundlage der [X.] 6, Stufe 6 zu zahlen und dem Kläger darüber hinaus entsprechende Lohn-/Gehaltsabrech-nungen zu erteilen;

                 

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Mai 2011 ein um 1,8 % erhöhtes monatliches Tabellenentgelt gemäß dem TVöD-[X.]-O auf Grundlage der [X.] 6, Stufe 6 zu zahlen und dem Kläger darüber hinaus entsprechende Lohn- bzw. Gehaltsabrechnungen zu erteilen;

        

4.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, zukünftig, beginnend mit dem Monat Juni 2011, an den Kläger ein um 1,8 % und ab dem 1. August 2011 ein um weitere 0,5 % erhöhtes Tabellenentgelt gemäß dem TVöD-[X.]-O auf Grundlage der [X.] 6, Stufe 6 zu zahlen und dem Kläger darüber hinaus entsprechende Lohn-/Gehaltsabrechnungen zu erteilen;

                 

…       

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010 ein um 0,25 % auf 1,25 % sowie für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2011 um 0,25 % auf 1,50 % erhöhtes Leistungsentgelt nach § 18 Abs. 4 TVöD-[X.] an den Kläger zu zahlen und darüber hinaus entsprechende Lohn-/Gehaltsabrechnungen zu erteilen;

                 

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010 ein um 0,25 % auf 1,25 % sowie für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2011 um 0,25 % auf 1,50 % erhöhtes Leistungsentgelt nach § 18 Abs. 4 TVöD-[X.] an den Kläger zu zahlen und darüber hinaus entsprechende Lohn-/Gehaltsabrechnungen zu erteilen;

        

7.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab 1. Juni 2011 für das [X.] ein um 0,25 % auf 1,50 %, für das [X.] ein um 0,25 % auf 1,75 % und für das [X.] ein um 0,25 % auf 2,00 % erhöhtes Leistungsentgelt nach § 18 Abs. 4 TVöD-[X.] an den Kläger zu zahlen.“

Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. Juni 2011 als teilweise unzulässig und insgesamt unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen heißt es:

        

„1.     

Die Klage ist nur teilweise zulässig.

                 

Die Klageanträge zu 3. und 6. sind wegen §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mangels Bestimmtheit unzulässig. Mit diesen Hauptanträgen begehrt der Kläger Zahlung von der Beklagte[n], ohne aber mit den Leistungsanträgen anzugeben, in welcher konkreten Höhe die geltend gemachten [X.]orderungen bestehen sollen.

                 

Soweit der Kläger seine Ansprüche im Übrigen im Wege von [X.]eststellungsanträgen verfolgt, sind diese ebenfalls unzulässig, da hier das nach § 256 Abs. 1 ZPO besondere [X.]eststellungsinteresse nicht gegeben ist. …

        

2.    

Die Klage ist aber insgesamt unbegründet. …“

Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Berufung beim [X.] (- 5 [X.] -) ein und stellte für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2012 anstelle der erstinstanzlich geltend gemachten [X.]eststellungsanträge nunmehr bezifferte Zahlungsanträge. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2012 bereits die „Zurückweisung der Berufung einschließlich der [X.]“ beantragt hatte, nahm der Kläger dann die Berufung zurück. Die Beklagte widersprach der Berufungsrücknahme. Das [X.] erließ daraufhin einen Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO.

Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren die Auffassung vertreten, der Arbeitsvertrag verweise dynamisch auf die jeweiligen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Er habe deshalb für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2012 Anspruch auf Zahlung der [X.] in Höhe der seit 2009 erfolgten Erhöhungen des Tabellenentgelts des [X.]/[X.].

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.056,06 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz in näher bestimmtem Umfang und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, der Antrag sei schon aufgrund der rechtskräftigen Abweisung der Ansprüche im Vorprozess oder jedenfalls anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Der Kläger habe den [X.] für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2012 bereits im Berufungsverfahren des [X.] im Wege der [X.] geltend gemacht. Die Berufungsrücknahme im Vorprozess erfasse die [X.] nicht. Sie habe ihre Zustimmung zur Rücknahme ausdrücklich verweigert. In der Sache finde der [X.]/[X.] für das Arbeitsverhältnis nur noch statisch Anwendung. Der Arbeitsvertrag verweise auf den [X.]. Aus § 7 Nr. 3 und § 9 Nr. 2 [X.] ergebe sich, dass nach dem 31. Juli 2008 keine Pflicht zur Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen mehr bestehe. Jedenfalls sei die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel als „vorweggenommene Gleichstellungsabrede“ zu verstehen. Die Ansprüche seien im Übrigen nicht rechtzeitig geltend gemacht worden.

Die Vorinstanzen haben der Klage - soweit für die Revision von Belang - stattgegeben. Mit der vom Senat beschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Zwar durfte das [X.] der Klage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung stattgeben ([X.]). Die Entscheidung stellt sich gleichwohl aus anderen Gründen als richtig dar (I[X.]). De[X.]alb war die Revision gem. § 561 ZPO zurückzuweisen.

[X.] Entgegen der Auffassung des [X.]s enthält § 2 des Arbeitsvertrags keine Bezugnahme auf den [X.].

1. Der [X.] ist kein den [X.]/[X.] „ergänzender, ändernder oder ersetzender“ Tarifvertrag iSv. § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags. Nach dem Wortlaut der Bezugnahmeregelung ist das Arbeitsverhältnis den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes „für den Bereich der [X.]“ unterstellt worden. Damit sollten nur die von den Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] abgeschlossenen ([X.] in Bezug genommen werden. Dies können zwar auch firmenbezogene [X.] sein. Sie müssen dann aber unter Beteiligung des [X.] geschlossen worden sein. Nicht von der [X.] erfasst sind hingegen Haustarifverträge eines privaten Arbeitgebers. Diese sind - jedenfalls arbeitgeberseitig - nicht von den Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] abgeschlossen worden (vgl. [X.] 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 15).

2. Eine Bezugnahme auf den [X.] ergibt sich auch nicht aus § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags, wonach „[a]ußerdem … die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung“ finden sollen.

a) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung. Der Begriff „außerdem“ bedeutet „daneben“, „des Weiteren“, „im Übrigen“, „zusätzlich“ ([X.] [X.]). Aus der Wortwahl ergibt sich, dass mit dieser ergänzenden Bezugnahmeregelung Tarifverträge erfasst werden sollten, die „neben“ dem [X.] oder „zusätzlich“ zu diesem zur Anwendung kommen können. Dabei kann es sich nur um Tarifverträge handeln, deren inhaltliche Regelungsbereiche sich nicht mit denen des [X.] überschneiden. Andernfalls wären sie nicht „neben“ dem, sondern vielmehr „anstelle“ des [X.] anwendbar ([X.]. zur Auslegung einer nahezu identischen Klausel [X.] 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 17 mwN).

b) Dieses Verständnis wird durch die Bezugnahme auf die „sonstigen“ einschlägigen Tarifverträge bestätigt. Ein verständiger Vertragspartner des Arbeitgebers durfte diese Formulierung als inhaltliche Einschränkung der Verweisung, dh. dahingehend verstehen, dass es sich insoweit nur um solche Tarifverträge handeln sollte, die sich in ihrem inhaltlichen Regelungsbereich von denen der Tarifverträge des [X.]/[X.] unterscheiden und diese nicht „verdrängen“. Andernfalls käme der Regelung in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags - was die Beklagte offenbar annimmt - die Funktion einer Tarifwechselklausel zu. Eine kleine dynamische Verweisung kann jedoch über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung (Tarifwechselklausel) ausgelegt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen ergibt (vgl. nur [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] 706/09 - Rn. 45 mwN, [X.]E 138, 269). Solche sind dem Wortlaut der [X.] im [X.] nicht zu entnehmen (vgl. auch [X.] 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 18).

I[X.] Die Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar.

1. Die Klage ist zulässig. Die geltend gemachten Ansprüche sind weder anderweitig recht[X.]ängig noch steht die Rechtskraft des Urteils des [X.] vom 21. Juni 2011 ihrer Zulässigkeit entgegen.

a) Der in die Revision gelangte Streitgegenstand ist nicht anderweitig recht[X.]ängig iSv. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Zwar hat der Kläger in dem Berufungsverfahren vor dem Sächsischen [X.] (- 5 [X.] -) einen [X.] für denselben Zeitraum (Januar 2011 bis Mai 2012) gestellt. Durch die Berufungsrücknahme im Vorprozess ist dessen Recht[X.]ängigkeit jedoch insgesamt entfallen.

aa) Die Erklärung des [X.] in der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2012 vor dem [X.], er „nehme die Berufung zurück“ bezieht sich auf das gesamte im Berufungsverfahren verfolgte Begehren. So haben auch sowohl die Parteien als auch das [X.] die Erklärung verstanden. Dieses hat auf Antrag der Beklagten daraufhin einen Kostenbeschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO erlassen.

bb) Die Rücknahme der Berufung war auch wirksam. Der Zustimmung der Beklagten bedurfte es nicht.

(1) Gem. § 516 Abs. 1 ZPO kann der Berufungskläger die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils ohne Zustimmung des Berufungsbeklagten zurücknehmen. Die Vorschrift stellt gegenüber § 269 ZPO eine Sonderregelung für die Rücknahme des Rechtsmittels dar ([X.]/[X.]/[X.]/[X.] ZPO 74. Aufl. § 269 Rn. 1). Die Rücknahme der Klage im Berufungsverfahren bedarf demgegenüber grundsätzlich der Zustimmung des Beklagten. § 269 Abs. 1 ZPO gilt auch im Berufungsverfahren (zB [X.]/[X.] ZPO 31. Aufl. § 516 Rn. 1). Das Zustimmungserfordernis erfasst grundsätzlich auch die teilweise Klagerücknahme. Dies setzt aber voraus, dass sich diese auf einen abtrennbaren Teil des Klagebegehrens bezieht (MüKoZPO/[X.]. § 264 Rn. 23). Bei einer lediglich qualitativen Klagebeschränkung - zB einem Übergang von einem Leistungs- zu einem Feststellungsantrag - ist § 269 Abs. 1 ZPO unabhängig von der Frage, ob es sich dabei um einen Fall des § 264 Nr. 2 ZPO handelt, nicht anzuwenden. Eine solche Beschränkung des [X.] bedarf daher nicht der Zustimmung des [X.] (vgl. [X.] 14. Dezember 2010 - 9 [X.] 642/09 - Rn. 21).

(2) Danach findet § 269 Abs. 1 ZPO im Streitfall keine Anwendung. Der Kläger hat seine Klage in der Berufungsinstanz des [X.] nicht etwa um einen selbständigen - abtrennbaren - Streitgegenstand erweitert. Er hat vielmehr lediglich teilweise einen unbezifferten in einen bezifferten und teilweise den ursprünglich gestellten Feststellungsantrag hinsichtlich der zwischenzeitlich fällig gewordenen Ansprüche in einen - bezifferten - Leistungsantrag umgestellt. Seine Erklärung der Berufungsrücknahme, die ersichtlich auf die Rücknahme des gesamten Berufungsbegehrens gerichtet war, ist entsprechend dahingehend zu verstehen, dass er seinen Antrag zunächst - soweit ein Übergang vom Feststellungs- zum [X.] erfolgt war - wieder auf das Feststellungsbegehren beschränken und das Rechtsmittel sodann zurücknehmen wollte. Beides war ohne Zustimmung der Beklagten möglich. Die Frage, ob und ggf. in welchen Fällen eine in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung allein nach § 516 Abs. 1 ZPO ohne Zustimmung des [X.] zurückgenommen werden kann, bedarf de[X.]alb keiner Entscheidung.

b) Der Zulässigkeit der Zahlungsklage steht auch nicht eine Rechtskraft des Urteils des [X.] vom 21. Juni 2011 entgegen. Die materielle Rechtskraft eines Urteils führt in einem späteren Rechtsstreit nur dann zur Unzulässigkeit der neuen Klage, wenn die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind oder im zweiten Prozess das kontradiktorische Gegenteil der im ersten Prozess ausgesprochenen Rechtsfolge begehrt wird ([X.] 16. Januar 2008 - [X.]/05 - Rn. 22). Das ist hier nicht der Fall. Gegenstand des rechtskräftig gewordenen - erstinstanzlichen - Urteils im Vorprozess war für den hier streitgegenständlichen Zeitraum eine Feststellung, während hier ein Zahlungsanspruch geltend gemacht wird. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. [X.] 16. Januar 2008 - [X.]/05 - aaO).

2. Die Klage ist begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Entgeltdifferenzansprüche zu.

a) Der Anspruch des [X.] auf die begehrten [X.] für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Mai 2012 ergibt sich aus § 2 Satz 1 iVm. § 4 des Arbeitsvertrags. Die genannten Vertragsklauseln enthalten eine zeitdynamische Verweisung auf den [X.]/[X.] in seiner jeweiligen Fassung.

aa) § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom 27. April 1994 verweist auf den BMT-G-O vom 10. Dezember 1990 sowie ergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge in der für den Bereich der [X.] jeweils geltenden Fassung. Diese arbeitsvertragliche [X.] ist eine zu dieser Zeit typische zeitdynamische Inbezugnahme des BMT-G-O in seiner jeweiligen Fassung (vgl. [X.] 15. Juni 2011 - 4 [X.] 563/09 - Rn. 29). Sie erfasst nach der Tarifsukzession auch den [X.]/[X.]. Bei diesem handelt es sich um einen den BMT-G-O ersetzenden Tarifvertrag im Sinne der Klausel (vgl. ausführlich [X.] 22. April 2009 - 4 [X.] - Rn. 21 ff., [X.]E 130, 286).

bb) Die [X.] ist keine Gleichstellungsabrede im Sinne der Senatsrechtsprechung. Die von der Rechtsprechung angenommenen Voraussetzungen liegen nicht vor (vgl. dazu zuletzt [X.] 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 21; 13. Mai 2015 - 4 [X.] 244/14 - Rn. 20 mwN).

(1) Zum Zeitpunkt der Vereinbarung der [X.] am 27. April 1994 war die Beklagte nicht an den in Bezug genommenen BMT-G-O gebunden. Sie war zu keinem Zeitpunkt Mitglied eines Mitgliedsverbands der [X.].

(2) Der Abschluss des [X.] vom 30. Juni 1996 führt entgegen der Auffassung der Beklagten zu keinem anderen Ergebnis.

(a) Der [X.] hat, anders als der [X.], keine Gebundenheit der Beklagten an den BMT-G-O zur Folge. In § 1 des [X.] wurde lediglich der Geltungsbereich entsprechend dem Geltungsbereich des BMT-G-O festgelegt. Dies stellt keinen Verweis auf die Inhaltsnormen des BMT-G-O dar. Tarifgebunden an den BMT-G-O war die Beklagte damit auch im Jahre 1996 nicht.

(b) Überdies wurde der [X.] erst mehr als zwei Jahre nach der arbeitsvertraglichen [X.] vereinbart. Selbst die von der Beklagten angeführte Arbeitsvertragsänderung vom Februar 1996 lag zeitlich vor dem Abschluss des [X.]. Eine „vorweggenommene Gleichstellungsabrede“ - wie die Beklagte meint - gibt es nicht. Die [X.] zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist für die Annahme einer Gleichstellungsabrede in einem „Altvertrag“ zwingende Voraussetzung.

b) Dem Anspruch des [X.] steht auch die rechtskräftige Abweisung der Feststellungsanträge zu 3. (Hilfsantrag) und 4. durch das Urteil des [X.] vom 21. Juni 2011 nicht entgegen.

aa) Für die Bestimmung des Rechtskraftumfangs eines klageabweisenden Urteils ist von maßgebender Bedeutung, ob es sich um ein bloßes Prozessurteil handelt, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist, oder um ein die Begründetheit verneinendes Sachurteil. Lediglich letzterem kann eine präjudizielle Wirkung hinsichtlich der materiellen Sachprüfung im nachfolgenden Verfahren zukommen (vgl. [X.] 25. November 1966 - V ZR 30/64 - zu II a der Gründe, [X.]Z 46, 281).

Der Umfang der materiellen Rechtskraft gem. § 322 Abs. 1 ZPO ist aus dem Urteil und den dazu ergangenen Gründen zu bestimmen ([X.] 27. Mai 2015 - 5 [X.] 88/14 - Rn. 40, [X.]E 152, 1). Erforderlichenfalls kann auch das wechselseitige Parteivorbringen ergänzend herangezogen werden (vgl. [X.] 4. April 2014 - V ZR 275/12 - Rn. 29, [X.]Z 200, 350). Bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der ausschlaggebende [X.] Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung (vgl. [X.] 10. April 2014 - 2 [X.] 812/12 - Rn. 29).

(1) Lassen die Urteilsgründe eines klageabweisenden Urteils die Zulässigkeit der Klage - [X.] - dahinstehen, ist es der uneingeschränkten materiellen Rechtskraft fähig, wenn aus dessen Tenor und Entscheidungsgründen ersichtlich ist, dass das Gericht ungeachtet seiner Zweifel an der Zulässigkeit der Klage kein Prozessurteil erlassen, sondern eine Sachentscheidung getroffen hat ([X.] 16. Januar 2008 - [X.]/05 -). Dasselbe soll in den Fällen gelten, in denen das Gericht im Vorprozess ausnahmsweise eine Zulässigkeitsfrage dahinstehen lassen und eine Klage als „jedenfalls unbegründet“ abweisen darf ([X.]. dazu im Allgemeinen [X.]/[X.] aaO Vor § 253 Rn. 10; zur Prüfung des Feststellungsinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO [X.] 12. Februar 2003 - 10 [X.] 299/02 - zu [X.] der Gründe mwN, [X.]E 104, 324).

(2) Wird hingegen in einem Urteil die Zulässigkeit einer Klage ausdrücklich verneint und die Entscheidung tragend hierauf gestützt, sind die zusätzlichen Ausführungen zur Begründetheit als unverbindlich zu betrachten und so zu behandeln, als wären sie nicht vorhanden (vgl. [X.] 16. Januar 2008 - [X.]/05 - Rn. 14).

bb) Danach hat das [X.] die damaligen Anträge zu 3. und 4. tragend als unzulässig abgewiesen. Die Ausführungen zur Begründetheit sind daher insoweit unverbindlich.

(1) Hinsichtlich des den Zeitraum Januar bis Mai 2011 betreffenden Antrags zu 3. hat das Arbeitsgericht im Vorprozess ausgeführt, dieser sei - neben dem Antrag zu 6. - „mangels Bestimmtheit unzulässig“. Diese Aussage hat es zwar im [X.] zunächst auf die [X.] in den Anträgen zu 3. und 6. bezogen. Es hat jedoch sodann ausgeführt, die Klage sei - mangels besonderen Feststellungsinteresses - ebenfalls unzulässig, „soweit der Kläger seine Ansprüche im Übrigen im Wege von [X.]“ verfolge. Angesichts der namentlichen Nennung des Antrags zu 3. und der Verknüpfung „im Übrigen“ bezieht sich die Entscheidung über die Unzulässigkeit jedenfalls auch auf den im Antrag zu 3. - hilfsweise - enthaltenen Feststellungsantrag.

(2) Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Zulässigkeit der Feststellungsanträge beziehen sich überdies auch auf den Antrag zu 4., welcher den Zeitraum ab Juni 2011 betrifft. Hierfür spricht schon der Wortlaut der Urteilsbegründung.

(a) Das Arbeitsgericht beschränkt die Abweisung der Anträge als unzulässig nicht auf die Anträge zu 3. und 6. Vielmehr spricht es insoweit ohne jede Beschränkung von der „[Anspruchsverfolgung] im Wege von [X.]“. Unter diesen Wortlaut fällt auch der Antrag zu 4.

(b) Entgegen der Auffassung der Revision spricht auch der letzte Satz der Zulässigkeitsprüfung des Arbeitsgerichts nicht für, sondern vielmehr gegen eine Beschränkung der Ausführungen auf die in den Anträgen zu 3. und 6. enthaltenen Hilfsanträge. Dort führt das Arbeitsgericht aus, der Kläger müsse „in einem solchen Fall … dann fällige Ansprüche jeweils beziffern“. Dies trifft nicht nur auf die mit dem Antrag zu 3. geltend gemachten fälligen und bezifferbaren Ansprüche, sondern gleichermaßen auf die zukünftig („dann“) fällig werdenden Ansprüche zu, die mit dem Antrag zu 4. verfolgt wurden.

c) Der Anspruch ist nicht nach § 37 Abs. 1 [X.]/[X.] verfallen.

aa) Der Kläger hat jedenfalls mit seiner der Beklagten am 13. Januar 2011 zugestellten Klage eine dynamische Bezugnahme auf den [X.]/[X.] und die daraus folgende Pflicht der Beklagten zur Weitergabe von [X.] behauptet und seine Ansprüche für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2010 konkret beziffert. Damit hat er nach § 37 Abs. 1 Satz 2 [X.]/[X.] auch für die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten [X.] die Ausschlussfrist gewahrt.

bb) Die nachfolgende Rücknahme der Berufung in zweiter Instanz ändert daran nichts. § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.]/[X.] enthält lediglich eine Obliegenheit zur schriftlichen Geltendmachung. Ist diese - wie vorliegend - im Zuge einer Klageerhebung erfolgt, hat die spätere Klagerücknahme oder Berufungsrücknahme nach Unterliegen in erster Instanz auf die Wirksamkeit der Geltendmachung keine Auswirkungen ([X.] 20. April 2011 - 4 [X.] 368/09 - Rn. 64).

d) Die vom Kläger zuletzt geltend gemachten Ansprüche stehen ihm auch der Höhe nach zu. Insoweit hat die Beklagte in der Revision keine [X.] erhoben. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 24 Abs. 1 Satz 2 [X.]/[X.], § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

II[X.] Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Rupprecht    

        

    Schuldt    

                 

Meta

4 AZR 485/14

15.06.2016

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Chemnitz, 21. Januar 2013, Az: 11 Ca 2531/12, Urteil

§ 261 Abs 3 Nr 1 ZPO, § 269 Abs 1 ZPO, § 322 Abs 1 ZPO, § 516 Abs 1 ZPO, § 516 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.06.2016, Az. 4 AZR 485/14 (REWIS RS 2016, 9917)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1500 REWIS RS 2016, 9917

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

5 Sa 398/22

8 Sa 45/17

5 TaBV 13/16

B 2 U 142/20 B

13 Sa 460/16

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